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Schonende Gewässerunterhaltung lohnt sich

Schleswig-Holstein ist von zahlreichen Bächen und Gräben durchzogen. Sie dienen der Entwässerung und erfüllen wichtige ökologische Funktionen, bieten Lebensraum für Fische, Insekten, Krebse, Muscheln und Wasserpflanzen. Sie sind ein wichtiger Lebensraum zum Erhalt der Artenvielfalt. Damit das Wasser abfließen kann, werden viele Gewässer regelmäßig unterhalten. Wird die Unterhaltung intensiv durchgeführt, so führt das zu Lebensräumen ohne Strukturen und Vielfalt, nur wenige Tiere können dort noch leben. Es siedeln sich Wasserpflanzen an, die sehr schnell wachsen, sodass die Unterhaltung zum Teil mehrmals im Jahr durchgeführt werden muss. Dies ist zeitaufwendig und kostet Geld.

Was bedeutet „schonende Gewässerunterhaltung“?

Durch schonende Unterhaltung der Flüsse, Bäche und Gräben werden die Strukturen und ökologischen Funktionen wiederhergestellt, die Artenvielfalt steigt und auch der Abfluss bleibt gesichert. Bei ausreichend guter Wasserqualität kann sich mit etwas Zeit ein guter ökologischer Zustand einstellen.

Im Gegensatz zur intensiven Unterhaltung, bei der die Gewässersohle komplett ausgemäht und die Ufer kurz gemäht werden, wird bei der schonenden Unterhaltung nur bedarfsweise und einseitig, wechselseitig, abschnittsweise oder nur im Stromstrich gemäht. Die besonders empfindliche Gewässersohle und die Ufer werden geschont. Dies ist wichtig, da sich viele Fische und die meisten Insektenlarven auf der Sohle und am Böschungsfuß aufhalten. Steine, Kies, Laub, Holz und Pflanzenpolster bleiben im Gewässer als besonders wichtige Strukturen erhalten. Der Bach erhält schmale und breite, flache und tiefe, schnell und langsam strömende Abschnitte.

Artenvielfalt und Rechtssicherheit

Auch die Ufergehölze bleiben so weit möglich stehen oder werden wieder angepflanzt. Geschnitten wird höchstens abschnittsweise, um möglichst viele schattige und kühle Abschnitte zu erzeugen. So kann die Artenvielfalt in Bach und Fluss erhalten oder wiederhergestellt werden. Um den Abfluss zu gewährleisten, werden Hindernisse in Absprache mit den Unteren Wasser- und Naturschutzbehörden rechtzeitig beseitigt. Durch schonende Unterhaltung werden die Vorgaben des Artenschutzes eingehalten und der Abfluss gesichert. Damit sind die Unterhaltungspflichtigen rechtlich auf der sicheren Seite.

Das Beratungsprojekt:

Im Jahr 2009 startete mit der Einführung von fünf Pilotstrecken das Beratungsprojekt „Schonende Gewässerunterhaltung“ im Auftrag des Landesamtes für Umwelt (LfU). Innerhalb des Projektes werden Schulungen durchgeführt, Verbände beraten und im Laufe der Zeit viele weitere Modellstrecken eingerichtet. Die Auswirkungen der schonenden Unterhaltung werden an diesen Abschnitten begleitend untersucht. Durch das Beratungsprojekt werden alle Beteiligten bei der Anpassung der Unterhaltung unterstützt, um so die schonende Gewässerunterhaltung im Land zu etablieren.

Zurzeit sind 85 km schonend unterhaltene Gewässerstrecken im Rahmen des Beratungsprojekts bekannt, davon werden 31 Strecken auf knapp 50 km in Abstimmung beziehungsweise gemeinsam mit den Unterhaltungspflichtigen betreut. Es fallen darunter kleine, kiesgeprägte Bäche des Östlichen Hügellandes genauso wie Mar­schengewässer an der Westküste. Manche Abschnitte sind 500 m lang, andere erstrecken sich über mehrere Kilometer, wie zum Beispiel an der Radesforder Au im Einzugsgebiet der Stör. Weitere Strecken sind bereits im „Digitalen Unterhaltungsverzeichnis“ ausgewiesen, einem Verzeichnis, in dem – für Verbände und Kreise zugänglich – die Art der Unterhaltung für alle Gewässerstrecken in Karten dargestellt wird.

Praktische Unterstützung bei der Umstellung

Seit 2011 wurden mehr als 1.200 Menschen zur schonenden Gewässerunterhaltung über das Projekt geschult: Verbände, Lohnunternehmer, Baggerfahrer, Ämter- und Behördenvertreter nahmen an insgesamt 68 Schulungen teil. Durch die Weiterbildung der vor Ort tätigen Verbandsvorsitzenden sowie der Lohnunternehmen beziehungsweise Betriebshöfe werden die für die Unterhaltung zuständigen Wasser- und Bodenverbände bei der Umstellung praktisch unterstützt. Für Lohnunternehmer und Maschinenführer werden Schulungen auch vom Wasserforum Nord, einer Kooperation des Landesverbandes der Wasser- und Bodenverbände, des Umweltministeriums und des Landesverbandes der Lohnunternehmer durchgeführt.

Entwicklung der Artenzahlen der Köcherfliegen nach Umstellung der Unterhaltung an einem Abschnitt der Eider. Grafik: Landesamt für Umwelt

Warum sich schonende Gewässerunterhaltung lohnt:

Die schonende Unterhaltung wirkt sich wie erwähnt positiv auf die biologische Vielfalt aus. So steigt etwa die Artenzahl der Wasserpflanzen an. Dies zeigen die Untersuchungen an allen fünf Pilotstrecken. Röhrichte werden gefördert, bei den untergetauchten Wasserpflanzen gehen die Störzeiger, wie Wasserpest oder auch der Igelkolben, zurück. Es kommt nicht, wie befürchtet, zu einer Zunahme von den Abfluss behindernden Wasserpflanzen.

Strukturen und Beschattung werden gefördert

Vielmehr entwickelt sich bei ausreichender Strömung ein pflanzenfreier Stromstrich. An einzelnen Gewässern muss nach einigen Jahren schonender Unterhaltung gar nicht mehr oder nur punktuell unterhalten werden. Die uferparallel entstehenden Pflanzenbestände engen den Querschnitt des Gewässers ein und lenken die Strömung so, dass sich wichtige Strukturen, wie beispielsweise Kiesbänke, wieder ausbilden können. Erlen an den Ufern beschatten das Gewässer und drängen den Abfluss behindernde Wasserpflanzen mit der Zeit zurück. Zudem verhindern die Ufergehölze eine zu starke Erwärmung im Sommer, sie liefern mit Falllaub und Totholz weitere wichtige Strukturen für Insektenlarven und Fische.

Wieder guter Zustand bei Wirbellosenfauna

Ein Beispiel für eine besonders erfolgreiche Umstellung ist ein Abschnitt der Treene oberhalb von Oeversee. Die Treene ist hier zirka 8 m breit, auf 500 m wurde die Unterhaltung im Jahr 2010 von intensiv auf schonend umgestellt. Im Frühjahr 2010, vor der Umstellung, befand sich die Wirbellosenfauna in einem schlechten Zustand. Inzwischen hat sich ein guter Zustand entwickelt. Damit konnten in diesem Abschnitt für die Wirbellosen die nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie geforderten Ziele nur durch die Umstellung der Unterhaltung erreicht werden. Auch Steinfliegenlarven, die hohe Ansprüche an Strukturen und die Wasserqualität stellen, werden hier seit drei Jahren wieder gefunden. Es kommen inzwischen viermal so viele Köcherfliegen-Arten vor. Die Blauflügelige Prachtlibelle, eine typische Bach-Art, taucht wieder auf.

Voraussetzung für einen entsprechenden Erfolg ist eine ausreichende Wasserqualität. Diese ist leider noch nicht in allen Gewässerabschnitten gegeben. Doch selbst in dem Abschnitt der Eider unterhalb des Bothkamper Sees, in dem aufgrund von ungenügender Wasserqualität die Bewertung nach wie vor schlecht ausfällt, hat sich die Artenzahl der Köcherfliegen deutlich erhöht (siehe Grafik).

An zwei Pilotstrecken wurden im Rahmen der schonenden Unterhaltung in Abstimmung mit Anliegern und Verband Erlen bachbegleitend angepflanzt. Damit die Erlen genug Wasser bekommen, um zu wachsen, müssen sie direkt an den Böschungsfuß gesetzt werden. Erlen wachsen mit den Wurzeln ins Wasser und stabilisieren damit die Ufer, sie wachsen aber nicht in das Gewässer hinein, wie das zum Beispiel Weiden tun.

