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Das sonst eher beschauliche Nordseebad Büsum im Kreis Dithmarschen verwandelte sich in der vergangenen Woche für drei Tage in den gut gesicherten Austragungsort der Agrarministerkonferenz und zugleich in einen Schauplatz kleiner und großer, leiser und lauter Proteste an Land und auf dem Wasser. Neben dem Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bauernverband hatten auch Land schafft Verbindung und weitere Verbände und Vereinigungen zu Demonstrationen und Kundgebungen aufgerufen. Ein besonderes Augenmerk lag auf den Krabbenfischern, die ihre Existenz aufgrund eines von der EU geplanten Verbotes von Grundschleppnetzen gefährdet sehen. Der zum Teil lautstarke und bildgewaltige Protest erreichte durch eine bundesweite Berichterstattung in den Medien hohe Aufmerksamkeit.
Eindrücke der Demonstrationen und Kundgebungen in Büsum finden Sie in unserer nachfolgenden Bildergalerie:
Strohschwein „Strohi“ des BVSH mahnt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), den Umbau der Tierhaltung voranzubringen. Foto: rqMehrere Hundert Teilnehmer kamen zur Kundgebung des BVSH an die Büsumer Hafenterrassen. Foto: jhDie Gänsefraßproblematik an der Westküste und die Bedrohung der Weidetierhaltung durch den Wolf waren ebenfalls Themen der Kundgebung. Foto: rqDer Protest vor Ort zeigte sich in kleinen und großen … (Foto: jh)… Aktionen – manche davon still, andere laut und bildgewaltig. Foto: jhAm Museumshafen versammelten sich die Teilnehmer zur Kundgebung von Land schafft Verbindung. Foto: Steinburger AgraractionSchlepper bis zum Horizont: Bereits am Mittwoch kamen Landwirte in langen Treckerkorsos nach Büsum. Foto: Steinburger AgraractionDer Bundesverband Deutscher Milchviehhalter machte im Watt auf die Situation der Branche aufmerksam. Foto: jhGemeinsame Protestausfahrt: Fischer aus zahlreichen Nordseehäfen kamen zur Demonstration nach Büsum. Foto: Ulrike BaerDer Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft machte auf die Notwendigkeit eines fairen Wettbewerbs aufmerksam. Foto: Ulrike BaerLandwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) im Interview Foto: jhAm Helgolandkai sammelten sich die Demonstrationsteilnehmer mit Traktoren, Lkw, Wohnmobilen und Privatwagen. Foto: Steinburger AgraractionKlaus-Jürgen Ick und Wiebke Heimann fordern für den Erhalt der Weidehaltung ein besseres Wolfsmanagement. Foto: rqUnzählige Polizisten sicherten den Tagungsort an Land und auf dem Wasser. Foto: jhDiese Infotafel am Hafen zeigte eine eindeutige Nachricht. Foto: Ulrike BaerLandwirte vor allem aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen versammelten sich vorige Woche in Büsum. Foto: Ulrike BaerManches Transparent war in seiner Botschaft überdeutlich, die Wortwahl wenig zimperlich. Foto: Ulrike Baer
Der Informationsbedarf ist groß bei den Sauenhaltern, das zeigte die mit 80 Zuhörern gut besuchte Mitgliederversammlung des Netzwerks Sauenhaltung Schleswig-Holstein am Freitag, 23. März, in Rendsburg. Neben der aktuellen politischen Lage wurde das Verhältnis der Branche zum Lebensmittelhandel angesprochen.
Die Ferkelpreise sind gestiegen, 83 € pro Ferkel gibt der Markt aktuell her, so viel wie noch nie, seit es darüber Aufzeichnungen gibt. Der Grund dafür ist eher unerfreulich. „Die Ferkel werden knapp. Wir haben 21 Mitglieder seit Gründung verloren: Betriebe, die aufgeben mussten“, sagte Dagmar Klingelhöller, Sprecherin und eine der drei Vorsitzenden des Netzwerkes Sauenhaltung Schleswig-Holstein. „Aktuell verdienen die Sauenhalter Geld und das ist gut so. Wir richten den Blick in die Zukunft“, so die Netzwerksprecherin.
