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Zeitenwende in der Milchproduktion

Rinder aktuell: DLG-Forum Spitzenbetriebe Milcherzeugung in Hessen
Von Hannah Lehrke, Landwirtschaftskammer SH
Schwarzbunte Holstein-Kühe bleiben auch in der Gruppe der DLG-Spitzenbetriebe die dominierende Rasse der Milchviehhaltung. Bei der Tagung in Hohenroda wurden sowohl die ökonomischen als auch die produktionstechnischen Kennzahlen ausgewertet. Foto: Hannah Lehrke

Pünktlich zum 20-jährigen Bestehen konnte die Tagung der DLG- Spitzenbetriebe im Hotelpark Hohenroda in Hessen stattfinden. Am 1. und 2. März trafen sich die Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet zum fachlichen Austausch. Die Veranstaltung stand unter der Überschrift „Zeitenwende in der Milchproduktion“ und war mit rund 260 Landwirten und Beratern ausgebucht.

Neben verschiedenen Podiumsvorträgen konnten insgesamt sieben Arbeitskreise von den Teilnehmern besucht werden. Dabei blieb den Anwesenden auch genügend Zeit für den fachlichen Austausch mit den Berufskollegen.

Die Hessenhalle in Hohenroda war für die Tagung voll besetzt. Landwirte und Berater verfolgten gleichermaßen das abwechslungsreiche Vortragsprogramm. Foto: DLG

Ergebnisse erstmalig netto ausgewiesen

Dr. Stefan Weber von der LMS Agrarberatung GmbH aus Rostock präsentierte bereits zum siebten Mal die Ergebnisse der Vollkostenauswertung der 241 ausgewählten Betriebe. 39 der Betriebszweigauswertungen (BZA) kamen aus Schleswig-Holstein. Erstmalig wurden dabei die BZA netto ausgewiesen, da 69,2 % der Betriebe als Optierer gebucht waren. Der finanzielle Unterschied zwischen den beiden Systemen liegt bei 1,2 ct/kg ECM zugunsten der Pauschalierer.

Gleichzeitig bleibt das abgelaufene Wirtschaftsjahr das bisher erfolgreichste seit der Auswertung der Spitzenbetriebe. 82 % der Betriebe konnten ein positives kalkulatorisches Betriebszweigergebnis verbuchen, alle Betriebe erreichten einen positiven Gewinnbeitrag.

Grundlage des erfolgreichen Jahres waren die hohen Auszahlungspreise im ersten Halbjahr 2022 (durchschnittlich 46,82 ct/kg ECM), dadurch erhöht sich die Summe der Leistungen auf 47,21 ct/kg ECM (+ 9,49 ct/kg ECM). Gleichzeitig stiegen aber auch die Produktionskosten um 4,53 ct/kg ECM an und lagen bei 43,34 ct/kg ECM. Besonders erfolgreich waren daher Betriebe, die über ausreichende Futterreserven und Grundfutter in sehr guter Qualität verfügten.

Besonders in diesen Zeiten zeigen sich erneut die großen Managementunterschiede, die selbst in dieser ausgewählten Betriebsgruppe Produktionskosten von unter 30 und über 60 ct/kg ECM in den Extremfällen bedeuten.

Weiterhin kein nennenswerter Unterschied ist in den produktionstechnischen Kennzahlen zu verzeichnen. Erstkalbealter, Reproduktionsrate oder Zwischenkalbezeiten weisen in allen Auswertungsgruppen keine großen Unterschiede auf. Der Einfluss der Herdengröße und die Verwertung der betriebseigenen Faktorausstattung hingegen sind deutlich größer.

Im Unterschied zu der landesweiten Auswertung in Schleswig-Holstein kommt der Auswertung nach Rassen eine größere Bedeutung zu. Auch bei den Spitzenbetrieben ist die Gruppe der Betriebe mit Schwarzbunten Holstein-Friesian mit 182 am größten, die zweitgrößte Gruppe machen dann die Fleckviehbetriebe (34 Betriebe) aus.

Bei der Auswertung nach Rassen fällt auf, dass sich die Anteile der Direktkosten und der Arbeitserledigungskosten deutlich unterscheiden. Die Einsparpotenziale der Fleckviehbetriebe liegen eher im Bereich der Arbeitserledigungskosten, bei den Schwarzbuntbetrieben eher bei den Direktkosten.

Von Milchmarkt bis Bergsteigen

Das Vortragsprogramm und die Themen der Arbeitskreise boten den Teilnehmern ein vielfältiges Angebot an Inhalten. Am Freitag gab Jakob Brand (International Agribusiness Manager der Rabobank) den Teilnehmern einen Einblick in die Entwicklungen und Prognosen des Milchmarktes nach der Preisspitze. Der kurzweilige Vortrag bot auch Einblicke in die Entwicklung der Nachfrage am Weltmarkt und die Zunahme der Importe in Ländern ohne nennenswerte eigene Milchproduktion. Sein Vortrag endete mit einer einprägsamen Aufforderung an die Teilnehmer: „Wer zu lange nach hinten schaut, bekommt einen steifen Nacken.“

Für die folgenden Arbeitskreise hatten sich die Teilnehmer im Vorfeld angemeldet. Automatisierte Fütterung, Tierarzt- und Besamungskosten, aber auch Employer Branding und Kommunikation waren einige der Themen, die jeweils ein Berater und ein Landwirt gemeinsam anboten.