Die Treene vor der Umstellung auf eine schonende Gewässerunterhaltung im Jahr 2009. Foto: Gabriele Stiller

Zeitaufwand und Kosten reduzieren sich in der Regel durch die schonende Unterhaltung. Von den fünf Pilotstrecken wird ein Abschnitt seit zwei Jahren probeweise gar nicht mehr unterhalten, in drei Abschnitten hat sich der Zeitaufwand inzwischen deutlich reduziert. Nur an einem Gewässer wird für die schonende Unterhaltung etwas mehr Zeit aufgewendet. Da die Fixkosten wie ­beispielsweise Rüstzeiten nach wie vor an­fallen, reduzieren sich die Kosten nicht gleichermaßen. Gewässerbreite, Böschungslänge und Art des Bewuchses beeinflussen Aufwand und Kosten. Der langjährige Erfahrungsaustausch mit den Lohnunternehmen zeigt, dass die schonende Unterhaltung zum Beispiel als Stromstrichmahd die Kosten nicht erhöht, sondern um bis zu 25 % reduziert. Trotz der deutlichen Veränderungen der Gewässerstrukturen ist es in den Pilotstrecken nach Umstellung der Unterhaltung 2010 nie zu Abflussproblemen gekommen.

Ausblick:

Das Beratungsprojekt im Auftrag des LfU wird weiterlaufen. Die Bearbeiterinnen wechseln: Kristina Schulze-Böttcher mit der Firma Naturschub hat das Projekt seit diesem Jahr von Gabriele Stiller übernommen.

Die Nachfrage nach Schulung und Beratung ist nach wie vor groß. Die Anfragen reichen von Fragen zum Arten- und Biotopschutz an Gewässern über Fragen zur Gehölzpflege, Unterhaltung in FFH-Gebieten, zum Einbringen von Kies bis hin zu Optimierung von Mähbootarbeiten, dem Umgang mit Mähgut und Sickersäften und der Einhaltung der Vorschriften zu Gewässerrandstreifen. Auch wenn an bereits länger bestehenden Modellstrecken Verbandsvorsteher oder Lohnunternehmer wechseln, werden erneute Beratungen nachgefragt.

Keschern im Bach als ein praktischer Teil der Schulung Foto: Gabriele Stiller

Klimawandel fordert andere Gewässerunterhaltung

Im Zuge des Klimawandels sind neue Konzepte in der Wasserwirtschaft gefragt. Hier kann die schonende Gewässerunterhaltung unterstützen. Eine Einengung des Querschnitts durch uferparallele Röhrichte sorgt für Wasserrückhalt. Niedrigwasserstände können dadurch abgemildert werden, Pflanzen und Tiere können überleben. Durch den Rückhalt von Wasser können große Regenmengen zwischengespeichert und dann allmählich wieder abgegeben werden. Wenn in trockenen Perioden der Anteil an Abwasser aus Kläranlagen steigt, können Wasserpflanzen und die auf ihnen siedelnden Bakterien zur Reinigung des Bachwassers beitragen.

Schulungen, Beratungen und Begleituntersuchungen werden weiterhin stattfinden. Die schonende Unterhaltung sollte weiter erprobt und, wo immer möglich, zur Regel werden. Sie minimiert den Aufwand und bietet Tieren und Pflanzen in Gräben, Bächen und Flüssen wieder wertvollen Lebensraum. Davon profitieren viele weitere Tiere und letztlich auch die Menschen.

Die Beratung und Durchführung von Schulungen ist für die Wasser- und Bodenverbände kostenfrei und freiwillig. Das Beratungsprojekt dient dem Erfahrungsaustausch nach dem Motto „Mitmachen und mitgestalten“.

Weitere Informationen zur Beratung erteilt das Landesamt für Umwelt in Flintbek.

Grünlandkalkung – eine gute Idee?

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Im Grünland wird die Bedeutung der Kalkung häufig unterschätzt. Dabei bilden eine standortgerechte Kalkversorgung und die Sicherstellung des optimalen pH-Wertes im Boden die Grundlage für leistungsfähige Grünlandnarben und somit für die so wichtige Grundfutterleistung auf den Futterbau-Milchvieh-Betrieben.

Grünlandbestände benötigen genau wie Ackerstandorte ebenfalls regelmäßige Kalkgaben, um den optimalen pH-Wert zu halten beziehungsweise diesen zu erreichen. Vielfach rückt die Stickstoffdüngung über Wirtschafts- sowie Mineraldünger in der ausgewogenen Grünlandbewirtschaftung in den Fokus. Dabei spielt neben der regelmäßigen Pflege und Nachsaat wertgebender Futtergräser insbesondere ein standortangepasster pH-Wert im Boden zur Erhaltung eines hohen Deutsch-Weidelgrasanteils an der Grasnarbe eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Die Kalkung bewirkt dabei einen Anstieg des pH-Wertes und fungiert, abhängig von der Kalkform, auch als Pflanzendünger für Magnesium und Kalzium. Ein erhöhter pH-Wert des Bodens wirkt sich positiv auf die Phosphat-, Stickstoff-, Schwefel- und Molybdänverfügbarkeit sowie auf die botanische Zusammensetzung der Bestände aus, verbessert die Bodenstruktur, aktiviert das Bodenleben und steigert die Tragfähigkeit.

VDLufa-Methode als Grundlage

Aufgrund der stetig ablaufenden Versauerungsprozesse durch Kalkauswaschungen, Düngung mit kalkzehrenden Mineraldüngern sowie Entzug mit dem Erntegut empfiehlt sich eine regelmäßige Überprüfung des Boden-pH-Wertes anhand von Standardbodenuntersuchungen auf dem Grünland. Die Messung des pH-Wertes des Bodens erfolgt im Labor im Rahmen der Bodenuntersuchung gemäß VDLufa-Methode (Verband deutscher landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten) in einer Kalziumchlorid-Lösung. Der Kalkbedarf, abgeleitet über den gemessenen pH-Wert des Bodens, hängt maßgeblich von der Bodenart und insbesondere deren Ton- und Humusgehalt ab und kann in Abhängigkeit von den Bodenanalyseergebnissen den „Richtwerten für die Düngung 2024“ entnommen werden.

Klassischerweise basieren die Beratungsempfehlungen der Landwirtschaftskammer auch im Grünland auf den bekannten fünf Gehaltsklassen von A bis E. A kennzeichnet dabei eine sehr niedrige Kalkversorgung, wohingegen E das Gegenteil – eine sehr hohe Kalkversorgung – charakterisiert. Teilweise jahrzehntelang unterlassene Kalkung führt zu der Gehaltsklasse A, in der eine Gesundungskalkung notwendig ist.

Eine mangelnde Versorgung mit Kalk kann auf mehreren pflanzenbaulich entscheidenden Ebenen zu negativen Effekten führen. So ist die Verfügbarkeit vieler Nährstoffe für die Pflanzen bei geringem pH-Wert häufig eingeschränkt, ebenso die Aktivität der Mikroorganismen. Dagegen erfordert ein Boden der Gehaltsklasse E keine Kalkung, bis sich die Klasse C einstellt. Die optimale Kalkversorgung in der Klasse C erfordert eine Erhaltungskalkung.

Das pH-Optimum eines Standortes variiert je nach der Bodenart sowie dem Ton- und dem Humusgehalt. Je höher der Tongehalt des Bodens ist, desto höher ist die Bedeutung des Kalkes für die Bodenstruktur einzuschätzen. Aus diesem Grund steigt der anzustrebende pH-Wert mit steigendem Tongehalt an. An einem Sandstandort mit einem Humusgehalt unter 15 % liegt der optimale pH-Wert für Gehaltsklasse C bei 4,7 bis 5,2. Dagegen weist ein sandiger/schluffiger Lehm mit identischem Humusgehalt aufgrund des Tonanteils einen Optimalbereich zwischen 5,6 und 6,3 auf. Der Zusammenhang zwischen Tonanteilen und dem pH-Bereich kann der Tabelle entnommen werden.

Für optimale Grünlandnarben mit hohem Deutsch-Weidelgras-Anteil spielt der pH-Wert eine entscheidende Rolle.

Entnahme der Bodenproben

Die Bestimmung des pH-Wertes erfolgt im Rahmen der Bodenuntersuchung und entscheidet über die Höhe der Kalkung. Die Bodenprobenentnahme erfolgt aus den oberen 10 cm (Narbentiefe). Das Analyseergebnis der Labore umfasst neben der Angabe der absoluten Werte eine Einstufung in die Gehaltsklassen. Faktoren wie der Entzug von Kalzium oder Kationen über die Ernteprodukte, der Einsatz physiologisch saurer Düngemittel sowie Auswaschungsverluste sind als Gründe für eine Abnahme der Boden-pH-Werte anzuführen. Prinzipiell kommt der strukturgebenden Wirkung der Kalke im Grünlandbereich eine geringere Bedeutung zu als auf dem Ackerland, weshalb die optimalen pH-Werte auf Grünland auch niedriger als im Bereich des Ackerlandes einzuordnen sind.

