Für die Fütterung von jungen Kälbern existieren zahlreiche Ansätze und Strategien. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass die Kälber irgendwann von einer milchbasierten auf eine festfutterbasierte Ernährung umgestellt werden müssen. Die entscheidenden Fragen sind dabei: Wann und wie sollte dieser Übergang erfolgen? Dazu hat eine dänische Forschergruppe eine umfassende Literaturanalyse durchgeführt. Dr. Jason Hayer vom Hofgut Neumühle präsentiert im Folgenden die Ergebnisse dieser Analyse und gibt praxisnahe Empfehlungen, wie man die Umstellung der Kälber optimal gestalten kann.
Kälber werden mit einem Verdauungssystem geboren, das speziell darauf ausgelegt ist, Nährstoffe aus Milch aufzunehmen und zu verwerten. Dies zeigt sich unter anderem in den Größenverhältnissen der Vormägen. Der größte Magen eines neugeborenen Kalbes ist der Labmagen, der etwa 60 % des Gesamtvolumens der Vormägen ausmacht, während der Pansen lediglich etwa 25 % einnimmt. Bei ausgewachsenen Rindern kehrt sich dieses Verhältnis um: Der Pansen wird mit etwa 80 % der größte Magen. Mit zunehmendem Alter verändert sich das Verhältnis der Vormägen hin zu dem eines Wiederkäuers. Bereits im Alter von zwölf bis 16 Wochen weist das Vormagensystem eines Kalbes eine Volumenverteilung und ein Reifestadium des Pansens auf, das jenem eines ausgewachsenen Rindes ähnelt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Kälber ab diesem Zeitpunkt anfangen, sich natürlicherweise abzusetzen. Untersuchungen des natürlichen Absetzprozesses bei Kälbern, die in direktem Kontakt mit ihren Müttern aufwachsen, zeigen, dass das Absetzen mehrere Monate dauert und erst nach etwa acht bis elf Monaten vollständig abgeschlossen ist.
Ähnliches Absetzalter auf den meisten Betrieben
Auf den meisten Milchviehbetrieben ist eine derart lange Tränkephase jedoch nicht praktikabel. Daher erfolgt das Absetzen der Kälber in der Regel deutlich früher. Eine Umfrage unter 42 westdeutschen Betrieben ergab, dass das durchschnittliche Absetzalter bei etwa elf Wochen liegt, mit einer Spannbreite von acht bis 16 Wochen. Ähnliche Absetzalter finden sich auch in anderen Ländern wie den USA, Kanada und der Tschechischen Republik. In den USA ist es allerdings auch durchaus üblich, Kälber bereits im Alter von sechs Wochen oder früher von der Milch zu entwöhnen.
Das Absetzen von der Milch ist für Kälber häufig mit Stress verbunden, was sich im Verhalten und in der Entwicklung äußern kann. Typische Anzeichen sind vermehrte Lautäußerungen, die Suche nach Milch, eine verkürzte Liegedauer, häufigeres gegenseitiges Besaugen und ein Rückgang der täglichen Gewichtszunahmen. Um diesen Stress zu minimieren und gleichzeitig die Aufzuchtleistung zu verbessern, lohnt es sich, den Absetzprozess gezielt zu optimieren. Eine dänische Literaturanalyse, die 44 Studien aus den Jahren 1990 bis 2023 systematisch auswertete, bietet hierzu wertvolle Einblicke und Empfehlungen.
Die Hälfte der analysierten Studien (22 von 44) untersuchte die Auswirkungen unterschiedlicher Absetzalter. Dabei variierten die verglichenen Altersstufen erheblich – von 28 bis 119 Tagen. Interessanterweise gab es keine zwei Studien, die exakt dieselben Altersgruppen miteinander verglichen.
Was passiert, wenn die Milchtränkedauer verlängert wird und die Kälber später abgesetzt werden? Die meisten Studien zeigen, dass ein späteres Absetzen mit einer geringeren Aufnahme von Kraftfutter während der Aufzuchtphase einhergeht. Dies ist wenig überraschend, da früh abgesetzte Kälber den zuvor durch Milch gedeckten Nährstoffbedarf durch eine erhöhte Aufnahme von festem Futter auszugleichen versuchen.