Der Handel schießt quer
Auf dem Programm die Mitgliederversammlung standen der Rechenschaftsbericht und die Regularien. Die größten Sorgen machen nicht nur den Sauenhaltern, sondern den Schweinehaltern insgesamt die nach wie vor niedrigen Preise, die die großen Lebensmittelhandelsketten aufrufen und an die Erzeuger durchreichen. Hier zu Veränderungen zu kommen, ist mühsam. Ein hohes Maß an ehrenamtlicher Lobbyarbeit führt am Schluss oft nur zu minimalen Verbesserungen, etwa in der Zentralen Koordination Handel-Landwirtschaft (ZKHL), deren Vorstandsmitglied Klingelhöller ist. Zufrieden ist sie mit den Ergebnissen nicht. „Im geplanten neuen Lebensmittelkodex sind Selbstverständlichkeiten aufgelistet.“ Branchenvereinbarungen für eine freiwillige Selbstverpflichtung „Herkunft Deutschland“, auch für Schweinefleisch, stünden kurz vor dem Abschluss, so Klingelhöller. Trotz Kritik an der aktuellen Agrarpolitik gibt es auch kleine Hoffnungen. „Ich freue mich fast, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium die verpflichtende Kennzeichnung für Mono-Produkte plant. Dem kann sich der Handel dann nicht mehr entziehen.“
Klingelhöller berichtete über Fachgespräche mit Agrarpolitikern der Landtagsfraktionen und zeigte sich enttäuscht über deren teilweise fehlendes Praxiswissen. Bei Presseterminen mit überregionalen Medien habe es positive Erfahrungen gegeben. Klingelhöller appellierte an die Mitglieder des Netzwerkes: „Öffnet eure Ställe.“ Das sei die beste Möglichkeit, um Vorurteilen gegen Massentierhaltung zu begegnen.
Inflation bringt Profit
„Brauchen wir in Deutschland noch eine landwirtschaftliche Tierhaltung?“ Dieser Frage ging Unternehmensberater Klaus Martin Fischer, Partner bei Ebner Stolz, Frankfurt, nach. Er begab sich mit den Zuhörern auf eine Zeitreise durch die letzten 100 Jahre. „Ich bin Jahrgang 1968. Es ging immer nur bergauf. Wir haben eine stabile Demokratie, aber jetzt Inflation. Es reihen sich Krisen an Krisen. Der Ukraine-Krieg ist noch nicht ganz in der Wirtschaft angekommen, da zeichnet sich ein Handelskonflikt mit China ab.“
Was die gegenwärtige Inflation bei den Lebensmitteln betrifft, so stellte Fischer eine eindeutige Diagnose: „Warum sind die Produkte immer teurer geworden? Wer verdient daran? Wenn wir über Inflation reden, reden wir eigentlich über mehr Profit des Handels.“ Erzeuger, Schlachter und Verarbeiter hätten daran nicht verdient.
Fischer wies auf die Krise der deutschen Fleischwirtschaft hin. „Weltweit steigt die Nachfrage nach Fleisch, in Deutschland ist die Tendenz gegenläufig. In Deutschland sind die Schlachtkapazitäten nicht ausgelastet. Die Ferkelproduktion sinkt, die Anzahl der Betriebe schrumpft. Die deutsche Fleischwirtschaft ist international abgemeldet. Schweinefleisch hat ein Imageproblem. Das Image von Hähnchenfleisch steigt nach oben.“ Als einen Grund machte er ein stärkeres Gesundheitsbewusstsein aus. Außerdem werde mehr außerhalb des Hauses gegessen und „die Speisekarte der Jungen hat sich verändert. Geflügel wird als das bessere Fleisch angesehen. Das Imageproblem ist fundamental und verschiebt die Essgewohnheiten. Alte weiße Männer und Frauen essen noch Steak, junge Leute eher vegetarisch.“ Es sei deshalb falsch, sich an der Politik abzuarbeiten. So könnten etwa die Grünen einfach abwarten, getreu den Mottos „Das Problem mit dem Fleisch löst sich von ganz allein“ und „Die eigentliche Macht liegt beim Handel“.
Die Frage, warum Schweinehalter stärker in der Kritik stünden als Geflügelhalter, stellte Dr. Willi Kremer-Schillings alias Bauer Willi. „Geflügelfleisch hat ein besseres Image. Rindfleisch wird eher als Abfallprodukt der Milchherstellung angesehen. Schweine werden mit Massentierhaltung in riesigen Ställen verbunden.“ Große Schlachtbetriebe hätten ein schlechtes Image. Es gebe keine sichtbare Lobby für Schweinefleisch. Es gelte als altmodisch und fantasielos. Auch der Zusammenhalt zwischen den Landwirten sei nicht besonders groß. „Wenn die Ferkel zu teuer sind, gehe ich woanders hin.“ Fortschritte seien zwar da, aber sie seien zu wenig bekannt. „Wir müssen dahin, wo es wehtut, es den Leuten erzählen, die keine Ahnung haben.“ Seit Jahren gebe es keine Werbung für Fleisch. Es fehle die Bereitschaft, sich zu engagieren. Für eine entsprechende Kampagne müsse man 50 Mio. € in die Hand nehmen.
