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Kühe mögen keine Hitze

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Hohe Temperaturen können zu Leistungseinbußen und gesundheitlichen Schäden bei Nutztieren führen. Um das zu vermeiden, hat Familie Reinermann aus Fürstenau im Kreis Osnabrück neue Lüfter im Stall installiert. Hier wird der Betrieb vorgestellt.

Frische Luft weht durch die offenen Tore über den Futtertisch im Milchviehstall von Familie Reinermann in Fürstenau-Hollen­stede. Die meisten Kühe liegen in den Liegeboxen und kauen wieder, während einige am Futtertisch stehen und fressen oder uns neugierig ihre Köpfe entgegenstrecken. Von Hitzestress sind sie an diesem kühlen Tag im Frühjahr weit entfernt. Damit das so bleibt und sie sich auch im Sommer wohlfühlen, wenn die Temperaturen steigen, hat Familie Reinermann im vergangenen Jahr neue Lüfter in ihrem Milchviehstall und bei den Trockenstehern installiert. Sie bringen die Luft an heißen Tagen in Bewegung.

Wenig Luftbewegung an schwülen Tagen

„Der Stall ist eigentlich schon zu allen Seiten offen“, erklärt Betriebsnachfolger Julian Reinermann. „Wir haben vorn und hinten große Tore, und die Curtains an den Seiten lassen sich komplett herunterfahren. Aber je nach Wetter ist damit trotzdem zu wenig Bewegung in der Luft – gerade an schwülheißen Tagen, wenn die Luft steht.“

Daran hätten auch die vorhandenen Ventilatoren kaum etwas ändern können. Diese hatte die Familie in ihrem Stall aus dem Jahr 1998 über die Jahre nachgerüstet, aber sie seien mittlerweile zehn Jahre alt oder älter gewesen und hätten nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entsprochen. An heißen Tagen konnte man laut Julian Reinermann erkennen, dass die Tiere unter Hitzestress litten. Geäußert habe sich das vor allem dadurch, dass sie sich weniger bewegten und vermehrt standen, da sie so besser Wärme abgeben können als im Liegen. Aber auch Milchleistungseinbrüche um bis zu 4 l seien in Hitzeperioden durchaus vorgekommen.

Neben der Längslüftung hängt am Stallende auf jeder Seite ein Lüfter in Querausrichtung auf Höhe des Melkroboters.

Lüfter bei Trockenstehern und Milchkühen

Deshalb fiel im Mai vergangenen Jahres die Entscheidung, neue Ventilatoren im Milchviehstall und bei den Trockenstehern zu installieren. Im Milchviehstall hängen seitdem zehn Lüfter – in jeder Stallhälfte des Doppel-Dreireiher-Stalls zwei Längsreihen mit je zwei Lüftern hintereinander über den Liegeboxen und jeweils ein weiterer quer am Stallende auf Höhe des Melkroboters. Die Maße der Ventilatoren liegen bei 1,46 × 1,46 m.

Bei den Trockenstehern setzt Familie Reinermann auf eine Querlüftung: Der Laufstall, in dem die Tiere untergebracht sind, stammt aus dem Jahr 2020 und ist zugleich Jungvieh- und Maststall. Auf der linken Stallseite gibt es 130 Mastrinderplätze, während sich auf der rechten Seite an ein Strohabteil Liegeboxen anschließen. Sie bieten Platz für 20 Trockensteher und dahinter 50 tragende Rinder. Über dem Stroh- und dem angrenzenden Liegeboxenbereich für die Trockensteher befinden sich an der Stallaußenseite drei Ventilatoren – das gleiche Modell wie im Milchviehstall, aber mit Maßen von 1,10 × 1,10 m etwas kleiner. Durch die Querlüftung gelangt die frische Luft hier direkt in die Liegeboxen, sodass die Trockensteher Julian Reinermann zufolge noch mehr von der Belüftung profitieren und ein angenehmes Stallklima sichergestellt ist.

In jeder Hälfte des Doppel-Dreireiher-Stalls hängen zwei Reihen mit je zwei Ventilatoren zur Längslüftung über den Liegeboxen. Die Curtains an den Seiten lassen sich komplett herunterfahren.

Steuerung anhand von Temperatur und Feuchte

In beiden Ställen hängen die Ventilatoren in einer Höhe von 2,70 m (Unterkante), sodass kein Schutzkorb nötig ist. Die Steuerung erfolgt automatisch anhand von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Die Ventilatoren setzen bei einer Temperatur von 18 °C mit einer Laufleistung von 15 % ein und steigern die Leistung dann automatisch linear auf bis zu 100 %.

Den Temperaturfühler nutzt Familie Reinermann schon seit dem Einbau der Lüfter im vergangenen Jahr. Nach den Erfahrungen im ersten Sommer hat sie nun noch einen Feuchtigkeitssensor ergänzt, sodass sich die Steuerung künftig am THI (temperature humidity index) orientiert, also dem Zusammenspiel von Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Die Steuerung allein über die Temperatur habe bereits gut geklappt, aber gerade an schwülwarmen Tagen sei aufgefallen, dass die Lüfter eigentlich noch zu langsam liefen, schildert Julian Reinermann. Das soll nun durch die Berücksichtigung der Luftfeuchte noch besser werden.

Die automatische Steuerung möchte er heute nicht mehr missen. „Die alten Lüfter mussten wir manuell anstellen, aber dadurch schaltet man sie immer erst viel zu spät ein“, ist seine Erfahrung. „Jetzt setzen die Lüfter zuverlässig bei 18 Grad ein. Dann weht zwar nur ein laues Lüftchen im Stall, aber das macht schon einen Unterschied.“

Die Lüfter bei den Trockenstehern hängen quer an der Stallaußenwand und belüften die Liegeboxen so ­direkt.

Tierwohl, Arbeitskomfort und Energieeffizienz

Nach dem ersten Sommer mit den neuen Lüftern ist Julian Reinermann überzeugt, dass sie das Tierwohl positiv beeinflussen und die Kühe weniger unter der Hitze leiden als früher. Durch die bessere Belüftung verbrächten sie auch an heißen Tagen wieder mehr Zeit liegend. Dazu komme, dass die Milchleistung in den Hitzeperioden zwar noch leicht nach unten gehe, aber bei Weitem nicht mehr so extrem wie früher. Der Arbeitskomfort sei ebenfalls gestiegen und das Arbeiten im Stall durch die bessere Belüftung angenehmer. Darüber hinaus seien die neuen Ventilatoren im Vergleich zu den alten Modellen deutlich leiser, wovon Mensch und Tier profitierten.

Nicht zu vernachlässigen sei zudem die verbesserte Energieeffizienz der modernen Ventilatoren: Während die alten Lüfter einen Energieverbrauch zwischen 1,1 und 1,5 kW aufgewiesen hätten, kämen die neuen auf rund 0,53 kW, sodass sich trotz der besseren Belüftung und der höheren Anzahl an Ventilatoren Strom sparen lasse. „Man spart Energie, der Stressfaktor für die Kühe sinkt und man hat selbst jeden Tag im Stall Spaß daran“, fasst Julian Reinermann die Vorteile zusammen.


Der Betrieb Reinermann – Betriebsspiegel und Management

140 Milchkühe plus weibliche Nachzucht

Milchleistung: 12.200 kg

130 Mastbullen (eigene Nachzucht)

110 ha Fläche (40 ha Grünland, 30 ha Getreide und 40 ha Mais)

Arbeitskräfte: Felix und Mechthild Reinermann, Sohn Julian und ein Auszubildender

Der Milchviehbetrieb von Familie Reinermann liegt in Hollen­stede, einem Ortsteil von Fürstenau im Landkreis Osnabrück. Felix und Mechthild Reinermann bewirtschaften ihn gemeinsam mit ihrem Sohn Julian. Der Betrieb hat mittlerweile über 50 Lehrlinge ausgebildet.

