Es waren Bilder, die fassungslos machten und zutiefst betroffen – als in der Nacht vom 28. zum 29. Juni 2024 das Marxenhaus im Landschaftsmuseum Angeln/Unewatt niederbrannte, ging wertvolles Kulturgut unwiederbringlich verloren. Schäden gab es auch im und am Schifffahrtsmuseum Flensburg, als die Ostseesturmflut im Oktober 2023 das Hafengebiet überschwemmte. Um besser auf solche Ereignisse vorbereitet zu sein und wertvolles Kulturgut zu schützen, hat sich jetzt ein erster Notfallverbund für den Kulturgutschutz in Schleswig-Holstein gegründet. Vier weitere Verbünde im Land folgen in den nächsten Wochen.
„Heute ist ein guter Tag, ein historischer Tag für unser Rechts- und Kulturgut im Lande“, sagte Prof. Rainer Hering, Leiter des Landesarchivs Schleswig-Holstein, im Prinzenpalais in Schleswig bei der Unterzeichnung der Notfallvereinbarung. Einrichtungen aus dem Kreis Schleswig-Flensburg und der Stadt Flensburg beteiligen sich an dem Verbund, dazu gehören neben dem Landesarchiv auch das Stadtmuseum Schleswig, die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, das Gemeinschaftsarchiv der Stadt Schleswig und des Kreises Schleswig-Flensburg, das Stadtarchiv Flensburg, das Landschaftsmuseum Angeln/Unewatt, die städtischen Museen Flensburg sowie das Industriemuseum Kupfermühle Harrislee.
Ziel des Zusammenschlusses ist es, Notfallvorsorge zu betreiben, um im Ernstfall handlungsfähig zu bleiben und sich gegenseitig zu unterstützen. „Und um das Schadensausmaß so gering wie möglich zu halten, um auch Folgekosten für Restaurierungsarbeiten oder Gefriertrocknung bei Wasserschäden an Objekten oder großen Archivbeständen zu vermeiden“, ergänzte Diplom-Restauratorin Lara Pape von der Landesfachberatungsstelle für Bestandserhaltung im Landesarchiv Schleswig-Holstein. Zusammen mit der Leiterin der Museumsberatung und -zertifizierung Schleswig-Holstein, Dagmar Linden, gab sie den Anstoß für die Gründung der Notfallverbünde im Land, denn neben Mecklenburg-Vorpommern ist Schleswig-Holstein das einzige Land, in dem es bisher noch keinen Notfallverbund gab.
Foto: Iris Jaeger
„Dabei kann man die Bedeutung von Notfallvorsorge gar nicht hoch genug einschätzen“, erklärte Dr. Ursula Hartwieg, Leiterin der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes (KEK) in Berlin, die Projekte wie die Notfallverbünde finanziell fördert.
Es gehe nicht darum, immer nur auf Katastrophen zu reagieren und Objekte in Notfallboxen, Containern oder mit Bergungsgerät zu sichern, sondern den kulturgutwahrenden Einrichtungen Maßnahmen, Informationen und Ausstattungen an die Hand zu geben, um handlungssicher zu werden und fachgerecht agieren zu können.
„Dazu braucht es Kompetenzentwicklung, Risiko- und Gefährdungsanalysen, Alarm- und Notfallpläne und auch Notfallübungen“, so Hartwieg. Notfallverbünde seien ein ganz zentrales Instrument bei der Prävention „und so haben wir, um schnell sichtbar zu machen, wo deutschlandweit solche Verbünde bestehen, 2023 ein interaktives Kartenmodul online gestellt. Und was bin ich froh, dass ganz bald Schleswig-Holstein auf dieser Karte kein weißer Fleck mehr bleibt.“
„In einer Zeit, in der unser schriftliches Kulturgut zunehmend bedroht ist durch Naturkatastrophen, technische Pannen oder andere unvorhergesehene Ereignisse, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir gemeinsam Verantwortung übernehmen und uns für den Erhalt unseres kulturellen Erbes einsetzen“, betonte auch Dr. Katrin Kummer vom Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur Schleswig-Holstein.