Angriff auf Politik wagen
Er empfahl einen Frontalangriff auf die Politik. „Wir haben nichts mehr zu verlieren.“ Es brauche persönliche und Branchenziele sowie neue Preis- und Abrechnungsmodelle. Schweinehalter müssten herauskommen aus dem Modus: „Wir nehmen, was uns der Schlachter zahlen will.“ Eine „unbequeme Wahrheit“ gab er den Zuhörern mit auf den Weg: „Der Verbraucher ist nicht bereit, mehr zu bezahlen, wenn es optisch keinen Unterschied macht. Wenn eine höhere Haltungsform einen höheren Preis rechtfertigen soll, muss ich eine Geschichte erzählen.“
Schließlich brachte er einen Ausstieg aus der Tierhaltung ins Gespräch. Ein Ausstieg aus der Tierhaltung sei kein Versagen, sondern könne eine gute Lösung sein. Das müsse auch von den Verbänden so kommuniziert werden.
Auf dem DBV-Ackerbauforum am 23. März kritisierten Pflanzenzüchter die Orientierung des Handels am Proteingehalt von Weizen. Wissenschaftler machten auf die Baustelle Datenkompetenz aufmerksam und eröffneten Perspektiven für einen lukrativen Körnermaisanbau im Norden.
Deutliche Kritik am Festhalten des Handels und der Bäckereien am Proteingehalt bei der Auswahl des Weizens hat Dr. Stefan Streng von der Saatzucht Streng-Engelen GmbH & Co. KG geübt. Auf dem DBV-Ackerbaufourm in südbadischen Lahr-Kippenheimweiler sagte er, dass der Proteingehalt längst nicht mehr das wertbestimmende Merkmal für die Eingruppierung im Qualitätssegment sei. Zwar gebe es bei Neuzulassungen im A-Segment einen Ertragssprung, der Handel bezahle jedoch nach dem Proteingehalt des Winterweizens. Der ertragsstärkere A-Weizen schaffe aber aufgrund der Limitierung der Stickstoffdüngung den gewünschten Proteingehalt nicht. Dabei wäre seine Backqualität für den Bäcker ausreichend. „Hier wird Züchtungspotenzial verschenkt“, beklagte Streng. Einen ersten Schritt habe das Bundessortenamt (BSA) getan, indem der Rohproteingehalt nicht mehr entscheidend für die Qualitätseinstufung sei. Jetzt müssen laut dem Pflanzenzüchter die Abnehmer nachziehen. Streng berichtete, dass die Pflanzenzuchtunternehmen nun nach und nach neue Weizensorten auf den Markt brächten. Aus diesem Grund sei ein rechtssicheres System notwendig. „A-Weizen mit zwölf Prozent Proteingehalt bringt die Qualität“, so Streng.
Patente sind keine Lösung für Pflanzenzüchter
Nach seinen Worten beschäftigen die neuen Methoden der Pflanzenzüchtung die Branche sehr. Zugleich stehe diese angesichts der Transformation der Landwirtschaft vor sehr großen Herausforderungen. „Neue Züchtungsmethoden helfen für punktuelle Verbesserungen der Pflanzen. CrispR/Cas allein macht uns aber nicht glücklich“, sagte Streng. Die klassische Züchtung sei ebenso notwendig, wiewohl es dann sehr viel länger dauere, bis neue Sorten zur Verfügung stünden. Mit Blick auf den Sortenschutz und die neuen Züchtungsmethoden sprach sich Streng klar gegen ein Patent auf die Eigenschaften der Pflanzen aus. Die mit den neuen Methoden gezüchteten Sorten dürften nicht über das Patentrecht reguliert werden. Dies würde dem bisherigen Open-Source-Gedanken des Sortenschutzrechts widersprechen. Mittel- und langfristig würde es die züchterische Freiheit stark einschränken und hätte damit negative Folgen für die Vielfalt in der Pflanzenzüchtung. „Wir brauchen einen neuen Weg, der uns möglichst viel Freiheit gibt“, unterstrich der Pflanzenzüchter. Es werde eine Lösung für die Branche gebraucht. Da müsse auch der Bauernverband seinen Weg finden. Die Politik, insbesondere die Grünen, ermahnte Streng, dass Deutschland hier innerhalb der EU keinen Alleingang machen dürfe.
