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„Dieser Weg ist unumkehrbar und richtig“

Seit November ist Wolfgang Stapelfeldt aus Nordfriesland Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein im Bundesverband Windenergie (BWE SH). Der Landwirt und Geschäftsführer von zwei Bürgerwindparks spricht im Interview mit dem Bauernblatt über die ersten Monate im Amt und die Perspektiven für den Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein.

Wie haben sich die ersten Monate im neuen Amt für Sie angefühlt?

Wolfgang Stapelfeldt: Angekommen bin ich darin sofort. Durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben wir es mit zahlreichen neuen Gesetzen und Verordnungen zu tun, mit denen die Bundesregierung versucht gegenzusteuern. So gab es auch keine 100 Tage Einarbeitungszeit. Mein Team und ich hatten bereits zwei wichtige Treffen bei Energiewendeminister Tobias Goldschmidt  und Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Es gibt viel Arbeit und viele Termine, aber es macht eine Menge Freude.

Können Sie bereits ein erstes Zwischenfazit ziehen?

Wir stellen vonseiten des BWE fest, dass die Politik die Branche der Erneuerbaren massiv unterstützt und nach vorn stellt. Das ist gut für uns. Dennoch gibt es viel zu tun, die Bürokratie bleibt schwierig, aber wir kommen in wichtigen Schritten voran. Vor dem Hintergrund der Energiekrise und langfristig auch des Klimawandels bleibt der Politik nichts anders übrig, als voll auf die Erneuerbaren zu setzen. Wir sind auf einem guten Weg und müssen und werden als BWE versuchen, Politik und Gesellschaft zu unterstützen, denn dieser Weg ist unumkehrbar und richtig. Davon bin ich überzeugt.

Wie schätzen Sie die Perspektiven der Windenergie in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren ein?

Wir müssen viel zubauen, haben aber auch eine Menge Probleme, die diesen Zubau behindern. Daran müssen wir massiv arbeiten und dort muss auch die Politik besser werden. Ich denke an den Genehmigungsstau aktuell in den Behörden. Es gibt dort wie in vielen Bereichen Personalmangel. Ein weiteres Problem ist die Flächenknappheit. Wir brauchen dringend neue Flächen, und dort hat Schleswig-Holstein, wie viele andere Bundesländer auch, ein Problem, da diese Flächen von der Landesregierung neu entwickelt werden müssen. Durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, dessen Rechtskräftigkeit noch aussteht, erhöht sich der Druck für die Landesregierung noch einmal in Sachen Flächenplanung. Wir benötigen einen neuen Regionalplan und damit Rechtssicherheit. Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel.

Was braucht es am dringendsten, um beim Ausbau der Erneuerbaren im Land voranzukommen?

Ein schnelles Handeln der Politik durch das Ausweisen von Flächen und den Abbau von Bürokratie. Natürlich muss die Bevölkerung dabei mitgenommen werden. Auch dort ist die Politik nicht gut davor. Die Bürger müssen darauf vorbereitet werden, dass wir in Zukunft noch sehr viel mehr Windkraft haben werden. Wir werden auch Freiflächen-Photovoltaik (PV) brauchen, um die Ausbauziele zu erreichen. Da würde ich mir eine positivere Kommunikation vonseiten der Landesregierung wünschen. Der Ausbau der Erneuerbaren ist auch eine Belastung in einigen Bereichen, etwa beim Landschaftsbild. Aber natürlich haben wir immense Vorteile, Stichwort Klimawandel oder Importunabhängigkeit. Trotzdem muss die Bevölkerung dies realistisch einschätzen können und mitgenommen werden.

Wie realistisch ist das ausgewiesene Flächenziel von zwei Prozent der Landesfläche?

Leider aus meiner Sicht überhaupt nicht, da wir in Schleswig-Holstein im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern eine Rotor-in-Regelung haben. Demzufolge sind die zwei Prozent, die die Politik immer so schön nach vorn stellt, realistisch gerade 1,3 Prozent. Wir fordern die Rotor-out-Regelung, also dass eine Windkraftanlage dicht an der Grenze einer neuen Vorrangfläche im Regionalplan stehen darf und nicht zurückgezogen um die Rotorlänge. Wenn wir das erreichen, wären die zwei Prozent realistisch. Wir müssen im neuen Regionalplan eher drei bis vier Prozent ausweisen, um die Ausbauziele zu erreichen. Und auch das ist ein Punkt, an dem es der Landesregierung sehr schwer fällt, hier weiterzukommen. Natürlich immer unter der wichtigen Voraussetzung, dass alle Auflagen wie Immissionsschutz, Naturschutz und notwendige Abstände zu Gebäuden eingehalten werden.

Wie begegnen Sie Anwohnern und Landeigentümern, die den weiteren Zubau aufgrund sinkender Preise für ihre Immobilien und ihr Land kritisch sehen?

Wir müssen versuchen, die Bürger mitzunehmen. Wenn ein Windpark geplant wird, und wenn es idealerweise ein Bürgerwindpark ist, dann ist es nach meiner Erfahrung kein Problem, durch Transparenz und Mitnahme der Bürger zu erreichen, dass sie damit einverstanden sind. Man muss die Zahlen offenlegen und sagen, wie es läuft. Der weit überwiegende Teil von Anwohnern und Urlaubern steht der Windkraft sehr positiv gegenüber. Für junge Menschen ist es heute selbstverständlich, dass Windräder zum Landschaftsbild dazugehören.

Droht eine zunehmend fragile Straßeninfrastruktur zur Gefahr für den Windkraftausbau zu werden?

Das ist leider bereits jetzt der Fall. Wir haben aktuell massive Probleme, die Windkraftanlagen auf die Baustellen zu bekommen. Viele Infrastrukturen im Land sind marode, und die Landesregierung hat es nicht geschafft, diese Infrastruktur, also Straßen und Brücken, vernünftig instand zu halten. All das ist nicht passiert, und deswegen stehen wir schon heute in vielen Bereichen vor diesem Problem. In Dänemark sieht es da ganz anders aus.

Was hilft der weitere Zubau, wenn der Strom aus dem Norden derzeit kaum weitertransportiert werden kann?

In den vergangenen zwei Jahren konnten wichtige Infrastrukturprojekte verwirklicht und etwa die Westküstenleitung fast fertig gebaut werden. Abschaltungen wegen Leitungsüberlastung nehmen dadurch bereits jetzt ab. Nach wie vor Probleme haben wir in den süddeutschen Bundesländern, die überhaupt nicht ambitioniert sind, den Windkraftausbau voranzubringen, und leider auch den Ausbau der Netze verhindern.

Als Branche müssen wir im Norden daher ganz klar sagen: Wir produzieren dezentral Erneuerbare Energien. Liebe Industrie, dann kommt her zu uns! Vor dem Hintergrund, dass Industriezweige ihre Produkte mit Grünem Strom, also mit sauberer Energie herstellen können, haben wir große Hoffnungen, dass wir mit unserer Energieproduktion aus Windkraft, PV und Biogas dazu beitragen können, dass Schleswig-Holstein ein klimaneutrales Industrieland wird. Mit allen positiven Auswirkungen für Wertschöpfung und das Leben im Land.

Regionalplan I für unwirksam erklärt

Der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts entschied am Mittwoch vergangener Woche nach mündlicher Verhandlung die Unwirksamkeit des Regionalplans für den Planungsraum I. Die in Kapitel 5.8 (Windenergie an Land) enthaltene Festlegung von Vorranggebieten für die Windenergie leide an einem Abwägungsmangel, der die zu überprüfende Landesverordnung für den Regionalplan für den Planungsraum I in Schleswig-Holstein Kapitel 5.8 insgesamt unwirksam werden lasse.

Der Textteil des Regionalplans für den Planungsraum I legt in Kapitel 5.8 Vorranggebiete für die Windenergienutzung an Land fest. Raumbedeutsame Windkraftanlagen dürfen nur in diesen Gebieten errichtet und erneuert werden. Bei der Aufstellung der Regionalpläne sind die im Landesentwicklungsplan definierten Grundsätze der Raumordnung zu berücksichtigen. Einer dieser Grundsätze bestimmt, dass die Flächenauswahl für die Vorranggebiete nach bestimmten harten und weichen Tabukriterien sowie Abwägungskriterien erfolgen soll. Eines der weichen Tabukriterien nimmt Landschaftsschutzgebiete von der Flächenauswahl aus. Gleiches gilt für Gebiete, für die durch Einleitung eines Verfahrens zur Unterschutzstellung eine Veränderungssperre ausgelöst worden ist.

