Seit November ist Wolfgang Stapelfeldt aus Nordfriesland Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein im Bundesverband Windenergie (BWE SH). Der Landwirt und Geschäftsführer von zwei Bürgerwindparks spricht im Interview mit dem Bauernblatt über die ersten Monate im Amt und die Perspektiven für den Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein.
Wie haben sich die ersten Monate im neuen Amt für Sie angefühlt?
Wolfgang Stapelfeldt: Angekommen bin ich darin sofort. Durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben wir es mit zahlreichen neuen Gesetzen und Verordnungen zu tun, mit denen die Bundesregierung versucht gegenzusteuern. So gab es auch keine 100 Tage Einarbeitungszeit. Mein Team und ich hatten bereits zwei wichtige Treffen bei Energiewendeminister Tobias Goldschmidt und Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Es gibt viel Arbeit und viele Termine, aber es macht eine Menge Freude.
Können Sie bereits ein erstes Zwischenfazit ziehen?
Wir stellen vonseiten des BWE fest, dass die Politik die Branche der Erneuerbaren massiv unterstützt und nach vorn stellt. Das ist gut für uns. Dennoch gibt es viel zu tun, die Bürokratie bleibt schwierig, aber wir kommen in wichtigen Schritten voran. Vor dem Hintergrund der Energiekrise und langfristig auch des Klimawandels bleibt der Politik nichts anders übrig, als voll auf die Erneuerbaren zu setzen. Wir sind auf einem guten Weg und müssen und werden als BWE versuchen, Politik und Gesellschaft zu unterstützen, denn dieser Weg ist unumkehrbar und richtig. Davon bin ich überzeugt.
Wie schätzen Sie die Perspektiven der Windenergie in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren ein?
Wir müssen viel zubauen, haben aber auch eine Menge Probleme, die diesen Zubau behindern. Daran müssen wir massiv arbeiten und dort muss auch die Politik besser werden. Ich denke an den Genehmigungsstau aktuell in den Behörden. Es gibt dort wie in vielen Bereichen Personalmangel. Ein weiteres Problem ist die Flächenknappheit. Wir brauchen dringend neue Flächen, und dort hat Schleswig-Holstein, wie viele andere Bundesländer auch, ein Problem, da diese Flächen von der Landesregierung neu entwickelt werden müssen. Durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, dessen Rechtskräftigkeit noch aussteht, erhöht sich der Druck für die Landesregierung noch einmal in Sachen Flächenplanung. Wir benötigen einen neuen Regionalplan und damit Rechtssicherheit. Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel.
Was braucht es am dringendsten, um beim Ausbau der Erneuerbaren im Land voranzukommen?
Ein schnelles Handeln der Politik durch das Ausweisen von Flächen und den Abbau von Bürokratie. Natürlich muss die Bevölkerung dabei mitgenommen werden. Auch dort ist die Politik nicht gut davor. Die Bürger müssen darauf vorbereitet werden, dass wir in Zukunft noch sehr viel mehr Windkraft haben werden. Wir werden auch Freiflächen-Photovoltaik (PV) brauchen, um die Ausbauziele zu erreichen. Da würde ich mir eine positivere Kommunikation vonseiten der Landesregierung wünschen. Der Ausbau der Erneuerbaren ist auch eine Belastung in einigen Bereichen, etwa beim Landschaftsbild. Aber natürlich haben wir immense Vorteile, Stichwort Klimawandel oder Importunabhängigkeit. Trotzdem muss die Bevölkerung dies realistisch einschätzen können und mitgenommen werden.
Wie realistisch ist das ausgewiesene Flächenziel von zwei Prozent der Landesfläche?
Leider aus meiner Sicht überhaupt nicht, da wir in Schleswig-Holstein im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern eine Rotor-in-Regelung haben. Demzufolge sind die zwei Prozent, die die Politik immer so schön nach vorn stellt, realistisch gerade 1,3 Prozent. Wir fordern die Rotor-out-Regelung, also dass eine Windkraftanlage dicht an der Grenze einer neuen Vorrangfläche im Regionalplan stehen darf und nicht zurückgezogen um die Rotorlänge. Wenn wir das erreichen, wären die zwei Prozent realistisch. Wir müssen im neuen Regionalplan eher drei bis vier Prozent ausweisen, um die Ausbauziele zu erreichen. Und auch das ist ein Punkt, an dem es der Landesregierung sehr schwer fällt, hier weiterzukommen. Natürlich immer unter der wichtigen Voraussetzung, dass alle Auflagen wie Immissionsschutz, Naturschutz und notwendige Abstände zu Gebäuden eingehalten werden.
Wie begegnen Sie Anwohnern und Landeigentümern, die den weiteren Zubau aufgrund sinkender Preise für ihre Immobilien und ihr Land kritisch sehen?
Wir müssen versuchen, die Bürger mitzunehmen. Wenn ein Windpark geplant wird, und wenn es idealerweise ein Bürgerwindpark ist, dann ist es nach meiner Erfahrung kein Problem, durch Transparenz und Mitnahme der Bürger zu erreichen, dass sie damit einverstanden sind. Man muss die Zahlen offenlegen und sagen, wie es läuft. Der weit überwiegende Teil von Anwohnern und Urlaubern steht der Windkraft sehr positiv gegenüber. Für junge Menschen ist es heute selbstverständlich, dass Windräder zum Landschaftsbild dazugehören.
Droht eine zunehmend fragile Straßeninfrastruktur zur Gefahr für den Windkraftausbau zu werden?
Das ist leider bereits jetzt der Fall. Wir haben aktuell massive Probleme, die Windkraftanlagen auf die Baustellen zu bekommen. Viele Infrastrukturen im Land sind marode, und die Landesregierung hat es nicht geschafft, diese Infrastruktur, also Straßen und Brücken, vernünftig instand zu halten. All das ist nicht passiert, und deswegen stehen wir schon heute in vielen Bereichen vor diesem Problem. In Dänemark sieht es da ganz anders aus.
Was hilft der weitere Zubau, wenn der Strom aus dem Norden derzeit kaum weitertransportiert werden kann?
In den vergangenen zwei Jahren konnten wichtige Infrastrukturprojekte verwirklicht und etwa die Westküstenleitung fast fertig gebaut werden. Abschaltungen wegen Leitungsüberlastung nehmen dadurch bereits jetzt ab. Nach wie vor Probleme haben wir in den süddeutschen Bundesländern, die überhaupt nicht ambitioniert sind, den Windkraftausbau voranzubringen, und leider auch den Ausbau der Netze verhindern.
Als Branche müssen wir im Norden daher ganz klar sagen: Wir produzieren dezentral Erneuerbare Energien. Liebe Industrie, dann kommt her zu uns! Vor dem Hintergrund, dass Industriezweige ihre Produkte mit Grünem Strom, also mit sauberer Energie herstellen können, haben wir große Hoffnungen, dass wir mit unserer Energieproduktion aus Windkraft, PV und Biogas dazu beitragen können, dass Schleswig-Holstein ein klimaneutrales Industrieland wird. Mit allen positiven Auswirkungen für Wertschöpfung und das Leben im Land.