Nachholbedarf bei digitalen Systemen
Fortschritte bei der Entwicklung digitaler Systeme für die Landwirtschaft stellte Prof. Arno Ruckelshausen von der Hochschule Osnabrück vor. Der Wissenschaftler, der schwerpunktmäßig im Bereich innovativer Technologien in der Landwirtschaft forscht, forderte, die Systeme sollten in engerer Zusammenarbeit mit dem Berufsstand entwickelt werden. Zudem hält der Physiker eine massive Förderung digitaler Systeme für erforderlich. Eine große Baustelle sieht Ruckelshausen in der Datenkompetenz gerade junger Menschen. Diese könnten zwar mit dem Smartphone umgehen und Dateien verschicken, die Daten an sich aber nicht einordnen. Der Hochschullehrer sprach in dem Zusammenhang von einem „Bildungs-GAU“ und plädierte dafür, diese Thematik stärker in die Lehrinhalte zu integrieren.
Körnermaisanbau wird in den Norden wandern
Über die Ausdehnung des Körnermaisanbaus Richtung Norden sprach Dr. Hubert Sprich von der Cornexo GmbH. Er sieht Chancen für den Körnermaisanbau in Zukunft auch weiter im Norden und in höher gelegenen Regionen. Höhere Temperaturen durch den Klimawandel sowie die Entwicklung neuer Sorten machten das möglich. Sprich zufolge dürfte ein regional angebauter Körnermais aufgrund der zu erwartenden steigenden Transportkosten an Wirtschaftlichkeit gegenüber Importmais gewinnen. Er geht davon aus, dass die Nachfrage nach Mais in der Lebensmittelverarbeitung steigt, das mache einen höheren Erzeugerpreis möglich. Gleichzeitig stiegen die Qualitätsanforderungen hinsichtlich Glutenfreiheit und Mykotoxingehalt, gab Sprich zu bedenken. Einen Vorteil sieht der Experte in der Auflockerung der Halmgetreidefruchtfolge. Zudem würden Unkrautprobleme, etwa mit Ackerfuchsschwanz, verringert und Arbeitsspitzen gesenkt. Deutschlandweit liege der Körnermaisanteil bei 18,5 % und der von Silomais bei 81,5 %, so Sprich. age
Nach niederschlagsreichen Monaten zu Beginn des Jahres sind mit den abtrocknenden und sich erwärmenden Flächen die Aussaat und die Düngung von Mais zu planen. Vor dem Aufbringen von Düngemitteln mit wesentlichen Gehalten an Stickstoff und Phosphor ist stets eine Düngebedarfsermittlung (DBE) nach den Vorgaben der Düngeverordnung (DÜV) zu erstellen.
Für die Höhe des N-Düngebedarfs ist der Durchschnittsertrag der vergangenen fünf Jahre auf den betriebseigenen Flächen maßgeblich. Dieser wird mit dem Basisertrag für Silomais aus der DÜV abgeglichen und je nach Ertragsdifferenz durch Zu- oder Abschläge für den Düngebedarf ergänzt. Je 50 dt FM/ha Ertragsdifferenz zu dem Basisertrag sind maximale Zuschläge von 10 kg N/ha beziehungsweise mindestens Abschläge von 15 kg N/ha anzusetzen.
In dem Beispiel in Tabelle 1 ist die DBE für eine nach Angaben des Deutschen Maiskomitees für Schleswig-Holstein typische Ertragsannahme von 430 dt/ha aufgeführt. Von diesem ermittelten betriebsspezifischen Bedarfswert auf Basis des Ertrags sind in der N-DBE der Nmin-Wert (0 bis 90 cm), die anzurechnenden 10 % des Gesamt-N aus der organischen Düngung zu den Vorkulturen des Vorjahres sowie die Nachlieferung über den Humusgehalt des Bodens und die Abschläge für Vor- beziehungsweise Zwischenfrüchte abzuziehen, um den N-Düngebedarf der jeweiligen Fläche zu erhalten. Der errechnete Düngebedarf von 136 kg N/ha im Beispiel kann über mineralische oder organische Düngemittel gegeben werden und darf grundsätzlich nicht überschritten werden.