Die Grünlandnarbe bei pH-Unterversorgung

Positive Effekte durch Kalkungsmaßnahmen auf die Bestandeszusammensetzung wertgebender Gräser und Kräuter sind in der Literatur gut dokumentiert. Gräser und Kräuter reagieren unterschiedlich auf die Bodenreaktion, also den pH-Wert. Im Falle von niedrigen pH-Werten verschiebt sich die Artenzusammensetzung von hochwertigen Futtergräsern wie dem Deutschen Weidelgras und wertgebenden Leguminosen hin zu minderwertigen Gräsern, was die Ertragsleistung und Energiedichte der Aufwüchse verschlechtert. Eine Kalkung fördert in der Regel schnellwüchsige Arten wie das Deutsche Weidelgras, das Arten mit geringer Wachstumsrate unterdrückt.

Kalkformen für Grünland

Für die Grünlandkalkung eignen sich milde und nachhaltig wirkende kohlen- oder kieselsaure Kalke. Bei Magnesiummangel bietet sich auch ein kohlensaurer Magnesiumkalk an. Auf leichten Standorten ist es besser, einen weniger reaktiven Kalkdünger einzusetzen. Hier sind dolomitische Kalke mit größeren Anteilen von Magnesiumkarbonat geeignet – insbesondere dann, wenn es um die Erhaltungskalkung geht. Auch die zusätzliche Magnesiumzufuhr ist positiv zu bewerten. Bei schweren, tonreichen Böden sind die hochreaktiven Kreidekalke besser geeignet. Sie zeigen besonders bei einer Gesundungskalkung eine sehr gute Wirkung.

Bei entsprechender Witterung und Befahrbarkeit kann die Kalkung auch noch sinnvoll im Herbst erfolgen, wobei Kalkungsmaßnahmen und Wirtschaftsdüngergaben nicht zeitgleich geschehen sollten, da die Gefahr gasförmiger N-Verluste deutlich ansteigt. Die Tabelle stellt den Kalkdüngungsbedarf von Grünland zusammenfassend dar. Der Vermahlungsgrad der Kalke spielt eine wichtige Rolle für die Beeinflussung des pH-Wertes im Boden. Ein feiner Vermahlungsgrad zum Beispiel des Magnesiumkalks von unter 0,25 mm wirkt sich im Vergleich zu einem Vermahlungsgrad von 2 bis 4 mm deutlich schneller auf den pH-Wert aus.

Die in der Bodenanalyse ausgewiesene CaO-Bedarfsmenge darf nicht mit der notwendigen Produktmenge des Kalkdüngers verwechselt werden, da die am Markt befindlichen Kalkdünger meist nicht zu 100 % CaO enthalten. Zudem ist oftmals der Neutralisationswert in Prozent CaO für das Produkt angegeben, um auch weitere pH-Wert-wirksame Bestandteile wie beispielsweise Magnesiumoxid (MgO) mit zu berücksichtigen. Auch liegen die meisten Kalkdüngemittel in der CaCO3-Form vor. Daher sind die Bedarfsmengen von CaO mit dem Faktor 1,78 zu multiplizieren, um die Kalkdüngemittelmenge in der CaCO3-Form zu erhalten.

Das Düngeplanungsprogramm der Landwirtschaftskammer gibt hier Hilfestellung, da diese Angaben bereits berücksichtigt werden. Dennoch kann anhand des produktspezifischen Neutralisationswertes die benötigte Produktmenge auch manuell errechnet werden: Kalkbedarf (dt CaO/ ha) / CaO-Anteil-Neutralisationswert (t CaO/t Produkt) = Produktmenge (dt/ha). Soll zum Beispiel ein Kalkbedarf von 5 dt CaO/ha gedeckt werden, und der Neutralisationswert des eingesetzten Kalkes beträgt 50 % CaO, muss eine Gesamtproduktmenge von 10 dt/ha ausgebracht werden (Tabelle).

Fazit

Für die optimalen Etablierungsbedingungen von Deutsch Weidelgras sowie aus Sicht der Nährstoffverfügbarkeit sollten Grünlandbestände regelmäßig gekalkt werden. Hier lohnt sich der Blick auf die schlagspezifischen Bodenuntersuchungsergebnisse. Die notwendigen Kalkdüngemengen können mithilfe des Düngeplanungsprogramms der Landwirtschaftskammer ermittelt oder den „Richtwerten für die Düngung 2024“ entnommen ­werden.

Wiesen für den Klimawandel rüsten

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Der Klimawandel stellt Landwirte in der Grünlandbewirtschaftung vor neue Herausforderungen. Veränderungen in Temperatur und Niederschlag wirken sich auf die Vegetationsperioden und die Ertragsfähigkeit aus. Wie kann man auf diese veränderten Umweltbedingungen, vor allem auf zunehmende Trockenperioden, reagieren?

Aufgrund des Klimawandels steigt die durchschnittliche Jahrestemperatur exponentiell an, im Zusammenspiel mit häufiger vorkommenden Extremwetterereignissen und durchschnittlich milderen Wintermonaten. Änderungen pflanzenphänologischer Stadien im Frühjahr sind stark temperaturabhängig und stehen somit auch im direkten Zusammenhang mit der Witterung.

Dadurch ist eine Verlängerung der Vegetationsperiode zu verzeichnen, die, neben milderen Temperaturen im Herbst, hauptsächlich in einem verfrühten Vegetationsbeginn begründet ist. Im Grünland wird dieser mittels der korrigierten Temperatursumme (kT) beschrieben. Für deren Berechnung werden die positiven Tagesmittelwerte ab dem 1. Januar aufsummiert und dabei im Januar zur Hälfte, im Februar zu drei Vierteln und ab März voll eingerechnet. Nach einer sechsjährigen Untersuchung an der niedersächsischen Versuchsstation Infeld wurde so von Ernst und Loeper 1976 ein Vegetationsbeginn bei einer kT-Summe von 200 °C ermittelt.

Auswirkungen auf die Bewirtschaftung

Abbildung 1 zeigt den Trend des Erreichens der kT-Summe von 200 °C für die DWD-Wetterstationen Rosenheim (Bayern), Lindenberg (Brandenburg), Kiel-Holtenau (Schleswig-Holstein), Emden (Niedersachsen) und Kleve (Nordrhein-Westfalen) über die zurückliegenden 20 Jahre. Es wird deutlich, dass in allen Landesteilen der Vegetationsbeginn seit 2002 deutlich früher einsetzt – ein Trend, der in wissenschaftlichen Untersuchungen eindeutig belegt ist. Am Beispiel der Wetterstation in Kiel-Holtenau beträgt die Verfrühung zirka zwölf Tage in den zurückliegenden 20 Jahren.

Durch die Integration von ­Zichorie oder Spitzwegerich werden die Grünlandbestände diverser und klimaresilienter.

Vor dem Hintergrund einer möglichst guten Ausnutzung der betriebseigenen Futterressourcen kann die Verlängerung der Vegetationsperiode eine Erhöhung der Schnittanzahl und eine Verlängerung der Weidesaison bedeuten. Jedoch kann aufgrund des Klimawandels durch zunehmende Winterniederschläge die Tragfähigkeit der Flächen abnehmen und eine frühe Bewirtschaftung erschwert werden. Weiterhin nimmt die Wahrscheinlichkeit länger anhaltender Trockenperioden durch ausbleibende Niederschläge im Frühjahr und Sommer zu, sodass in diesem Zeitraum vermehrt mit Ertragsdepressionen gerechnet werden muss. In diesem Zusammenhang sollte auf trockenheitsgefährdeten Standorten die Bodenfeuchte aus den Wintermonaten mit in die Zeit der höchsten Zuwachsraten der Frühjahresaufwüchse genommen werden, um das volle Potenzial aus dem ersten und zweiten Schnitt zu schöpfen.

Besonders auf zur Frühjahrstrockenheit neigenden Standorten kann es im intensiv genutzten Grünland somit sinnvoll sein, die Sortenwahl des Deutschen Weidelgrases auf früh bis mittelfrüh blühende Sorten zu legen. In Abhängigkeit von den Anforderungen der Tiere an das Grundfutter muss betriebsindividuell entschieden werden, ob ein früher erster Schnitt mit hohen Qualitäten und verhältnismäßig geringeren Erträgen angestrebt wird oder ein späterer erster Schnitt bei hohen Erträgen und noch akzeptablen Qualitäten. Im letzteren Fall ist jedoch aufgrund des späteren zweiten Schnitts dann die Wahrscheinlichkeit des Wassermangels auf trockenheitsgefährdeten Standorten größer.