Die Gründung von Notfallverbünden sei ein Beispiel für Zusammenarbeit und Solidarität und daher ein wichtiger Schritt zur Festigung von Strukturen und Kompetenzen im Bereich der Notfallvorsorge. „Es geht darum, Wissen und Ressourcen zu bündeln, um im Ernstfall schnell und effektiv handeln zu können“, so Kummer. In dem Zusammenhang stellte sie das Landeskonzept für die Bestandserhaltung in den Archiven und Bibliotheken vor. Die Landesfachberatungsstelle für Bestandserhaltung unterstützt Archive und wissenschaftliche Bibliotheken im Land bei der Umsetzung bestandserhaltender Maßnahmen. „Unser Rechts- und Kulturgut wird ja nicht nur in Krisensituationen gefährdet, sondern ist jeden Tag gefährdet. Deshalb ist Bestandserhaltung ein zentrales Element der Arbeit in Archiven, Bibliotheken und Museen“, ergänzte Rainer Hering. Es freue ihn, es geschafft zu haben, spartenübergreifend diesen Verbund zu schließen mit Bibliotheken, Museen und Archiven. „Wir sind ein Land und wir sollten gemeinsam einander unterstützen und füreinander da sein“, so der Leiter des Landesarchivs.
Für jedes Archiv und Museum sowie jede Bibliothek komme die Notfallvorsorge noch einmal on top zu den eigentlichen Aufgaben. „Somit haben wir überlegt, wie wir die Einrichtungen unterstützen können, damit der Notfallverbund gegründet werden kann“, berichtete Dagmar Linden. „Wir haben unsere Aufgaben darin gesehen, zu organisieren und vernetzen, zu informieren, Kommunikation zu betreiben und Hürden abzubauen. Wir haben die Akteure bei Treffen zusammengebracht, damit sie sich vernetzen können“, was letztendlich gut funktioniert habe.
In diesem Verbund verpflichten sich die Einrichtungen, sich gegenseitig zu unterstützen, aber auch ihre eigene Notfallvorsorge voranzutreiben oder, wenn schon eine besteht, diese zu festigen. „Dazu gehören beispielsweise das Erstellen von individuellen Notfallplänen, die auf die einzelnen Häuser zugeschnitten sind, aber auch die Anschaffung von Notfallmaterialien wie den Notfallboxen. Es gibt die Möglichkeit, Notfallanhänger anzuschaffen oder eben Rollcontainer“, erläuterte Lara Pape. Neben dem Beschaffen von Notfallmaterial sei zudem geplant, Notfallübungen durchzuführen. „Da unterstützen wir alle Beteiligten und einzelne Einrichtungen. Es geht darum, einzelne Szenarien durchzuspielen und Abläufe zu üben. Dabei sollen alle Archive, Museen und Bibliotheken gemeinsam diese Abläufe trainieren, damit sie im Notfall gut sitzen, entsprechend schnell gehandelt werden kann und keine Zeit verloren geht“, so Pape.
Foto: Imago
Für kleine Museen wie das Industriemuseum Kupfermühle in Harrislee bedeutet das viel Arbeit, aber „es ist wichtig, dass wir mit am Verbund beteiligt sind und dass wir da am Ball bleiben“, sagt Museumsleiterin Susanne Rudloff. Feuer sei dabei das kleinere Problem, „was das angeht, haben wir eine Kooperation mit der ehemaligen Werksfeuerwehr und nun Freiwilligen Feuerwehr gleich nebenan“, so Rudloff. Vielmehr seien Gebäude und Objekte durch die Krusau gefährdet, die in die Flensburger Förde mündet. „Bei Hochwasser drückt das Gewässer zurück und es gibt einen Rückstau. Bei den klimawandelbedingt zunehmend höheren Wasserständen kann das durchaus für das Museum sehr kritisch werden, denn ein Teil des Gebäudes mit dem Wasserrad ist über das Gewässer hinübergebaut“, so Rudloff.
Weitere Informationen zu den Verbünden, zur Arbeit der Landesfachberatungsstelle, zur Notfallverbundkarte, einem Einsatzhandbuch Kulturgut und den Fördermaßnahmen sowie zu Handlungsempfehlungen der KEK finden sich unter schleswig-holstein.de/landesarchiv, Informationen zur Entstehung und Arbeit der KEK unter kek-spk.de