Absetzalter entscheidet über Gewichtszunahme
Entscheidender ist jedoch der Einfluss des Absetzalters auf die täglichen Gewichtszunahmen. Der Vergleich der Studien ergab, dass mehr als die Hälfte über höhere Tageszunahmen bei späteren Absetzaltern berichtete. Einige Studien konnten keine Auswirkungen feststellen, und nur eine Studie zeigte einen leichten negativen Effekt. Eine Untersuchung ging zudem darauf ein, wie sich ein späteres Absetzalter auf die Gewichtszunahmen nach dem Absetzen auswirkt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Zunahmen sowohl vor, während als auch nach dem Absetzen höher waren, wenn die Milchtränke verlängert wurde.
Neben der Futteraufnahme und den Zunahmen betrachteten einige Studien auch Verhaltensweisen der Kälber. Analysiert wurden unter anderem natürliches Verhalten wie Spielverhalten oder Bewegungsaktivität sowie Anzeichen von Hunger, etwa häufige Besuche von Tränkeautomaten ohne Anspruch auf Milch, und das gegenseitige Besaugen. Allgemein wird vermutet, dass ein späteres Absetzen das gegenseitige Besaugen verringert. Von den drei Studien, die dieses Verhalten untersuchten, konnte jedoch keine einen direkten Zusammenhang nachweisen. Andere Studien deuten allerdings darauf hin, dass die Häufigkeit von Besuchen an Tränkeautomaten ohne Anrecht bei später abgesetzten Kälbern sinkt, was auf geringeren Hunger und weniger Stress schließen lässt. Da solche Verhaltensmuster jedoch von zahlreichen Faktoren wie der angebotenen Milchmenge oder der Absetztechnik abhängen, sind eindeutige Aussagen hierzu schwierig.
Zusammenfassend scheint ein späteres Absetzen zwar mit geringeren Aufnahmen von festem Futter verbunden zu sein, führt jedoch insgesamt zu höheren Tageszunahmen und positiven Verhaltensänderungen bei den Kälbern. Ein Absetzalter von mindestens zwölf Wochen oder mehr wird daher für die meisten Kälber als empfehlenswert angesehen.
Schnell oder langsam absetzen?
Nachdem geklärt ist, wann Kälber abgesetzt werden sollen, bleibt die Frage, über welchen Zeitraum die Milchmenge bis zum finalen Absetzen reduziert werden sollte. Ein Blick in die verfügbare Literatur zeigt, dass langsam über mehrere Wochen abgesetzte Kälber sowohl in der Absetzphase als auch in den Wochen danach eine höhere Aufnahme von festem Futter zeigen als schnell abgesetzte Kälber.
Es gibt zwar auch Studien, die keinen Effekt nachweisen konnten, jedoch war in diesen Fällen das Milchtränkeniveau bereits zu Beginn sehr niedrig (4 l pro Tag). Vor allem bei höheren Milchtränkemengen scheint ein langsames Abtränken die Umstellung auf festes Futter zu erleichtern.
Hinsichtlich des Einflusses der Absetzdauer auf die Tageszunahmen gibt es keinen klaren Zusammenhang. Einige Studien deuten darauf hin, dass eine längere Absetzdauer die Gewichtszunahmen vor und nach dem Absetzen positiv beeinflussen kann. Die Mehrheit der Studien konnte jedoch keinen signifikanten Unterschied feststellen.
Das Verhalten von Kälbern bei unterschiedlichen Absetzgeschwindigkeiten wurde bislang nur in vier Studien untersucht. Allgemein wäre zu erwarten, dass eine längere Abtränkdauer den Stress während der Umstellung reduziert, was sich beispielsweise in weniger gegenseitigem Besaugen äußern könnte. Die Studienergebnisse hierzu sind jedoch uneinheitlich. Nur eine Untersuchung zeigte, dass eine längere Abtränkdauer tatsächlich zu weniger gegenseitigem Besaugen führte.
Ein langsames Abtränken, insbesondere bei intensiven Milchtränken, scheint vorteilhaft zu sein. Dennoch sind weitere Studien erforderlich, um den Einfluss auf das Verhalten und die Tageszunahmen der Kälber besser bewerten zu können.
Verschiedene Kriterien für den Absetzzeitpunkt
Wie bereits beschrieben und auf den meisten Betrieben praktiziert, erfolgt das Absetzen von Kälbern meist altersabhängig. Neben dem Alter könnten jedoch auch andere Kriterien wie das Gewicht der Kälber oder ihre Festfutteraufnahme genutzt werden, um möglicherweise bessere Ergebnisse zu erzielen.