Die Voraussetzungen dieses Kriteriums hätten, so die Auffassung des Senats, mit Blick auf die beiden als Tabuzonen berücksichtigten Landschaftsschutzgebiete Wiedingharder- und Gotteskoog und Ostenfeld-Schwabstedter Geest mit vorgelagerter Marsch im Kreis Nordfriesland nicht vorgelegen. Denn die Ausweisung dieser beiden Gebiete beruhte auf Kreisverordnungen, die ihrerseits bereits durch Urteile des Oberverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2020 für unwirksam erklärt worden waren. Bis zum Inkrafttreten der hier streitigen Landesverordnung am 31. Dezember 2020 habe der Kreis keine Verfahrenshandlungen vorgenommen, die eine erneute Veränderungssperre ausgelöst hätten. Der Ausschluss dieser beiden Gebiete von der Windkraftplanung hätte demnach nur nach einer ergänzenden Abwägung erfolgen können; eine solche war jedoch unterblieben.

Gesamter Planungsraum I betroffen

Der festgestellte Fehler betreffe den gesamten Planungsraum I – bestehend aus den Gebieten der kreisfreien Stadt Flensburg, der Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg –, da sich das Verhältnis von Positiv- zu Negativflächen insgesamt verändere und deshalb nicht mit ausreichender Sicherheit angenommen werden könne, dass der Plan mit den übrigen Festsetzungen genauso beschlossen worden wäre. Erfolgreiche Antragstellerin in diesem Normenkontrollverfahren ist eine Projektgesellschaft, die im nördlichen Kreis Schleswig-Flensburg die Errichtung einer Windkraftanlage plant.

Mit dieser rechtlichen Würdigung hatte vorige Woche auch die Klägerin in einem zeitgleich verhandelten Verfahren Erfolg. Eine Bürgerwindpark-Gesellschaft begehrte vom Landesamt für Umwelt einen positiven Vorbescheid für eine geplante Windkraftanlage im Gebiet Wiedingharder- und Gotteskoog. Mit der Unwirksamkeit des Regionalplans für den Pla- nungsraum I stünden diesem Vorhaben keine Ziele der Raumordnung mehr entgegen, so der Senat.

Weitere Anträge und Klagen anhängig

Eine schriftliche Begründung der Urteile liegt noch nicht vor. Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen den Regionalplan für den Planungsraum I sind sieben weitere Normenkontrollanträge und eine weitere Klage anhängig.

Am 6. Juni wird sich der Senat mit dem Regionalplan für den Planungsraum II befassen. Er betrifft die kreisfreien Städte Kiel und Neumünster sowie die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde. Dagegen wenden sich zwei Antragstellerinnen. Die Gemeinde Krummbek, Kreis Plön, meint, dass das Vorranggebiet PR2_PLO_006 zu nah an ihr Gemeindegebiet heranreiche und ihre eigene Planungshoheit verletze. Eine private Antragstellerin wendet sich gegen die Aussparung ihrer im Kreis Rendsburg-Eckernförde in der Nähe der Potenzialfläche PR2_RDE_073 gelegenen Grundstücksflächen.  Über den Fortgang der 43 Normenkontrollanträge und zwei Klagen, die sich gegen den Regionalplan für den südlichen Planungsraum III richten, bleibt sodann zu entscheiden.

Schweinemarkt zündet den Turbo

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Nach einer längeren Pause mit unveränderten Kursen wurde der Vereinigungspreis für Schlachtschweine (VEZG-Notierung) in der vorigen Woche um 5 ct auf 2,33 € je Indexpunkt erhöht. Dass die Notierungen im Handel mit Schlachtschweinen bereits in der kalten Jahreszeit solche Rekordwerte erreichen, ist nicht auf eine ungewöhnliche hohe Nachfrage nach Schweinefleisch zurückzuführen. Diese setzt eigentlich erst mit dem Beginn der Grillzeit ein. Dennoch läuft aktuell die Bevorratung mit Grillartikeln. Da die Kühlhäuser bislang nur unzureichend gefüllt sind, hat ein reger Wettbewerb um das knappe Lebendangebot eingesetzt. Aufgrund des Bestandesrückgangs in der Schweinehaltung liegen die wöchentlichen Schlachtzahlen deutlich unter den Vorjahreswerten. Seit Jahresbeginn wurden in Deutschland etwa 8 % Schweine weniger als im Vorjahreszeitraum geschlachtet.

Spanischer Schweinepreis auf China-Niveau

Auch in den EU-Nachbarländern sorgt ein reduziertes Angebot für hohe Kurse im Schweinehandel. Spitzenreiter ist hier Spanien. Dort liegt die Notierung mit 2,72 €/kg SG nur knapp unter dem Niveau des Schweinepreises in China. Der hohe Schweinebedarf in Spanien wird auch durch umfangreiche Importe aus Frankreich bedient. Dort sind die Notierungen auf 2,51 €/kg SG gestiegen. Auch in Österreich sorgt ein kleines Angebot dafür, dass die Schweinepreise mit 2,48 €/kg SG über dem Niveau in Deutschland liegen. Trotz eines Preisaufschlags von 8 ct liegt der Schweinepreis in Dänemark mit 1,85 €/kg SG deutlich unter dem hiesigen Kurs. Obwohl auch die Schweinebestände in Dänemark zurückgegangen sind, bleibt man weiter vom Export abhängig. Die zuletzt fehlende Nachfrage aus Asien, vor allem aus China, bremste bislang einen möglichen Anstieg der dänischen Schweinenotierungen.

Laut vorläufigen Zahlen des Europäischen Statistikamtes (Eurostat) sind die Schweineschlachtzahlen in der Europäischen Union im vergangenen Jahr spürbar gesunken. Die gesamte Schweinefleischproduktion in den Mitgliedstaaten sank um 5,7 % auf 22,1 Mio. t, so wenig wie seit 2014 nicht mehr. Hohe Futterkosten und niedrige Erlöse sorgten für wirtschaftliche Verluste der Erzeuger und haben die Tierbestände in den meisten Mitgliedstaaten verringert. Die stärksten Rückgänge wurden in Deutschland, Dänemark, Belgien und Rumänien verzeichnet. Auch die Zahl der Sauen ist innerhalb von zwölf Monaten bis Ende vergangenen Jahres um 4,6 % zurückgegangen. In Deutschland liegen Sauenschlachtungen mittlerweile 20 % unter den Vorjahreszahlen. Auch die Notierungen für Schlachtsauen sind deutlich gestiegen. In vielen Verarbeitungsbetrieben, zum Beispiel bei der Wurstproduktion, kann Sauenfleisch nicht ohne Weiteres durch andere Produkte ersetzt werden. Viel wichtiger ist jedoch, dass ohne die Zuchtsauen die Zahl der Ferkel Monat für Monat sinkt. Damit ist absehbar, dass das Angebot an Schlachtschweinen im weiteren Verlauf immer weiter zurückgeht. Da die Ferkelpreise entsprechend der Entwicklung am Schweinemarkt stetig steigen und die Kosten für Mischfutter bislang wenig Luft nach unten zeigen, bleibt die Marge in der Schweinemast bescheiden. Somit müssten sich die Preise für Schlachtschweine in der Spirale des knappen (zurückgehaltenen) Angebotes und der höheren Ferkelpreise weiter nach oben bewegen. Diese Entwicklung wird wohl nur dadurch gebremst, dass die Nachfrage am Fleischmarkt durch zu hohe Preisforderungen irgendwann zurückgeht.

Günstige Prognose

Mit dem Beginn der warmen und damit grilltauglichen Jahreszeit werden weitere Preisaufschläge für Schlachtschweine erwartet. Bereits Richtung Osterfest erwarten die Marktteilnehmer in den meisten europäischen Ländern eine nochmals anziehende Nachfrage. Zunehmende Kaufanfragen aus asiatischen Ländern wecken zudem die Hoffnungen der europäischen Exporteure, dass auch der Drittlandsexport von Schweinefleisch wieder Fahrt aufnehmen könnte.

Das Image der Immunokastration

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Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderte Verbundvorhaben „Feldstudie zur Impfung gegen Ebergeruch“ präsentierte Anfang März seine finalen Ergebnisse an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Neben der CAU waren das Max-Rubner-Institut (MRI) Kiel und die Georg-August-Universität (GAU) Göttingen ausführende Einrichtungen. Details zu den Studien können bei der jeweiligen Forschungseinrichtung erfragt werden. Hier eine Zusammenfassung.

