StartNachrichtenAgrarpolitikNeue GAP, neue Regeln und ein blauer Brief aus Brüssel

Neue GAP, neue Regeln und ein blauer Brief aus Brüssel

Kommentar zum Observation Letter der EU-Kommission
Von Mechthilde Becker-Weigel
Bevor mit der neuen GAP frischer Wind in die Landwirtschaft weht, sind nach Ansicht der EU-Kommission noch einige Hausaufgaben zu machen. Foto: Imago

In Verhandlungen für die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 startete die EU-Kommission, beziehungsweise die Agrarkommission, mit einem Novum. Es sollte auf jeden einzelnen EU-Mitgliedstaat mehr Verantwortung  für die Gestaltung der Maßnahmen zur Erreichung der gemeinsamen Ziele übertragen werden. Dafür mussten die Mitgliedstaaten erstmals einen nationalen Strategieplan für die Erste und die Zweite Säule der GAP entwickeln. Darin sollte jedes Mitgliedsland seine Förderschwerpunkte im Interesse des Umwelt- und Klimaschutzes sowie einer krisenfesten Landwirtschaft beschreiben. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hat seine Hausaufgaben gemacht, aber etwas länger gebraucht und seinen Entwurf erst am 21. Februar 2022 bei der EU-Kommission eingereicht. Zwei Monate nach dem vereinbarten Termin.

Nach Cross-Compliance und Greening ist mit der neuen GAP die Zeit der Eco-Schemes angebrochen. Die EU-Kommission hatte angekündigt, alle Strategiepläne einzeln zu bewerten. Als Erste erhielten Österreich, Frankreich, Italien, Schweden und Finnland ihre Beobachtungsschreiben. Darin hat die EU-Kommission vor allem konkrete Zielvorgaben für die Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie von Antibiotika – so wie es die Vorschläge zum Green Deal vorsehen – moniert.

Am 20. Mai bekam auch das BMEL Post aus Brüssel. Das erwartete Beobachtungsschreiben glich allerdings eher einem blauen Brief. Die Kommission sieht Lücken beim Gewässerschutz und der Verminderung von Emissionen aus der Tierhaltung. Deutschland wird aufgefordert, die einschlägigen Elemente des Strategieplans zu stärken. Auch die Reinhaltung der Luft wurde moniert und die Reduktionspflichten für Ammoniakemissionen angemahnt. Die EU-Kommission fürchtet, dass Deutschland die Verminderungsziele für die Treibhausgase Me­than und Kohlendioxid nicht erreichen wird, zumindest dann nicht, wenn die LULUCF-Verordnung, wie bereits geplant, verschärft wird. Zufrieden zeigte sich die EU-Kommission, dass der Ökolandbau bis 2030 auf einen Flächenanteil von 30 % ausgedehnt werden soll. Doch auch hier fehlen der Kommission Angaben, wie das ehrgeizige Ziel erreichten werden soll. 

Das BMEL hat die Deutungshoheit sofort an sich gerissen. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) twitterte von konstruktiven Anmerkungen und Rückenwind für seine Politik und verpasste es nicht, auf die Versäumnisse der Vorgängerregierung hinzuweisen. Die Umweltverbände witterten auch sogleich Morgenluft und sprachen davon, durch eine Überarbeitung des Strategieplans einen echten Kurswechsel bei der EU-Agrarförderung im Sinne des Natur- und Klimaschutzes einleiten zu wollen. 

Für die Landwirte wird es wahrscheinlich so aussehen, dass der blaue Brief zwar an das Ministerium ging, die Konsequenzen aber bei ihnen abgeladen werden. Dabei hatten viele Landwirte ebenfalls einen blauen Brief in der Tasche, der handelte von der Konditionalität (Glöz-Standards) und einer praktikableren Umsetzung sowie von einem wirtschaftlich attraktiven Rahmen für die Ökoregelungen. Denn die Prämien liegen oft unterhalb der Agrarumweltprogramme. Themen sind dazu noch der Ausschluss von Ökolandbaubetrieben von zahlreichen Fördermaßnahmen oder ganz einfach der Bürokratieabbau.

Mechthilde Becker-Weigel, Foto: bb
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