Der Milchviehstall stammt aus dem Jahr 1998 und wurde 2012 und 2015 schrittweise erweitert auf heute 120 Plätze. Mit der Erweiterung im Jahr 2015 zogen außerdem zwei Melkroboter ein.

Familie Reinermann zieht die komplette Nachzucht auf und mästet die männlichen Tiere selbst. Dazu werden rund 30 % der Milchkühe mit Fleischrasse-Sperma (Inra 95 und Weißblaue Belgier) belegt.

Die Jungtiere sind zum Teil in Altgebäuden untergebracht, größtenteils aber im neuen Stall aus dem Jahr 2020. Dieser ist zweigeteilt: Links vom Futtertisch beinhaltet er 130 Mastrinderplätze in Vollspaltenbuchten mit Gummimatten. In der rechten Stallhälfte bieten Abteile mit Liegeboxen und ein Strohbereich Platz für 50 Rinder und 20 Trockensteher.

Lernziel: Zusammenhänge erkennen

Das Kieler Landwirtschaftsministerium (MLLEV) hat am Montag (22. Mai) bei einem Treffen des Akteurs-Netzwerks auf dem Hof Steffen in Muxall, Kreis Plön, die Pilotphase der Bildungsoffensive „Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz“ (BiLEV) gestartet.

„Die Bildungsoffensive ist notwendig, um das Wissen, das in den vergangenen Jahren vielleicht nicht vermittelt werden konnte, wieder an die Schülerinnen und Schüler heranzutragen, und zwar in einem Alter, in dem sie wichtige Entscheidungen für ihr Leben treffen“, betonte Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU). Nach seiner Einschätzung werde ein solches Engagement von seinem Ministerium auch erwartet. Zugleich freut sich Schwarz, dass die Bereitschaft im Bildungsministerium vorhanden sei, die Offensive gemeinsam mit dem MLLEV weiterzuentwicklen.

Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufen I und II soll dabei vermittelt werden, wie moderne Landwirtschaft funktioniert, wie Lebensmittel produziert werden und eine gesundheitsförderliche sowie klimabewusste Ernährung gelingen kann. „Um dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden, konnten wir die Europa-Universität in Flensburg als wichtigen Partner für die wissenschaftliche Begleitung und Umsetzung gewinnen“, berichtete Schwarz.

Das Akteursnetzwerk diene dazu, Schulen, Bildungsakteure und Betriebe zusammenzubringen. Zum Start der Pilotphase würden daher ausgewählte Akteure und Schulklassen aus Schleswig-Holstein gemeinsam mit der Europa-Universität Flensburg erste Prototypen von Bildungseinheiten testen und weiterentwickeln. Ein Bildungskatalog werde schließlich Bildungsakteure und Schulen sowie Themenangebote und Zielgruppen zusammenführen. Dieser werde im Laufe des kommenden Schuljahres aufgebaut und kontinuierlich erweitert.

Eine erste Lerneinheit zum Thema „Tierwohl in der regionalen Landwirtschaft“ durchliefen im Vorfeld des Akteurs-Treffens Schüler der Gemeinschaftsschule Probstei. Leila Schwarz, Lebensgefährtin des landwirtschaftlichen Betriebsleiters Christopher Steffen, führte die Jugendlichen über den Hof und beantwortete alle Fragen, zum Beispiel: Warum haben einige Rinder Hörner und andere nicht? Warum stehen die Tiere im Stall und nicht auf der Weide? Was wird gefüttert? Wie alt werden die Tiere? „Puh“, lautete ihr Fazit. Aber sie begrüßte den Austausch mit den Schülern. Er habe auch ihr noch einmal einen anderen Blick auf bestimmte Themen verschafft.

Laut MLLEV ist in vielen Schulfächern ein Bezug zur Landwirtschaft herstellbar. Ob Experimente zu naturwissenschaftlichen Themen wie Biogaserzeugung oder verbraucherorientiertes Lernen anhand der Wertschöpfungskette von Lebensmitteln – die Auseinandersetzung mit Tierhaltung oder Pflanzenanbau im regionalen und globalen Kontext stehe im Vordergrund.

MLLEV-Staatssekretärin Anne Benett-Sturies erläuterte die nächsten Schritte: „Wir werden in der Pilotphase weitere Lerneinheiten testen und das Betriebsnetzwerk ausbauen.“ Ziel sei, landesweit Höfe als außerschulische Lernorte anzubieten. Darüber hinaus gelte es, die landwirtschaftlichen Akteure und die anderen Netzwerk-Partner weiterzuqualifizieren und neue Kooperationen zu ermöglichen. Benett-Sturies zeigte sich optimistisch, das dies trotz vorläufiger Haushaltssperre gelinge. 

Leitartikel zur Bildungsoffensive

Hygiene im Getreide

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Die Marktvolatilität für landwirtschaftliche Erzeugnisse hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, was sich insbesondere in diesem Jahr stark bemerkbar macht. Obwohl ein Teil der Erntemengen bereits vorkontraktiert ist, wurden sie bisher nicht im Landhandel abgewickelt, da die niedrigen Preise eine Vermarktung verhindern. Daher ist zu ­erwarten, dass das Getreide aus den betriebseigenen Lagern erst ab Mai abfließen wird. Dies erhöht die Risiken in Bezug auf die Getreidelagerung und offenbart, wer die Kontrolle über die Getreidelager hat und wo mögliche Schwachstellen liegen könnten.

Gelegentlich treten unangenehme Überraschungen auf. Zum Beispiel hat sich ein Schädling unbemerkt im Getreidelager ausgebreitet, wodurch die ersten Lkw beim Landhandel abgelehnt wurden. In Anbetracht dieser Situation sind fundierte Lösungsansätze gefragt. Im Folgenden werden einige Tipps aufgeführt, wie gesundes und handelsfähiges Getreide während der Lagerperiode schädlingsfrei gehalten werden kann und welche Maßnahmen bei einem Befall ergriffen werden müssen.

Der Getreidekäfer ist ein bekannter Lagerungsschädling; die Bezeichnung dient als Synonym für eine Vielzahl von unterschiedlichen Arten. Unter den Insekten sind hauptsächlich vier Käfer- und zwei Mottenarten regelmäßig in Getreidelagern anzutreffen. Zudem bereiten Spinnentiere wie Staub- und Mehlmilben Probleme.

Der Kornkäfer

Der Kornkäfer (Sitophilus granarius) ist der wohl bekannteste Schädling, der nahezu alle Druschfrüchte befällt, wobei er an Hülsenfrüchten seltener anzutreffen ist. Aufgrund seines breiten Pflanzenreservoirs kann er entlang der Erntekette ins Getreidelager gelangen. Der Kornkäfer ist dunkelbraun, 2 bis 5 mm groß und weist einen rüsselförmigen Kopf auf. Wegen seiner Flugunfähigkeit ist die Mobilität stark eingeschränkt. Das typische Schadbild zeigt sich durch im Mehlkörperbereich angefressene Körner. Allerdings können auch äußerlich unbeschädigte Körner befallen sein, da der Kornkäfer nach der Eiablage das Loch in der Schale wieder verschließt. Die Aktivität der Käfer führt zur Erhöhung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit, was zu Sekundärschäden durch Milben und Schimmelpilze führen kann.

