Die MarktTreffs in Schleswig-Holstein werden bundesweit als vorbildlich für die Stärkung der Lebensqualität im ländlichen Raum gesehen. 45 sind es inzwischen, dazu drei im Bau und weitere in Vorbereitung. Zu den bewährten Säulen Nahversorgung, Dienstleistungen und sozialer Treffpunkt rückt immer mehr der Bereich „Digitalisierung in der Daseinsvorsorge“ in den Fokus. Damit beschäftigte sich maßgeblich der Beirat der MarktTreffs bei seiner Sitzung beim Sparkassen- und Giroverband in Kiel.
„Die regionale Wirtschaft muss über den klassischen Hofladen hinauswachsen“, betonte Werner Schwarz (CDU), der als Landwirtschaftsminister auch für die ländlichen Räume zuständig ist und den Vorsitz der MarktTreff-Beiratssitzung führte. Zum Beispiel die politisch gewollte Ausweitung des ökologischen Landbaus benötige auch erweiterte Absatzmöglichkeiten für die entsprechenden Bioprodukte. Deshalb gelte es, auch digitale Möglichkeiten verstärkt zu nutzen, um regionale Produzenten mit Verbrauchern besser zusammenzuführen, etwa durch gemeinsame Logistik kleinerer Höfe für die Distribution ihrer Waren. „Es kann nicht ausreichen, wenn jeder einzeln mit einer Palette Eier ankommt“, gab Schwarz ein Beispiel. Und an welchem Ort könnten solche Verknüpfungen besser angesiedelt sein als bei den MarktTreffs?
Einkaufen bei tante enso
Dafür ist das Konzept „tante enso“ ein Beispiel: Täglich rund um die Uhr (also „24/7“) kann man mittels einer Karte einkaufen und bezahlen. Zusätzlich ist der „Laden“ vier bis fünf Stunden werktäglich mit Personal besetzt. „Die Anspielung auf ,Tante Emma‘ ist gewollt“, erklärte Norbert Hegmann von der Betreiberfirma myEnso, „zugleich soll der Name Digitalisierung ausdrücken. Wir wollen ein Gleichgewicht von Digitalisierung und Mensch erreichen.“ Es gebe auch andere Anbieter von 24/7-Läden, aber die Kombination von Kartenzugang und Öffnungszeiten mit Personal sei besonders.
Die Karte erhält man kostenlos mit Hinterlegung der Personalien und einer Bankverbindung, über die die Einkäufe abgebucht werden. Mindestalter ist 18 Jahre – Eltern haften für ihre Kinder. Wenn „tante enso“ anwesend ist, ist wie bei einem normalen Laden geöffnet, und man kann auch ohne Karte und bar einkaufen. Mit Karte hat man jedoch weitere Vorteile: Man kann digital Waren aus einem großen Fundus vorbestellen und bei tante enso abholen. Vor Ort ist Platz für rund 3.000 Artikel, das digitale Angebot umfasst weitere rund 17.000 Artikel. Regionale Anbieter werden gern einbezogen. Und man kann zusätzliche Wünsche einbringen. „Die Kunden können das Angebot mitgestalten“, so Hegmann.
Digitale Möglichkeiten
Der in diesem Jahr neu eröffnete MarktTreff in Brekendorf in den Hüttener Bergen hat gleich tante enso eingerichtet, weitere Läden gibt es in Schleswig-Holstein bisher in Gülzow, Kreis Herzogtum Lauenburg, und Henningstedt, Kreis Dithmarschen. Bundesweit betreibt tante enso zurzeit 16 Läden. Die Fläche des Ladens in Brekendorf umfasst „nur“ 200 m2, „das spart auch Heizung“. Infrage kommen laut Hegmann Orte mit 1.000 bis 3.000 Einwohnern. Es braucht eine Mindestzahl von 300 Genossenschaftsmitgliedern vor Ort; die erhalten Rabatt auf ihre Einkäufe und 5 % Rendite auf ihre Einlage. Um die Karte zu bekommen, muss man allerdings nicht Genossenschaftsmitglied werden.