Besonderheiten in der N-Kulisse
Für Flächen, die innerhalb der N-Kulisse liegen, gelten ergänzend zu dem vorher erläuterten Vorgehen der DBE folgende Besonderheiten: Als Basisertrag wird für diese Flächen nicht das Mittel der vergangenen fünf Ertragsjahre herangezogen, sondern das fixe Ertragsmittel, welches sich aus den Jahren 2015 bis 2019 ergeben hat. Zudem wird der ermittelte N-Düngebedarf für Flächen in der N-Kulisse um 20 % reduziert.
In dem Beispiel in Tabelle 1 ergeben sich dementsprechend 109 kg N/ha. Sofern der reduzierte N-Gesamtdüngebedarf für die Flächen in der N-Kulisse und auch der schlagspezifisch ermittelte Bedarf ohne 20-%-Reduktion nicht überschritten wird, können N-Mengen zwischen Kulturarten und Flächen verschoben werden, um eine N-bedürftigere Kultur höher zu versorgen. Des Weiteren ist die 170-kg-N-Obergrenze innerhalb der N-Kulisse schlagspezifisch einzuhalten. Dies ist insbesondere in Fruchtfolgekombinationen wie Ein-Schnitt-Ackergrassystemen mit nachfolgendem Silomais zu bedenken oder bei kombinierter Festmist- und Gülledüngung zu Silomaisflächen.
Bei Aufbringung von Wirtschaftsdünger auf unbestelltem Ackerland gilt eine verkürzte Einarbeitungsfrist von einer Stunde. Wirtschaftsdünger müssen zudem jährlich auf die Gehalte von N und P analysiert werden (außer Festmist von Huf- oder Klauentieren). Auch muss zwingend eine Zwischenfrucht im vorangegangenen Herbst eingesät worden sein, wenn eine Sommerung wie beispielsweise Mais gedüngt werden soll. Eine Ausnahme besteht hier, wenn die Vorkultur mit der Ernte erst nach dem 1. Oktober das Feld räumt.
Zwischenfrüchte vor Silomais sorgen für eine optimale Bodendurchwurzelung mit hoher bodenmikrobieller Aktivität und geben wertvolle Nährstoffe wie N, K und Mg über die Vegetation frei, die so vor der Auswaschung über den Winter geschützt wurden.
Den Düngebedarf für Phosphat ermitteln
Insbesondere in der Jugendphase hat Mais einen hohen Bedarf an Phosphat. Je nach Durchschnittsertrag und Gehaltsklasse des Bodens variieren der Bedarf und auch die Vorgaben nach DÜV. Ab einer P-Bodenversorgung von 25 mg P2O5/100 g Boden (ermittelt nach DL-Methode) darf laut DÜV lediglich die in der DBE errechnete P-Abfuhr (siehe Tabelle 2) gedüngt werden. Möglich ist eine höhere Düngegabe ausschließlich über eine Fruchtfolgedüngung, bei der dann in den folgenden zwei Anbaujahren die P-Gaben entsprechend reduziert werden müssen. Besonders bei der Kombination von mineralischer Unterfußdüngung (UFD) und der Düngung über Gülle oder Gärsubstrat müssen die Bedarfswerte im Blick behalten werden.
Soll der N-Düngebedarf in dem gewählten Beispiel über 45 m³ Gärsubstrat (4 kg Gesamt-N, 2,3 kg NH4-N, 1,4 kg P2O5, 3,7 kg K2O, 0,6 kg MgO) und über 1 dt/ha NP 20+20 gedeckt werden, dann wird der P-Bedarf des Beispiels, gemessen an der Empfehlung der Landwirtschaftskammer, in Höhe von 58 kg P2O5/ha bereits um 25 kg überschritten. Nach DÜV ist die P-Düngung in Höhe der errechneten Abfuhr von 74 kg P2O5/ha möglich. Dementsprechend sind in den Folgejahren auf dieser Fläche nach DÜV die P-Gaben um diese Menge zu reduzieren oder ein anderer N-haltiger Dünger ohne Phosphat zu wählen.
Da Mais sich in der Jugendphase jedoch vergleichsweise schlecht Phosphat aneignen kann, sollte dieser Nährstoff in einer wasserlöslichen Form möglichst wurzelnah platziert werden. Neben der klassischen P-UFD erweist sich in Versuchen der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein auch der Einsatz von Mikrogranulaten als Bandapplikation in der Saatreihe als vorteilhaft, um P-Überschüsse durch eine reduzierte Nährstoffapplikation zu vermeiden. Auch eine UFD von flüssigen organischen Wirtschaftsdüngern hat sich in jahrelangen Feldversuchen als eine weitere Möglichkeit der Nährstoffversorgung gezeigt, denn die mit Nitrifikationshemmern versetzten Güllen oder Gärsubstrate können in dem Depotdüngungsverfahren den Nährstoffbedarf des Silomaises in vollem Umfang und ohne zusätzliche mineralische N-/P-UFD ohne Ertragsverluste decken.