Weidemanagement anpassen

Auch im Weidemanagement ist es wichtig, den optimalen Zeitpunkt des Wachstumsbeginns im Frühjahr abzupassen. Sofern es die Trittfestigkeit des Bodens zulässt, sollten die Tiere, auch bei geringem Futterangebot, zu diesem Zeitpunkt auf die Weide gelassen werden. Dies führt zu kurzen Weidegrasbeständen, in denen durch eine tiefere Lichteindringung in den Bestand die Triebknospen und somit die Seitentriebbildung angeregt werden. Dadurch werden die Narbendichte und die Trittfestigkeit erhöht und der Grasbestand wird für die kommende Saison optimal konditioniert.

Im Zusammenspiel mit der klimawandelbedingten Verlängerung der Vegetationsperiode durch mildere Herbstmonate kann so die Weidesaison verlängert und das hohe Ertragspotenzial der Weiden besser ausgenutzt werden.

Wahl der richtigen Ansaatmischung

Für die Wahl von bewirtschaftungs- und standortangepassten Gräserarten, -sorten und -mischungen gibt es regelmäßig aktualisierte Empfehlungen der Landwirtschaftskammer. Die Wichtigkeit der richtigen Mischungswahl beschreiben Ergebnisse eines Feldversuchs auf einem sandigen und trockenheitsgefährdeten Standort in Schleswig-Holstein, in dem schnittspezifische Erträge von 17 Ansaatmischungen miteinander verglichen wurden. In dem Versuch konnte ein signifikant positiver Zusammenhang zwischen Artenanzahl und Trockenmasseertrag gefunden werden, wobei dieser vorrangig in den trockenen Sommermonaten (dritter und vierter Schnitt) ermittelt wurde. Je nach Hinzugabe einer Art in der Mischung konnte der Ertrag je Schnitt um 18,4 bis 26,8 dt TM/ha gesteigert werden.

Hierbei ist jedoch nicht die Erhöhung der Artenanzahl per se entscheidend, sondern vor allem die Auswahl der richtigen Grasarten. So zeigen Ansaatmischungen mit Anteilen an tief wurzelnden und trockenheitstoleranten Arten wie Knaulgras und Wiesenschweidel (siehe Mischung 6, 11 und 17 in der Tabelle) in den Sommerschnitten deutlich höhere Trockenmasseerträge als reine Deutsch-Weidelgras-Bestände (Mischung 7), deren Ertrag in dem Versuch unterdurchschnittlich ausfiel (Abbildung 2).

Zukünftig werden trockenheitstolerante Grasarten auf zu Dürre neigenden Standorten an Bedeutung zunehmen müssen, um den Folgen der klimawandelbedingten Trockenheitsperioden entgegenzuwirken. Auch tief wurzelnde Kräuter mit hohem Futterwert, wie Spitzwegerich und Zichorie, können hier eine wichtige Rolle spielen.

Um etwaige späte Schnitte in ihrer geringen Qualität zu kompensieren und eine höhere Nutzungselastizität zu gewährleisten, ist ebenfalls die Integration von Klee essenziell. Es wird empfohlen, sich frühzeitig an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen und die Mischungsauswahl neben dem Futterwert an der Standorteignung und Trockenheitstoleranz festzumachen.

Fazit

Durch den Klimawandel verfrüht sich der Graswachstumsbeginn, verlängert sich die Vegetationsperiode und nehmen die Ertragsdepressionen durch Trockenheit in den Sommermonaten zu. Zukünftig sollte die Bewirtschaftung an diese veränderten Bedingungen angepasst werden, um das hohe Ertragspotenzial optimal auszunutzen. Bei der Auswahl der Gräserarten, -sorten und -mischungen im Handel dienen die Qualitätsstandardmischungen der Landwirtschaftskammer als Orientierung.

Nostalgische Schätze rund um den Schulanfang

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In dieser Woche ging die Schule wieder los. Besonders für alle Kinder, die in diesem Jahr eingeschult wurden, begann damit eine aufregende Zeit. Dass auch in früheren Jahrzehnten der erste Schultag ein traditionell wichtiges Ereignis war, zeigt eine neue Sonderausstellung zum Schulanfang im Wandel der Zeit im Kindheitsmuseum Schönberg/Kreis Plön. Kern der Schau sind mehr als 100 historische Schultüten.

Wir schreiben das Jahr 1949. Ursula betritt in der Schule das erste Mal ihren Klassenraum. Erwartungsfroh schaut sie sich um. Auf welche Bank soll sie sich setzen? „Da ich recht klein war, landete ich in der ersten Reihe neben Frieda, einem Mädchen vom Bauernhof. Wir waren so schüchtern, dass wir, so habe ich’s aus Erzählungen gehört, die ersten Tage und Wochen nicht miteinander sprachen. Danach aber saßen wir fünf Jahre brav beisammen. Wir haben noch heute Kontakt“, blickt sie zurück. Vage Erinnerungen, was damals in der Schultüte war, hat sie ebenfalls. „In ihr waren selbst gestrickte, kratzige Strümpfe von Oma, möglicherweise Schreibutensilien und eine kleine Portion Süßigkeiten. Bestimmt war auch etwas Obst darin.“

Bernd Haase und sein Team konzipierten die Ausstellung.

Horst, der bereits 13 Jahre vorher eingeschult wurde, erinnert sich daran, dass die Einschulungsfeier 1936 in einem Lokal stattfand und die Jungen mit gefalteten Dreiecksmützen und Holzschwertern wie kleine Soldaten ausgestattet wurden. „In Bruchstücken weiß ich noch den Text des Liedes, das wir singen mussten. Es zeigt, wie die Zeit damals war: ‚Wer will unter die Soldaten, der muss haben ein Gewehr, das muss er mit Pulver laden, und mit einer Kugel schwer … Bübchen, wirst du ein Rekrut, merk‘ dir dieses Liedchen gut!‘“

Neben Ursula und Horst berichten Christa, Gisela, Marlen und Antje im Rahmen der Sonderausstellung über ihre Schulanfangs-Erlebnisse in den Jahren 1945,1956, 1961 und 1993. „Beim Neujahrsempfang der Gemeinde hatten wir die Anwesenden zuvor gebeten, ihre Fotoalben zu durchforsten und uns Geschichten und Bilder rund um ihren großen Tag zur Verfügung zu stellen“, informiert Bernd Haase, ehrenamtlicher Vorsitzender des Museumsvereins. Wie man auf die Idee gekommen sei, sich dieses Themas anzunehmen? „Alle zwei Jahre konzipieren wir neben unserer Dauerausstellung eine neue Sonderausstellung. 2022 bekamen wir vom Sammler und pensionierten Lehrer Hans-Günter Löwe aus Hamburg zahlreiche originale Schultüten aus vielen Jahrzehnten als Schenkung überreicht.“ Zunächst habe man die guten Stücke sicher verwahrt, bis sie nun aus dem Dornröschenschlaf erweckt worden seien. In Fischernetzen scheinen sie in der Schau fast an den Wänden zu schweben. Eine wunderbare Idee der Präsentation, die Museumsmitarbeiterin Birgit Rönnau hatte. Ergänzt werden die Exponate durch Texttafeln und allerlei historische Utensilien etwa Schulranzen, Fibeln und Schulbekleidung. Daneben kann in der Dauerausstellung eine bestens ausgestattete Schulstube um 1920 bestaunt werden.

Ursula posiert mit einer Schultüte, die ihre Eltern selbst gefertigt und mit Tapete beklebt hatten (1949).
Foto: privat

Bernd Haase und seine Mitstreiter haben sich intensiv mit der Historie des Schulstarts beschäftigt. Grundlage war ein Buch von 2014 mit dem Titel „Schulanfang – Ein Beitrag zur Geschichte der Schultüte“, in dem Sammler Hans-Günter Löwe seine umfangreichen Forschungen vorstellte. „Der Brauch der Schultüte begann am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Von Sachsen und Thüringen verbreitete er sich im 20. Jahrhundert über ganz Deutschland“, weiß Haase. Wenn man auf die Gestaltung der Schultüte schaue, werde deutlich, dass sich in ihr die gesellschaftlichen Gegebenheiten der jeweiligen Zeit widerspiegelten.