„Wir wollen die MarktTreffs mit moderner digitaler Ausrüstung ausstatten, auf jeden Fall schon die neuen MarktTreffs“, erklärte Moderator Ingwer Seelhoff, Geschäftsführer der ews-group, die die MarktTreffs betreut. Vorstellbar sind die Ansiedlung digitaler ärztlicher Beratung oder Energieberatung und die Möglichkeit von Videokonferenzen. „Wir wollen die Bedürfnisse im ländlichen Bereich revitalisieren“, ergänzt Norbert Hegmann von myEnso.
Landessieger Medelby
Die Gemeinde Medelby im nördlichen Kreis Schleswig-Flensburg war Landessieger im diesjährigen Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ (das Bauernblatt berichtete). Bürgermeister Günther Petersen und der Vorsitzende der dortigen Interessengemeinschaft, Norbert Bossen, berichteten auf der Beiratssitzung. „Aus unserem MarktTreff ist die ganze Entwicklung hervorgegangen“, erklärte Bürgermeister Petersen, und Bossen bekräftigt: „Das war der Bringer und Burner für Medelby!“ Eröffnet wurde der MarktTreff 2004. Beide betonten, dass in diese Entwicklung das ganze Kirchspiel einbezogen sei, das sechs Dörfer mit insgesamt 2.400 Einwohnern umfasst, davon Medelby selbst ungefähr 1.000. Aber der Preis kann nur an eine Gemeinde vergeben werden. Als Herausforderungen für die nächste Zeit werden der Ausbau der Kinder- und Jugendarbeit, die sichere Energieversorgung, bezahlbarer Wohnraum und Naturschutz gesehen – und der Nachwuchs im Ehrenamt. „Von sechs Bürgermeistern machen nur zwei weiter.“
Nachwuchssuche
Die Akquirierung von Nachwuchs war denn auch ein allgemeines Thema der Beiratssitzung. „Wir müssen die Sozialen Medien nutzen“, so Karin Clausen-Franzen, Vorsitzende des Kreisbauernverbands Schleswig, die den Landesbauernverband vertrat. „Dadurch können wir Informationen gleich in die Fläche geben und signalisieren ,Ihr seid mit dabei‘.“
Norbert Hegmann wies auf etwas Weiteres hin: „Junge Leute brauchen Anerkennung. Sie feiern sich auf Instagram, wenn sie was Tolles gemacht haben. In der kommunalen Politik wird das selten zelebriert.“ Und Minister Schwarz gab das Beispiel einer Pastorin zum Besten, die Konfirmanden die Kandidatur für den Kirchengemeinderat schmackhaft machte. „Die ploppen jetzt im Gemeinderat auf.“
Jörg Bülow vom Schleswig-Holsteinischen Gemeindetag gab zu bedenken: „Junge Leute wollen sich nicht langfristig in Gremien binden, aber sie engagieren sich für Projekte, wenn sie sie für sinnvoll halten.“ Er wies auf die Internetseite www.zumglueckgibtsuns.de hin. Auf ihr sind Kurzvideos eingestellt unter dem Motto: „Deutschland grübelt noch, bi uns lööpt dat all“, die für die Kandidatur bei der Kommunalwahl 2023 werben. Bisher sind drei Gemeinden mit Videos eingestellt: Klixbüll in Nordfriesland, Süderhackstedt im Kreis Schleswig-Flensburg und Rendswühren im Kreis Plön.
Neue MarktTreffs
Als 44. und 45. MarktTreff kamen dieses Jahr Brekendorf in den Hüttener Bergen und das Storchendorf Bergenhusen im Kreis Schleswig-Flensburg hinzu. Im Bau befinden sich MarkTreffs in Wittenborn und Glasau (beide Kreis Segeberg) und auf der Hallig Langeness.
Der MarktTreff-Beirat setzt sich aus rund 30 Verbänden und Institutionen des ländlichen Raumes zusammen, darunter Bauernverband, Bauernblatt und LandFrauenverband. Er tagt einmal im Jahr. Die Betreuung und Beratung der MarktTreffs hat die ews-group inne.
Die Erstellung eines neuen MarktTreffs wird vom Land mit 75 % der Kosten und bis zu 750.000 € aus Eler-Mitteln gefördert. 25 % und über diese Obergrenze hinausgehende Kosten muss die Gemeinde tragen. Konzeptarbeit im Vorfeld kann über die AktivRegion gefördert werden. Die ews-group erhält für die Betreuung und Beratung 250.000 € im Jahr. Laufende Kosten der MarktTreffs werden nicht gefördert.