StartNachrichtenWald & JagdWie erfolgreiche Verjüngung funktionieren kann

Wie erfolgreiche Verjüngung funktionieren kann

Nachwuchs für Wälder mit Zukunft
Von Dr. Borris Welcker Landwirtschaftskammer SH
Buchen-Naturverjüngung auf schwerem Boden – eine Ergänzung mit klimastabilen Mischbaumarten kann sich für Verjüngungslücken anbieten.

Unsere Wälder befinden sich in einem für langlebige Organismen wie Bäume rasanten Anpassungsprozess. Insbesondere die Folgen des menschengemachten Klimawandels setzen den Wald mit ausgedehnten Trockenphasen in der Vegetationszeit, Stürmen und anderen Extremwetterereignissen einem hohen Stress aus. Diesen Herausforderungen so zu begegnen, dass wir auch in Zukunft hinreichend stabile Waldökosysteme nutzen können, ist derzeit die wichtigste Aufgabe der Forstwirtschaft. Hierfür werden auch neues Vermehrungsgut, Jungpflanzen und Saat von bewährten und neuen, möglichst klimastabilen Baumarten benötigt.

Grundsätzlich nehmen derzeit besonders drei Herangehensweisen an die zukunftsfähige Verjüngung von Wäldern einen breiten Diskussionsraum ein.

Wälder sich selbst überlassen?

Zum einen wird empfohlen, Wälder weitgehend sich selbst und der sogenannten „biologischen Automation“ zu überlassen. Das bedeutet, die Eingriffe in den Wald werden minimiert oder unterbleiben in Vollschutzgebieten sogar ganz. Die kommenden Waldgenerationen sollen sich auf diese Weise unter möglichst geringem „menschengemachten Stress“ aus den Bäumen entwickeln, die den veränderten Umweltbedingungen am besten standhalten.

Als alleinige Lösung weist dieses Vorgehen aber vor allem folgende Schwachstellen auf: Als Baumarten des neuen Waldes stehen nur die Arten zur Verfügung, die im betreffenden Wald bereits vorkommen. Und dies können, zum Beispiel in Fichtenwäldern, durchaus Arten sein, die in Zukunft immer stärker unter dem Klimawandel leiden werden. Selbst die Rotbuche, in der Vergangenheit die führende Baumart der natürlichen Waldgesellschaften auf fast allen Böden in Schleswig-Holstein, wird auf den Standorten, die ihr weniger zusagen, in Zukunft wahrscheinlich deutlich an Konkurrenzstärke und Überlebenskraft einbüßen. Darüber hinaus sind Artenzusammensetzung und Nutzbarkeit der einzelnen Bäume bei diesem Vorgehen zufällig, was eine langfristige Erzeugung des wichtigen „Ökorohstoffes“ Holz deutlich einschränkt. Bäume können sich an veränderte Umweltbedingungen über Generationen evolutionär gut anpassen – leider verändert der Mensch die Umweltbedingungen derzeit so schnell, dass der Generationswechsel der Bäume dahinter weit zurückbleibt.

„Turbo-Modell“ und „Multi-Kulti“

Die zweite Grundidee für eine zukunftsfähige Forstwirtschaft ist, unter Anbetracht der steigenden Produktionsrisiken die Ernte und Verjüngung der Bäume in einem möglichst kurzen Takt aufeinander folgen zu lassen. Diese dem „Naturwaldansatz“ ganz entgegengesetzte Wirtschaftsweise würde bedeuten, ertragsstarke und schnell wachsende Baumarten zu pflanzen und sie möglichst schnell wieder der Rohholzerzeugung zuzuführen. Dies ermöglicht einen schnellen Baumartenwechsel bei kontinuierlichem Holzertrag.

Allerdings hat eine solche Wirtschaftsweise nicht mehr viel mit dem Wald als Lebensraum zu tun. Boden- und Bestandesbelastung sind hoch, der Erholungswert eingeschränkt, und vor allem die Biodiversität unserer typischen Waldarten, die auf alte und tote Baumindividuen der heimischen Laubbaumarten angewiesen sind, leidet in nicht vertretbarem Maße. Ein solcher „Geschwindigkeitswaldbau“, vor allem wenn er sich auf schnell wachsende, in Schleswig-Holstein nicht heimische Nadelbäume konzentriert, erhöht erheblich das Risiko, dass der ganze Wald plötzlich „aus der Kurve fliegt“.

