Nach einem nassen und kühlen Herbst und einem ebenso nassen Winter sind viele Bestände schwach entwickelt und haben mit verschiedenen Problemen zu kämpfen. Um noch zu verhältnismäßig guten Erträgen und Qualitäten in der kommenden Ernte zu gelangen, muss jetzt möglichst alles stimmen.
Die Pflanzen müssen zeitig Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen, um die Basis für ihre Photosynthese, Entwicklung und das Wachstum legen zu können. Dies muss fast ausschließlich über die Wurzel erfolgen. Hier offenbaren sich allerdings Grenzen, da nässebedingt überwiegend ein schwaches Wurzelwerk vorzufinden ist. Gleichzeitig ist die Befahrbarkeit schwierig.
Weiterhin ist zu beachten, dass nur auf aufnahmefähigen Böden, die nicht wassergesättigt oder überstaut sind, eine Düngung erfolgen darf.
Grundsätzlich muss vor der ersten Düngemaßnahme, wie bereits in den vorausgegangenen Artikeln beschrieben, eine schriftliche Düngebedarfsermittlung für Stickstoff (N) und Phosphat (P) erfolgen (siehe Beispiele ausgewählter Kulturen; Tabelle 1). Dabei müssen für N die aktuellen Nmin-Werte Berücksichtigung finden. Es sollte bei einigen sehr schwachen und ungleichmäßigen Beständen hinterfragt werden, ob noch genug Potenzial vorhanden ist. Auch muss geklärt werden, ob ein Umbruch mit einer dann folgenden Neuansaat möglich und sinnvoll ist.
Mit ordentlichem Augenmaß vorgehen
Für schwache, aber gleichmäßige Bestände (geringe Pflanzenzahl, schwache Bestockung), die entsprechend erhaltenswert sind, kommt es nun auf die zeitnahe Versorgung mit Nährstoffen an. Ziel ist es, eine weitere Bestockung positiv zu begleiten und damit ausreichende Ertragsanlagen zu generieren.
Da Saatgut von möglichen alternativen Frühjahrskulturen aber teilweise schwer verfügbar sein dürfte, ist es wahrscheinlich, dass auch viele schwache Bestände erhalten werden müssen. Hier gilt es, bei der Düngung Augenmaß zu behalten und nur dort deutlich zu fördern, wo ein ausreichendes Restpotenzial für Ertrag der Pflanzen vorhanden ist. Dementsprechend ist es nicht zielführend, in sehr schwachen Teilbereichen des Bestandes oder dort, wo annähernd kein Pflanzenbestand mehr vorhanden ist, eine Düngung durchzuführen.
Start schwacher Bestände absichern
Grundsätzlich ist es zulässig, zu Vegetationsbeginn sehr schwach entwickelte Bestände mit einem N-Düngeaufschlag zu versehen. In schwachen Beständen mit ein bis zwei Trieben können für Winterweizen, Wintertriticale und Winterroggen bis zu 10 kg N/ha Zuschlag zum ermittelten Düngebedarfswert gegeben werden, bei Wintergerste bis zu 15 kg/ha. Vorsicht ist allerdings in Roten Gebieten geboten, da hier der nach Düngebedarfsermittlung ermittelte Gesamt-N-Bedarf je Betrieb nicht überschritten werden darf und damit Aufschläge zur einen Kultur bei der anderen abgezogen werden müssen.
Grundsätzlich wichtig ist die schlaggerechte Beurteilung des Bestandes hinsichtlich der Pflanzenzahl je Quadratmeter, der Triebzahl pro Pflanze und des Gesamtzustandes. Hierzu ist ein Nachweisprotokoll für den N-Düngeaufschlag zwingend zu nutzen, welches auch die notwendigen Erläuterungen enthält und auf der Homepage der LKSH abrufbar ist: https://t1p.de/fvfzu
Begleitend hierzu müssen repräsentative Fotos für jeden Schlag beziehungsweise jede Bewirtschaftungseinheit gemacht und mit dem Protokoll dokumentiert werden.
Gut entwickelte Bestände normal führen
In der Praxis sind neben den kritischen, später gesäten und schwachen Beständen auch viele gut entwickelte und bislang ohne wesentliche Schäden durch den Winter gekommene Bestände zu finden, gerade von Wintergerste und auch früh bestelltem Winterweizen. Hier kann von einer normalen, teils auch überdurchschnittlichen Entwicklung ausgegangen werden. Da jedoch insgesamt die Nmin-Werte im Land auf einem niedrigen Niveau liegen (siehe Nitratmessdienst, Teil 1 im Bauernblatt, Ausgabe 6), sollte auch hier nicht zu sehr die Startgabe reduziert werden.
Da auch die verfügbaren Schwefelgehalte des Oberbodens (Smin) niederschlagsbedingt niedrig ausfallen (siehe Nitratmessdienst, Teil 1), muss zur ersten Stickstoffgabe auch die Schwefelversorgung durch eine Gabe von 20 bis 30 kg S/ha sichergestellt werden. Dies kann durch die Gabe eines Stickstoff-Schwefel-Düngers (ASS oder SSA) als geteilte erste N-Gabe (siehe Tabelle 1) erfolgen oder separat durch Kieserit oder mit einem schwefelhaltigen N-Dünger. Aufgrund der schwachen Bestände, die nässebedingt ein teils sehr schwaches Wurzelwerk aufweisen, sollten nitrathaltige Dünger bevorzugt werden, insbesondere wenn durch eine späte Befahrbarkeit der erste Düngetermin nach hinten rückt und weiterhin kalte Böden vorherrschen.
