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Die GAP-Reform bringt Veränderungen mit sich

Prozessberatung der Kammer möchte unterstützen
Von Jörg Fieseler, Landwirtschaftskammer SH
Veränderungsprozesse erlebt jeder Mensch im Leben. Sie planvoll zu durchlaufen, kann man lernen. Die Prozessberatung kann hier helfen. Foto: Pixabay

Die GAP-Reform bringt Veränderungen, auf die sich die Betriebe einstellen müssen. Anfangs stehen politisch gewünschte neue Regeln den Interessen der Landwirte gegenüber. Nach einem Prozess des Aushandelns der neuen Regeln beginnt die Phase der Umsetzung und Veränderung. Das Team der Prozessberaterinnen und -berater der Landwirtschaftskammer unterstützt die Veränderungsprozesse.

In der Prozessberatung stehen nicht die fachlichen Komponenten alleine im Fokus, vielmehr wird die Aufmerksamkeit auch darauf gelenkt, was die Veränderung mit den Menschen macht und wie diese für sich den Veränderungsprozess gut gestalten können. Jede Veränderung hat ihre eigene Dynamik und wird von den Betroffenen unterschiedlich empfunden. Jeder Mensch nimmt seine eigene Kompetenz, wie mit der Veränderung umzugehen ist, unterschiedlich wahr.

Veränderungen durchlaufen immer sieben Phasen (siehe Abbildung). Es gilt, neben den fachlichen Aspekten diese Phasen im Blick zu haben. Jeder Mensch ist unterschiedlich und empfindet unterschiedliche Hürden bei der Umsetzung zum Beispiel der neuen GAP-Regeln. Hier kann die Prozessberatung der Landwirtschaftskammer helfen, diese Hürden gut zu meistern. Ein Blick auf die einzelnen Phasen:

Phase 1: Die Ankündigung von neuen Regeln führt innerlich zu einem Schock.

Gewohnheiten, sich wiederholende Abläufe bedeuten Sicherheit. Diese empfindet der Mensch prinzipiell als gut. Was passiert also in der Schockphase? Ist diese verbunden mit einem Eingriff von außen (zum Beispiel durch neue, politisch gewollte gesellschaftliche Regelungen) in die eigene Tätigkeit und Verantwortung – zum Beispiel für eine gute Betriebsführung, die Sicherung des Einkommens und die Einhaltung von guten fachlichen Standards –, kann das als Übergriff empfunden werden. Bei dem einen führt dies zu Wut, bei dem anderen zu Trauer. Auch damit gilt es umzugehen. Generell wird die Phase so wahrgenommen, dass die eigene Kompetenz „herabfällt“.

Phase 2 ist gekennzeichnet von Ablehnung.

„So, wie die sich das vorstellen, das geht doch gar nicht!“, wäre eine Beschreibung für diese Phase. Auch hier spielen unbewusst Sicherheit und Gewohnheit eine Rolle. Man kann aber davon ausgehen, dass sich die anderen sehr wohl überlegt haben, warum Veränderungen wichtig und notwendig seien. Wenn ich still oder laut die Veränderung ablehne, gewinne ich Sicherheit und fühle mich kompetenter. Der Ungewissheit, ob ich unter den neuen Umständen den Betrieb auch zukünftig erfolgreich führen kann, wird etwas entgegengesetzt, nämlich Ablehnung („Das mache ich nicht.“). Gerade wenn auf dem Betrieb ein großer Druck herrscht, können Veränderungen zu einem Gefühl von Unsicherheit führen und als Reaktion zu Ablehnung. Man sollte sich an dieser Stelle über Folgendes bewusst werden:

Jeder soll für sich erkennen, dass erste Ablehnung normal und wichtig ist.
• Aber man erinnert sich auch, dass man im Leben schon so manche Schwierigkeit gemeistert hat, allein oder mit Hilfe anderer. Auch Veränderungen sind normal.
• Eine Verfestigung der Ablehnung kann zu Starrheit oder Sturheit führen. Es gibt wohl keinen Unternehmer, der dadurch erfolgreich war.
• Lebenslanges Lernen als Schlagwort bedeutet nicht nur, sich neue fachliche Erkenntnisse anzueignen, sondern auch die Persönlichkeit im Rahmen seines eigenen Lernprogramms weiterzuentwickeln. Auch dabei kann die Prozessberatung helfen.

Phase 3: Dann kommt die rationale Einsicht.

Schließlich ist man an dem Punkt, an dem eine Veränderung im Raum steht, zum Beispiel die Winterbegrünung, die bisher abgelehnt wird, in der aber auch eine rationale Einsicht entsteht, dass das ja auch sinnvoll sein könnte.