Bei der Lagerung mehrerer Früchte bevorzugt der Kornkäfer vor allem Roggen. Für seine Mobilität benötigt er eine Mindesttemperatur von 13 °C. Die Weibchen legen 200 bis 300 Eier. Falls die Erntetemperatur von etwa 25 °C nicht sofort im Getreidestapel abgekühlt wird, dauert die gesamte Entwicklung vom Ei bis zum Käfer etwa einen Monat. In unseren Lagern können etwa drei bis vier Generationen pro Jahr entstehen. Kornkäfer sind vergleichsweise langlebig und können selbst bei guter fachlicher Praxis, bei der das Getreidelager auf unter 10 °C gekühlt wird, bis zu zwei Jahre überleben. Dies bedeutet, dass bei einem Befall nicht nur das Lagergut behandelt werden muss, sondern auch eine gründliche Leerraumbehandlung erforderlich ist.

Der Getreideplattkäfer

Der Getreideplattkäfer (Oryzaephilus surinamensis) ist ein weiterer bedeutender Schädling in Getreidelagern. Mit einer Größe von 2 bis 3 mm ist er etwas kleiner als der Kornkäfer, aber nicht weniger schädlich. Im Gegensatz zu ihm ist der Getreideplattkäfer flugfähig. Allerdings tritt seine Flugaktivität nur bei Temperaturen über 18 °C auf. Ein Befall mit Getreideplattkäfern deutet im Wesentlichen auf ein Managementproblem hin und ist Anzeichen einer nicht fachgerechten oder technisch unzureichenden Kühlung.

Die übliche Praxis, Getreidelager mit Außenluft zu kühlen, erzeugt immer eine Duftwolke, die von einem Getreideplattkäfer im Umkreis von 2 km wahrgenommen werden kann. Jedoch kann der Käfer das Getreidelager oder Rundsilozellen nur bei Außenlufttemperaturen über 18 °C anfliegen und besiedeln. Technisch unzureichende Kühlsysteme, wie solche mit Drainageschläuchen, erfordern zu viel Zeit, um die Ernte- oder Trocknungstemperatur im Endlager herunterzukühlen. Dadurch besteht das Risiko eines Befalls mit Getreideplattkäfern.

Der Getreideplattkäfer besitzt relativ schwache Mundwerkzeuge und bevorzugt bereits angefressene Körner und Bruchkorn. Eine wirksame prophylaktische Maßnahme besteht darin, den Bruchkornanteil durch eine Vorreinigung zu reduzieren.

Der Getreidekapuziner

Der dritte Käfer in dieser Gruppe ist der Getreidekapuziner (Rhizopertha dominica), dessen Halsschild, wie der Name vermuten lässt, über den Kopf ragt und eine Art kapuzenähnliche Form aufweist. Dieser Käfer hat eine Größe von 2,5 bis 4 mm, eine zylindrische Gestalt und eine rotbraune Färbung. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Käfern ernährt sich der Getreidekapuziner von den eiweißhaltigen Bestandteilen des Korns und ist für eine Qualitätsminderung verantwortlich. Der Getreidekapuziner ist vergleichsweise unempfindlich gegenüber gängigen Kontaktinsektiziden, benötigt jedoch eine Temperatur von über 20 °C. Daher ist bei einer guten fachlichen Praxis ein Befall des Getreidelagers unwahrscheinlich.

Mehlkäfer treten häufig in Altgebäuden auf. Aufgrund des langen Generationenintervalls gestaltet sich die Bekämpfung schwierig.

Der Mehlkäfer

In älteren Speichern mit einem hohen Anteil an Holzbauten ist der Mehlkäfer (Tenebrio molitor) regelmäßig anzutreffen. Diese Art ist in Mitteleuropa weitverbreitet und kommt auch im Freiland vor, wo sie unter anderem in Vogelnestern und Totholz anzutreffen ist. Mehlkäfer können eine Größe von bis zu 18 mm erreichen. Obwohl sie flugfähig sind, machen sie selten davon Gebrauch. Eine häufige Art der Besiedlung erfolgt über bereits befallene Ware oder durch Vögel, die Eier oder Puppen in ihrem Federkleid transportieren und ins Getreidelager gelangen. Daher ist es wichtig, dass ein Getreidelager vogeldicht ist.

Die Bekämpfung des Mehlkäfers gestaltet sich relativ schwierig, da Kontaktinsektizide in der Regel nur die adulten Käfer erreichen. Der Entwicklungszyklus des Mehlkäfers beträgt etwa ein Jahr, was die Behandlung erschwert. Eine nachhaltige Lösung, die sich insbesondere in Getreidespeichern bewährt hat, ist die Verwendung von Kieselgurbehandlung in Kombination mit Pheromonfallen.

Methoden zur Bekämpfung

Allen genannten Käfern ist gemeinsam, dass eine Besiedelung und Etablierung in unseren Lagergütern durch eine fachgerechte Kühlung erschwert wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Getreidekühlung entsprechend dem Standort, dem Lagersystem und dem Lagergut angepasst wird. Sollte es dennoch zu einem Befall kommen, ist es vorrangig erforderlich, die Käferart korrekt zu identifizieren, um darauf basierend eine geeignete Bekämpfungsstrategie auszuwählen.

Die Begasung mit Phosphorwasserstoff ist eine weitverbreitete Methode zur Bekämpfung, die jedoch nur in geschlossenen Räumen möglich ist. Da ein Befall auch in Flachlagern auftreten kann, werden die zu behandelnden Bereiche luftdicht mit Folie abgedeckt. Dieses Verfahren ist sehr aufwendig und wird in der Regel von professionellen Schädlingsbekämpfern durchgeführt. Aufgrund der geringen Atemfrequenz der Larven der genannten Käfer ist eine mehrfache Behandlung erforderlich, da die Sterblichkeitsrate pro Behandlung nur etwa 50 % beträgt.

Bei akutem Befall kann eine Behandlung mit Kontaktinsektiziden wie K-Obilo EC 25 durchgeführt werden. Eine standardisierte Applikationstechnik für diese Methode wird jedoch nicht flächendeckend eingesetzt. Häufig findet man in der Praxis Eigenkonstruktionen mit fragwürdiger Sicherheit bei der Anwendung. Lechler bietet eine praxistaugliche Applikationstechnik namens Grain Protector, die eine genaue Dosierung von Kontaktinsektiziden im Getreide auf einem definierten Förderweg ermöglicht.

Das behandelte Getreide sollte idealerweise noch einige Tage in der Lagerzelle verbleiben, da eine Behandlung mit Kontaktinsektiziden den Feuchtigkeitsgehalt um etwa 0,5 % erhöht, der durch erneutes Kühlen wieder reduziert werden kann. Eine Reinigung des behandelten Getreides mit einem scharf eingestellten Windsichter wird empfohlen, ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Verfahren wie die Behandlung mit 99 % Stickstoff oder Kohlendioxid sowie die Heißluftentwesung werden zwar in der Lagerhaltung eingesetzt, sind in der Landwirtschaft jedoch selten anzutreffen.

UV-Lichtfallen sind ein probates Mittel zu Regulierung von Motten im Getreidelager.

Motten und Milben

Zu den weitverbreiteten Lagerschädlingen zählen auch die Mehlmotte (Ephestia kuehniella) und die Speichermotte (Ephestia elutella). Sie treten hauptsächlich in Flachlagern und alten Gebäuden auf. Das Schadbild wird durch die Bildung von Gespinsten gekennzeichnet, die die Förderwege blockieren, Kondensatbildung begünstigen und somit sekundäres Pilzwachstum fördern. Zur Bekämpfung der Motten werden hauptsächlich gasförmige Kontaktinsektizide wie Dedevap Green und Insektinil eingesetzt. Um das Auftreten der Motten in alten Gebäuden zu regulieren, können UV-Lichtfallen und Lockstofffallen verwendet werden.

