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Zum Frühjahr die Infrastruktur schaffen

Rinder aktuell: Einstieg in die Weidehaltung
Von Jan-Hinnerk Templin, Landwirtschaftskammer SH
Bei der Weidehaltung können leichtere Rassen wie Jersey im Vergleich zu den größeren Holsteins von Vorteil sein, besonders in Bezug auf Trittschäden. Foto: Jan-Hinnerk Templin

Die Weidesaison 2023 ist so gut wie abgeschlossen. Wer über ­einen Neueinstieg in die Weidehaltung nachdenkt, hat nun die Möglichkeit, bis zum Frühjahr die nötige Infrastruktur zu schaffen.

Die Weidehaltung kann eine interessante Form der Tierhaltung darstellen. Weidemilchprogramme bieten finanzielle Anreize, die Milchkühe im Sommerhalbjahr zumindest für eine vorgegebene Stundenzahl auf die Wiese zu lassen. Auch bei der Umstellung auf Ökolandbau ist die Haltung der Kühe auf der Weide Pflicht. Zusätzlich wird von den Verbrauchern gewünscht, dass Rinder vermehrt auf der Weide gehalten werden. Jedoch fehlt vielen Milcherzeugern die Erfahrung, da teilweise schon seit Jahrzehnten nicht mehr geweidet wurde. Bei einer professionellen Weideführung können die Kühe dennoch adäquat versorgt sowie Arbeit und Futterkosten eingespart werden.

Grundvoraussetzung für den Einstieg in die Weidehaltung ist die Verfügbarkeit von arrondierten Weideflächen rund um den Betriebsstandort. Die verfügbare Weidefläche entscheidet darüber, ob eine Voll- oder Teilweide etabliert wird beziehungsweise ob zugefüttert werden muss. Bei einem Vollweidesystem sollte mit 1 ha Weide für drei Kühe gerechnet werden. Diese Zahl gilt für das Mittel der gesamten Vegetationsperiode, die Graserträge schwanken jedoch im Vegetationsverlauf. Grundsätzlich gilt für großrahmige Milchkühe unter Vollweidebedingungen eine Trockenmasseaufnahme von 18 bis 20 kg am Tag. Im Frühjahr lassen sich je nach Witterung und Intensität der Düngung Aufwüchse von 70 bis 100 kg TM am Tag realisieren, zum Herbst geht dieser Wert auf unter 40 kg TM am Tag zurück. Die Besatzdichte pro Hektar ist also über das Jahr anzupassen.

Wichtige Vorarbeiten für Weidehaltung

Die Weidehaltung gilt als wenig arbeitsintensiv, da das Füttern und die Boxenpflege wegfallen. Damit das auch tatsächlich zutrifft, gilt es, Vorarbeit zu leisten. Zunächst müssen die Flächen hütesicher eingezäunt werden. Um den Ansprüchen von Versicherungen gerecht zu werden, sollten die Zäune nach der Richtlinie VDE 0131 errichtet werden. So ist es zum Beispiel nicht zulässig, Stacheldrähte unter Strom zu setzen.

Zusätzlich sind befestigte Treibwege für die Zeitersparnis essenziell, um die Herde zügig von der Weide zum Melken zu holen. Haupttreibe­wege sollten etwa 4 m breit sein, damit drei Kühe nebeneinanderlaufen können. Auch die Wasserversorgung ist vorab einzurichten. Ein regelmäßiges Befüllen von Wasserwagen nimmt Arbeitszeit in Anspruch, das Wasser aus Gräben ist hygienisch nicht einwandfrei und daher nicht zu nutzen. Daher empfiehlt es sich, Wasserleitungen zu verlegen. Um möglichst vielen Tieren zeitgleich die Wasseraufnahme zu ermöglichen, sollte die Tränke von allen Seiten zugänglich sein. Die Wege dahin sollten nicht zu weit sein, um ein regelmäßiges Aufsuchen der Wasserstellen zu gewährleisten. Etwa alle 300 m sollte eine Tränke erreichbar sein.

Es ist wichtig, die Rinder auf der Weide vor negativen Witterungseinflüssen zu schützen. Besonders leiden Milchkühe im Sommer unter Hitzestress. Sie sollten daher die Möglichkeit haben, schattige Plätze aufzusuchen. Bäume oder Unterstände können hier Abhilfe schaffen. Auch vor Regen und Wind im Herbst bieten diese Schutz. Jedoch sollte darauf geachtet werden, dass alle Tiere ausreichend geschützt sind und die Plätze nicht zu einer umkämpften Ressource werden. An heißen Sommertagen kann es daher sinnvoll sein, die Tiere am Tag im Stall kühl zu halten und nur über Nacht auf die Weide zu schicken.

Es sollte darauf geachtet werden, dass ausreichend Schattenplätze für alle Tiere vorhanden sind. Foto: Dr. Uwe Scheper

Kurzrasen- und Umtriebsweide

Um eine maximale Milchmenge aus dem Weidegras schöpfen zu können, müssen eine hohe Verdaulichkeit und ein Energiegehalt von 6,5 bis 7 MJ NEL/kg TM gewährleistet werden. Dies ist bei einer Aufwuchshöhe von 5 bis 8 cm gegeben. Besonders gut lässt sich diese mit der Kurzrasenweide und der Umtriebsweide erreichen. Die Kurzrasenweide ist eine Standweide. Die Herde befindet sich stets auf der gleichen Fläche, deren Größe so angepasst ist, dass die gewünschte Aufwuchshöhe konstant gegeben ist. Da das Graswachstum im Laufe der Vegetationsperiode stetig abnimmt, muss die Fläche regelmäßig vergrößert werden, zum Beispiel nach den Schnittnutzungen anderer Teilflächen.