In dieser Phase sinkt die wahrgenommene eigene Kompetenz wieder, und das wird auch spürbar. „Wie soll ich das schaffen?“, wird eine innere, zweifelnde Stimme fragen. Jetzt streiten sich vielleicht drei innere Stimmen darum, wie es weitergehen soll. Die ablehnende Stimme sagt: „Ich mache weiter wie bisher!“ Die zweifelnde Stimme hält dagegen: „Das geht nicht gut, du kommst in Teufels Küche!“ Und die rationale Stimme sagt: „Die neue Regel ist doch ganz gut, da kannst du doch auch mitmachen.“ Wer setzt sich durch? Im Verlauf dieses innerlichen Aushandlungsprozesses sinkt die gefühlte Kompetenz, es zu schaffen, womöglich weiter.

Phase 4: Der entscheidende Punkt ist emotionale Akzeptanz.

Jetzt kommt man im Rahmen des Veränderungsprozesses zum entscheidenden Punkt: Kann man die Veränderung für sich emotional akzeptieren? Die Betonung liegt hier auf emotional. Fachlich-rational ist sie oft schon akzeptiert. Denn welche innere Stimme gewinnt, bestimmen unser Verhalten und unsere Entscheidungen in Bezug auf die notwendigen Veränderungen. Akzeptiere ich sie und fange an zu lernen, was notwendig ist, oder lehne ich sie ab? Je nachdem, wie man sich entscheidet, wird der Betrieb in fünf Jahren dastehen.

An dieser Stelle gilt es, Mut zu machen, die Veränderungen, die sich nicht vermeiden lassen, anzugehen. Dabei kann man sich folgende zwei Leitsätze bewusst vor Augen führen:

• Ein neues System, eine neue Regel (wenn sie dann gilt), hat immer Vorrang vor dem alten System, der alten Regel.
• Ein Gesamtsystem, eine Regel für alle, hat immer Vorrang vor der Einzelperson, der Regel des Einzelnen.

Betroffenen, die sich in Veränderungsprozessen befinden, wird geraten, sich nach der Trauer- oder Wutphase früh zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Warum? Weil es die Phase des Lernens verlängert, weil es innere Klarheit bringt (die inneren Stimmen werden still). Mit Herausforderungen abzuschließen, macht das Leben ruhiger.

Im Übergang von der emotionalen Akzeptanz zur Lernphase kann Beratung sehr hilfreich sein. Hat man sich entschlossen, die notwendige Veränderung anzunehmen, gibt es viele Fragen. Lernen heißt, Neues auszuprobieren und zu reflektieren: Was war gut, was nicht? Auch Fehler zu machen und daraus zu lernen gehört zum Veränderungsprozess.

Phase 5: Lernen und die Belohnung für die Mühe

Manchmal muss der Mensch über seinen eigenen Schatten springen und neue Dinge angehen. In der Lernphase gelingen die Dinge, wenn man sie richtig macht, und somit wird die eigene wahrgenommene Kompetenz wieder steigen. Zwei Winter mit Winterbegrünung, und es klappt. Was gibt es Besseres, was motiviert mehr, als das zu spüren? Das ist die Belohnung.

Es ist also auch wichtig, sich an dieser Stelle die beiden gangbaren Wege bewusst zu machen: Geht man den Weg der Ablehnung und stellt sich nicht auf Neues ein, kommt man aus dem inneren Kampf der Stimmen nicht heraus. Auch erlebt man das Gefühl gesteigerter Kompetenz nicht. Das fördert nicht unbedingt das eigene Selbstvertrauen.

Geht man dagegen den Weg und sagt Ja zur Veränderung, nimmt Kraft und Energie dafür auf, wird sich aller Voraussicht nach Erfolg einstellen. Wenn man es geschafft hat, wird ein Hochgefühl aufkommen und damit ein Preis, der auf lange Sicht sehr viel höher zu bewerten ist als die kurzfristige Sicherheit für ein bis zwei Jahre.

Phasen 6 und 7 bestimmen über den Erfolg.

Es kommen noch zwei Phasen, deren Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. Einmal die Phase der Erkenntnis (Phase 6). In dieser sind die veränderte Situation und die gute Handhabung zu spüren, man gewöhnt sich an neue Abläufe. Man gewinnt die Erkenntnis, mehr erreichen zu können als man sich je zugetraut hätte. Das Selbstvertrauen steigt, aber auch die Resilienz gegenüber Nackenschlägen (abrupten, plötzlichen Veränderungen).

Dem folgt die Phase der Integration (Phase 7), in der die neuen Abläufe und Verhaltensweisen zur Normalität und Gewohnheit geworden sind. Hier sind die eigene Kompetenz und damit auch der gefühlte Selbstwert höher als vor der Veränderung. Es stellt sich neue Sicherheit ein.

Unternehmer fordern vielfach mehr Wertschätzung und Respekt. Man könnte vielleicht behaupten, mit der erfolgreichen Bewältigung von Veränderungsprozessen gewähren Unternehmer sich selbst mehr eigene Wertschätzung und Respekt. Außenstehende sollten sich aber vor Augen führen, welch ungemeiner Kraftanstrengung solche Prozesse bedürfen. Gewohnheiten und Sicherheit aufzugeben ist schwer. Diese Leistung gilt es von außenstehender Seite entsprechend zu würdigen.

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