„Bei den Schultüten aus dem Ersten Weltkrieg beispielsweise findet sich die damals vorherrschende patriotische Gesinnung in aufgedruckten Motiven mit einem Bild von Kaiser Wilhelm II., dem Eisernen Kreuz oder dem Preußischen Adler wieder“, bemerkt der Lehrer im Ruhestand. „Später war den Nationalsozialisten zwar die Erhaltung der Schultüte wichtig, aber da der Brauch nicht in allen Landesteilen bekannt war, verzichteten sie auf die zunächst angedachte, ideologische Einheitsschultüte. Es gab nur wenige Ausnahmen mit angehefteten Hakenkreuzfähnchen.“

Die Entwicklung der Schultüte nach dem Zweiten Weltkrieg sei dadurch geprägt gewesen, dass durch die Teilung Deutschlands die zumeist im Osten angesiedelten Produktionsstätten für den Westen ausfielen. Nur eine der damals zwölf Herstellerfirmen war dort ansässig. Außerdem gab es einen Unterschied zwischen der ostdeutschen Schultüte, die auch Zuckertüte genannt wurde, und der westdeutschen. „Die ostdeutsche war sechseckig und hatte seit den 1950er Jahren eine Länge von 85 Zentimetern. Als Verschluss fungierten ein Gaze-Stoff und eine bunte Schleife. Die Motive waren Märchenfiguren und das Sandmännchen. Die Kinder bekamen sogar häufig mehrere Schultüten. Deshalb wurden auch kleinere gefertigt, die von Paten oder Verwandten geschenkt wurden“, so Haase.

Von 1924 bis 1941 lernten die Erstklässler als Standard die sogenannte Sütterlinschrift.

Die westdeutschen Schultüten hingegen, waren rund und spitz. Sie wiesen eine Länge von 70 cm auf. Hier diente eine Manschette aus Krepppapier oder Filz als Verschluss. Sie hatten einen einfarbigen Bezug und war meist mit einem Klebebild verziert. „Auch nach der Wiedervereinigung hat sich der Unterschied der Schultüten weitestgehend erhalten. Zudem tragen in den westlichen Bundesländern die Kinder nach wie vor ihre Schultüten zur Einschulungsfeier. In den östlichen werden sie im Rahmen der Einschulungsfeier überreicht oder nach einem alten Brauch vom ‚Zuckertütenbaum‘ gepflückt. Die Eltern bringen die Schultüten dafür am Abend vor der Feier unbemerkt in die Schule“, berichtet Haase. Als einen beliebten Trend machte er die Eigenanfertigung von Schultüten durch Eltern oder Großeltern aus. Mit fantasievollen Tiermotiven, Glitzerelementen, manchmal in 3-D-Optik gestaltet, begleiten die selbst gebastelten Unikate etliche der ABC-Schützen zu ihrer Einschulung. Übrigens: Wie die Schultüten, so wandelte sich über die Jahre ebenfalls, was als Inhalt hineinkam. In mageren Zeiten wurden die Tüten mit geknülltem Zeitungspapier oder Holzwolle ausgestopft und nur obenauf kamen etwas Schokolade, Bonbons und Plätzchen. „Nunmehr steht der Gesundheitsaspekt beim Füllen der Schultüte im Vordergrund, besonders die Zahngesundheit findet große Beachtung“, unterstreicht er.

Neben den Schultüten faszinieren in Vitrinen auch Fibeln und Schulbücher aus den 1950ern bis in die 2000er Jahre. „Die Methoden, wie Kindern das Lesen und Schreiben beigebracht wird, haben sich über die Jahrzehnte hinweg verändert, wie die historischen Exponate eindrucksvoll belegen“, erklärt Haase. Ein Blick in „Hirt’s Berliner Fibel“ von 1935 zeigt beispielsweise, dass damals in den Grundschulen die Sütterlinschrift gelehrt wurde. Sie war von 1924 bis 1941 deutsche Standardschrift.

Interaktive Zeitreise

Die sehenswerte Sonderausstellung lädt ein, über Generationen hinweg zum Schulanfang ins Gespräch zu kommen. „Es ist eine interaktive Schau, bei der unsere Besucherinnen und Besucher eigene Erinnerungen wieder aufleben lassen können“, betont Bernd Haase. Er kündigt an, die noch bis Oktober 2026 laufende Präsentation stetig durch neue Fotogeschichten mit persönlichen Erlebnisberichten zu ergänzen. 

Info

Das 1990 eröffnete Kindheitsmuseum dokumentiert auf zirka 200 m² das Leben von Kindern in ihren sozialen Bezügen von Familie und Schule in ihrem gesellschaftlichen Umfeld vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Aufgrund der inhaltlichen Ausrichtung hat es ein Alleinstellungsmerkmal in der bundesdeutschen Museumslandschaft. Neben der Dauerausstellung gibt es Sonderausstellungen. Führungen, Lesungen, Vorträge, Aktionsnachmittage für Jung und Alt und ein Sommerfest runden das Angebot ab. Träger ist ein gemeinnütziger Verein, dessen rund 50 Mitglieder sich unermüdlich ehrenamtlich dafür einsetzen. Weitere Infos unter ­kindheitsmuseum.de

Die Ehrenamtlichen Dagmar Henschel und Bernd Haase bieten Führungen durch das Kindheitsmuseum mit seiner Sonderausstellung an.
Foto: Silke Bromm-Krieger
In der Dauerausstellung gibt es eine nachgestaltete Dorfschule um 1920.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Das Kindheitsmuseum Schönberg/Probstei öffnete im Jahr 1990 erstmals seine Pforten.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Für ein Erinnerungsfoto ging es bei einigen Familien nach dem ersten Schultag ins Fotoatelier. (Foto aus den 1930er Jahren).
Foto: privat
Gisela mit ihrer Schultüte, 1956
Foto: privat
Eine Schulklasse im Jahr 1954
Foto: privat


Vier coole Messetage bei der Laju

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Der Pavillon der Laju war auch in diesem Jahr beliebter Anlaufpunkt für Kinder, Politiker und alle Messebesucher, die auf frische Waffeln stehen.

 

Landwirtschaftsrunde mit Minister Werner Schwarz (CDU; 4. v. li.)
Im hellblauen Laju-Outfit bei der Norla-Eröffnung
Waffelbäckerinnen
Konzentration bei Liv (li.) und Maja
Start zur Aktion „Bauer sucht Frau“. Am Ende reichte die Tafel nicht aus.
Kim und Lena begrüßen Daniel Günther (CDU).
Politikaktion mit Eierlauf und Jumping Jack

Superfood in der Heimat entdecken

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LandFrauen lieben das Leben auf dem Land und zeigen, was das Landleben zu bieten hat. Sie sind kreativ, sie gründen Unternehmen, sie kümmern sich um Bildungsangebote und sie können nicht nur Kuchen, sondern auch Superfood. Das alles konnten Besucher der Norla im Kompetenzzentrum der LandFrauen auf der Norla erleben.

Da war zunächst das Thema Superfood. Am Glücksrad konnten Besucher drehen und sehen, wie viel Superfood die heimische Küche bietet, ob Blaubeere, Hafer oder Brokkoli. Die Steinburger LandFrauen setzten an ihrem Norla-Tag Kartoffeln und Möhren in Szene. So gab es zur Verkostung zweierlei Pesto auf ‚Annabelle‘-Scheiben – das rote aus Möhren und das grüne aus Möhrengrün zubereitet. Für Erfrischung am heißesten Messetag sorgte „Heidelbeersaft mit Sturm“, also ordentlich Sprudelwasser.

Erfrischung konnten besonders auch Präsidentin Claudia Jürgensen und ihre Stellvertreterin Sylke Messer-Radtke gebrauchen, denn sie absolvierten zahlreiche Termine rund um das Messegeschehen wie das Milchfrühstück, die Sitzung des Landeshauptausschusses des Bauernverbandes, den Eröffnungsrundgang, das Treffen des Open-Regio-Clubs, der Steuerungsgruppe Dialogprozess „Zukunft der Landwirtschaft“, den Landesbauerntag, das Treffen der Steuerungsgruppe des Landwirtschaftsministeriums sowie die Politikaktion der Laju.

Außer dem Kreis Steinburg sorgten auch die Stormarner, Segeberger und Dithmarscher LandFrauen für immer wieder verschiedene Angebote im gemütlich und kreativ eingerichteten Pavillon. Neben den erfahrenen LandFrauen waren an jedem Messetag auch die Jungen LandFrauen aus den einzelnen Kreisen dabei und kümmerten sich zum Beispiel um die Kinderecke. Sie stellten sich zudem als junge Unternehmerinnen vor, so wie Franzi Lemme aus Hohenlockstedt. Sie hat ihr Hobby, das Schneidern, zu ihrer Profession gemacht und in Hohenlockstedt einen kleinen Laden eröffnet, in dem auch Nähkurse angeboten werden. Dafür beschäftigt sie inzwischen sechs Minijobber.