Hintergrund der Feldstudie war der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration Ende 2020. Obwohl die Immunokastration seit über 20 Jahren im Einsatz ist und hinreichend untersucht wurde, ist die Erfahrung rund um den praktischen Einsatz in Deutschland begrenzt. Die zurückhaltende Nutzung ist unter anderem den Vorbehalten bei Schlachtung und Vermarktung der Tiere geschuldet. Ein wesentliches Ziel der Feldstudie war also die Aufklärung dieser Vorurteile entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Schweineproduktion.

Umweltwirkungen von Immunokastraten

Umweltwirkungen aus der Tierproduktion werden aktuell stark diskutiert. Folglich untersuchte die CAU den Einfluss der Immunokastration auf die Umweltwirkungen aus der Schweinemast. Ausgangspunkt war dabei die Tatsache, dass sich der Futterverbrauch von Immunokastraten (IK) deutlich reduziert. Reduziert sich demnach auch die Umweltwirkung?

Mittels Klimabilanz wurden Futterproduktion, Ferkelproduktion, Ferkelaufzucht, Mast und Schlachtung im Klimabilanzmodell berücksichtigt. Es wurde das ­Treibhausgaspotenzial pro Betrieb und Jahr für chirurgische Kastration, Immunokastration und Ebermast kalkuliert. Im Vergleich zur chirurgischen Kastration können durch den Einsatz der Immunokastration 349 t CO2-Äquivalente pro Betrieb und Jahr eingespart werden. Für die Ebermast ergab sich ein Einsparungspotenzial von 373 t CO2-Äquivalenten pro Betrieb und Jahr.

Abweichungen in der Klassifizierung

Das MRI untersuchte, ob die Klassifizierung von IK im Vergleich zu Mastsauen, Borgen und Mastebern negativ verzerrt ist. Die Tiere wurden nach AutoFOM klassifiziert und der Muskelfleischanteil (MFA) kalkuliert. Für Referenzwerte wurden die Teilstücke gewogen und der MFA mittels Computertomografie bestimmt. Auf den Betrieben wurden Piétrain oder Duroc als Endstufeneber eingesetzt.

Innerhalb der Geschlechtskategorien wurde keine Über- oder Unterschätzung des MFA festgestellt, allerdings zeigte sich eine systematische Überschätzung beim Duroc. Die Teilstücke wiesen im Vergleich dazu höhere systematische Abweichungen auf (um die fünf Prozentpunkte). Innerhalb der Genetik zeigte sich beim Duroc eine Überschätzung von Kotelett und Lachs, während diese Teilstücke beim Piétrain eher unterschätzt wurden. Umgekehrt verhält es sich bei Schinken und Schulter. In den Geschlechterkategorien zeigten sich vergleichbare systematische Abweichungen, wobei IK, bezogen auf das Ausmaß dieser Verzerrungen, zwischen Borgen und Mastebern einzuordnen sind.

Tägliche, sorgfältige Tierkontrollen – Das Tierverhalten kann ein guter Indikator für den Impferfolg sein.

Streuung in Schlacht- und Befunddaten

Ob IK wesentlich zu einer Erhöhung der bekannten Streuung in Schlacht- und Befunddaten beitragen, wurde durch die CAU untersucht. Bei den Schlachtdaten nahmen IK eine Mittelstellung zwischen Mastsauen und Borgen ein. Eine Erhöhung der Streuung durch IK konnte ausgeschlossen werden. Als Ursache für die Streuung der Schlachtdaten gab die CAU vor allem den Betrieb und das Gewicht an. In allen Merkmalen zeigte das Geschlecht einen vernachlässigbaren Anteil an der Variation (<1 %).

Durch den Herz-Lungen-Kreislauf bedingt werden Befunde an Lunge, Brustfell und Herz dem Risiko für Atemwegsinfektionen zugeordnet. Eine Risikobewertung ergab, dass das Risiko für Atemwegsinfektionen und Leberbefunden bei IK im Vergleich zu Sauen oder Borgen nicht erhöht ist. Ein leicht höheres Risiko besteht für Abszesse und Gelenkentzündungen, deren Prävalenz allerdings unter 1 % liegt.

Immunokastration in der Praxis

Um einen erfolgreichen Einsatz der Immunokastration in der Praxis zu gewährleisten, müssen bestimmte Voraussetzungen im Management erfüllt sein. Für eine Evaluierung dieser Voraussetzungen erstellte die CAU einen Fragebogen zu Betriebsstruktur und Management in der Mast. In die Auswertung flossen 26 Mast- und 24 Kombibetriebe ein. 46 % der Betriebe gaben an, nie eine getrenntgeschlechtliche Aufstallung während der Mast durchzuführen, 40 % der Betriebe stallen immer getrenntgeschlechtlich auf.

Überwiegend wurde die Applikation durch das Betriebspersonal durchgeführt (48 %), in 2 % durch den Tierarzt. Vor und nach der Applikation erfolgte eine intensive Tierkontrolle. Zusätzlich machten 36 % der Betriebe vor der Erstimpfung einen Gesundheitscheck. 96 % der Betriebe nannten das Tierverhalten als Indikator für einen Impferfolg, 88 % nannten die tägliche Tierkontrolle, und 56 % gaben an, dass die Hodengröße ein guter Indikator sei.

Schlachtkörper – Fleisch- und Fettqualität

Die GAU evaluierte an Mastsauen und IK die Schlachtkörperqualität mittels AutoFOM sowie die Fleisch- und Fettqualität anhand der Parameter pH-Wert, Leitfähigkeit, Farbe, Tropf- und Kochverluste, Scherkraft, intramuskulärer Fettgehalt, Fettsäuremuster und Ebergeruchsstoffe.

In den untersuchten Parametern der Fleischqualität konnten zwischen IK und Sauen keine wesentlichen Unterschiede und keine Mängel festgestellt werden. Auch das Fettsäuremuster wies keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Folglich ist die Verarbeitungseignung von IK und Mastsauen vergleichbar. Allerdings zeigte sich in der Schlachtkörper- und Fettqualität eine große Variabilität zwischen den Betrieben.

Verarbeitungsqualität und Produktsensorik

Anhand Kochpökelware, Rohwurst und Bauchspeck untersuchte das MRI die Verarbeitungsqualität zwischen den vier Geschlechtskategorien und Genetiken. Das Ausgangsmaterial für die Produkte wurde physikalisch (unter anderem pH-Wert, Farbmessung) und chemisch (unter anderem Fettsäuremuster, Iodzahl, Ebergeruch) analysiert. Im Fettgehalt konnten IK zwischen Mastsauen/Borgen und Mastebern eingeordnet werden. Das Fettsäuremuster und der Oxidationsstatus wiesen einen signifikanten Betriebseffekt auf. Alle Produkte wurden anschließend zu unterschiedlichen Lagerzeiten durch Prüfer sensorisch bewertet. Im Gesamteindruck wurden vor allem Produkte von Mastebern schlechter bewertet. IK unterschieden sich dabei nicht signifikant von Mastsauen oder Borgen.

Akzeptanz beim Konsumenten

Die GAU ermittelte, wie intensiv Geruchsabweichungen bei IK wirklich wahrgenommen werden. Dafür wurden Geruchsproben von IK und Mastsauen durch geschulte Prüfer verglichen. Die Proben stammten jeweils vom selben Betrieb. Wiesen die Proben gleiche ASI-Werte (Androstenon, Skatol, Indol) auf, wurden Proben von IK häufiger (58 %) als „intensiv“ bewertet. Lagen die ASI-Werte der IK deutlich über den zu vergleichenden Sauenproben, wurde deutlich häufiger (78 %) ein intensiver Ebergeruch wahrgenommen.

In einem großen Lebensmitteleinzelhandel wurden Bauch- und Schinkenspeck sowie Nackensteaks an Kunden verteilt, die die Sensorik zwischen Produkten von IK und Mastsauen bewerten sollten. Hinsichtlich des Geschmacks konnten keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden. Unterschiede in den Rassen zeigten sich im Schinkenspeck: Hier wurden beim Duroc eher Produkte von Mastsauen bevorzugt (58 %), beim Piétrain hingegen eher Produkte von IK präferiert (54 %).

Fazit

Das Projekt konnte beweisen, dass Vorbehalte gegen die Immunokastration unbegründet sind. In sämtlichen Merkmalen lassen sich IK zwischen Mastsauen und Borgen einordnen. Alle Untersuchungen zeigten einen signifikanten Betriebseffekt. Demnach bildet das Management auf dem Betrieb eine wesentliche Stellschraube für die Qualität von IK als Mastendprodukt. Vor allem eine angepasste Fütterung nach der Zweitimpfung könnte die Qualität noch weiter verbessern. Eine getrenntgeschlechtliche Aufstallung ist dafür unumgänglich. Basierend auf den Fragebögen der Praxisbetriebe zeigt sich diesbezüglich Optimierungsbedarf in der Sachkunde. Hierfür sind bereits mögliche Schulungen durch und mit der Landwirtschaftskammer kommuniziert worden.