Beispiele für eine mögliche Düngerwahl sowie die Gabenaufteilung bei relativ normal entwickelten Beständen (angepasst an die ermittelten N-Düngebedarfswerte aus Tabelle 1) sind in der Tabelle 2 dargestellt.
Gülle und Gärreste nutzen, wenn möglich
Gerade in den zurückliegenden beiden Jahren mit einer Phase hoher Preise für mineralische Düngemittel waren zeitweilig Mehrnährstoffdünger wie Gülle oder Gärrest in Ackerbaubetrieben stark nachgefragt. Mit wieder niedrigeren Preisen und ebenso gesunkenen Markterlösen für Getreide bleibt Gülle bei günstiger Verfügbarkeit weiterhin attraktiv.
Jedoch stellt die bedarfsangepasste Versorgung hohe Ansprüche an den Zeitpunkt des Einsatzes. Frühe Termine sind nötig, um einerseits geringere gasförmige Verluste (Ammoniak) und andererseits einen hohen Ausnutzungsgrad der organisch gebundenen Nährstoffe zu erlangen. Dies ist jedoch an eine frühe Befahrbarkeit der Flächen gebunden. Dies dürfte in diesem Jahr aufgrund der feuchten und wenig tragfähigen Böden und immer wieder neuen Niederschläge sehr schwierig sein. Bei Nachtfrösten und tagsüber auftauenden Böden darf laut Düngeverordnung keine Aufbringung von N- und P-haltigen Düngemitteln erfolgen.
Nährstoffeffizienz und -verfügbarkeit optimieren
Begleitend zu einer optimalen und bedarfsgerechten N-Versorgung muss neben der abzusichernden Schwefelversorgung auch die Versorgung mit Grundnährstoffen sichergestellt sein. Eine gute Bodenstruktur und ein pH-Wert im optimalen Bereich erhalten den Nährstoffkreislauf des Bodens und die Nährstoffverfügbarkeit für die Pflanzen.
Nährstoffe wie Kalium sind im Boden verlagerungsgefährdet. Entsprechend sollte Kalium zu Vegetationsbeginn zumindest anteilig am Pflanzenbedarf frisch appliziert werden. Weiterhin sollte gerade bei Wintergerste und bei den anderen Wintergetreiden die Mikronährstoffversorgung mittels einer flüssigen Blattapplikation abgesichert werden.
Produktionsziel proteinstarker Weizen
In der zurückliegenden Saison waren in der Vermarktung qualitätsstarke Weizenpartien mit einem Preisaufschlag versehen, was jedoch gute Fallzahlen voraussetzte.
Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem der Ertrag im Fokus stand, schien zuletzt wieder ein deutlicherer Trend hin zu proteinstarken Partien zu bestehen. Dabei spielt die Sortenwahl eine entscheidende Rolle, aber auch das Düngeregime. Neben dem Umstand, dass gerade die früher regelmäßig praktizierte N-Spätgabe (vierte Gabe) wenig effizient und mit begrenzten N-Mengen aus der Düngebedarfsermittlung nicht vereinbar ist, stellen die immer häufiger stark ausgeprägten Trockenphasen in der Vegetation eine große Herausforderung dar.
Oftmals ist dann bereits bei der Applikation der dritten N-Gabe eine erhebliche Bodentrockenheit vorhanden, sodass die Ausbringung zum eigentlichen Termin erheblich an Wirkung einbüßen kann. Grundsätzlich ist es daher zielführend, die Anschlussgaben unter noch feuchten Bodenbedingungen vorzuziehen. Allerdings verliert sich dabei ein Teil der Lenkungswirkung in der Bestandsführung über die N-Düngung. Entsprechend kann es sein, dass so eher in Richtung Ertrag als auf Qualität gedüngt wird, dabei aber der Stickstoff insgesamt besser ausgenutzt wird.
Eine weitere Möglichkeit für Gaben zum Schossen oder dem Ährenschieben kann die Nutzung stabilisierter N-Formen sein, die durch frühzeitigen Einsatz eine Verfügbarkeit sicherstellen, aber durch verzögerte N-Bereitstellung optimalerweise in der Kornfüllungsphase den Proteingehalt anheben können.
Fazit
Wo gut entwickelte und starke Wintergetreidebestände stehen, kann in diesem nassen Jahr wie in normalen Jahren mit einer startbetonten Düngergabe in die Saison gestartet werden. Wo aber besonders schwache Bestände vorzufinden sind, muss zunächst ihr Potenzial abgeschätzt und dann bei ausreichender Pflanzenzahl gegebenenfalls stärker angedüngt werden. Dennoch ist hier bereits ein Teil des Ertragspotenzials verloren gegangen. Neben dem Wachstumsstadium sind zur richtigen Terminierung der Düngemaßnahmen eine ausreichende Bodenfeuchte und die Wettervorhersage im Blick zu halten.