Die emotionale Verfassung der Sauenhalter in Schleswig-Holstein schwankt zwischen Zuversicht und Zukunftsangst. Deutlich wurde dies während der Mitgliederversammlung des Netzwerks Sauenhaltung Schleswig-Holstein in Rendsburg: Bei den Vorstandswahlen erklärten sich überraschend viele junge Schweinehalter bereit, Verantwortung zu übernehmen. Auf der anderen Seite weiß eine Reihe von Mitgliedern nicht, wie sie die geforderten Stallumbauten bezahlen sollen.
n den Konferenzsaal im Hotel ConventGarten strömten am vergangenen Donnerstag 80 Mitglieder und Gäste. Das Vorstandsteam um Sprecherin Dagmar Klingelhöller hatte für die Mitgliederversammlung ein spannendes Vortragsprogramm mit ungewöhnlicher Besetzung organisiert. Das Podium enterte zunächst eine Journalistin vom „Spiegel“: Maria Marquart, Redakteurin des Nachrichtenmagazins seit 2010, hatte Dagmar Klingelhöller im Rahmen einer Reportage vor rund zwei Jahren auf ihrem Betrieb kennengelernt. Thematisiert wurde dort die Frage, die viele Sauenhalter auch aktuell beschäftigt: Wie soll die Transformation zu mehr Tierwohl finanziert werden? Eine eindeutige Antwort hatte die Redakteurin aus dem Wirtschaftsressort, die auf einem Milchviehhof in Bayern aufgewachsen ist, aber nicht mitgebracht. Positiv aus ihrer Sicht: Die Bauernproteste Anfang dieses Jahres lösten bei den Verbrauchern viel Zuspruch aus. „Auslöser für die Sympathien war bei vielen die Meinung, endlich zeigt es jemand denen da oben“, sagte Maria Marquart. Sie glaubt aber nicht, dass nach einer Abwahl der Ampel-Regierung der Druck auf die Schweinehalter nachlassen werde. Geopolitische Verschiebungen sorgen aus Sicht der „Spiegel“- Journalistin dafür, dass etwa China kein Exportschlagerland mehr sei, weil dort eigene Kapazitäten aufgebaut würden. Zudem ist der Verbrauch von Schweinefleisch im Inland massiv eingebrochen – um 34 kg auf nur noch 24,5 kg pro Kopf und Jahr. Dennoch glaubt sie, dass etwas in Gang gekommen sei, die Verbraucher nähmen wahr, dass Tierwohl nicht für günstige Preise zu haben sei. Viel positive Bewegung auf dem Markt sieht Peter Jürgens nach der Einführung des Herkunftszeichens Deutschland. „Wir wollen das Zeichen breit auslegen, wir hoffen, es wird die Siegelflut eindämmen und als neues einheitliches Zeichen eine ähnliche Wirkung entfalten wie früher das CMA-Siegel“, erklärte der Geschäftsführer der Zentrale Koordination HandelLandwirtschaft (ZKHL). In anderthalb Jahren Arbeit wurden eine Branchenvereinbarung geschlossen, ein Regelwerk ausgearbeitet und Prüfungskontrollen entwickelt. Seit September ziert das Label, das einen Trecker auf schwarz-rot-goldenen Ackerfurchen zeigt, bereits etliche Produkte in vielen Supermärkten. Das Herkunftszeichen beispielsweise für Schweinefleisch wird vergeben, wenn Geburt, Aufzucht und Mast der Tiere sowie Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und Verpackung in Deutschland erfolgen. 160 Teilnehmer seien beim Herkunftszeichen Deutschland am Start, 40 weitere stünden in der Pipeline, so Jürgens. „Das sind sehr positive Entwicklungen“, freute sich der ZKHL-Geschäftsführer. Engagiert umsetzen will das neue Herkunftszeichen die Supermarktkette Kaufland. „Wir brauchen Transparenz“, betonte Anna Spiess, im Unternehmen Leiterin Nachhaltigkeit Einkauf. Rund 1.000 Produkte werden bei der Kette mit 770 Filialen in Deutschland mit dem neuen Label ausgezeichnet. Darüber hinaus setzt Kaufland beim Schweinefleisch mindestens auf die Haltungsstufe 3. „Wir bieten den Produzenten langfristige Lieferverträge, auch in Norddeutschland, und das kommt gut an“, sagte Spiess. Sie freute sich zudem über eine Ankündigung von Katrin Lütjen: Die Abteilungsleiterin im schleswig-holsteinischen Landwirtschaftsministerium versprach in ihrem Grußwort Erleichterungen für Stallumbauten. Künftig soll für die Stallausläufe Verfahrensfreiheit gelten. In Sachen Stallneu- oder Umbauten wegen der neuen Tierwohlgesetzgebung sehen aber viele Akteure schwarz: Laut Umfragen, die auch das Netzwerk Sauenhaltung durchführte, will die Hälfte der Schweinemäster aufhören. Mehrere Sauenhalter machten auf der Mitgliederversammlung deutlich, dass die Kosten für sie nicht zu stemmen seien. „Wenn ich bei der Bank einen Kredit will, lachen die mich doch aus“, sagte ein Landwirt. Grundsätzlich sind laut Dagmar Klingelhöller die Sauenhalter für Um- oder Neubaumaßnahmen. „Das muss aber bezahlt werden, das können wir nicht aus dem laufenden Betrieb finanzieren“, betonte die Netzwerksprecherin. In der 2018 gegründeten Interessenvertretung gab es auch Grund für gute Laune: Mit Hannes Bährs, Torben Hansen, Merle Peters, Leonie Siems und Ruben Soth wurden gleich fünf junge Sauenhalter in den erweiterten Vorstand inklusive Steuerungsgruppe gewählt. Im Amt bestätigt wurden Dagmar und Dr. Andreas Klingelhöller, Peter-Georg Witt, Alwin und Peter Kreimer sowie Michael Roskothen. Sven Tietgen