In der Klassifizierung fordert der Bauernverband eine Optimierung der Schätzformeln für IK und Duroc. Eine Kennzeichnung von IK sehen viele Parteien des Projektes auf Grundlage der Ergebnisse als nicht gerechtfertigt. Eine Möglichkeit, das Image und damit die Akzeptanz beim Verbraucher zu verbessern, könnte die Aufklärung über den Mehrwert im Tierwohl darstellen. Damit die Immunokastration die chemische Kastration langfristig ablöst, müssen vor allem Vermarktungssicherheiten für Ferkelerzeuger, Mäster und Schlachthöfe geschaffen werden.

AMK-Demo: Freie Unternehmer wollen reagieren können

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Ob Ackerbauer, Tierhalter oder Fischer – jeder Berufszweig hat aktuelle eigene Herausforderungen zu meistern. Geeint sind sie in aber ihrer Kritik an ausufernden gesetzlichen Vorschriften und Dokumentationspflichten. Rund 500 Naturnutzer haben sich daher vergangene Woche Donnerstag zur Agrarministerkonferenz (AMK) nach Büsum begeben, um ihrem Unmut Luft zu machen. Auf der vom Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) organisierten Kundgebung formulierten sie ihre Forderungen.

„Wir haben allein in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr 16 Prozent der Schweinehalter und 100 Milchviehbetriebe verloren“, verdeutlichte BVSH-Präsident Klaus-Peter Lucht den Ernst der Lage. Dabei seien Landwirte der Motor des ländlichen Raums. Laut Lucht wollen Landwirte als freie Unternehmer auf Marktgeschehen reagieren können. Die Bürokratie behindere dabei. Er betonte: „Die neue Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) ist ein Monstrum.“ Die Minister müssten dafür sorgen, dass Leistungen in Sachen Biodiversität und Klimaschutz auch bezahlt würden.

Dr. Holger Hennies, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, forderte „vernünftige gesetzliche Rahmenbedingungen“, um vor allem der Tierhaltung eine Perpektive zu geben. Mit der Einbeziehung bäuerlicher Betriebe in die Industrieemissionsrichtlinie (siehe Ausgabe 12) wolle man die Landwirtschaft in die Ecke drängen. Dabei sei die Landwirtschaft veränderungsbereit. Zudem habe man bereits geliefert. Zielvorgaben bei Ammoniak- und Treibhausgasemissionen würden eingehalten. Auch die Nitratwerte im Grundwasser verbesserten sich. „Das muss auch mal politisch resgistriert werden“, so Hennies.

Die Büsumer Hafenterrassen waren am Donnerstagvormittag voll besetzt mit Landwirten. Foto: Julian Haase

Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) stellte sich den Teilnehmern der Kundgebung und gestand ein: „Die GAP ist in der Umsetzung fast nicht mehr leistbar.“ Er versprach, dass sich die CDU-Agrarminister mit aller Kraft für Verbesserungen einsetzen würden. Er spüre in den Gesprächen im Rahmen der AMK den „guten Geist von Büsum“. In Sachen Tierhaltung sei man ein Stück vorangekommen. Hinsichtlich Ausnahmen für Betriebe in Roten Gebieten, die ihr Stickstoffmangement im Griff haben, sei man jedoch nicht geeint.


Weitere Stimmen der Sprecher auf dem Podium im Überblick: 

Laura Stolley, Sprecherin des Agrarausschusses im Landjugendverband Schleswig-Holstein: „Wir jungen Landwirte stehen in den Startlöchern. Lassen Sie uns machen. Wir denken in Generationen und wollen Teil der Lösung sein.“

Hans-Peter Goldnick, Vorsitzender des Geflügelwirtschaftsverbandes Schlewig-Holstein: „Ich bin es leid, ein Spielball der Politik zu sein. Fachwissen findet zu wenig Gehör. Landwirtschaft scheint nur noch politische Verhandlungsmasse zu sein. Wir sind gerade dabei, die deutsche Putenhaltung abzuschaffen. Die erlaubte Besatzdichte nur national zu verändern, verdrängt die Haltung aus Deutschland.“

Laura Stolley Foto: rq
Hans-Peter Goldnick Foto: rq
Karl-Henning Hinz Foto: rq
Thomas Kühl Foto: rq
Ulrike Röhr Foto: rq
Sabine Firnhaber Foto: rq
Lorenz Marckwardt Foto: rq


Karl-Henning Hinz, Landesverband Schleswig-Holsteinischer Schafzüchter: „Ich hoffe, dass mittlerweile erkannt wurde, wie wertvoll eine nachhaltige Grünlandbewirtschaftung ist, zum Beispiel für Artenvielfalt und Artenschutz. Aber wenn wir es nicht schaffen, ein vernünftiges Wolfsmanagement auf die Beine zu stellen, wird es bald keine Tiere mehr geben, um das Grünland zu pflegen. Auch Gänse werden zum immer größeren Problem. Sie fressen unseren Tieren das Futter weg.“

Thomas Kühl, Vorsitzender der Forstbetriebsgemeinschaft Nordfriesland/Schleswig: „Gesunde Mischwälder sind die Lösung für die Herausforderungen der Zukunft. Biodiversität ist in Naturwäldern nicht höher als in bewirtschafteten Wäldern. Holz ist ein Nachwachsender Rohstoff, der genutzt werden muss. Die Rechte der Eigentümer sind zu schützen.“

Ulrike Röhr, Präsidentin des LandFrauenverbandes Schleswig-Holstein: „Bewusstsein über gesunde Ernährung ist nicht gleich Wissen über gesunde Ernährung. Wir fordern das Fach Verbraucherbildung an allgemeinbildenden Schulen. Mehr gesellschaftliche Wertschätzung ist wichtig für die mentale Gesundheit der Landwirte.“

Sabine Firnhaber, Vizepräsidentin des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern: „Die aktuelle Politik vergrößert den Hunger in der Welt. Sie treiben die Menschen im ländlichen Raum in die Hände von Rechtspopulisten.“

Lorenz Marckwardt, Vorsitzender des Landesfischereiverbandes Schleswig-Holstein: „Krabbenfischerei ist seit Jahrhunderten in Schleswig-Holstein verankert und hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt. Sie ist ein Kulturgut und lockt viele Touristen an die Westküste.“



Wir brauchen einen Krisenmanager als Bundeslandwirtschaftsminister. Cem Özdemir ist jetzt in der Verantwortung. Es muss viel mehr passieren.

Dietrich Pritschau, BVSH-Vizepräsident


Wir brauchen endlich langfristige Planungssicherheit für die Sauenhaltung. Zudem darf es keine Haltungskennzeichnung ohne Herkunftskennzeichnung geben.

Enno Garbade, Sprecher der Niedersächsischen Sauenhalter


Der von der Bundesregierung geplante Umbau der Tierhaltung kommt für mich einem Abbau gleich. Auch im Bereich Gänse- und Wolfsmanagement sind keine zielführenden Ergebnisse zu erkennen.

Joachim Becker, Vorsitzender KBV Steinburg
Dietrich Pritschau Foto: rq
Enno Garbade Foto: rq
Joachim Becker Foto: jh
Martin Lüdeke Foto: jh
Kristin Schultz und Henning Schatt Foto: jh



Wir haben das Gefühl, nicht mitgenommen zu werden. Die vielen Forderungen sind zermürbend, bei ihrer Umsetzung wird zu wenig mit der Praxis zusammengearbeitet.

Kristin Schultz, stellvertretende Vorsitzende KBV Dithmarschen


Die Sorgen im Stadtstaat Hamburg sind zum Teil die gleichen wie in einem Flächenland. Mit unseren Stimmen im Bundesrat tragen wir eine Verantwortung für den gesamten norddeutschen Raum.

Martin Lüdeke, Präsident des Bauernverbands Hamburg


Schon vor 35 Jahren hat man über Entbürokratisierung gesprochen. Momentan läuft es mit einer überbordenen Bürokratie eher in die andere Richtung.

