Neben den sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtlichen Aspekten muss für Saisonarbeitskräfte auch eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Regelungen beachtet werden.
Grundsätzlich gilt, dass für Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland – egal aus welchem Land sie kommen – die gleichen arbeitsrechtlichen Regeln wie für inländische Arbeitnehmer gelten.
Mindestlohn – gilt er für alle?
So ist für alle Arbeitnehmer aus dem In- und Ausland als Untergrenze der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen. Er beträgt seit dem 1. Januar 2024 12,41 € brutto je Zeitarbeitsstunde. Die einzigen Arbeitnehmer, die keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, sind:
• Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung
• Praktikanten im Rahmen eines Praktikums mit bis zu drei Monaten Dauer zur beruflichen Orientierung vor einer Berufsausbildung oder vor Aufnahme eines Studiums
• Praktikanten im Pflichtpraktikum
• Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung, sofern sie zuvor langzeitarbeitslos waren
Bei Vereinbarung eines Akkordlohns ist arbeitgeberseitig darauf zu achten, dass unabhängig von der Leistung des Arbeitnehmers immer mindestens der Mindestlohn zur Auszahlung kommt.
Arbeitszeit – was ist erlaubt?
Auch wenn in der Saison mehr Arbeit da ist, heißt das nicht, dass von den Arbeitnehmern eine längere Arbeitszeit pro Tag verlangt werden darf. Grundsätzlich gilt nach dem Arbeitszeitgesetz eine Regelarbeitszeit von acht Stunden täglich. Sie darf auf zehn Stunden pro Tag erweitert werden, wenn es ausreichende Ausgleichszeiträume gibt, sodass der Arbeitnehmer im Halbjahresschnitt täglich bei durchschnittlich acht Stunden bleibt. Mehr ist möglich, indem Betriebe bei der Staatlichen Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse Nord eine zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigung beantragen. Mit dieser dürfen sie dann ihre Arbeitnehmer kalendertäglich zwölf Stunden bei einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden arbeiten lassen. Den entsprechenden Antrag und eine Musterbegründung erhalten Mitglieder des Bauernverbands in ihrer Kreisgeschäftsstelle.
Arbeit auf Abruf – was ist Phantomlohn?
Mit „Springern“, beispielsweise an Verkaufsständen, wird oft „Arbeit auf Abruf“ vereinbart, wenn zu Saisonbeginn noch nicht feststeht, wie viele Arbeitsstunden erforderlich sein werden. Trotzdem sollte eine voraussichtliche Wochenarbeitszeit festgelegt werden. Unterbleibt dies, gilt gesetzlich eine 20-Stunden-Woche als vereinbart, und die 20 Stunden sind auch dann zu vergüten, wenn zum Beispiel nur zehn Stunden gearbeitet wurden. Hinzu kommen noch Sozialversicherungsbeiträge auf diese nicht gearbeiteten Stunden („Phantomlohn“). Das kann teuer werden, zumal diese 20-Stunden-Fiktion auch bei Minijobbern greift und zur Folge haben kann, dass diese in die Sozialversicherungspflicht rutschen.
Urlaub – wie viel und für wen?
Alle in- und ausländischen Arbeitnehmer und auch kurzfristig Beschäftigte erwerben durch ihre Arbeit Anspruch auf Urlaub, sofern das Arbeitsverhältnis durchgehend mindestens einen Monat besteht. Bei einer Sechstagewoche beträgt der gesetzliche Urlaubsanspruch zwei Tage je voll gearbeitetem Monat. Bei kurzfristig Beschäftigten mit einer Beschäftigungsdauer von drei Monaten können also sechs Tage Urlaub zusammenkommen. Es ist eine Überlegung wert, bei der Befristung des Arbeitsvertrags nicht die vollen drei Monate der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung auszuschöpfen, sondern – je nach Arbeitsanfall – das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls auf zweieinhalb Monate zu beschränken, um den Urlaub auf fünf Tage zu begrenzen. Kann der Urlaub während des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden, ist er mit der Schlussabrechnung abzugelten, also zu vergüten.
Kontrollen: Was darf die „Faire Mobilität“?
Regelmäßig bekommen Saisonbetriebe Besuch von Vertretern der Initiative „Faire Mobilität“ auf ihren Feldern – typischerweise während der Betriebszeit, sodass die Arbeit durch Gespräche mit den Saisonarbeitskräften unterbrochen wird. „Faire Mobilität“ ist ein Beratungsnetzwerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes, das danach strebt, die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte aus Mittel- und Osteuropa in Deutschland zu verbessern und für sie faire Löhne durchzusetzen.