Bei der Umtriebsweide werden verschiedene Parzellen angelegt. Hat der Grasbestand die gewünschte Höhe erreicht, wird die Herde auf diese Weide getrieben und verweilt dort, bis der Aufwuchs auf etwa 4 cm abgefressen ist. Dann wird auf die nächste Parzelle gewechselt. Wächst das Gras auf einer Parzelle über 8 cm hinaus, wird es zur Schnittnutzung verwendet. Der Umtriebsrhythmus ist von der Parzellengröße abhängig, auf kleinen Parzellen weidet die Herde nur zwölf Stunden, auf größeren vier Tage.

Qualität der Grasnarbe

Ein weiterer Aspekt ist die Qualität der Grasnarbe. Grasbestände, welche jahrelang ausschließlich für die Schnittnutzung verwendet wurden, eignen sich nur bedingt für die Beweidung. Die Gräser auf Mähweiden bestehen zum Großteil aus horstbildenden Arten, welche keine allzu dichte Grasnarbe bilden. Für die Beweidung sind besonders Wiesenrispe, Deutsches Weidelgras und Weißklee geeignet.

Damit sich eine dichte und stabile Grasnarbe entwickelt, sollte bereits zu Beginn der Vegetationsperiode eine Beweidung aller Flächen für zumindest einige Stunden pro Tag erfolgen. Der frühe Verbiss und der Tritt der Tiere regen die Pflanzen rechtzeitig zur Bestockung an. Allerdings entstehen durch den Tritt dort Schäden, wo die Grasnarbe noch nicht fest genug ist. An diesen Stellen würden sich Ampfer oder Gemeine Rispe ansiedeln. Daher gilt es, nach dieser Vorweide eine Nachsaat durchzuführen. Zusätzlich ist die Weidepflege wichtig zur Erhaltung der Grasnarbe. Regelmäßiges Mulchen der Geilstellen und Düngemaßnahmen sind nötig, um eine gute Weidequalität zu erhalten.

Kühe draußen eingewöhnen

Bevor die Kühe auf die Weide gelassen werden, sollte man ihnen Zeit zur Umgewöhnung lassen. Besonders für Herden, die noch nie Weidegang hatten, ist eine Anlernweide einzurichten. Dafür wird eine kleine Fläche mit einer gut sichtbaren, stabilen Begrenzung wie Leitplanken oder Holzbohlen eingefriedet. Zusätzlich wird an der Innenseite dieses Zaunes ein Elektrozaun errichtet, an den die Kühe sich gewöhnen sollen. Junge Tiere verstehen das Prinzip des Elektrozaunes oft innerhalb kurzer Zeit, alte Kühe benötigen mehr Zeit dafür.

Auch Umweltreize wie Sonne, Schatten, Wind und Regen können für Kühe aus Stallhaltung beunruhigend wirken. Ein Laufhof am Stall sorgt für einen fließenden Einstieg in die Weidehaltung. Auch das Grasen muss noch gelernt werden. Daher sollten die Kühe zunächst nur für wenige Stunden pro Tag auf die Weide. Auf diese Weise gewöhnt sich der Pansen an das leicht verdauliche Gras, und die Kuh lernt zu grasen. Nach drei bis vier Wochen mit stetiger Verlängerung der Weidedauer können die Kühe auf die Vollweidehaltung umgestellt werden.

Bei einer Halbtagsweide sollten die Kühe so im Stall gefüttert werden, dass das Futter zur nächsten Melkzeit aufgefressen ist. So gehen die Kühe nach dem Melken mit Appetit auf die Weide. In den Sommermonaten sollte der Weidegang nachts erfolgen, um Hitzestress vorzubeugen. Zusätzlich ist die Fütterung im Stall an die Zucker- und Eiweißgehalte des Weidegrases anzupassen.

Hochleistungskühe auf der Weide auszufüttern ist ein schwieriges Unterfangen. Um ihren Ansprüchen gerecht zu werden, sollte über die Einführung einer saisonalen Abkalbung nachgedacht werden. Kalbt der Großteil der Herde im Herbst und Winter, können die Tiere in den ersten Laktationsmonaten leistungsgerecht im Stall gefüttert werden. Zum Beginn der Weidesaison könnten die Kühe dann auch mit Weidegras ausreichend versorgt werden.

Eine weitere Überlegung sollte die Anpassung der Genetik sein. Soll die Weidehaltung langfristig etabliert werden, ist es sinnvoll, auf mittelrahmige Tiere mit guten Fundamenten zu setzen. Hier sind Angler, Jerseys oder verschiedene Kreuzungstiere (Kiwi-Cross) den Holstein-Friesians überlegen.

Fazit

Wer mit dem Gedanken spielt, neu mit der Weidehaltung zu beginnen, sollte zunächst prüfen, ob dieses System für den Betrieb eine sinnvolle Haltungsform darstellt. Auch sollte vorab überlegt werden, was für ein Weidesystem zu den betrieblichen Abläufen passen könnte. Außerdem muss der Aufwand für die Errichtung von Zäunen, Tränken und Treibwegen berücksichtigt werden. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es langfristig sicherlich sinnvoll, eine Blockabkalbung einzuführen und so den Bedarf der Tiere an die Aufwüchse anzupassen. Ein solides Konzept ist für die Vollweidehaltung von Milchkühen jedoch zwingend notwendig, um in diesem System erfolgreich Fuß zu fassen.

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