„11.000 Liter Milchleistung bei unter sechs Cent Kraftfutterkosten pro Kilogramm Milch“ war der Titel des Arbeitskreises mit holsteinischer Beteiligung, den Thies Magens (Kollmar) und Dr. Christian Koch (Hofgut Neumühle) durchführten und der sehr gut besucht war. Nach der Vorstellung seines Betriebes präsentierte Betriebsinhaber Magens die vielen kleinen Stellschrauben, auf die er in seinem Betriebsmanagement Wert legt, um die Futterkosten im Griff zu behalten. Die Qualität des Grundfutters, das sehr detaillierte Fütterungscontrolling und die daraus resultierenden zeitnahen Anpassungen der Rationsgestaltung waren nur einige der Anregungen, die die Teilnehmer mit nach Hause nahmen.

Vor dem Abendessen folgt traditionell ein Vortrag, der die Teilnehmer auffordert, über den Tellerrand zu blicken. In diesem Jahr hielt diesen Benedikt Böhm, internationaler Geschäftsführer des Skitourenausrüsters Dynafit und Board Member der Oberalp-Gruppe sowie Leistungssportler im Extremskibergsteigen. Böhm präsentierte beeindruckende Bilder und Videoaufnahmen von seinen Skitouren auf die Achttausender der Welt, aber er ließ die Zuhörer auch teilhaben an seiner Art der Unternehmensführung. Die Konzentration auf das Ziel und die Reduktion auf das Wesentliche seien dabei ebenso wichtige Erfolgsfaktoren wie die absolute Verlässlichkeit und Transparenz seinen Mitarbeitern gegenüber.

20 Jahre DLG-Spitzenbetriebe

Für den letzten Vortrag der Tagung hatte ein Schleswig-Holsteiner das Wort. Johannes Thomsen, ehemaliger Referent für Rinderhaltung der Landwirtschaftskammer, kennt die DLG-Spitzenbetriebe von der ersten Stunde an. Er berichtete, wie es zur Gründung des Forums kam und welche Entwicklung die Betriebe seitdem genommen haben. Dabei folgten nicht nur die jüngeren Teilnehmer interessiert seinem Vortrag, einige Teilnehmer konnten ebenso wie Thomsen auf eine 20-jährige Teilnahme am DLG-Forum Spitzenbetriebe zurückblicken.

Dabei spielt ein weiterer Holsteiner eine zentrale Rolle für die Spitzenbetriebe, den man aber selbst nie in Hohenroda trifft: Georg Goer­zen (act Kiel) ist seit 20 Jahren als Mitglied der BZA-Arbeitsgruppe im DLG-Ausschuss für die Auswertung und die Betreuung der BZA Rind verantwortlich.

4.400 BZA-Abschlüsse wurden dabei von den Organisatoren insgesamt ausgewertet und für die Tagungen zu Auswertungen zusammengefasst. Die Entwicklung der Spitzenbetriebe (siehe Tabelle) über die Jahre spiegelt dabei den Strukturwandel in der Milchviehhaltung wider, gleichzeitig sind die Betriebe aber nicht nur in ihren ökonomischen Leistungen überdurchschnittlich, sondern auch in ihren produktionstechnischen Kennzahlen. Besonders interessant bleibt die Entwicklung der Betriebe, weil etliche über viele Jahre zu den Spitzenbetrieben gehören und damit eine vergleichsweise stabile Auswertungsgruppe bilden.

Fazit

Die DLG-Spitzenbetriebe Milcherzeugung trafen sich im März in gewohnter Weise zu einer gemeinsamen Konferenz in Hessen. Das gesamte Programm mit einer Mischung aus Vorträgen und Arbeitskreisen fand dieses Jahr wieder sehr große Zustimmung unter allen Teilnehmern. Bei einem gemeinsamen Abend konnten fachliche Gespräche weiter vertieft werden. Die gewonnenen Erkenntnisse und der Erfahrungsaustausch können von allen Teilnehmern in die Betriebe beziehungsweise in den Beratungsalltag eingebunden werden.


Wer kann DLG-Spitzenbetrieb werden?

DLG-Spitzenbetrieb kann jeder Milchviehbetrieb werden, sofern er bestimmte ökonomische und produktionstechnische Voraussetzungen erfüllt. Der Betrieb muss zum einen zum besten Viertel des betriebswirtschaftlichen Vergleichs einer Region gehören. Außerdem sind bestimmte Leistungskriterien (je nach Rinderrasse) zu erfüllen. Die Betriebszweiganalyse wird im Allgemeinen von den regionalen Beratungsorganisationen erstellt. Für Landwirte ermöglichen die DLG-Spitzenbetriebe einen bundesweiten Austausch und Vergleich unter Berufskollegen. Generell soll bei den Betriebsleitern ein Interesse an der Mitarbeit bestehen. Als DLG-Spitzenbetrieb soll zudem eine gewisse Vorreiterrolle in der eigenen Region vertreten werden. Wer Interesse hat, hier mitzuwirken, kann gern seinen Berater oder Beratungsring ansprechen.

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