Ob das Betreten der Felder durch „Faire Mobilität“ von den Betrieben geduldet werden muss, ist nicht eindeutig geregelt. Für Gewerkschaften gilt, dass ihnen nach Unterrichtung des Arbeitgebers Zugang zum Betrieb zu gewähren ist, soweit dem nicht der Betriebsablauf oder Sicherheitsvorschriften entgegenstehen. Die Vertreter der „Fairen Mobilität“ sind keine Gewerkschaftler in diesem Sinne. Sie dürfen die Flächen daher nur betreten, wenn eine Gewerkschaft, zum Beispiel die IG Bau, sie mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragt hat, wovon im Zweifelsfall auszugehen ist. Zusätzlich muss
• mindestens ein Mitarbeiter des Betriebs Mitglied der IG BAU sein und
• der Arbeitgeber oder sein Vertreter, zum Beispiel der Schichtleiter, vorher informiert worden sein.
Der Arbeitgeber kann das Betreten der Flächen verbieten, wenn zu befürchten ist, dass es zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs führt, die für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Dies ist zum Beispiel gegeben, wenn während der Arbeitszeit Arbeitskräfte in Gespräche verwickelt und länger von der Arbeit abgehalten werden.
Falls, was der Regelfall ist, kein Mitarbeiter des Betriebs Gewerkschaftsmitglied ist, unterliegen die Vertreter der „Fairen Mobilität“ den Regeln, die allgemein für das Betreten landwirtschaftlicher Flächen in Schleswig-Holstein gelten: Sie dürfen die Flächen nicht betreten, sondern müssen auf den Wegen verbleiben. Im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern empfiehlt es sich, die Konfrontation zu vermeiden und stattdessen als Arbeitgeber das Gespräch mit der „Fairen Mobilität“ zu suchen – im Zweifel eher im Büro als auf der Fläche.
Arbeitsvertrag – ist das notwendig?
Vor Aufnahme der Tätigkeit empfiehlt es sich dringend, einen schriftlichen Arbeitsvertrag abzuschließen. Das Nachweisgesetz verlangt, dass alle wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festgehalten werden. Insbesondere ist die Befristung von Arbeitsverträgen nur schriftlich möglich. Das heißt: Jeder Vertrag mit einer Saisonarbeitskraft oder einem anderen Arbeitnehmer, der nur mündlich abgeschlossen wurde, ist automatisch ein unbefristeter Arbeitsvertrag, selbst wenn die Schriftform nachgeholt wird.
Es sind zwei Formen einer Befristung möglich: zum einen die kalendermäßige Befristung, also zum Beispiel „bis zum 30. Juni 2024“, und zum anderen die Sachgrundbefristung, zum Beispiel „für die Zeit der Spargelernte“. Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet, ohne dass es einer weiteren Kündigung bedarf, mit dem letzten vereinbarten Arbeitstag. Bei einer Zweckbefristung endet das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Zwecks, allerdings nur, wenn der Arbeitgeber zur Klarstellung zwei Wochen vor dem absehbaren Ende der Ernte den Arbeitnehmer über den Zeitpunkt der Zweckerreichung informiert.
Darüber hinaus ist eine ordentliche Kündigung vor dem eigentlichen Befristungsende nur möglich, wenn diese Möglichkeit ausdrücklich im Arbeitsvertrag festgehalten ist. Für Betriebe ist dieser Vorbehalt einer ordentlichen Kündigung besonders deswegen interessant, weil bei Arbeitsverträgen mit maximal dreimonatiger Dauer auch eine Kündigungsfrist von nur einem Tag vereinbart werden kann. Dadurch kann größtmögliche Flexibilität bewahrt werden.
Neben den allgemein erforderlichen Regelungsinhalten im Arbeitsvertrag ist für Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland zusätzlich noch der Hinweis aufzunehmen, dass sie sich in Deutschland bei den Beratern der Initiative „Faire Mobilität“ in ihrer jeweiligen Muttersprache beraten lassen können.
Arbeitsrecht und insbesondere Arbeitsverträge sind auch für Saisonarbeitskräfte deutlich komplexer geworden. Der Arbeitgeberverband der Land- und Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein (AGV) berät und erstellt individuelle und auch Rahmen-Arbeitsverträge.