In den vergangenen Jahren sind in neueren Lagergebäuden gelegentlich Staub- und hauptsächlich Mehlmilben (Acarus siro) als sogenannte sekundäre Lagerschädlinge aufgetreten. Da es sich dabei um Spinnentiere und nicht um Insekten handelt, ist eine Behandlung mit Kontaktinsektiziden wirkungslos. Eine wirksame Methode hat sich jedoch in der Behandlung mit Phosphorwasserstoff gezeigt. Dieses Verfahren ist ausschließlich für professionelle Schädlingsbekämpfer geeignet.

Mehlmilben treten aufgrund einer zu hohen relativen Luftfeuchtigkeit im Getreidelager auf. Durch konstante Aufrechterhaltung einer relativen Luftfeuchtigkeit unter 75 % werden die Lebensbedingungen für sie so verschlechtert, dass sie sich nicht im Getreidelager etablieren können. Die relative Luftfeuchtigkeit oberhalb des Getreidestapels mit einem Feuchtegehalt von 15 % und einer Stapeltemperatur von 20 °C beträgt nicht mehr als 67 %. Das Vorhandensein von Mehlmilben im Lager deutet also auf ein feuchtes Nest oder eine fehlerhafte Funktion des Kühlsystems hin.

Die Schädlingsprophylaxe sollte in der Lagerhaltung ein wesentlicher Bestandteil sein, da Getreidelager in der Regel nur vorübergehend gefüllt sind und eine langfristige Lagerung selten stattfindet. Neben den Kosteneinsparungen im Vergleich zu einer reaktiven Bekämpfung ist die Prophylaxe auch wirksam, um eine Verbreitung von Lagerschädlingen bis in die nächste Lagerperiode zu verhindern.

Einregnungen in Getreidelager erhöhen die biologische Aktivität des Lagergutes, welches dann zum Attraktor für Schadinsekten wird.
Technisch bedingte Restmengen müssen schnellstmöglich entfernt werden.

Nützlinge einsetzen

Eine mögliche Lösung zur Schädlingsbekämpfung ist der Einsatz von Nützlingen wie der Lagererzwespe, dem Getreideplattkäfer-Wespchen und der Getreideraubmilbe. Diese bieten eine elegante Methode, um einem Schädlingsbefall vorzubeugen. Ein Nachteil ist jedoch, dass der Einsatz dieser Nützlinge zeitlich und räumlich stark begrenzt ist und sie vor der Besiedelung des Getreidelagers mit Schädlingen eingeführt werden müssen. Insbesondere in großen, konventionellen Flachlagern mit einem Volumen von mehr als 2.000 t oder bei diskontinuierlicher Befüllung gestaltet sich der Einsatz von Nützlingen schwierig.

Amorphe Kieselgur

Eine weitere präventive Maßnahme besteht in der Verwendung von amorpher Kieselgur, deren Einsatz gemäß den EU-Richtlinien 178/2007 und 852/2004 zulässig ist. Dabei handelt es sich um ein Pulver, das aus fossilen Kieselalgen gewonnen wird und einen Siliziumdioxid-Gehalt von über 90 % aufweist. Es zerstört die Fett- und Wachsschicht von Insekten und Spinnentieren, was zu einem Wasserverlust führt, den die Tiere nicht ausgleichen können. Untersuchungen des Bundesinstituts für Risikobewertung haben ergeben, dass selbst der Getreidekapuziner innerhalb von maximal neun Tagen abstirbt.

Kieselgur kann in einer Menge von bis zu 1 kg/t für Konsumgetreide und bis zu 2 kg/t für Futtermittelgetreide eingesetzt werden. Es ist jedoch ratsam, den Einsatz von Kieselgur mit den entsprechenden Abnehmern zu besprechen, da einige von ihnen aufgrund der möglichen Beeinträchtigung der technischen Verarbeitung den Einsatz ablehnen.

Leeres Lager reinigen

Als dritte prophylaktische Maßnahme ist die klassische chemische Leerraumbehandlung anzusehen. Vor jeder prophylaktischen Maßnahme ist eine gründliche mechanische Reinigung des Getreidelagers durchzuführen. Dabei müssen alle Rückstände des Lagerguts entfernt werden, auch an schwer zugänglichen Stellen. Zur Abdichtung von Rissen und Spalten hat sich Silikon als effektiv erwiesen. Bauschaum sollte auf keinen Fall verwendet werden, da er zu porös ist und im schlimmsten Fall als Reservoir für erneuten Befall mit Lagerschädlingen in der nächsten Lagerperiode dienen kann. Es wird auch von einer Reinigung mit einem Baukompressor abgeraten, da dabei der Staub lediglich gleichmäßig über die gesamte Getreideanlage verteilt wird, was unerwünscht ist.

Rundsilos sollten je nach Häufigkeit des Umschlags alle fünf bis acht Jahre einer gründlichen Innenreinigung unterzogen werden, da sich insbesondere im Dachbereich Staub- und Kaffeereste ansammeln und dort ein Reservoir für Lagerschädlinge bilden können. Eine prophylaktische Leerraumbehandlung mit Actellic 50 ist nicht mehr zugelassen, und es ist auch nicht zulässig, Restbestände davon zu verwenden. Als Ersatzpräparat bietet sich K-Obiol EC 25 an, das zu den deltamethrinhaltigen Insektiziden gehört. Im Vergleich zu Actellic 50 verdampft es weniger stark, sodass versteckt sitzende Schädlinge nicht vollständig erfasst werden. Eine gründliche mechanische Vorreinigung der Lager gewinnt somit eine noch größere Bedeutung als zuvor.

Pyrethrinbasierte Nebelpräparate können ebenfalls in der prophylaktischen Leerraumbehandlung eingesetzt werden. Da der Wirkstoff jedoch durch Licht abgebaut wird, ist keine lang anhaltende Wirkung gewährleistet, sodass eine mehrmalige Behandlung desselben Raums zulässig ist, um Motten auszurotten. Nebelpräparate eignen sich auch hervorragend, um schwer zugängliche Bereiche wie Entnahme-Trogkettenförderer und Vollbelüftungsböden in Rundsilozellen in die Leerraumbehandlung einzubeziehen, um sicherzustellen, dass keine Rückzugsorte für Lagerschädlinge vorhanden sind.

Eine umfassende mechanische Reinigung des Getreidelagers, eine chemische Leerraumbehandlung sowie ein effektives Kühlsystem sind entscheidende Faktoren, um sicherzustellen, dass die eingelagerte Ernteware auch verkauft werden kann.

Jubiläum beim Preis des Bauernblattes

Bereits zum zehnten Mal vergab das Bauernblatt in der Small, Medium und Large Tour der Amateur Trophy die Preise.

Die Ehrenpreise, Gutscheine für Pferdefutter, werden in Kooperation mit der J. August Plambeck GmbH ausgegeben. In dieser internationalen Springsportserie, die auch im Rahmen des Deutschen Spring- und Dressurderbys in Hamburg ausgetragen wird, reiten die Amateure über 1,15 m, 1,25 m und 1,40 m um Fehler und Zeit.

Schon am Donnerstagmorgen wurden die ersten Sieger gekürt. Sophia Ninette Lübbe und ihre Westfalenstute Ladylike siegten fehlerfrei in der Small Tour. Die Hamburger Reiterin, die in den Sozialen Medien sehr aktiv ist, kam dazu noch mit dem Holsteiner Lordillo S auf den zweiten Platz. In der am Abend ausgetragenen ersten Qualifikation der Large Tour konnte sich die Kanadierin Makayla Barta durchsetzen. Sie saß im Sattel des Hannoveraner Hengstes Stocantes. Am Freitagmorgen waren dann die Reiterinnen und Reiter der Medium Tour am Start. Hier gewannen Linnea Heemsoth und der Holsteiner Wallach Larino W. Mit 0,06 s Abstand kam die Siegerin der Small Tour des Vortages, Sophia Ninette Lübbe, auf den zweiten Platz. Letztere gewann am Ende auch die Gesamtwertung der Small und Medium Tour.