Der dritte Ansatz für die Verjüngung zukunftsfähiger Wälder beruht auf der Überlegung „wenn das Mittelmeer-Klima zu uns kommt, müssen wir in Zukunft mit den Baumarten des Mittelmeerraumes wirtschaften“. Dieser Grundgedanke hat dazu geführt, dass in den umfangreichen Wiederaufforstungen in Schleswig-Holstein seit dem Trockenjahr 2018 bestimmte „alternative“ Baumarten in deutlich höherem Umfang gepflanzt werden. Neben den ohnehin schon länger beliebten, als klimastabil geltenden Douglasien und Roteichen betrifft dies vor allem die Esskastanie, die Baumhasel und die Schwarznuss, aber auch mediterrane Exoten wie Flaum­eiche, Orientbuche, Lebensbaum, Zeder oder türkische Tanne. Die zusätzliche Nutzung von Baumarten des „deutschen Weinbauklimas“, wie zum Beispiel der Elsbeere oder der Weißtanne, wirkt in diesem Zusammenhang schon „konservativ“.

Leider ist bei eingehender Betrachtung auch diese Lösung für unsere Wälder im Klimawandel nicht alleine zielführend. Alle genannten Baumarten kommen aus eigenen, vom deutschen Wald sehr unterschiedlichen Ökosystemen. Sie sind von Natur aus mit anderen Pflanzen, Tieren, Pilzen und Mikroorganismen vergesellschaftet, die sie in Schleswig-Holstein meist nicht vorfinden. Dafür gibt es hier wiederum eine immense Zahl von Organismen des heimischen Waldökosystems, die mit den Neuankömmlingen bestenfalls nichts anfangen, schlimmstenfalls aber in nicht absehbare Konkurrenz- oder Schädigungsbeziehungen geraten können. Und schon eine ganz einfache Überlegung zeigt die Problematik der Bäume aus dem Süden: Trotz des Klimawandels haben wir in Norddeutschland nach wie vor gelegentlich auch strengen Frost, und viele der oben erwähnten Arten sind schlicht frostgefährdet.

Unter einem lichten Kiefernaltbestand hat sich als kommende Waldgeneration eine gemischte Verjüngung aus Laub- und Nadelbäumen eingefunden.

Stabile Mischwälder in der Zukunft

Wie fast immer liegt die Wahrheit nach heutigem Stand des Wissens darin, die Vorteile aller Herangehensweisen möglichst zu kombinieren. Stabile Wälder der Zukunft brauchen zunächst ein Grundgerüst bewährter standortheimischer Arten. Die Rotbuche wird nach den meisten Klimaprognosen gerade in Schleswig-Holstein auch längerfristig Wachstumsbedingungen vorfinden, die ihre Beteiligung in fast allen Wäldern sinnvoll erscheinen lässt.

Aus Sicht der Genetik ist dabei eine mögliche Bastardierung mit der Orientbuche mit großer Vorsicht zu betrachten. Auch die anderen heimischen Laubbaumarten behalten eine große Bedeutung, die zum Beispiel bei der Traubeneiche oder dem Spitzahorn sicher noch steigen wird. Dieses Grundgerüst ist durch Saat und Pflanzung, wo möglich aber auch großflächig aus stammzahlreichen Naturverjüngungen zu erhalten. Dazu gehört zwingend, dass Rehe und Hirsche diese Verjüngung nicht zerstören. Konsequente Jagd wird damit mehr denn je zu einem Schlüssel für die Zukunft unserer Wälder.

Dieses Grundgerüst kann und sollte durch weitere, in Schleswig-Holstein bereits bewährte, aber auch neue Baumarten in angemessener Zahl ergänzt werden. Je besser sich diese Arten bereits in unsere Ökosysteme eingepasst haben, umso günstiger ist deren Zukunftsprognose. Lärchen, Douglasien und Tannen können einen gewissen Nadelbaumanteil sichern, Elsbeeren, Esskastanien, Nussbäume und andere Arten in kleinen Trupps schrittweise in unsere Waldökosysteme eingebunden werden.