Henning Schatt, Vorsitzender KBV Dithmarschen

Zielkonflikte klar benennen

Proteste von Land schafft Verbindung

Über die gesamte Dauer der Agrarministerkonferenz (AMK) organisierte Land schafft Verbindung Schleswig-Holstein und Hamburg (LsV) Protestaktionen in Büsum. „Die AMK muss Beschlüsse fassen, damit eine Richtung erkennbar wird, auch für Investitionen“, erklärte LsV-Vositzende Uta von Schmidt-Kühl. Zuletzt hatten politische Vorhaben nach ihren Angaben eine geringe Halbwertszeit. Klare Rahmenbedingungen seien aber notwendig, weil die Landwirtschaft derzeit in allen Bereichen unter großem Veränderungsdruck stehe. Sie schilderte: „Als wir 2019 mit den Protesten angefangen haben, dachten wir, die Lage sei schlimm. Aber seitdem ist es noch viel schlimmer geworden.“

Uta von Schmidt-Kühl Foto: rq

LsV fordert die klare Benennung von Zielkonflikten, etwa zwischen Weidehaltung und Wolf. „Wir können den Wolf nicht befürworten und wolfsfreie Zonen in Weidehaltungsgebieten fordern“, so die LsV-Vorsitzende. Zudem müsse es vor politischen Eingriffen Folgenabschätzungen geben. Sie stellte klar: „Es bringt nichts, wenn wir am Markt vorbeiproduzieren.“ Der Faktor Mensch – also was politische Entscheidungen mit den Bauernfamilien und Mitarbeitern machten – bleibe zu oft unberücksichtigt. „Ich hoffe, die Botschaft ist rübergekommen, dass die Lage sehr angespannt ist“, so von Schmidt-Kühl.

Am Donnerstagabend begrüßte der LsV-Co-Vorsitzende Tilo von Donner Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf der LsV-Bühne am Ankerplatz. Von Donner forderte: „Wir brauchen ein Verkaufsverbot unter Produktionskosten.“ Nachhaltigkeit dürfe kein Handelshemmnis sein. Özdemir gestand zu, dass man bei der Pflanzenschutzmittelreduktion nicht übers Ziel hinausschießen dürfe. Zum geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten erklärte er, dass vereinbarte Standards kontrolliert werden müssten. Özdemir betonte: „Ich will faire Lösungen, aber ich will auch, dass liberale Demokratien mehr zusammenarbeiten, damit die Welt unserer Kinder nicht von Autokratien bestimmt wird.“

Kritisch verfolgt Tilo von Donner (r.) die Aussagen Cem Özdemirs zum Mercosur-Abkommen. Foto: rq

Abtransport darf nicht verhindert werden

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Bald beginnt im Frühjahr wieder die Saison der Heißluftballonfahrten, die vor allem zur Kieler Woche mit um die 30 Fahrten einen Höhepunkt erreicht. Wo so ein Ballon landet, ist nicht immer vorhersehbar, manchmal geschieht dies auf landwirtschaftlichen Flächen. Wie diesbezüglich die Rechtslage ist, erklärt ein Rechtsanwalt.

Normalerweise verursacht das keine Probleme, zumal sich die Ballonfahrer in der Regel umsichtig verhalten, doch nicht jeder Bauer ist begeistert. Nach der Außenlandung eines Ballons gibt es immer wieder einmal Streit mit dem Grundeigentümer des Landeplatzes. In Hamburg eskalierte dies in einem Fall so weit, dass der Landwirt die Zufahrt zum Feld mit seinem Geländewagen blockierte. Dies war Anlass für eine Überprüfung der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse.

Die Eigentumsrechte eines Grundstückseigentümers, die auf Artikel 14 Grundgesetz (GG) beruhen, sind gemäß § 25 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) eingeschränkt. Der Führer eines Luftfahrzeuges, bei dem der Landeort nicht vorherbestimmt werden kann (Segelflugzeug, Ballon, Sicherheitslandung) hat das Recht zur Landung auf fremdem Boden. § 25 Absatz 2 LuftVG räumt ihm das Recht ein, einen Wiederstart durchzuführen oder das Luftfahrzeug abzutransportieren. Der Eigentümer darf den Luftfahrzeugführer weder beim Abtransport noch beim Abflug behindern oder einschränken.

Diese Regelung ist auch im Lichte von Artikel 14 GG verfassungskonform, da § 25 III LuftVG eine Schadenersatzverpflichtung beinhaltet. Der Luftfahrzeugführer ist nämlich seinerseits verpflichtet, Namen und Wohnsitz des Halters des Luftfahrzeuges, des Luftfahrzeugführers und des Versicherers bekannt zu geben.

Die Polizei ist, da es eine zivilrechtliche Auseinandersetzung wäre, nicht berechtigt, den Abtransport des Ballons durchzusetzen. Allerdings werden auf rein tatsächlicher Ebene die Polizeibeamten im Regelfall unterstützend vermitteln und einen sicheren Abtransport ermöglichen. Außerdem könnte das Verhindern des Abtransportes eine Nötigung darstellen – damit wäre die Polizei wieder zuständig.

Also: Das Recht, auf fremden Grund und Boden zu landen, ist in § 25 LuftVG normiert. Der Grundstückseigentümer erhält selbstverständlich etwaige Schäden ersetzt, kann aber weder Landung noch Abtransport des Luftfahrzeuges beeinflussen.

„Ja, warum denn nicht!“

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Ulrike Röhr ist seit 2009 im schleswig-holsteinischen Präsidium der LandFrauen und seit 2017 ihre Präsidentin. Bei den Wahlen an diesem Sonnabend wird sie nicht mehr kandidieren. Sie weiß schon jetzt, dass ihr in Zukunft etwas fehlen wird.

Frau Röhr, was mögen Sie besonders an den LandFrauen?

Der Baff-Kurs zur Qualifizierung zur Büroagrarfachfrau brachte mich 2003 zu den LandFrauen. Bei der Anmeldung sagte man mir, dass es für Mitglieder Vergünstigungen gebe. Ich trat in meinen Ortsverein Reinfeld ein und ging auch gleich zur nächsten Versammlung. Es waren viele interessante Frauen dort, von denen ich schon einige kannte. Ich wurde offen aufgenommen und bin geblieben.

Es war also eher ein Zufall, wie sie zu den LandFrauen gekommen sind?

Ja, genau. Und kurz darauf kam der Anruf einer LandFrau aus Reinfeld, die im Vorstand war. Sie fragte, ob ich mich in den Vorstand wählen lassen wollte. Ja, dachte ich, warum denn nicht! Ich hatte erfahren, dass es viele spannende und wichtige Projekte gab. Die Mitarbeit hat von Anfang an Freude gemacht und motiviert, weil ich Ideen einbringen konnte und das Team sehr offen war für neue Gedanken.

Dann ging es für Sie schnell an die Spitze der Organisation.

Ja, das ging schnell. 2003 wurde ich Mitglied in Reinfeld, 2004 Beisitzerin, dann stellvertretende Vorsitzende.  Ich stellte fest, wie gewinnbringend die Mitarbeit bei den LandFrauen und wie bedeutend der Verband ist. Ich konnte mich dann sehr schnell auf Kreis- und Landesebene engagieren, unter anderem von 2007 bis 2014 als stellvertretende Vorsitzende beim Kreisverband Stormarn. Auf Landesebene war ich zunächst Präsidiumsmitglied und vor meiner Wahl zur Präsidentin zwei Jahre Vizepräsidentin.

Wie wichtig war es für Sie, an die Spitze der Organisation gewählt zu werden?

Für mich persönlich fand ich es nicht wichtig, aber für das, was man an der Spitze für die LandFrauen erreichen kann, fand ich es wichtig. Die Arbeit im Präsidium ist politischer, und das Netzwerken und die Interessenvertretung für Frauen und Familien im ländlichen Raum nehmen noch mal einen ganz anderen Stellenwert ein. Lösungen im Team zu erarbeiten, Einflussmöglichkeiten zu nutzen in Entscheidungsgremien, das gehört zu den vornehmlichen Aufgaben im Landespräsidium. Das war einfach spannend im Präsidium. Als Vizepräsidentin stieg die Verantwortung, und ich wusste die Teamarbeit noch mehr zu schätzen. Als Präsidentin geht es noch stärker darum, die LandFrauen­ideen nach vorn zu bringen und die Themen der LandFrauen und Frauen im ländlichen Raum an den richtigen Stellen anzusprechen. Es ist eine besondere Position mit viel Verantwortung.

Was hat es mit Ihnen selbst gemacht, an der Spitze eines der größten Verbände Schleswig-Holsteins zu stehen?