Alternativen für Buchsbaum

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So mancher Gärtner sucht nach Alternativen zu Buchsbaum, um Blattfallkrankheit und Buchsbaumzünsler ohne aufwendige Bekämpfung loszuwerden. Ersatzpflanzen übernehmen die Funktion des Buchsbaums und fügen sich optisch gut ein, wenn sie dem Verwendungszweck und den Standortverhältnissen entsprechend ausgewählt werden.

Dies ist notwendig, da keine der möglichen Alternativen die Optik des Buchsbaums mit seiner Standorttoleranz verbindet. Kurzum: Wenn die Ersatzpflanze dem Buchsbaum optisch gleicht, stellt sie meist höhere Ansprüche an Boden und Standort. Zeigt sie sich ähnlich robust wie der Buchsbaum, unterscheidet sie sich im Erscheinungsbild mehr oder weniger deutlich.

Ilex crenata ,Glorie Dwarf‘ ähnelt optisch dem Buchsbaum.Foto: Karin Stern

Für den Formschnitt haben sich längst Eibe, Spindelstrauch, Japanische Stechpalme und Lebensbaum etabliert. Doch es gibt auch passende Arten für niedrige Hecken und Einfassungen.

Die immergrüne Japanische Stechpalme (Ilex crenata), manchmal auch Japan-Ilex oder Berg-Ilex genannt, ähnelt mit ihren glänzenden, kleinen Blättern dem Buchsbaum. Zudem ist sie recht schattenverträglich. Der Nachteil: Die Pflanze braucht einen sauren, eher sandigen Boden, der nicht austrocknen darf, und bevorzugt eher luftfeuchte Standorte. Auf kalk- oder sehr lehmhaltigen Böden kümmert Berg-Ilex vor sich hin. Schwere Böden sind daher vor der Pflanzung mit Sand, Torf oder Rindenhumus zu verbessern. Alternativ pflanzen manche Gärtner gleich in Rhododendronerde. Der Schnitt erfolgt im zeitigen Frühjahr und erneut im August oder September. Fast jedes Jahr kommen neue Sorten in den Handel. Die Zwergformen ‚Glorie Gem‘ und ‚Glorie Dwarf‘ eignen sich für Einfassungen, niedrige Hecken oder die Kübelkultur. ‚Dark Green‘ wächst je nach Standort etwa 1 bis 2 m hoch. Damit empfiehlt sich diese Sorte für etwas höhere Hecken. Stechpalme ‚Heckenzwerg‘ (Ilex aquifolium) kommt gut auf normalem Boden zurecht, bevorzugt jedoch halbschattige bis schattige Standorte. Ausgewachsen erreicht die Sorte etwa 30 bis 50 cm in der Höhe und 30 cm in der Breite. Die dekorativen Blätter tragen allerdings umlaufend Dornen. Beim Heckenschnitt trägt man besser Handschuhe.

Für niedrige Einfassungshecken eignet sich die Eibe ,Renkes Kleiner Grüner‘. Foto: Karin Stern

Die Eibe (Taxus baccata) punktet mit den gleichen positiven Eigenschaften wie der Buchs. Sie ist schnittverträglich, winterhart und für Standorte von sonnig bis schattig geeignet. Der Nachteil: Die Pflanzen sind im Vergleich zu Buchs teurer, dafür jedoch sehr langlebig und tragen weiche Nadeln anstelle von Blättern. ‚Renke‘s Kleiner Grüner‘ eignet sich hervorragend für niedrige Hecken und Einfassungen. Die schnittverträgliche Sorte zeichnet sich durch geringe Ansprüche an Standort sowie Boden aus. Sie wächst ohne Mitteltrieb, verzweigt sich daher besser und ist auch im unteren Bereich schön dicht. Der jährliche Zuwachs beträgt etwa 5 bis 10 cm. Mit zwei Schnitten pro Jahr lässt sich die Hecke gut in Form halten. Bei der Neupflanzung braucht man drei bis vier Exemplare von ‚Renke‘s Kleiner Grüner‘ pro laufendem Meter Hecke.

Lebensbaum ,Mecki‘ eignet sich prima für den Formschnitt. Foto: Karin Stern

Zwerg-Rhododendron ‚Bloombux‘ (Rhododendron micranthum) ist eine niedrige, schnittverträgliche, immergrüne und vor allem bodentolerante Kreuzung aus verschiedenen Wildformen. Die Sorte gedeiht in normalem Gartenboden. Anfang Juni gibt es als Zugabe hübsche rosa- bis pinkfarbene Blüten. Bei einem Zuwachs von etwa 10 cm pro Jahr erreicht ‚Bloombux‘ etwa 70 cm Endhöhe. Eine spannende Alternative ist Lebensbaum ‚Mecki‘ (Thuja occidentalis). Der Handel bietet neben niedrigen Formschnittkugeln auch junge Pflanzen an, die sich für die Neuanlage einer niedrigen Hecke eignen. Tipp: Dafür zwei bis drei Pflanzen pro laufendem Meter einplanen. Der immergrüne ‚Mecki‘ passt gut an sonnige bis halbschattige Standorte und legt Wert auf nährstoffreichen und leicht feuchten, kalkhaltigen Boden. Wer eher gelbgrüne Nadeln bevorzugt, bekommt mit ‚Mirjam‘ eine Sorte, die auch ohne Schnitt kugelförmig wächst. Der Zwergstrauch erreicht eine Höhe von 40 bis 60 cm und wächst etwa 60 cm breit. Die früher oft empfohlene Heckenmyrte ‚Maigrün‘ (Lonicera nitida) hat sich in der Praxis vor allem für breite, etwa kniehohe Einfassungen bewährt. Für schmale und niedrige Hecken ist sie eher ungeeignet.

Frost färbt die gelbpanaschierten Blätter des Spindelstrauchs ,Emerald’n Gold‘ rosafarben ein. Foto: Karin Stern

Zwei weitere Alternativen dürfen nicht unerwähnt bleiben. Der Spindelstrauch ‚Green Rocket‘ (Euonymus japonicus) wächst sehr langsam aufrecht-kompakt. Er eignet sich für sonnige bis halbschattige Standorte mit durchlässigem, nährstoffreichem und feuchtem Boden. Etwas weniger frostempfindlich sind der weiß panaschierte ‚Emerald‘n Gaiety‘ und der gelb panaschierte ‚Emerald‘n Gold‘ (Euonymus fortunei). Im Halbschatten verblassen die bunten Farben etwas. Tipp: Regelmäßig schneiden, dann verzweigen sich die Pflanzen besser. Zwerg-Liguster ‚Lodense‘ (Ligustrum vulgare) bleibt mit etwa 80 cm Höhe recht niedrig und stellt ähnliche Ansprüche wie der Spindelstrauch. Die an sich wintergrüne Sorte kann bei anhaltendem Frost die Blätter abwerfen. Im Frühjahr erfolgt dann ein Neuaustrieb der sehr bodentoleranten Sorte.

Speisegetreide für eine Million Menschen

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Der Agrarausschuss der Landjugend Schleswig-Holstein traf sich mit über 30 Teilnehmern zum Besuch der einzigen Biomühle im Land auf Gut Rosenkrantz in Neumünster. Aufgrund der hohen Nachfrage musste die Teilnehmerzahl begrenzt werden, und es wurden drei Gruppen gebildet.