 

 

Superfood aus der Region von den Steinburger LandFrauen
Löwen-Tattoo für den Ministerpräsidenten
Filzen konnten Tomma li. und Hanna bei den Bauernhofpädagoginnen Ricarda Denzau (li. hinten) und Marion Reimers
Faszination Stanzmaschine für Enna
JLF Franzi Lemme hat sich selbstständig mit ihrem Hobby, dem Nähen, gemacht.
Auch am Glücksrad ging es um Superfood

Acht-Punkte-Plan und Zielkonflikte

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Die Bilanz der Bauernwoche fällt positiv aus. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat auf dem Landesbauerntag geliefert. Nach dem Motto „Ein gutes Pferd springt knapp“ kamen seine Vorschläge nicht zu früh, aber gerade noch rechtzeitig, bevor die Emotionen ob der vielen drängenden Fragen und offenen Themen überhandnahmen.

Als Partner der Landwirte stellte sich der Ministerpräsident beim Landesbauerntag dar und präsentierte einen Acht-Punkte-Plan für mehr Praxisnähe und weniger Bürokratie (siehe Seite 10-11). Nachdem in Schleswig-Holstein bereits die Jagdzeiten für die Wildgänse verlängert worden seien, seien ab dem kommenden Jahr auch Erleichterungen bei der Knickpflege geplant. Durch untergesetzliche Regelungen werde es zusätzliche Möglichkeiten geben, gegen schwer bekämpfbare Unkräuter vorzugehen.

Darüber hinaus sei eine praxisgerechte Vereinfachung des Düngerechts vorgesehen, und die landesrechtliche Pflicht zur Wirtschaftsdüngermeldung könne so zukünftig nur noch halbjährlich erfolgen. Außerdem arbeite das Land an der Weiterentwicklung des Programms „Endo-SH“, damit alle Funktionen für eine einzelbetriebliche Verursachergerechtigkeit enthalten seien. Schweinehalter würden mit der neuen Landesbauordnung von unnötiger Bürokratie entlastet, wonach die Errichtung von Ausläufen im Sinne der Haltungsstufen 3 und 4 keiner Baugenehmigung mehr bedürfe.

Der Regierungschef kündigte weiter an, das Dauergrünlanderhaltungsgesetz zu verschlanken. Einen wesentlichen Beitrag zum Bürokratieabbau soll ein einheitliches Portal zur Dokumentation für die Landwirtschaft bringen. Angekündigt wurde auch die Vereinfachung der Dokumentation von Antibiotika. Und als neuntes Bonbon stellte Günther die Einrichtung einer Online-Meldestelle für Bürokratieabbau in Aussicht.

Beim Zustandekommen dieser Punkte ist die Beharrlichkeit und Expertise des Bauernverbandes nicht zu unterschätzen. Der Ministerpräsident hat die Ergebnisse in seiner freundlich eloquenten Art präsentiert und den Applaus eingesteckt, der auch kräftig ausfiel. Zwei Tage zuvor hatte Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) noch den Kopf hinhalten müssen. Mit einigen dieser Themen war er schon in der Sitzung des Landeshauptausschusses konfrontiert worden. Im Detlef-Struve-Haus zeigte sich am Mittwoch, wie auch bei anderen Veranstaltungen, dass die Lunte bei den Landwirten immer kürzer wird. Dabei geht die Differenzierung und die Zuordnung der Themen, die beim Landwirtschaftsministerium (MLLEV) und beim Umweltministerium (MEKUN) angesiedelt sind, munter durcheinandergeht. Das resultiert aus den Zuständigkeiten der beiden Ministerien für Belange der Landwirtschaft. Wenn die Emotionen bei den Landwirten hochgehen, ist kein Platz mehr für Differenzierung.

Darin zeigen sich auch immer wieder Zielkonflikte innerhalb der schwarz-grünen Koalition. So fehlte auch ein Thema im (nun NeunPunkte-)Paket des Ministerpräsidenten: ein Vorschlag zur Wiedervernässung und möglichen Flurbereinigung, die beim MLLEV angesiedelt wäre. Werner Schwarz ist bestimmt kein Mann, der die Anliegen der Landwirtschaft nicht ausreichend am Kabinettstisch platziert. Aber wenn Einigungen nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners stattfinden müssen, besteht die Gefahr, dass sich Ergebnisse und Zufriedenheit auf Dauer in Grenzen halten. Es gibt weiter genug tun bis zum nächsten Landesbauerntag.

Mechthilde Becker-Weigel

Günther trifft den Nerv beim Landesbauerntag

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Die Landesregierung bringt Entlastungen und Initiativen zum Bürokratieabbau für die Landwirtschaft auf den Weg. Ein entsprechendes Maßnahmenpaket kündigte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auf dem Landesbauerntag an. Enthalten sind unter anderem Vereinfachungen bei der Knickpflege, beim Stallbau, im Düngerecht und im Pflanzenschutz. Außerdem soll ein einheitliches Datenportal entwickelt werden.

Die Erwartungen an den Ministerpräsidenten waren hoch beim Landesbauerntag. Er hatte den Landwirtinnen und Landwirten einiges versprochen, das noch ausstand. Deshalb kam der Präsident des Bauernverbands Schleswig-Holstein, Klaus-Peter Lucht, schnell zur Sache in seiner Begrüßung, um dann dem Ehrengast das Wort zu geben.

Bauernpräsident Klaus-Peter Lucht; Foto: Ulrike Baer

Kein Gegeneinander von Politik und Landwirtschaft

Lucht forderte in seiner Rede vor den Landwirtinnen, Landwirten und Gästen in der diesmal nicht voll besetzten Deula-Halle einen neuen Blick auf die Versorgung mit landschaftlichen Produkten. „Wir brauchen Ernährungssouveränität“, sagte der Bauernpräsident. Das sei mit Blick auf die Krisen in der Welt, unter anderem den Krieg in Europa, dringend nötig, damit nicht eines Tages die Regale leer seien. Wenn es um Biodiversität oder Klimaschutz gehe, dürfe es kein Gegeneinander von Politik und Landwirtschaft geben, forderte Lucht. „Es gibt nur ein gemeinsames Miteinander.“ Die Unternehmen machten in diesem Bereich schon sehr viel. Die Bauern hätten aber auch eine wirtschaftliche Verantwortung ihren Betrieben gegenüber. Lucht bekräftigte die Bereitschaft der Landwirtinnen und Landwirte, gesellschaftliche Ansprüche zu erfüllen. Voraussetzung sei jedoch, dass dies auch entlohnt werde. „Wir sind gesprächsbereit und offen, wenn es mehr Umweltund Naturschutz geht“, so Lucht. Dabei dürfe jedoch nie außer Acht bleiben, „dass wir aus unseren Flächen Geld verdienen müssen“. Der Verbandspräsident erwartet von der Politik insgesamt Vertrauen in das Können und in die Leistungen insbesondere junger Landwirte.

Bürokratie lähmt und frustriert alle Beteiligten

Klaus-Peter Lucht forderte vehement vor allem einen weiteren Abbau der Bürokratie, die die Betriebe lähme und die Landwirtinnen und Landwirte frustriere. „Das muss wieder zurückgeschraubt werden.“ Der Präsident lobte die enge Zusammenarbeit zwischen Verband und Landesregierung. Er rief dazu auf, „extreme Gruppen aus der Politik herauszuhalten“. Stattdessen gehe es um mehr Vernunft in der Agrarpolitik. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) machte bei seinem Auftritt auf dem Landesbauerntag deutlich: „Wir brauchen eine breit aufgestellte und wirtschaftlich gesunde Landwirtschaft. Die Landwirtinnen und Landwirte können Herausforderungen hervorragend meistern und sind in der Lage, mit Mut und Innovation auf den Klimawandel zu reagieren.“

MIn.Präsident Daniel Günther (CDU); Foto: Ulrike Baer

Landesregierung reagiert auf Proteste

Er ging auch auf die Proteste als Reaktion auf die Agrardieselsteuerdebatte ein und darauf, dass die Landwirtinnen und Landwirte daher zu Beginn des Jahres unmissverständlich ihre Forderungen in den politischen Diskurs eingebracht und der Politik einen klaren Auftrag gegeben hätten: „So kann es nicht weitergehen.“ In den vergangenen Monaten habe er sich daher regelmäßig mit dem Bauernverband ausgetauscht, um Verbesserungen zu erreichen, gerade im Bereich Vereinfachungen und Bürokratie. „Die Landesregierung hat acht Maßnahmen beschlossen, die Sie entlasten und von unnötiger Bürokratie befreien“, sagte Günther. Nachdem in Schleswig-Holstein bereits die Jagdzeiten für die Wildgänse verlängert worden seien, seien ab dem kommenden Jahr auch Erleichterungen der Knickpflege geplant. Künftig solle es wieder möglich sein, Knicks ab dem 15. September zurückzuschneiden. Das beziehe sich auf den dreijährlichen Rückschnitt. Durch untergesetzliche Regelungen werde es zusätzliche Möglichkeiten geben, schwer bekämpfbare Unkräuter einzudämmen. Das sorge für einen praxisgerechten Pflanzenschutz. Dabei werde die Gewässerqualität stets im Blick behalten. Darüber hinaus solle es eine praxisgerechte Vereinfachung des Düngerechts geben: Die landesrechtliche Pflicht zur Wirtschaftsdüngermeldung könnte so zukünftig nur noch halbjährlich erfolgen. Außerdem arbeite das Land an der Weiterentwicklung des Programms „Endo-SH“ (Elektronische Nährstoffmeldung und Dokumentation), damit alle Funktionen für eine einzelbetriebliche Verursachergerechtigkeit enthalten seien. Auf Bundesebene werde sich die Landesregierung dafür einsetzen, diese Daten zu nutzen, um mehr Verursachergerechtigkeit zu erreichen.

