Langfristig sollten bei der Umsetzung der Energiewende die Erneuerbaren Wärmeenergien in den Fokus rücken – jedenfalls aus Sicht der Organisatoren des Seminars „Flächenkonkurrenz bei der Energiewende: Solarwärmenutzung braucht eine Planung des zukünftigen Flächenbedarfs“, das am Donnerstag voriger Woche im Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume (BNUR) in Flintbek angeboten wurde. Deutlich wurde in den Fachvorträgen eine breite Vielfalt an Lösungsansätzen für solarthermische Großanlagen. Allerdings gibt es aus planerischer Sicht Konfliktpotenziale, die eine genaue Standortplanung notwendig machen.
Die Organisatoren Jörg Wortmann aus Kiel, Unternehmer für Ingenieurberatungen zu Energie und Klimaschutz, und Bernhard Weyres-Borchert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, stellten zum Seminarauftakt die Rahmenbedingungen sowie die Potenziale und Einsatzbereiche einer solarthermischen Wärmewende vor. Das Konzept der Solarthermie gibt es seit den 1970er Jahren. Es sei technisch ausgereift, robust und langlebig, erläuterte Weyres-Borchert vor rund einem Dutzend Zuhörern. Die Speicherung von Wärme ist vergleichsweise preiswert, die Wärmegestehungskosten beziffert der Diplom-Meteorologe auf weniger als 50 €/MWh. Neben der hohen Grundlastfähigkeit seien solarthermische Anlagen kombinierbar mit anderen Wärmeerzeugern – und zudem zu 100 % recyclingfähig.
Anlagenausbau hinkt Solarenergie hinterher
Der Ausbau solarthermischer Anlagen hinkt allerdings dem Photovoltaikboom deutlich hinterher. Während Solaranlagen mittlerweile 42 % der Stromproduktion in Deutschland ausmachen, dümpelt die Solarthermie bei einem Anteil um 16 %. „Da ist noch viel Luft nach oben. Beim Thema Erneuerbare Energien geht es sehr oft um Solarstrom, da ist eine Schieflage entstanden“, führte Weyres-Borchert weiter aus.
Für einen verstärkten Einsatz der Solarthermie spreche auch die hohe Effizienz. Je nach Kollektortyp sind etwa beim Trinkwarmwasser Erträge bis zu 450 kWh/m² Kollektorfläche und Jahr möglich. Deutlich steigern lassen sich diese Werte durch Kombination mit Wärmepumpen, Eis- oder Erdspeichern sowie Niedertemperaturanwendungen, etwa in kalten Nahwärmenetzen. Wortmann sprach von einer „Riesenherausforderung“ beim Ausbau der Solarthermie – räumte aber auch freimütig die Vorteile der Photovoltaik ein. „Mit Sonnenstrom kann man alles machen, mit solarthermischer Energie kann man allerdings keinen PC antreiben“, so der Diplom-Ingenieur.
Spannende Konzepte präsentierten Vertreter zweier Fachfirmen. Die Ingenieurgesellschaft get2energy aus Kiel konzipiert solarthermische Anlagen, stellt aber auch Heizpellets aus Grasschnitt und Grünabfall her. Die damit betriebenen Liegenschaften mit einem Heizbedarf ab 300 kW erhalten auch Fördermittel für die Nutzung Erneuerbarer Energien von verschiedenen Trägern. Großflächige Solarthermieanlagen weltweit baut die Firma Savosolar. Ihre Flachkollektoranlagen amortisierten sich energetisch bereits nach weniger als einem Jahr, die Lebensdauer gibt das Unternehmen mit mehr als 25 Jahren an. Eine Flächenkonkurrenz müsse es nicht geben: Nutzbar wären nach Angaben von Savosolar beispielsweise Industriebrachen, Klärbecken von Abwasseranlagen oder auch eine Überbauung kontaminierter Böden.
Dass auch ungewöhnliche Areale für solarthermische Großanlagen infrage kommen, machte der Journalist und Verleger Dr. Götz Warnke in seinem Vortrag deutlich. So gibt es Überlegungen, den sogenannten Rissener Canyon zu überbauen. Dabei handelt es sich um eine vierspurige Straße mit einer eingleisigen S-Bahn-Strecke, die schnurgerade durch Hamburg-Rissen verläuft. Zudem könnten Solarthermieanlagen vertikal etwa an Zäunen installiert werden. Warnke hob weiterhin die Doppelnutzungen wie Agroforst- oder Agrisolarsysteme hervor: „Agroforst-Nutzungen wurden bereits im Jahr 1929 erstmals diskutiert“, berichtete er. Zudem profitieren Nutzpflanzen teilweise mehrfach von aufgeständerten Solaranlagen. Heidelbeeren etwa lieben den Schatten, zudem schützen Solardächer die empfindlichen Obstkulturen vor Hagelschlag.
Eine einfachere Bauleitplanung für großflächige Solarthermie- oder Solarparks gibt es aktuell nur in bestimmten Gebieten. So gelten viele Flächen entlang von Autobahnen und Schienenwegen bis zu einer Tiefe von 200 m als privilegiert. Ansonsten sind für diese Vorhaben nach den Worten von Camilla Grätsch vom Planungsbüro GR Zwo Bebauungspläne erforderlich, auch Flächennutzungspläne müssten geändert werden – Solaranlagen gelten dort dann als Sondergebiete. „Unter einem Jahr Planungsdauer ist man nicht dabei, dann sollte auch der fertige Projektplan vorliegen“, erklärte die Planerin aus Flensburg.
Belange abwägen – Konflikten vorbeugen
Es kann außerdem zu Nutzungskonflikten kommen, mit Naturschutzarealen ebenso wie mit Ackerbauflächen. Viele Belange müssten geprüft und abgewogen werden, der Landesentwicklungsplan für Solaranlagen fordert unter anderem eine räumliche Nähe zu Verbrauchern, zudem sollen „längere bandartige Strukturen“ vermieden werden. Tabu sind Naturschutz- und Waldgebiete, Überschwemmungs- und Siedlungsflächen. Konfliktpotenzial haben naturschutzfachlich hochwertige Böden wie Wertgrünland oder alte Ackerbrachen sowie landwirtschaftlich genutzte Areale. Grätsch fasste zusammen: „Je höher die Ertragsfähigkeit der Böden ist, desto stärker werden diese Flächen gewichtet.“