Um den Dreiklang der Nachhaltigkeit aus Ökologie, Ökonomie und Sozialleistungen der Forstwirtschaft zu sichern, ist neben dem Oberziel vielfältiger, standortgerechter Baumartenmischungen eine kontinuierliche und fachlich kompetente Pflege der Wälder unverzichtbar. Eine solche Pflege, die zunächst darauf achtet, welche Entwicklungen ohne aktives Eingreifen zielführend sind, wo nötig aber bereits früh in kleinen, aber häufigen Korrekturen tätig wird, ist zeit- und arbeitsaufwendig. Damit wird Forstwirtschaft teuer – sichert aber den Erhalt stabiler und zukunftsfähiger Wälder mit ihrer umfassenden Bedeutung für die Gesellschaft. Allem übergeordnet ist der langfristige Erhalt des Waldes an sich, dem nachgeordnet ist die Nutzung einzelner, wertvoller Bäume.

Geeignetes Vermehrungsgut

Eine alte Douglasie – wahrscheinlich besser auf den Klimawandel eingestellt als jede Fichte.
Fotos: Dr. Borris Welcker

Die natürliche Verjüngung wird durch Saat oder Setzlinge ergänzt. Dieses Vermehrungsgut muss an anderer Stelle gewonnen, transportiert, gegebenenfalls herangezogen und im Forstbetrieb wieder eingebracht werden. Dabei sind die Vorschriften des Forstvermehrungsgutgesetzes unbedingt zu beachten. Die meisten der in unseren Wäldern genutzten Arten unterliegen diesem Gesetz. Das heißt, es darf nur Vermehrungsgut aus zugelassenen Erntebeständen in andere Wälder eingebracht werden – Saataktionen mit selbstgesammelten Eicheln sind zum Beispiel nur zulässig, wenn die Eicheln auch im selben Wald gesammelt wurden. Dadurch werden zum einen die Gesundheit und qualitativ gutes Wachstum des Bestandes gesichert, andererseits weiß man, woher, also vor allem aus welchen klimatischen Wuchsbedingungen die neuen Bäume stammen.

Unter diesem Aspekt ist es eine besonders gute Nachricht der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), dass zum Beispiel bei den Baumarten Spitzahorn, Esskastanie, Traubeneiche und Weißtanne das Saatgutjahr 2022/23 sehr gute Ernteerträge aufweist.

Da es immer schwieriger wird, geeignete Erntebestände zu finden, gleichzeitig aber die Nachfrage nach Saat- und Pflanzgut stetig wächst, sind Waldeigentümer aufgerufen, bei entsprechender Eignung mögliche Saatgut-Erntebestände amtlich anerkennen zu lassen. Dies gilt umso mehr, weil die Saat von Bäumen hinsichtlich der Klimastabilität einige Vorteile aufweist, aber deutlich mehr Saatgut erfordert als die Anzucht von Jungbäumen in den Baumschulen.

Vorsicht ist bei Baumarten geboten, die dem Forstvermehrungsgutgesetz unterliegen, für die es aber in Deutschland keine oder kaum anerkannte Saatgutbestände gibt. Die betrifft zum Beispiel die Zeder oder die Flaumeiche, die in Deutschland bisher als forstlich unbedeutend galten. Forstvermehrungsgut sollte nur durch vertrauenswürdige Baumschulen und Händler bezogen werden.

Eine frühzeitige Planung der gewünschten Baumarten einschließlich möglicher Varietäten, Mengen und Größen erleichtert die Umsetzung jeder Neubegründung. Das passende Herkunftsgebiet ist von zentraler Bedeutung, die Qualität der Pflanzen muss vorab und unbedingt auch bei der Anlieferung im Wald kontrolliert werden. Grundsätzlich wird also auf „ausgewähltes“ Vermehrungsgut zugegriffen. Besonders gut ist es, wenn die Pflanze das Prädikat „geprüft“ trägt oder aus Beständen stammt, die von der Gütegemeinschaft für forstliches Vermehrungsgut (DKV) als Sonderherkünfte anerkannt wurden.

Fazit

Die Zukunft unserer Wälder in Schleswig-Holstein wird von den Folgen des Klimawandels geprägt sein. Der Aufbau von stabilen, arten- und verjüngungsreichen Mischwäldern aus standortheimischen und bewährten sowie in angemessener Zahl neu einzugliedernder Bäumen kann dazu beitragen, die Wälder an sich langfristig zu sichern. Dabei spielen die Eignung und ausreichende Verfügbarkeit des Vermehrungsgutes eine wichtige Rolle. Zum Thema „Anerkennung von Forstsaatgut-Erntebeständen“ berät gerne der Autor. Und in der Umsetzung des Aufbaus unserer Wälder mit Zukunft hilft die Forstabteilung der Landwirtschaftskammer mit Rat und Tat.

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