Die erste Gruppe führte Mitinhaberin Louisa von Münchhausen in die Büroräume und Labore. Sie erläuterte die Geschichte des Betriebes und die anfänglichen Startschwierigkeiten, da ein neuer Markt aufgebaut werden musste. Der Biomarkt hatte im Jahre 1991 keine Struktur, und der Handel erfolgte meist über private Handelskontakte. Dementsprechend gründete Friedemann von Münchhausen 1992 eine Handelsgesellschaft.

Der heutige Standort in Neumünster bereitet Speisegetreide für eine Million Menschen vor. Die Produktion startet am Sonntagabend um 22 Uhr und läuft bis Freitag 22 Uhr in Achtstundenschichten. So werden 18.000 t Brotgetreide pro Jahr hegestellt.

Mithilfe innovativer Hilfsmittel wird die aufwändige Handarbeit stetig abgebaut und die Produktion gesteigert (Abpackroboter oder Einschweißgeräte). Im nächsten Jahr erfolgt eine weitere Millioneninvestition in den Produktionsprozess, die eine 20-%ige Effektivitätssteigerung schafft.

Der Müllermeister führte die Lajus durch die Prozesse der Verarbeitung. Ein Großteil der Arbeit eines Müllers besteht darin, alle Prozesse zu kontrollieren und für Sauberkeit zu sorgen. Aufgrund von Hygienevorschriften und Nachweisen hat die Biomühle sehr hohe Aufwandskosten in den Analysebereichen. Selbst die Nachweise von beispielsweise 0,0005 % Pflanzenschutzmitteln führen zu einer Rücknahme von Verkaufsprodukten.

Danach wurden die Teilnehmer in das Lager geführt, wo eine Verkostung von Schalenfrüchten, getrockneten Tomaten und Schokolade geboten wurde. Das Lager dient als Großhandelsbasis für 900 Bäckereikunden in ganz Deutschland und Dänemark. Trotz der aktuellen Krisenzeiten hatte der Betrieb keinen Rückgang beim Verkauf von Bioprodukten und sieht positiv in die Zukunft.

Zum Abschluss erhielten die begeisterten Lajus noch Präsente in Form von Mehl, Nudeln und Müsli. Aufgrund der spannenden Führung geschah die Verabschiedung erst um 21.45 Uhr.

Plötzlich ein Pflegefall – was tun?

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Die Pflege von Angehörigen ist ein Thema, das viele bewegt. Das zeigte sich bei der Podiumsdiskussion „Pflege in der Familie“ deutlich. Der Saal war voll. Eingeladen hatte der KreisLandFrauenverband Dithmarschen (KLFV)zusammen mit dem Kreis Dithmarschen, dem Medizinischen Qualitätsnetz Westküste (MQW), dem Pflegestützpunkt und der Familialen Pflege der Westküstenklinik Heide (WKK).

Ob ein plötzlicher Notfall eintritt oder sich der Zustand eines Angehörigen schleichend verschlechtert: Pflege ist auch für die Angehörigen eine Ausnahmesituation. In der Podiumsdiskussion ging es unter anderem darum, wo Betroffene Hilfe bekommen.

Tim Kühl vom Fachdienst Soziale Teilhabe des Kreises Dithmarschen referierte über Fragen zur Finanzierung der Pflege. Ganz wichtig sei die Hilfe bei Antragstellungen. So müssten Leistungsansprüche geprüft, Einkommen und Vermögen berechnet und Anträge auf Unterstützung gestellt werden, wenn die eigenen Mittel nicht reichten. Einhellige Meinung aller Referenten: „Es darf auf keinen Fall passieren, dass jemand keine Unterstützung bekommt, weil er oder sie Angst vor dem Behördenkram hat.“

Ein wichtiges Thema ist der eingeschränkte Rentenanspruch, wenn jemand wegen einer Pflege weniger arbeitet. Die Rentenpunkte werden dann zwar aufgestockt, aber nur bei maximal 30 Stunden Arbeitszeit. Für die Beantwortung solcher Fragen steht der Pflegestützpunkt im WKK Heide telefonisch und persönlich zur Verfügung und in Brunsbüttel wöchentlich donnerstags im Jobcenter.

„Ambulant vor stationär“ – das ist das Ziel, um Patienten möglichst lange das Leben in ihrer gewohnten Umgebung zu ermöglichen. Mit Hilfe der familialen Pflege wird der Bedarf ermittelt: Brauche ich Hilfsmittel wie ein Pflegebett, eine Pflegezimmereinrichtung, einen Toilettensitz? Sind Baumaßnahmen erforderlich, muss ich die Ernährung überdenken, brauche ich Hilfe bei den Medikamenten? Die familiale Pflege kann auf ein großes Netzwerk zurückgreifen und bietet im WKK Heide auch Kurse für Angehörige zur richtigen Technik bei der Pflege an.

Um pflegende Angehörige kurzzeitig zu entlasten, gibt es die Verhinderungspflege, die ab Pflegegrad 2 vorgesehen ist. Ein großes Problem ist dabei die Suche nach einem Betreuungsplatz für eine vorübergehende Zeit (etwa bei Urlaub oder Krankheit des pflegenden Angehörigen). Ein Pflegeplatzmanager hilft bei der Suche, kann aber keinen Erfolg garantieren.

Dr. Burkhard Sawade sprach als Vorsitzender des MQW für die Hausärzte. Sie sind die ersten, die eine Diagnose stellen und damit den Antrag auf Hilfeleistung erst ermöglichen. Auf die Frage, was zu tun ist, wenn Eltern sich weigern, Hilfe anzunehmen, antwortete Sawade eindeutig: „Der Mensch hat ein Recht auf Selbstbestimmung, so lange die geistige Zurechnungsfähigkeit nicht aberkannt worden ist.“

Die Anwesenden bedankten sich mit einer gut gefüllten Spendenbox für die familiale Pflege.

Sie informierten und diskutierten: Sabine Battige (WKK), Telse Reimers (KLFV), Marion Dunklau-Eichler (WKK), Burkhard Sawade (MQW), Tim Kühl und Kerstin Magnussen (beide Fachdienst soziale Teilhabe), Sonja Kuhn und Nancy Kunte (v. li.) .  Fotos: Hilde Wohlenberg

Mitarbeiterinnen vom anderen Ende der Welt

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Die landwirtschaftlichen Familienbetriebe in Schleswig-Holstein sind oft zu groß, um von der Familie allein bewirtschaftet zu werden. Aber Fachkräfte sind knapp in Deutschland, besonders in der Landwirtschaft. Familie Andersen aus Wees in Angeln hat gute Erfahrungen mit der Vermittlung von internationalen Arbeitskräften durch eine dänische Agentur gemacht.

Vinzenz Andersen im Ortsteil Rosgaard der Gemeinde Wees züchtet Angler Rotvieh. „Ich brauche Leute, die zupacken können und zuverlässig sind. Die Kühe müssen jeden Tag gemolken werden“, sagt er. Nach dahingehend schlechten Erfahrungen mit der ansässigen Arbeitsvermittlung hat er sich auf die Suche nach ausländischen Mitarbeitern gemacht, im Internet recherchiert und bekam Kontakt zu einer Agentur, die ihren Sitz in einem osteuropäischen EU-Land hat. Hier machte er eine weitere schlechte Erfahrung.