Weg frei für Stallumbauten für mehr Tierwohl

Schweinehalter würden darüber hinaus von unnötiger Bürokratie entlastet. Mit der neuen Landesbauordnung sei klargestellt worden, dass die Errichtung von Ausläufen im Sinne der Haltungsstufen 3 und 4 keiner Baugenehmigung bedürfe, wenn sich die Tiere dort nicht dauerhaft aufhalten. Der Regierungschef kündigte weiter an, dass das Dauergrünlanderhaltungsgesetz verschlankt werden solle. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Evaluierung sollen im Landesgesetz bestehende Doppelregelungen zu bundesund EU-rechtlichen Vorgaben abgeschafft werden. Außerdem setze das Land auf eine gemeinsame Agrarpolitik. Die GAP-Bestimmungen würden so weiterentwickelt, dass sie betriebswirtschaftlich attraktiv, umsetzbar für die Landwirtschaft und wirksam für Umwelt- und Klimaschutz seien. Nach Inkrafttreten werde die Landesregierung die Vorgaben zur Umsetzung der GAP aus Brüssel und Berlin eins zu eins und möglichst durchgängig digitalisiert umsetzen. Darüber hinaus solle ein einheitliches Datenportal für die Landwirtschaft entwickelt werden, mit dem der Datenerfassungsprozess und die damit verbundene Dokumentation vereinfacht und Doppelerfassungen vermieden werden sollen. Zugleich werde die Landesregierung an einer zukunftsgerichteten und bürokratiearmen neuen GAP mitwirken und dabei das Thema Gemeinwohlprämie weiter vorantreiben. Günther zeigte sich optimistisch, dass das Maßnahmenpaket zur Entlastung beitragen werde: „Wir haben zwar noch eine ordentliche Wegstrecke vor uns, doch ich bin sicher: Es geht in die richtige Richtung, damit die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein zukunftsfähig gestaltet werden kann.“

Mehr Vertrauen in die Landwirtschaft

BVSH Vizepräsident Ludwig Hirschberg, ; Foto: Ulrike Baer

Zum Ende betonte Ludwig Hirschberg, Vizepräsident des Bauernverbandes, die Tradition, zum Abschluss des Landesbauerntages das Schleswig-Holstein-Lied zu singen, in dem es heißt „wahre treu, was schwer errungen“. Dabei rief er schmunzelnd und mit Blick auf die aktuell angespannte Diskussion ins Gedächtnis, dass es in der Nationalhymne noch deutlicher heiße „Einigkeit und Recht und Freiheit“, und nicht „Verwaltung, Ordungsrecht und Kontrolle“. Er erinnerte an Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU), der den Knickerlass geknickt und auf das Ökobewusstsein der Landwirte gesetzt habe. Er appellierte insgesamt zu mehr Vertrauen, dass Landwirte, in deren Familien die Knicks teils vor Generationen gepflanzt wurden, auch in der Lage seien, diese zu pflegen. Hirschberg fragte, ob überbordende Regulierung von Nutzen für die Natur sein könne. Der Landesregierung dankte er, dass sie mit der Landwirtschaft ins Gespräch gekommen sei. age, mbw

Kartoffeln für den Klimawandel züchten

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Mit einem Festakt weihte die Solana-Gruppe ihr neues Saatzuchtgebäude in Windeby ein. In 18 Monaten wurden ein dreigeschossiger Neubau sowie neue Klimakammern und Treibhausanlagen errichtet, für den Ausbau der Kartoffelzüchtung nahm das Familienunternehmen viel Geld in die Hand. Das Vorstandsteam um den geschäftsführenden Gesellschafter Leo von Kameke investierte 12,5 Mio. € – und setzt damit die vor drei Jahren entwickelte Wachstumsstrategie um.

Windeby bei Eckernförde ist für die international agierende Solana-Gruppe der wichtigste Züchtungsstandort. Seit 1948 entwickelt das Unternehmen dort Pflanzkartoffeln auf Gesundlagen nahe der Ostsee. Insgesamt 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren sich dort in verschiedenen Bereichen, ein Großteil beschäftigt sich mit der Forschung und Züchung neuer Sorten. Mit dem Neubauprojekt will der Familienbetrieb den Wachstumsturbo zünden. „Unser Ziel ist, das Unternehmen zu verdoppeln. Dafür haben wir einen strategischen Plan für die nächsten zehn Jahre entwickelt“, erklärte Leo von Kameke auf dem Festakt vor rund 100 Gästen am vergangenen Mittwoch. Eingeladen waren Nachbarn, Freunde, Geschäftspartner, Akteure aus der Ortspolitik sowie am Bauprojekt beteiligte Architekten, Bauträger und Gewerke.

Zu den ersten Gratulanten gehörte Daniel Günther (CDU). Der Ministerpräsident durfte als Erster an einem geführten Rundgang durch die neuen Betriebsräume teilnehmen. Den Baufortschritt hatte Günther in den vergangenen Monaten als Nachbar live mit verfolgen können. Sein Fazit: „Sensationell, was da in 18 Monaten entstanden ist.“ Und: „Ich hätte Bock darauf, dort mitzuarbeiten, aber ich habe ja noch drei Jahre als Ministerpräsident vor mir“, fügte der Landeschef mit einem Augenzwinkern hinzu. Mit dem Neubau will das führende Kartoffelzuchtunternehmen der Region seine Effizienz steigern sowie die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit sicherstellen.

„Wir brauchen zukünftig Kartoffelsorten, die dem Klimawandel gewachsen sind“, betonte Leo von Kameke. Besondere Herausforderungen seien für die Zuchtexperten die Wetterextreme mit Hitze und Dürren, fügte der geschäftsführende Gesellschafter der Solana-Gruppe hinzu. Auf den Rundgängen konnten die Gäste einen Blick in die fünf Klimakammern werfen, dort geht es um die kontrollierte Anzucht und Lagerung von Pflanzen und Knollen im Temperaturbereich von 4 bis 40 °C.

Die Geschäftsführer Tobias Mette (links) und Leo von Kameke investieren mit den neuen, klimafreundlichen Gewächshäusern in die Zukunftsfähigkeit der Solana-Gruppe. Foto: Sven Tietgen
240828_Solana Windeby_200000 Unikat-Kartoffelpflanzen wachsen in den neuen Gewächshäusern heran. Foto: Sven Tietgen
Julien Bruckmüller zeigt den Besuchern die Neubauten in direkter Nachbarschaft zum alten Saatzuchtgebäude (links). Foto: Sven Tietgen
Mängel wie Risse oder Eisenflecken führen zum Ausschluss von Sorten. Foto: Sven Tietgen
Karin Niedorf erläutert die vielen Merkmale, die für die Saatzucht eine Rolle spielen. Foto: Sven Tietgen
festkochend und tiefgelb: Lea wird in deutschen Supermärkten angeboten. Foto: Sven Tietgen
Hoch aufgestapelt warten Kisten voller Kartoffeln auf die innere und äußere Untersuchung. Foto: Sven Tietgen
Im Gespräch: Ministerpräsident Daniel Günther (links) mit dem Seniorchef Kartz von Kameke. Foto: Sven Tietgen


Der Vermessung der Kartoffel

Die zu zwei Dritteln mit Erneuerbaren Energien betriebenen Neubauten verfügen über 40 statt bisher 22 Büroarbeitsplätze, eine fortgeschrittene Digitalisierung soll den Wissenstransfer zwischen den Abteilungen beschleunigen. Dass aber nach wie vor viel Handarbeit nötig ist, zeigte das Mitarbeiterteam in den großen Hallenräumen im Erdgeschoss. Dort werden die in den Gewächshäusern und im Freiland gezogenen Kartoffeln nach allen Regeln der Kunst untersucht.