Verändert habe ich mich, glaube ich, nicht. Aber das vielfältige Engagement macht etwas mit einem. Man wächst mit der Aufgabe. Beispielsweise fällt es mir heute leichter, spontan bei Veranstaltungen Reden zu halten. Es ist spannend, noch mehr Präsenz zu zeigen und zu schauen: Wo stehen wir LandFrauen, und wie präsentieren wir uns? Wie vernetzen wir uns, und wo finden wir für unsere Projekte Kooperationspartner?

Der LandFrauenverband Schleswig-Holstein ist mit rund 30.000 Mitgliedern ein Schwergewicht in der Verbandslandschaft. War das für Ihre Gesprächspartner von Bedeutung?

Ulrike Röhr entspannt sich gern bei der Gartenarbeit. Das weiß der Landesvorstand und schenkte der scheidenden Präsidentin einen Holsteiner Cox zum Abschied.

Die LandFrauen haben eine starke Präsenz und Stimme in der deutschen Verbandslandschaft mit bundesweit 22 Landesverbänden und 400.000 Mitgliedern. Wir haben mehr Mitglieder als die großen politischen Parteien. In Schleswig-Holstein sind die LandFrauen in 160 Ortsvereinen organisiert. Mit insgesamt rund 30.000 Mitgliedern sind wir der größte Verband in Schleswig-Holstein und auf jeden Fall eine bedeutende Stimme für die Frauen im ländlichen Raum. Wenn es um die Vertretung berufsständischer Interessen der Bäuerinnen und Frauen im ländlichen Raum geht, um die Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Situation von Frauen sowie um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, dann sind die Vertreterinnen und Vertreter der Politik sich unserer Bedeutung durchaus bewusst.

Wir sind in zahlreichen Gremien vertreten – vom Bauernverband über die Landwirtschaftskammer bis hin zum Landesfrauenrat. Die Bedeutung und Wahrnehmung zeigen die regelmäßigen Anfragen, die an uns gestellt werden, Stellung zu bestimmten Themenbereichen und politischen Fragen zu beziehen. Aber das passiert nicht von allein, es gehört viel Arbeit dazu, an unterschiedlichen Stellen präsent zu sein und mit den verschiedenen Akteuren im Austausch zu bleiben.

Welche Ihrer Eigenschaften waren Ihnen hilfreich bei der ehrenamtlichen Führung des LandFrauenverbandes?

Es wird ein Teil von allen Talenten gebraucht, die man besitzt. Auf jeden Fall helfen Kommunikationsbereitschaft und Interesse, mit verschiedenen Menschen ins Gespräch zu kommen. Hilfreich sind auf jeden Fall Organisationstalent und ein gutes Zeitmanagement, um nicht unterzugehen. Das sind die Klassiker, die mir geholfen haben, alles gut zu bewältigen. Denn es sind ganz klar Führungs- und Managementaufgaben in ganz unterschiedlicher Form bei den LandFrauen zu bewältigen, nach innen wie nach außen.

Auf Menschen zugehen zu können, ist eine Grundvoraussetzung, und die Bereitschaft, mit unterschiedlichen Menschen zu sprechen. Toleranz gegenüber anderen gehört auch dazu. Es ist hilfreich für viele Gespräche, wenn man ein breit gefächertes Interesse zeigen kann.

Das Gute und Gewinnbringende in unserem Vorstand ist, dass jede Frau unterschiedliche Eigenschaften mitbringt. Alle Vorstandsmitglieder können gut organisieren, sind kommunikationsfreudig und haben vielfältige Interessen. Aber jede Einzelne ist mit ihren ganz persönlichen Eigenschaften ausgestattet, und das macht uns interessant und umsetzungsstark in der Zusammenarbeit. Übrigens sind auch Geduld und Gelassenheit wichtig und die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können.

Was bedeutet der Strukturwandel in der Landwirtschaft für die LandFrauen?

Der Strukturwandel ist unheimlich vielfältig und schnell. Es ist kein Phänomen, das gerade erst jetzt stattfindet. Immer mehr politische und gesellschaftliche Anforderungen und Erwartungen werden an die Landwirtschaft gestellt. Wir setzen uns damit auseinander.

Der Strukturwandel ist da, und Veränderungen wird es weiter geben. Jedes einzelne Mitglied hat dazu eine eigene Wahrnehmung. Aber für die LandFrauen, die landwirtschaftlich geprägt oder in der Landwirtschaft tätig sind, ist der Strukturwandel mit vielen Gedanken, Sorgen und Zukunftsfragen behaftet. Wo sich Fragen ergeben, versuchen wir zu informieren und zu helfen. Dafür arbeiten wir auch eng mit dem Bauernverband zusammen und haben eine gute Kooperation mit der Landwirtschaftskammer. Wir sind gut vernetzt mit allen Verbänden rund um die Landwirtschaft.

Ich glaube, für alle landwirtschaftlich tätigen Frauen ist ein ständiger, aktueller Austausch wichtig, auch untereinander. Die nötige Beratung leisten direkt vor Ort die berufsständischen Organisationen wie die Landwirtschaftskammer oder der Bauernverband mit ihrer hohen Fachkompetenz.

Kann die LandFrauenorganisation noch wachsen, oder hemmt der Strukturwandel?

Die Mitgliederzahl im LandFrauenverband ist seit einigen Jahren relativ konstant. Etwa zehn Prozent unserer Mitglieder im Verband sind landwirtschaftlich tätige Frauen. Unsere Mitglieder kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen und bilden die Vielfältigkeit des ländlichen Raumes ab.

Auf welche Ratschläge hätten Sie verzichten können, die man Ihnen als Präsidentin gab?

Ich kann mich an keine erinnern. Nur die Fragen, die ab und zu kamen: „Wann findest du dich?“ oder „Wann hast du Zeit für dich?“. Die Entscheidung für das Ehrenamt ist ja eine freiwillige und bewusste gewesen. Die Zeit im Ehrenamt war für mich toll und gewinnbringend, sodass ich einfach sagen kann, ich habe das Ehrenamt unheimlich gern ausgeführt, es hat mir ganz viel Spaß gemacht, und es war eine Bereicherung.

Gibt es etwas, das Sie bei den LandFrauen gelernt haben? Oder eine positive Erfahrung, die Sie gemacht haben, die Sie teilen möchten?

Die besondere Erfahrung ist, dass die LandFrauen ein Verband für alle Frauen auf dem Land sind. Es kursiert immer noch der Gedanke, dass unsere Ortsvereine nur für Bäuerinnen offen seien. Das ist nicht so und manchmal leider ein Kontakthindernis, uns anzusprechen. Die LandFrauen sind offen für alle Frauen im ländlichen Raum, und es wird auf LandFrauenveranstaltungen immer jemand da sein, der sagt: „Setzen Sie sich doch neben mich, wo kommen Sie her und was machen Sie?“ Es muss keine Hemmschwelle geben, das würde ich gerne mit allen teilen. Jede Frau ist willkommen bei uns.

Was werden Sie vermissen?

Vermissen werde ich auf jeden Fall die monatlichen Vorstandssitzungen, die inspirierenden Treffen mit dem Vorstand und auch die Fahrten in die Geschäftsstelle. Es ist immer kreativ gewesen, miteinander gestalten zu können. Das wird mir sicher fehlen. Auch die Einladungen zu vielfältigen und spannenden Veranstaltungen und Ereignissen, bei denen man unterschiedlichste und interessante Menschen getroffen hat. Die vielen Gespräche, die ich dabei führen konnte, und die Einblicke, die man erhalten konnte in alle möglichen Bereiche, das könnte mir in Zukunft etwas fehlen.

Haben Sie eigentlich die Ausbildung zur Büroagrarfachfrau, die Sie damals zum Eintritt bei den LandFrauen angeregt hat, genutzt?

Ich hatte ja schon lange auf dem Betrieb und vor allen Dingen im Büro mitgearbeitet, sodass ich schon vieles wusste und mir erarbeitet hatte. Trotzdem war viel Interessantes und auch Neues dabei, weil die Kurse vor allem hinsichtlich der Agrarpolitik oder zum Beispiel der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) sehr aktuell sind. Was ich in dem Kurs geschätzt habe, waren das Vernetzen mit den anderen Frauen, der persönliche Austausch und die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Warten auf Vorschlag aus Berlin

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Das politische Ringen um den Umbau der Tierhaltung geht weiter. Bei ihrem Treffen vergangene Woche in Büsum konnte sich die Agrarministerkonferenz (AMK) nicht auf einen inhaltlichen Beschluss einigen. Begrüßt wurde hingegen die Ankündigung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), die Ampel-Fraktionen würden „zeitnah“ einen Vorschlag für ein Gesamtkonzept vorlegen. Wenn dies so kommt, will Schleswig-Holsteins Ressortchef Werner Schwarz (CDU) seine Länderkollegen unmittelbar nach der Osterpause zu einer Sonder-AMK einladen, um die Vorlage zu bewerten.