Dubiose und seriöse Vermittlungen

„Der Mitarbeiter am Telefon sagte mir, welche Kosten für einen vermittelten Mitarbeiter auf mich zukommen würden. Als ich ihn fragte, wie viel davon beim Mitarbeiter ankommen würden, sagte er, das brauche mich nicht zu interessieren. Damit war für mich klar, dass ich mit dieser Agentur nicht zusammenarbeiten will. Ich will unsere Mitarbeiter anständig bezahlen.“

Schließlich hörte er von der dänischen Agentur „Bixter“, die ausländische Universitätsabsolventen in mehrere europäische Länder vermitteln. „Hier zahle ich Vermittlungsgebühren an die Agentur und schließe mit den Mitarbeitern einen Arbeitsvertrag ab. Der vereinbarte Lohn kommt zu 100 Prozent als Bruttolohn bei den Mitarbeitern an.“

Jonna Christensen, die auch fließend Englisch, Deutsch und Norwegisch spricht, ist bei der Agen+tur Bixter für die Vermittlungen in die Landwirtschaft und die Ernährungsindustrie in Deutschland zuständig. Die jungen Hochschulabsolventen, die sie vermittelt, dürfen nach ihrem Studium für ein Jahr in Deutschland arbeiten, um erste Berufserfahrungen zu sammeln.

Rechtliche Regelungen

Dieses eine Jahr wird als Arbeitspraktikum gewertet. Deutschland ist dabei durchaus wählerisch. Nur Absolventen der besten Universitäten dürfen kommen. Will jemand länger bleiben als dieses eine Jahr unmittelbar nach dem Studium, greifen die rechtlichen Regelungen zur Fachkräftezuwanderung. Solange der Antrag läuft, dürfen die Mitarbeiter bleiben. Wird der Antrag abgelehnt, müssen die Mitarbeiter mitunter von einem Tag auf den anderen Deutschland verlassen.

Jonna Christensen schwärmt von der Möglichkeit, junge Hochschulabsolventen nach Deutschland zu vermitteln. „Das ist eine Win-win-Situation für beide Seiten. Die jungen Menschen können erste Berufserfahrungen im Ausland sammeln und verdienen für ihre Verhältnisse viel Geld. Die Betriebe bekommen hochqualifizierte und hochmotivierte Mitarbeiter.“

Lourdes und Sophia

Sophia Agape Lapiz beim Kühemelken

Auf dem Hof von Wiebke und Vinzenz Andersen arbeiten und leben zurzeit zwei junge Universitätsabsolventinnen, eine von den Philippinen und eine aus Tansania. Während Lourdes Makare Herman (24) aus Tansania erst seit Weihnachten 2022 in Deutschland ist, ist Sophia Agape Lapiz (24) von den Philippinen schon im zweiten Jahr hier. Zu Hause hatte Lapiz nichts mit Landwirtschaft zu tun. Ihr Vater ist Pastor. Dennoch war Landwirtschaft immer ihr Traumberuf, und sie hat deshalb Landwirtschaft studiert. Sie wollte gerne nach Europa, weil es hier modernere Maschinen und größere Betriebe gibt als in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft der Philippinen. Deshalb will sie auch länger bleiben. Noch ist der Antrag nicht genehmigt. Ihr Arbeitgeber würde sie gerne weiter beschäftigen: „Sie ist die beste Melkerin, die ich je hatte“, sagt er.

Lourdes Makare Herman versorgt die Kälber

Anders ist es bei Lourdes Makare Herman aus Tansania. Sie kommt von einem kleinen Selbstversorgerbauernhof mit vier Kühen. Sie will dieses eine Jahr in Deutschland nutzen, um Erfahrungen zu sammeln und Geld zu verdienen. Danach möchte sie zurück in ihre Heimat und den elterlichen Betrieb vergrößern, sodass es der Familie möglich wird, auch Produkte zu verkaufen. Auf dem Hof von Familie Andersen wechseln sich die beiden jungen Frauen wochenweise ab beim Melken der Kühe und der Versorgung der Kälber. Wer mit Melken dran ist, muss um 4 Uhr im Stall stehen, wer die Kälber versorgt, beginnt um 8 Uhr mit der Arbeit. Die Verständigung erfolgt in englischer Sprache, Grund genug für die Familie, das länger zurück liegende Schulenglisch wieder aufzufrischen.

Ungewohnte Speisen

Lourdes Makare Herman und Sophia Agape Lapiz haben Familienanschluss und wohnen in den ehemaligen Kinderzimmern der inzwischen erwachsenen Kinder von Familie Andersen. Gegessen wird gemeinsam am großen Küchentisch der Familie. Das erfordert für alle Beteiligten ein hohes Maß an Toleranz, zumal sich die Essensgewohnheiten in anderen Teilen der Welt von denen in Deutschland unterscheiden können. „Lourdes isst kein Brot und hat in den ersten Tagen deshalb fast nichts gegessen. Das geht natürlich nicht bei gleichzeitig körperlich schwerer Arbeit“, so Andersen. Längst hat sich die Situation zurechtgeruckelt: Lourdes kocht sich ihren Maisbrei.

Familienanschluss oder nicht

Wer mit Familienanschluss auf dem Hof wohnt, spart Mietkosten und Arbeitswege. Aber das ist nicht für alle das passende Modell, nicht für jede Bauernfamilie und nicht für jede ausländische Mitarbeiterin. Die Agentur fragt deshalb vorher genau nach, ob eine Unterbringung mit Familienanschluss gewünscht wird oder ob eine eigene Wohnung vorhanden sein muss.

Die Agentur betreut die Betriebe und Berufspraktikanten während der gesamten Vertragslaufzeit. Gibt es Probleme von einer der beiden Seiten, ist die Agentur jederzeit ansprechbar. Lassen sich die Probleme nicht lösen, sucht die Agentur eine passende neue Stelle für die Praktikantin.

Viva la Evolution!

Disruption – Zerstörung – ist das Zauberwort, wenn es um die Lösung der anstehenden Herausforderungen geht. Disruptionsdruck entsteht normalerweise, wenn Techniken, Systeme oder Denkweisen ihr Haltbarkeitsdatum überschritten haben. So reagieren wir auf den Ukraine-Krieg mit einer Zeitenwende. Auch der Klimawandel erfordert nach Ansicht des Wirtschaftsministers Dr. Robert Habeck (Grüne) eine Disruption, und zwar im Energiesektor, wolle man die Klimaziele halten. Auch die Landwirtschaft solle sich disruptiv „agrarwenden“. 

Revolution ist angesagt, ohne Rücksicht auf die Kosten. Nun ist die reine Zerstörung kein Zukunftsmodell. Zukunftsfähig wird sie erst durch die ergänzende Innovation: Alte Geschäftsmodelle werden nicht aktiv zerstört, sondern durch neue verdrängt. Die Steinzeit gilt als der längste Abschnitt der Menschheitsgeschichte. Sie endete bekannterweise nicht, weil es keine Steine mehr gab, sondern weil die innovativen Werkstoffe wie Bronze und Eisen neue Möglichkeiten eröffneten. Die Alternativen waren einfach besser. 

Dieses Element einer Disruption – das Schöpferische an der Zerstörung, wie der Ökonom Joseph Schumpeter es nannte – wird in der politischen Diskussion schnell vergessen. Stattdessen scheint die aktive, vorschnelle Zerstörung das politische Bild einer Disruption zu prägen, verbunden mit der vagen Hoffnung, dass etwas Neues entstehen möge. Das ging der ehemaligen Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) mit der Beendigung der Atomkraft nicht anders, als es Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) mit der offenbar angestrebten Entsorgung der konventionellen Landwirtschaft ergehen wird. 

Der Minister zeigt: Politik kann Disruption, innovativ ist sie dabei selten. Innovativ sind Wirtschaft und Landwirtschaft – wenn die Anreize stimmen. Sie gestalten den Wandel, statt Opfer der Entwicklung zu werden, folgen dabei aber eher einem evolutionären Ansatz: Sie verbessern Prozesse und Produkte. Das Lernen voneinander zwischen ökologischer und klassischer Landwirtschaft ist ein Beispiel dafür. 

