Sie haben sich die Herstellung von hochwertigen und regionalen Lebensmitteln auf die Fahnen geschrieben. Doch dies ist für immer mehr Fischwirtschaftsbetriebe in Schleswig-Holstein nicht mehr möglich. Heute gibt es nach dem Verband der Binnenfischer und Teichwirte noch gerade neun Betriebe, die im Haupterwerb eine Teichwirtschaft betreiben und die Verbraucher und Gastronomie mit frischen, regional erzeugten Fischen versorgen. Und es werden immer weniger.
Jan Kemnitz ist Fischwirt aus Leidenschaft. 35 Jahre lang war die Fischzucht Kemnitz im Naturpark Aukrug im südlichen Kreis Rendsburg-Eckernförde sein Arbeitsplatz und sein Lebensmittelpunkt. Ein kleines Paradies, mitten im Wald. „Ungefähr nach der Hälfte der Zeit habe ich das Land gekauft und hier auch ein Betriebsleiterwohnhaus gebaut.“ Selten gewordene Arten wie Meerforellen, Schnäpel, Steinbeißer und Schlammpeitzger züchtete er in seiner naturnahen Teichwirtschaft für den Verband der Binnenfischer und Teichwirte. Die jungen Fische wurden dann wieder ausgesetzt, um die letzten natürlichen Bestände zu unterstützen. „Ich hatte mich auf Rote-Liste-Arten spezialisiert, aber natürlich habe ich auch Speisefische und Besatzfische produziert.“
Doch damit ist es nun vorbei. Jan Kemnitz hat schweren Herzens aufgegeben und seinen Betrieb verkauft. Der Grund dafür ist vor allem der große Druck durch Fischotter, die sich auf seinem Gelände mitten im Wald sehr wohlfühlen. Sie haben ihm regelmäßig die Teiche leer gefischt. „Das Problem ist flächendeckend. In ganz Schleswig-Holstein sind Otter inzwischen wieder heimisch. Zuerst haben sie die Fische gefressen, aber sie gehen auch an die Amphibien und an Enten- und Gänsegelege. Seit drei Jahren habe ich hier kein Froschkonzert mehr.“
Viele Otter sind der Fische Tod
Der Otterbeauftragte für das Land Schleswig-Holstein, Kilian Lauff, dokumentiert die Otterpopulation in den Teichwirtschaften. Auch auf dem Gelände der Fischzucht Kemnitz sind ihm Otter in die Fotofalle gelaufen. „Nachdem wir wussten, wo wir suchen mussten, habe ich, um Zeit zu sparen, nicht mehr mit den Kameras gearbeitet. Ich habe dann anhand des Kots die Otter nachweisen können.“
Die Tiere genießen in Deutschland höchstmöglichen Schutzstatus. In der Roten Liste der Säugetiere Schleswig-Holsteins aus dem Jahr 2014 wird der Fischotter zudem in der Kategorie 2 „stark gefährdet“ gelistet. Aufgrund der seither festgestellten Wiederausbreitung der Art in Schleswig-Holstein ist hier künftig von einer verbesserten Einstufung auszugehen, heißt es aus dem Umweltministerium (MEKUN).
Für die Teichwirte ist längst klar, dass Fischotter in Schleswig-Holstein keine seltenen Tiere mehr sind. Doch gegen die Tiere vorgehen, das dürfen und das wollen die Fischer auch nicht. Thilo Kortmann, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Binnenfischer und Teichwirte betont: „Wir wollen eine friedliche Koexistenz mit dem Otter. Aber dafür brauchen wir Unterstützung. Die Landesregierung hat mit viel Geld und Aufwand alles dafür getan, dass der Otter hier wieder lebt. Doch nun lässt sie sehenden Auges die binnenländische Fischproduktion zugrunde gehen.“
„Meine letzten Meerforellen-Elterntiere wollte ich Kilian Lauff geben, damit er weiter mit ihnen arbeiten kann. Doch der Teich, in dem ich sie hielt, war auch schon ausgeräubert worden, bevor wir ihn abfischen konnten. Innerhalb von drei Wochen sind dort 150 Meerforellen verschwunden“, gibt Kemnitz einen kleinen Einblick in den unbändigen Hunger, den die pelzigen Fischräuber entwickeln können.
Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums
Bisher ist es nur möglich, beim Landesamt für Landwirtschaft und nachhaltige Landentwicklung (LLnL) eine Unterstützung für Investitionen zu beantragen, um beispielsweise einzelne Teiche einzuzäunen. Das Landwirtschaftsministerium (MLLEV) antwortet auf die Frage des Bauernblattes, was unternommen wird, um die Fischwirte beim Schutz gegen Prädatoren, allen voran Otter, zu unterstützen, schriftlich: „Eine entsprechende Förderrichtlinie zum Ausgleich von Schäden befindet sich kurz vor der Veröffentlichung. Die Höhe der Ausgleichszahlung wird sich nach der Größe des bewirtschafteten Betriebs richten. Im Falle kleiner Teichwirtschaften besteht gegebenenfalls auch die Möglichkeit, die Installation von technischen Schutzvorrichtungen gegen Prädatoren zu fördern (zum Beispiel Zäune, Überspannungen). Die Betriebe müssen im Falle der Inanspruchnahme von Förderungen oder Ausgleichszahlungen jährlich Aufzeichnungen mit Angaben zur Bewirtschaftung, zu ihren jährlichen Erträgen und zu technischen und sonstigen Maßnahmen zum Schutz vor Schäden durch geschützte Tiere dem LLnL vorlegen. Ziel ist es, einen fortlaufenden Überblick über das tatsächliche Aufkommen von Prädatoren und dessen Entwicklung sowie die wirtschaftliche Situation der Betriebe zu gewinnen und somit die Ausgleichszahlungen möglichst bedarfsgerecht zu gestalten.“
Ein Monitoring kommt zu spät
Doch über diesen Punkt sind die Teichwirte längst hinweg. Ein Monitoring benötigen sie nicht mehr, wenn die Teiche schon leer sind. Auch eine wirklich ottersichere Umzäunung seiner Teiche wäre auf dem naturnahen Gelände im Aukrug für Jan Kemnitz ohnehin nicht möglich gewesen: „Bei mir konkret wären es Teiche auf einem Gelände von über 45 Hektar mitten in der Natur. Das wäre nicht gegangen. Man hätte kleine Teile, die man dann spezialisiert für Speisefische hält, mit der entsprechenden Finanzierung einzäunen können. Aber für einen Fischzüchter ist das aus eigenen Mitteln nicht zu wuppen.“
Für Jan Kemnitz wäre solch eine Investition aus betriebswirtschaftlicher Sicht unrentabel gewesen. Deshalb hat er den größten Teil seines Geländes an die Schrobach-Stiftung verkauft. Die hat sich dem Naturschutz gewidmet und schreibt auf ihrer Webseite: „Die Schrobach-Stiftung hat für den Erwerb umfangreiche Fördermittel vom Land Schleswig-Holstein erhalten und ist zukünftig für die Umsetzung der in einem Managementplan festgelegten Ziele für dieses FFH-Gebiet verantwortlich. Amphibien wie Kammmolch und Knoblauchkröte sollen sich möglichst ausbreiten, die Quellfauna soll sich ungestört entwickeln und die grundwasserbeeinflussten Feuchtwälder sollen besonders geschützt werden.“
„Keine Fische, keine Amphibien“
Die Fischzüchter aber befürchten, dass der Erhalt der Kulturlandschaft ohne die fachgerechte Pflege durch Teichwirte nicht möglich ist. Jan Kemnitz ist sich sicher: „Ohne Fische in den Teichen funktioniert es nicht. Erst die Fische halten das Wasser frei, sodass die Amphibien sich wohlfühlen. Ohne Fische verlanden und versumpfen die Teiche. Dann gibt es sehr schnell auch keine Amphibien mehr hier, und der Otter verschwindet auch wieder. Dann verlieren wir mehr, als wir gewinnen, sogar in Bezug auf den Naturschutz.“ Auf Nachfrage des Bauernblattes antwortete die Schrobach-Stiftung schriftlich, sie „erarbeitet derzeit ein Konzept für das gesamte Anwesen, das zu einem Naturschutzzentrum entwickelt werden soll. Der Erhalt und die weitere Pflege der Teiche sind ein zentraler Bestandteil dieses Konzeptes.“
Doch auch ein anderer Punkt lässt die Teichwirte aufhorchen. Während sie seit Jahren mit dem MEKUN um mehr Unterstützung zum Erhalt ihrer Teichwirtschaften im Zusammenhang mit der zunehmenden Belastung durch die Otter ringen, bekam die Stiftung vom MEKUN erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt. Auf Anfrage gibt das Ministerium an: „Die Flächensicherung wurde durch das MEKUN mit rund 850.000 Euro aus Landesmitteln gefördert. Die Förderung umfasste den Ankauf von Offenlandflächen und Waldanteilen. Neben dem geförderten Flächenankauf hat die Schrobach-Stiftung mit Eigenmitteln die übrigen Betriebsflächen und Gebäude des Fischzuchtbetriebes erworben.“
Bleibt nur zu hoffen, dass dieses Geld der Steuerzahler gut investiert ist und die zu schützenden Amphibien wirklich von diesen Maßnahmen profitieren.
Halten die Fischwirte durch?
Für die heimische Nahrungsmittelproduktion sieht das anders aus. Auch wenn Landwirtschafts- und Fischereiminister Schwarz (CDU) betont: „Die Förderung einer regionalen Lebensmittelproduktion nimmt in der Arbeit meines Hauses einen hohen Stellenwert ein. Dies schließt selbstverständlich die Bereiche Fischerei und Aquakultur mit ein. Mir ist bewusst, dass unsere heimischen Binnenfischer aber auch die Teichwirte, vor großen Herausforderungen stehen. Um die Binnenfischereibetriebe in unserem Land in Zukunft besser zu unterstützen, plant das MLLEV die Ausgleichszahlungen für Prädatorenschäden in der Binnenfischerei zu erhöhen – und auch die Teichwirtschaften werden erstmals in unser Programm aufgenommen. Zudem stehe ich bezüglich der Prädatorenproblematik im Austausch mit dem MEKUN, das ein ergänzendes Förderprogramm für die Teichwirte plant. Als Landwirtschafts- und Fischereiminister ist es mir besonders wichtig, möglichst viele Betriebe der Binnenfischerei und Teichwirtschaft zu erhalten, damit wir auch in Zukunft regional erzeugten bzw. gefangenen Süßwasserfisch genießen können.“
Für Jan Kemnitz kommen diese Maßnahmen definitiv zu spät, und ob die restlichen neun verbleibenden Betriebe bis zu den geplanten Ausgleichszahlungen durchhalten können, bleibt abzuwarten. Undenkbar wäre doch ein Schleswig-Holstein ohne frischen Fisch aus nachhaltiger heimischer Teichwirtschaft.