Schwarz räumte ein, dass er sich klarere Ergebnisse der erstmals von ihm geleiteten Agrarministerkonferenz gewünscht hätte. Er sprach von sehr intensiven Diskussionen zur Tierhaltung. Wichtig sei allerdings, dass Bund und Länder die dramatische Lage der Schweinehaltung in Deutschland anerkennen und eine weitere Abwanderung der Erzeugung verhindern wollten. Der CDU-Politiker warnte zugleich die Ampel davor, sich beim notwenigen Gesamtkonzept für die Tierhaltung weitgehend auf die Haltungskennzeichnung zu beschränken. Weiter vorankommen werde man nur, wenn insbesondere substanzielle Änderungen im Bau- und Emissionsrecht vorgenommen würden.

Anregungen aus der Praxis

Bundesminister Özdemir betonte gegenüber Pressevertretern in Büsum den Handlungsbedarf in der Tierhaltung. „Ich will eine Lösung“, sagte der Grünen-Politiker, der sich erneut zur Tierhaltung in Deutschland als Teil der Kreislaufwirtschaft bekannte. Der Minister nannte keine Einzelheiten, ließ aber erkennen, dass die Koalition Anregungen aus der Praxis in ihr Paket aufnehmen werde. Dies gelte insbesondere für den Entwurf zu einem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz, den sein Haus inzwischen zur neuerlichen Notifizierung der EU-Kommission übermittelt habe. Für das geplante Förderprogramm des Bundes hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) den Ländern Richtlinienentwürfe für die Förderung von Investitionen sowie zur Unterstützung bei den laufenden Mehrkosten zugeleitet. Das Ampel-Paket zur Tierhaltung wird laut Özdemir einen Vorschlag zur Anpassung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft enthalten. Zudem wolle er sich dafür einsetzen, dass neben der Haltungskennzeichnung auch eine EU-weite Herkunftskennzeichnung auf den Weg gebracht werde.

Bemühen um Einigkeit

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus (SPD) erwartet, dass die Regierungskoalition sowohl für die Förderung von Stallbauinvestitionen als auch die Kompensation laufender Mehrkosten „angemessene Lösungen“ präsentieren und es nicht bei der bereits bislang vorgesehenen Anschubfinanzierung bleiben werde. „Die Lage in der Tierhaltung ist dramatisch. Daher muss die Ernährungssouveränität Deutschlands und Europas verstärkt in den Blick genommen werden“, so Backhaus. Baden-Württembergs CDU-Ressortchef Peter Hauk sprach auf der Pressekonferenz nach Abschluss der AMK von einem „Bemühen um Einigkeit“ in Fragen der Tierhaltung, wenngleich grundlegende Auffassungsunterschiede zwischen den Ministern deutlich geworden seien. Für ihn ist bereits absehbar, dass nicht alle Fragen im Zusammenhang mit der Neuausrichtung der Tierhaltung im Konsens geklärt werden, sondern Mehrheitsentscheidungen erfordern. Kritisch äußerte sich Hauk zu den EU-Kommissionsvorschlägen zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und zur Wiederherstellugn der Natur. Hauk erklärte: „Das können wir so nicht mitgehen.“

Sachsens grüner Landwirtschaftsminister Wolfram Günther zeigte sich nach der AMK „zuversichtlicher als zuvor“, dass ein parteiübergreifender Kompromiss beim Umbau der Tierhaltung gelingen könne. Zum Ökolandbau erklärte er, dass dieser nur so stark wachsen könne, wie auch die Nachfrage wachse. Daran müsse man sich orientieren.

Für Ernüchterung sorgte der inhaltsleere AMK-Beschluss beim Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) und beim Deutschen Bauernverband (DBV). BVSH-Generalsekretär Stephan Gersteuer bewertete es als „enttäuschend, dass die Tierwohlbremse nicht gelöst wurde“. Er hofft, dass die Mängel der bisherigen Vorschläge für einen Tierhaltungsumbau auf der Sonder-AMK nach Ostern gelöst werden. Auch DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken kritisierte, dass es keine greifbaren Ergebnisse zum Umbau der Tierhaltung gegeben habe. „Wichtige Entscheidungen bleiben auf der Strecke“, erklärte Krüsken. Gerade beim Baurecht, beim Immissionsschutz und bei der TA Luft wären dem DBV-Generalsekretär zufolge eindeutige Signale dringend notwendig gewesen.

Ökoregelungen

Offen zeigte sich die AMK für eine Stärkung des Grünlands im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Ressortchefs haben sich zumindest dafür ausgesprochen, dieses und das nächste Jahr zu nutzen, um die Wirkung der Ökoregelungen zu überprüfen und dabei insbesondere die Belange der Grünlandbetriebe sowie der Milchviehbetriebe mit Weidehaltung zu berücksichtigen. „Jeder Kuhschiss ist ein kleines Insektenhotel“, betonte Özdemir die Bedeutung der Weidehaltung für die Biodiversität.

Zudem bekennt sich die AMK zum Konzept einer Gemeinwohlprämie als möglichen Ansatz für die GAP ab 2028. Die Minister betonen ausdrücklich, dass die Betriebe die Chance haben müssten, mit freiwillig erbrachten Leistungen ein betriebliches Einkommen zu generieren. Eine vom Bundeslandwirtschaftsministerium beauftragte Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll eine Definition der Leistungen des Gemeinwohls zu erarbeiten. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass nur ein EU-weit gültiges Modell einer Gemeinwohlprämie Anwendung finden könne und daneben auch andere Modelle geprüft werden müssten. Werner Schwarz begrüßte den Beschluss. Angesichts der europäischen Diskussion um die GAP nach 2027 sei es wichtig, dass Deutschland frühzeitig seine Position einbringe, so der AMK-Vorsitzende.

Gegenüber Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir brachten BVSH-Generalsekretär Stephan Gersteuer, DBV-Vizepräsident Dr. Holger Hennies und BVSH-Präsident Klaus-Peter Lucht (v. li.) ihre Positionen deutlich zur Sprache. Foto: Dr. Robert Quakernack

Platz für Puten

Die umstrittenen Eckpunkte des BMEL für eine tiergerechtere Haltung von Mastputen werden nur von einem Teil der Länderagrarminister eindeutig abgelehnt. In einer Protokollerklärung zum AMK-Beschluss fordern lediglich die Ressortchefs von Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Schleswig-Holstein den Bund dazu auf, sein Eckpunktepapier zu überarbeiten. Hingegen schließen sich die grünen Minister dieser Forderung nicht an.

Für die Ressortchefs von CDU, CSU, SPD, FDP und Linken sind insbesondere die vorgeschlagenen Besatzdichten nicht akzeptabel. Ihrer Ansicht nach dürfen die Besatzdichten der Initiative Tierwohl (ITW) und entsprechende Vorgaben in anderen EU-Ländern nicht erheblich unterschritten werden, um Wettbewerbsnachteile für hiesige Erzeuger zu vermeiden.

In ihrem wie immer einstimmigen Beschluss betont die AMK, dass eine tiergerechtere Haltung von Mastputen notwendig sei und geregelt werden müsse. Dafür sei das Eckpunktepapier des Bundeslandwirtschaftsministeriums für eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung eine „Grundlage“. Gleichzeitig wird aber in dem gemeinsam getragenen Beschluss auf die erheblichen wirtschaftlichen Belastungen verwiesen, die eine vollständige Umsetzung der Eckpunkte für die deutsche Putenhaltung mit sich bringen würde.

Konflikte beim Wolf

Die AMK scheut weitreichende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Wolfs. Lediglich Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sprechen sich in einem AMK-Beschluss dafür aus, den Wolf in das Jagdrecht aufzunehmen. Diese beiden Länder sowie Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein plädieren in einer weiteren Protokollerklärung dafür, das Bundesnaturschutzgesetz zu ändern, sodass eine Entnahme des Wolfs schon bei drohenden ernsten Schäden möglich ist. Dabei sollten auch nichtwirtschaftliche Schäden einbezogen werden. In ihrem gemeinsamen Beschluss erkennt die AMK an, dass die Ausbreitung des Wolfs zu Konflikten mit der Weidetierhaltung führe. Die Zunahme der Wolfspopulationen verursache auch in Deutschland wirtschaftliche Schäden und Belastungen von Tierhaltern sowie wachsende Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung. Es sei dringend erforderlich, die Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Artenschutzinteressen mit den Schutzinteressen der Bevölkerung sowie der Nutztierhaltung an die wachsenden Populationszahlen anzupassen.