Die Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Plan sind herausragende Beispiele für ein innovativ-disruptives Lobbying. Landwirtschaft und Umweltschützer machen Angebote, statt zu bremsen. Das ist neu und entspricht den Herausforderungen der Zeit. Statt zu mauern, wird diskutiert, bis der Konsens allen wehtut. Allein Greenpeace verharrt in der Wagenburg krawalliger Kampagnen. Ähnliches Verhalten muss man heute der Ampel-Koalition vorwerfen. Sie scheint mit dem innovativen Ansatz nicht zurechtzukommen. 

Nun ist die Aufgabe der Politik nicht Zerstörung, wohl aber Störung, um Veränderungen anzuschieben. Störung muss aber konstruktiv sein. Allein Türen zu schließen, wie in Bezug auf die Tierhaltung, reicht nicht. Man muss andere Türen öffnen und den Landwirten die Entscheidung überlassen, durch welche Tür sie gehen. Niedersachsen macht es vor, mit einer Ringelschwanzprämie für Schweinehalter und einer Diversifizierungsförderung bei Aufgabe der Tierhaltung. 

Offenbar erfordert es in der Politik heute mehr Mut, kleine gemeinsame Schritte zu gehen, als große Zeitenwenden auszurufen. Doch Disruption soll Veränderung anregen, nicht Stillstand erzwingen. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Politik auf das Setzen von Rahmenbedingungen beschränkt und die Reaktionsmöglichkeit der Betroffenen nicht durch Detailregelungen einschränkt. Investitionen in die Zukunft brauchen Vertrauen, Vertrauen gründet sich auf Verlässlichkeit. Sonst laufen die Landwirte den politischen Disruptoren davon – Revolution beendet. Berlin muss seine Politik ändern: Viva la Evolution!

Sönke Hauschild. Foto: bb

Der letzte Walzer in Bissee

Der Skulpturensommer in Bissee am Bothkamper See (Kreis Rendsburg-Eckernförde) ist jedes Jahr aufs Neue eine feste Institution für Kunstliebhaber. Eine Galerie mit Werken im Freien, ohne Wände, musealen Kontext und Öffnungszeiten, ein Spaziergang durch ein idyllisches Dorf, bei dem man wie auf Schatzsuche die von den Künstlern in den Gärten und auf den Höfen aufgestellten Kunstobjekte zu entdecken versucht. In diesem Jahr findet diese Art der Ausstellung zum letzten Mal statt. Nach 25 Jahren beendet der Verein Skulptur in Bissee seine Arbeit.

„Zwischenraum“ – Textile Farbinstallation von Gisela Meyer-Hahn

„The Last Waltz“ – der letzte Walzer, damit ist die 25. Sommerausstellung überschrieben. Dieses Motto sei angelehnt an ein legendäres Konzert am Ende einer musikalisch-kulturellen Ära, bei dem berühmte Gastmusiker gemeinsam aufgetreten waren: „Dieser letzte Walzer gehört nun uns“, erklärt die Vereinsvorsitzende Karin Russ.

Er sei als krönender Abschluss gedacht, um die 25-jährige Vereinsarbeit zu beenden. Man solle gehen, wenn es am schönsten sei, bevor das Projekt durch dauernde Wiederholungen an Reiz verliere. „Wir machen jetzt den Weg frei für Neues, danken dem Dorf Bissee und gönnen ihm eine Ruhepause“, so Russ. In diesem Jahr beteiligen sich 21 Künstler mit ihren Arbeiten an 34 Stellen im Ort am Tanz. Über die 25 Jahre gesehen, waren es weit mehr als 100 verschiedene ­Bildhauerinnen und Bildhauer, die ihre Skulpturen in dem kleinen Dorf präsentiert haben.

Zum Abschied seien noch einmal Werke treuer Wegbegleiter zu sehen, unter anderem vom 2017 verstorbenen Bildhauer, Grafiker, Autor und Hochschullehrer Jan Koblasa, von den international renommierten Künstlern Jo Kley und Jörg Plickat sowie vom Bildhauer Martin Wolke, der seine an anderer Stelle im Land ungeliebte Arbeit „Muschelläufer“ als „Muschelläufer 2.0“ nach Bissee gebracht hat. Des Weiteren sind Gleb Dusavitskiy, Dorsten Diekmann, Rainer Fest, Jan-Olav Hinz, Uschi Koch, Isabel und Kurt Lange, Gisela Meyer-Hahn, Klaus Müller, Arno Neufeld, Ernst Petras, Arne Prohn, Ulf Reisener Aurel Rückner, Winni Schaak, Tina Schwichtenberg und Ingo Warnke beim letzten Skulpturensommer mit dabei. „Sie alle haben uns in den vergangenen Jahren sehr unterstützt“, so Karin Russ. Doch was wäre ein Tanz ohne Partner und ohne ein Tanzparkett? Letztlich sei der Erfolg vor allem den Bisseern zu verdanken, die ihr Dorf für diese Form der Ausstellung zur Verfügung gestellt hätten, die reizvolle Landschaft und die Idylle, die den Kunstwerken über Monate im Wandel der Jahreszeiten einen immer wieder wechselnden Rahmen beschert sowie neue Ansichten und Empfindungen ermöglicht hätten.

Über die Jahre sei man zu einer großen Gemeinschaft gewachsen. Viele der Einwohner stellten ihren Garten oder ihre Höfe für die Objekte zur Verfügung, wissend, dass sie damit ein Stück ihrer eigenen Privatsphäre über die Sommerzeit preisgäben trotz des Hinweises an die Besucher, die Kunst mit Abstand zu genießen, Gärten und Grundstücke nicht zu betreten.

Dorfbewohner helfen beim Aufbau und Ausrichten der Skulpturen mit.

Als es vor 25 Jahren anfing, waren die Dorfbewohner sehr skeptisch und kritisch, „es hat gedauert, bis das Vertrauen da war“, erinnert sich die Vereinsvorsitzende. Mittlerweile herrsche ein großer Zusammenhalt, das Dorf identifiziere sich mit der Landschaftsgalerie und helfe mit, zum Beispiel beim Aufbau und Ausrichten der Objekte. Und auch unter den Künstlern sei ein unglaublich gutes Netzwerk entstanden. Somit seien sowohl die Künstler als auch die Dorfbewohner traurig, dass das Ganze nun ende, „aber es fühlt sich richtig an so und es bedeutet ja nicht, dass nicht etwas anderes folgt. Denn der Ideenreichtum der Künstler endet noch lange nicht.“

Der „Muschelläufer“ von Martin Wolke erfährt als Version 2.0 ein neues Dasein in Bissee, nachdem er an anderer Stelle im Land nicht sehr beliebt war.  

Bevor der letzte Vorhang für die Skulpturenaufführung fällt, haben Besucher bis zum 15. Oktober Zeit, bei der Sommerausstellung mitzutanzen. Dazu findet sich auf der Internetseite skulptur-in-bissee.de ein Lageplan zum Herunterladen. An den Objekten selbst befinden sich Schilder mit QR-Codes, die jeweils eine Audiodatei mit einer Beschreibung des Kunstwerks und des Künstlers enthalten. Größtenteils sprechen die Künstler selbst zu den Besuchern. 

Am Ortseingang von Bissee erwartet die Besucher „Ein Metamorph“ von Ulf Reisener und Ingo Warnke
Fotos: Iris Jaeger
Tina Schwichtenberg inmitten ihrer Bronzefiguren „Frauen de Formation“
Kurt Lange zeigt seine Elefanten beim letzten Walzer auf dünnem Eis
Gisela Meyer-Hahn und ihre „Windhalme“
„Rad“ und „Zwerg“ von Ingo Warnke 
„Planet Babylon“ von Jo Kley 
„Balance 1“, Jan Koblasa
Dorfidylle in Bissee
Skulptur von Arne Prohn