Die Orientierung an der Kraftfutteraufnahme statt am Alter wurde in vier Studien untersucht. Dabei legten einige Studien den Beginn des Absetzens bei einer bestimmten Kraftfutteraufnahme fest (zum Beispiel 225 g am Tag), während andere eine Zielaufnahme für das vollständige Absetzen definierten (zum Beispiel 1.400 g am Tag). In keiner der Studien wurden negative Effekte durch die Orientierung an der Kraftfutteraufnahme festgestellt. Im Gegenteil: In den meisten Fällen zeigte sich ein positiver Einfluss auf die Futteraufnahme während und nach dem Absetzen sowie auf die Tageszunahmen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Orientierung an der Kraftfutteraufnahme eine sinnvolle Alternative zum altersbasierten Absetzen darstellen könnte, insbesondere für Kälber, die später mit der Aufnahme von festem Futter beginnen. Allerdings ist die Messung der Kraftfutteraufnahme in der Praxis anspruchsvoll und derzeit nur bei automatisierten Kraftfutterabrufstationen praktikabel. Zudem ist weitere Forschung erforderlich, um wissenschaftlich fundierte Zielwerte für die Kraftfutteraufnahme festzulegen.
Das Absetzen nach dem Körpergewicht der Kälber wird zwar von einigen Landwirten und Landwirtinnen als Kriterium angegeben, allerdings liegen aktuell keine Studien vor, die sich dieser Variante im Vergleich gewidmet haben.
In der Praxis kommen je nach Technisierung unterschiedliche Strategien zur Reduktion der Milchmenge zum Einsatz. Auf Betrieben mit Tränkeautomaten erfolgt die Reduktion meist linear, während bei manueller Tränke die Milchmenge stufenweise gesenkt wird. Studien zeigen, dass beide Methoden ähnliche Ergebnisse liefern. Allerdings sollte bei einer stufenweisen Reduktion darauf geachtet werden, dass die Schritte klein und über einen längeren Zeitraum verteilt sind. Große Sprünge (zum Beispiel von 10 auf 6 l pro Tag) können Stress bei den Kälbern auslösen und sich negativ auf die Tageszunahmen auswirken.
Ein Absetzzeitraum von mehreren Wochen ist generell zu empfehlen, um den Kälbern eine schonende Umstellung zu ermöglichen. Zudem sollte die Verfütterung sehr geringer Milchmengen (weniger als 1 l pro Tag) vermieden werden, da dies ebenfalls Stress verursachen und das gegenseitige Besaugen fördern könnte. Um dies zu verhindern, ist es sinnvoll, den letzten Schritt des Absetzens als abschließende Stufe zu gestalten, anstatt die Milchmenge kontinuierlich bis auf ein Minimum zu reduzieren.
Fazit
Das Absetzen von Milchviehkälbern und der Übergang von einer Flüssigfütterung zur Festfutterfütterung stellt sowohl für die Kälber als auch für die Landwirtinnen und Landwirte eine große Herausforderung dar. Um diesen Übergang möglichst stressfrei zu gestalten und Einbußen bei den täglichen Zunahmen zu minimieren, sollten Kälber idealerweise erst in einem höheren Alter (über zwölf Wochen) oder bei Erreichen einer definierten Festfutteraufnahme abgesetzt werden. Am Hofgut Neumühle werden die Kälber beispielsweise erst in der 14. Lebenswoche abgesetzt (siehe Abbildung 2).
Die Reduktion der Milchmenge sollte über einen längeren Zeitraum erfolgen, entweder linear oder in mehreren kleinen Stufen, um den Tieren ausreichend Zeit zur Anpassung zu geben.
Weitere Forschung ist notwendig, um den Einfluss anderer Praktiken wie der Reduktion der Fütterungshäufigkeit (zum Beispiel von zwei auf eine Fütterung pro Tag) oder der Einmischung von Wasser besser zu verstehen. Inwiefern andere Praktiken um das Absetzen wie beispielsweise die Reduktion der Mahlzeiten (beispielsweise von zwei- auf einmal täglich Füttern) oder eine Einmischung von Wasser sich auf die Kälber auswirkt, muss noch gezielter erforscht werden. Der Artikel basiert auf Untersuchungen von Welk et al. (2023).