Die Erdäpfel werden einzeln gewogen, gemessen und mit einer 3-D-Kamera fotografiert. Die Kontrolleure widmen sich zudem vielen äußeren und inneren Merkmalen. Die Lage der Augen wird ebenso in Kategorien vermerkt wie die Schalenbeschaffenheit, die Fleischfarbe – von Tiefgelb bis Schneeweiß – sowie die Form. Auch Mängel wie Schorfbildung, Risse, Eisenflecken, Hohlherzigkeit oder Zwiewuchs werden registriert. Jedes Detail ist wichtig – schließlich will die Solana-Gruppe ihre Wettbewerbsvorteile auf den internationalen Züchtungsmärkten ausbauen.

Das Sortiment an Pflanzkartoffeln umfasst derzeit mehr als 60 Sorten, die weltweit in rund 50 Ländern vermarktet werden. Gezüchtet wird für unterschiedliche Verwendungszwecke und Geschmäcke. Große und rotschalige Knollen wie ,Wanda‘ werden beispielsweise in Ländern wie Marokko, Rumänien oder Portugal bevorzugt, während in hiesigen Supermärkten gern zu tiefgelben Sorten wie ,Lea, gegriffen wird. Fast-Food-Ketten bevorzugen Sorten mit schneeweißem Fleisch, andere Produzenten benötigen Erdäpfel mit hohem Stärkegehalt.

Zehn Jahre Züchtungsarbeit bis zur Zulassung

Bis eine neue Sorte vermarktet werden kann, vergehen viele Jahre akribischer Züchtungsarbeit. Dafür setzt das Familienunternehmen seit der Gründung auf die klassischen Züchtungstechniken. Zehn Jahre dauert es, bis eine neue Sorte gekürt wird, weitere fünf Jahre vergehen, bis die Kunden weltweit von Vorteilen wie stärkerer Widerstandsfähigkeit gegen die Kraut- und Knollenfäule überzeugt werden. In den neuen, mit den eigenen Biogasanlagen heizbaren Gewächshäusern wachsen derzeit 200.000 Einzelpflanzen heran – jede davon ist ein Unikat. „Nach zehn Jahren werden nur zwei, drei Pflanzen übrig bleiben, die den Sprung in den Markt schaffen“, erklärt Leo von Kameke.

Sven Tietgen

„Das Wahlergebnis ist erschütternd“

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Die AfD hat ihre hohen Landtagswahlergebnisse in Sachsen und Thüringen bei den Bauern noch übertreffen können. Sachsens Landesbauernpräsident Torsten Krawczyk sieht einen Grund in der für Landwirte teils übergriffigen Politik des Bundes.

Torsten Krawczyk, Landesbauernpräsident Sachsen Foto: DBV

Unzufriedenheit mit der Berliner Politik hat die Wahlentscheidung vieler Bürger bestimmt. In Thüringen verpassten Grüne und FDP den Wiedereinzug in den Landtag. Die Wahlbeteiligung lag mit über 73 % deutlich höher als zuletzt. Der Verfassungsschutz stuft die AfD-Landesverbände Thüringen und Sachsen als gesichert rechtsextrem ein. Eine Analyse der Forschungsgruppe Wahlen zeigt, das in Sachsen 49  % der Landwirte AfD gewählt haben. Insgesamt erreicht die Partei im Freistaat 30,6  %. Überproportional hat auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 13  % bei den Bauern abgeschnitten. Das BSW kommt landesweit auf 11,8 %. Nur 22 % der sächsischen Landwirte haben die CDU gewählt. Die Christdemokraten blieben damit in dieser Wählergruppe spürbar unter ihrem Gesamtergebnis von 31,9 %. Mit 5 % liegen die Grünen bei den Bauern in etwa auf dem Niveau ihres Landesergebnisses. 3 % der Bauern in Sachsen haben die SPD gewählt.

Schwer zu ertragen

Das Wundenlecken nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen und die Ursachensuche haben erst begonnen. Torsten Krawczyk, der Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB), sieht einen Grund für das Wahlergebnis in der teils übergriffigen Politik des Bundes gegenüber der Landwirtschaft, das mache Angst. Vor der AfD habe offenbar weniger Angst bestanden, so Krawczyk. Der Verbandspräsident vermisst Selbstreflexion und Selbstkritik bei der Ampel-Regierung, was ihren Umgang mit der Landwirtschaft angeht. Er erinnert an die Streichung der Agrardieselsteuerrückerstattung aus dem Nichts und die Proteste der Landwirtinnen und Landwirte. Das anschließend beim Bauerntag vorgestellte Agrarpaket der Ampel-Fraktionen war längst überfällig und wird die Verluste nicht ausgleichen. Das Bürokratiemonster schwebt auch weiterhin über der Branche.

„Die Angst vor der AfD ist den Landwirten genommen worden durch das Scheitern der Regierungsparteien“, beschreibt Krawczyk. „Ich mache mir Sorgen, dass man in Berlin den Schuss noch nicht gehört hat.“ Am Dienstag war noch ungewiss, wie eine neue Regierungskonstellation aussehen kann. Krawczyk sieht kaum eine Möglichkeit, bei der Regierungsbildung am BSW vorbeizukommen. „Auch wenn das Wahlergebnis schwer zu ertragen ist, geht es jetzt in erster Linie für uns darum, dass eine stabile Regierung gebildet wird“, sieht er die Situation.

Man werde als Landesbauernverband Angebote machen, sich im Agrarressort fachlich einzubringen, damit so wenig Schaden wie möglich angerichtet werde, konstatierte Krawczyk. Er ist sicher: „Wir gehen nicht auf einfache Zeiten zu. Mit der AfD in der Regierung wird die sächsische Wirtschaft es schwer haben.“ Man dürfe jetzt auch nicht den Fehler machen, alle Entscheidungen der vergangenen Jahre infrage zu stellen. Politisch setzt er mit dem SLB auf eine Versachlichung und Weiterführung der Themen Ökologie, Biodiversifizierung und Wasserbewirtschaftung für Sachsen.

Gleiches Spiel in Thüringen

Auch in Thüringen hat die AfD bei den Bauern mit einem Stimmenanteil von 40  % überdurchschnittlich abgeschnitten. Ihr Landesergebnis liegt bei 32,8 %. Auf Platz zwei rangiert bei den Thüringer Landwirten die CDU mit 23 %. Das entspricht in etwa deren Gesamtergebnis. 14 % der Landwirte haben das BSW gewählt. Landesweit kommt die Wagenknecht-Partei im Freistaat auf 15,8 %. Jeweils 7 % der Landwirte haben in Thüringen die Linke und die SPD gewählt. Mit einem Stimmenanteil von 4 % haben die Grünen bei den Bauern überdurchschnittlich abgeschnitten.

Dr. Klaus Wagner, Landesbauernpräsident Thüringen. Foto: Imago

„Das Wahlergebnis ist erschütternd“, kommentiert Dr. Klaus Wagner, der Präsident des Thüringer Landesbauernverbandes (TBV), die Zahlen vom Sonntag. Frustwahl bei Landwirten Die Wahlentscheidung war überlagert von der Frustration über die Ampel-Koalition in der Berliner Regierung. „Wir stehen vor schwierigen Verhältnissen. Der Wahlausgang macht es schwer, eine handlungsfähige Regierung zu bilden“, konstatiert Wagner. Die Parteien der Ampel-Koalition hätten die Unzufriedenheit in der Landwirtschaft nach dem Agrarpaket nicht ernst genommen.

„Natürlich sind AfD, die SED-Nachfolgepartei und das russlandfreundliche BSW keine natürlichen Koalitionspartner für demokratische Parteien, aber irgendwie müssen die Bundesländer im Osten jetzt regiert werden“, wechselt CDU-Mann Wagner, der in seinem Wahlkreis Sömmerda zum Thüringer Landtag nur knapp dem AfD-Konkurrenten unterlegen war, zum Pragmatismus. Er hofft für die Regierungsbildung, dass ein einziges Haus für die Agrarund Umweltpolitik zuständig sein werde und nicht wie bisher drei Ministerien, das Umwelt-, das Infrastruktur- und das Landwirtschaftsministerium sowie das Sozialministerium, was entsprechende Reibungsverluste erzeugt habe. Für Wagner dürfen auch in Zukunft die Unterstützung der Ukraine, Westbindung, Werte der transatlantischen Partnerschaft und die Stellung in der EU Die Brandmauer gegenüber der AfD fällt. Foto: Imago nicht verhandelbar sein. age, mbw

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