Zoff um Biokraftstoff

Keine einheitliche Position hat die AMK zu Biokraftstoffen. Der unter Federführung des Bundesumweltministeriums erarbeitete Gesetzesvorschlag, aus der Nutzung von Biokraftstoffen auf der Basis von Nahrungs- und Futtermittelpflanzen auszusteigen, wird insbesondere von den grünen Ressortchefs auf der einen und den Unionsministern auf der anderen Seite unterschiedlich beurteilt. In einer Protokollerklärung sprechen sich Bayern, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein dagegen aus, bis 2030 die Obergrenze für Biokraftstoffe aus Anbaupflanzen auf null zu senken. Sie begründen das mit dem Beitrag der Biokraftstoffe zur Treibhausgasreduktion im Verkehrssektor.

Dagegen signalisieren die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen sowie Thüringen Unterstützung für die Gesetzesinitiative. Diese Länder mit grün geführten Agrarministerien und die Erfurter Linken-Ressortchefin Susanna Karawanskij plädieren dafür, die Auswirkungen der geplanten Regelungen auf Klimaschutz, die Sicherung der energetischen Versorgung und der Eiweißversorgung sowie eine sparsame Flächennutzung zu berücksichtigen.

„Landwirtschaft hat schon viele Krisen überwunden“

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Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbands Schleswig-Holstein, stand während eines Agrarausschusstreffens zu den Fragen der jungen Landwirte und Landjugendlichen Rede und Antwort.

Junge Landwirte stehen heutzutage vor vielen Herausforderungen. Zu der von dem andauernden Krieg in der Ukraine hervorgerufenen Inflation und massiven Kostensteigerungen kommen zusätzlich Unsicherheiten durch eine möglichen Bankenkrise über sinkende Erzeugerpreise bis hin zu stätig neuen Anforderungen aus der Politik.

Die Gesprächsrunde mit Präsident Lucht begann mit einer Vorstellungsrunde aller Beteiligten, was zu einer sehr offenen und persönlichen Atmosphäre führte. Die Teilnehmer konnten sich ein Bild von Klaus-Peter (gleich per Du) mit seiner offenen und direkten Art bilden, da er viele Geschichten über sich preisgab.

Klaus-Peter stellte anschließend die Strukturen des Bauernverbandes vor und gab einen Einblick in die Arbeit des Verbandes, wozu das Erstellen von Pachtverträgen, die Planung von Übertragungen, Erbfälle, aber auch der Umgang mit Eheproblemen gehörten. Aber auch in der Politik vertritt der Bauernverband auf verschiedensten Ebenen die Landwirtschaft und bezieht zu einer Vielfalt an Themen Stellung. Dazu gehört aktuell das Pflanzenschutz- und Naturwiederherstellungspaket der EU, bei dem der Bauernverband klar dagegenhalte, da die Landwirte nicht in kürzester Zeit ihre Wirtschaftsweise komplett ändern könnten. Die Betriebe wollten sich verändern und anpassen, jedoch sei dies nur in kleinen Schritten mit gegebener Planungssicherheit möglich.

Gerade junge Landwirte sind in Bezug auf die Planungssicherheit häufig verunsichert, was sich auch in der Gesprächsrunde herauskristallisierte. Ständig neue Vorschriften und Richtlinien in Verbindung mit wenig stabilen Erzeugerpreisen setzten ihnen zu. Gerade sei dies in der Milchbranche wieder zu erkennen, da der Milchpreis bei einer Meierei im Norden nur noch im 30-ct-Bereich liege, und das bei immer noch hohen Futterkosten. Bei den Junglandwirten in der Runde sorgt diese Entwicklung für Verunsicherung.

Doch nach Einschätzung von Klaus-Peter werde auch der Milchpreis im Laufe des Jahres wieder ansteigen. Er ermutigte die Runde, risikobereit zu sein, da die Landwirtschaft schon viele Krisen überwunden habe. Zudem legte er nahe, sich in einem der vielen Ausschüsse des Verbandes einzubringen oder sich im Bauernverband auf Kreis- oder Ortsebene zu engagieren, um die Interessen des Nachwuchses der Landwirtschaft in den Verband und so auch in die Politik zu tragen. Denn nur durch Engagement und Einmischung junger Landwirte könne der Bauernverband deren Interessen wirklich vertreten.

Trockene Witterung ließ Anbaufläche wachsen

Die Anbaufläche für Nachwachsende Rohstoffe (NawaRo) umfasste in Deutschland zur Ernte 2022 geschätzte 2,595 Mio. ha, womit das Vorjahresniveau um 155.000 ha oder 6,4 % übertroffen wurde. Das entsprach knapp einem Sechstel der gesamten Agrarfläche. Ausschlaggebend für die Ausweitung war nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) die trockene Witterung im vorigen Jahr.

Diese Bedingungen hätten bei weitgehend konstanter Menge an Maissilage als Biogassub­strat dazu geführt, dass mehr Flächen für den Maisanbau benötigt worden seien. Diese vermehrten sich um 75.000 ha auf 891.000 ha. Insgesamt wurden 2022 gemäß den vergangene Woche von der FNR in Gülzow veröffentlichten Zahlen für die Erzeugung von Biogas auf 1,41 Mio. ha Energiepflanzen angebaut. Auf Mais entfiel davon also ein Anteil von 63 %. Es folgten Gräser und Zwischenfrüchte, Getreide, Zuckerrüben und Durchwachsene Silphie. Körnermais wurde zu NawaRo-Zwecken auf 50.100 ha erzeugt; das waren 8,2 % mehr als im Jahr zuvor. Hiervon wurde die Ernte von 30.000 ha stofflich, von 20.100 ha energetisch genutzt.

Mehr NawaRo-Raps angebaut

Nach dem Mais nimmt Raps zur Gewinnung von Pflanzenöl als Basis der Biodieselherstellung die größte NawaRo-Fläche in Deutschland ein. Auch die Rapsfläche legte 2022 deutlich zu, und zwar um 53.000 ha oder 8,7 % auf 665.000 ha. Für die stoffliche Nutzung wurde der Rapsanbau ebenfalls um 8,7 % ausgeweitet, und zwar auf 75.000 ha. Der Anbau von NawaRo-Halmgetreide und -Zuckerrüben hat ebenfalls sowohl stoffliche als auch energetische Verwertungsgründe.

Für die Herstellung von Industriestärke wurde auf 87.700 ha Halmgetreide erzeugt, nach 86.200 ha im Vorjahr. Der Rübenanbau zur Produktion von Industriezucker legte leicht um 1,7 % auf 11.900 ha zu, nachdem er 2021 um 900 ha oder 7,1 % verringert worden war. Die Fläche zur Ernte von Halmgetreide zur Gewinnung von Biogas und Bioethanol blieb mit insgesamt 374.000 ha unverändert. Stabil blieben der FNR zufolge auch die Anbauareale für Festbrennstoffe vom Acker wie Miscanthus mit 4.600 ha oder schnell wachsende Baumarten mit 6.630 ha. Der Zuckerrübenanbau zu energetischen Zwecken wuchs 2022 um 1,5 % auf 40.300 ha.

Die Produktion von Sonnenblumen, Lein und Kartoffeln im NawaRo-Bereich dient ausschließlich stofflichen Zwecken. Die dazu mit Sonnenblumen bestellte Fläche wurde 2022 weit mehr als verdoppelt, und zwar auf 27.470 ha. Ein möglicher Erklärungsansatz seien hier die zurückgehenden Importe aufgrund des Ukraine-Krieges, erklärte die FNR.

Kartoffeln und Faserhanf legen zu

Auch der Kartoffelanbau zur Industriestärkegewinnung wurde ausgeweitet, nämlich um 3,4 % auf 37.000 ha. Die Leinfläche ging dagegen um 1,9 % auf 5.100 ha zurück. Bei den Faserpflanzen für die stoffliche Nutzung hielt laut der Fachagentur der seit einigen Jahren zu beobachtende Trend eines Wachstums in der Nische an: Hatte der Anbauumfang 2015 nur bei knapp 1.500 ha gelegen, waren es 2022 fast 7.000 ha. Verantwortlich dafür ist nahezu ausschließlich der Faserhanfanbau. Für die Arznei- und Färbepflanzen wird indes seit Jahren eine stabile Fläche von 12.000 ha ausgewiesen. age