Langjährig organisch gedüngte Böden
Langjährig organisch gedüngte Böden, wie sie auf typischen Maisstandorten häufig vorkommen, können je nach Standortbedingungen, Vor- und Zwischenfrüchten und Höhe der Wirtschaftsdüngergaben deutlich mehr N nachliefern, als über die DBE nach DÜV ermittelt wird. Mit der Bodenbearbeitung im Frühjahr und aufgrund der spät einsetzenden Beschattung durch die Maispflanzen sind die Mineralisationsbedingungen in der Regel auf diesen Flächen besonders günstig.
Zudem kann der Silomais über die lange Standzeit wie kaum eine andere Kulturart diese verfügbar werdenden Nährstoffmengen aufnehmen. Eine Anpassung im Düngebedarf ist daher durchaus empfehlenswert. Ein Großteil des Nährstoffbedarfs sollte vorrangig über den meist ohnehin vorhandenen Wirtschaftsdünger gedeckt werden. Aufgrund der nach DÜV geforderten Anrechnung der Mindestwirksamkeit, bezogen auf den Gesamtstickstoffgehalt im Jahr des Aufbringens von 60 % für Rindergülle und Gärsubstrate beziehungsweise 70 % für Schweinegülle, ist es zwingend notwendig, die enthaltenen Nährstoffe nicht über Ammoniakverluste aus dem System entweichen zu lassen. Eine große Bedeutung hat hier die unmittelbare Einarbeitung der breit verteilten Güllemengen (außerhalb der N-Kulisse innerhalb von vier Stunden, innerhalb der N-Kulisse innerhalb von einer Stunde). Insbesondere bei warmen und trockenen Witterungsbedingungen können durch die zeitnahe Einarbeitung die gasförmigen Ammoniakverluste reduziert werden. Um die Höhe der aufgebrachten Nährstoffmengen richtig einschätzen zu können, empfiehlt sich immer eine Wirtschaftsdüngeranalyse.
Grundnährstoffe und pH-Wert beachten
Neben den Nährstoffen N und P ist für hohe Erträge auch eine bedarfsgerechte Versorgung mit weiteren Nährstoffen zu beachten. Besonders auf leichten, trockenheitsgefährdeten Standorten ist eine Kaliumversorgung der Silomaisbestände von erheblicher Bedeutung, kann aber gut beziehungsweise anteilig über Gülle und Gärsubstrat abgedeckt werden. Über die Gärsubstratgabe von 45 m³ aus dem Beispiel oben wurden etwa 166 kg K2O gedüngt. Dies würde bei einer optimalen K-Bodenversorgung den Bedarf des Silomaises nicht vollständig decken. Der noch offene Kaliumbedarf könnte ergänzend über 1,75 dt/ha Korn-Kali gedeckt werden, wie auch der Schwefelbedarf.
Nicht zu vergessen ist der pH-Wert, welcher Nährstoffe in ihrer Verfügbarkeit beeinflusst und auf den Silomais besonders empfindlich reagiert. Über Kalkgaben lässt sich der pH-Wert in den optimalen Bereich bringen. Dies bietet bei der Wahl des entsprechenden Kalkes gleich die Möglichkeit, den Magnesiumbedarf zu berücksichtigen.
Fazit
Vor dem Aufbringen von Düngemitteln mit wesentlichen Nährstoffgehalten ist immer eine Düngebedarfsermittlung zu erstellen. Der Nährstoffbedarf von Silomais bezüglich N und P, aber auch an Grundnährstoffen lässt sich oftmals über die vorhandenen Wirtschaftsdünger decken. Aktuelle Versuchsergebnisse im Sinne des Gewässerschutzes finden sich im Bauernblatt 13/23 auf den Seiten 41 bis 44.
Düngeplanungsprogramm und Endo-SH
Über das Düngeplanungsprogramm der Landwirtschaftskammer https://t1p.de/wwps2 können unter anderem die rechtskonforme Düngebedarfsermittlung und die detaillierte Düngeplanung flächenspezifisch erstellt werden. Zudem können Landwirte über die Schnittstelle ihre meldepflichtigen Daten für das Düngejahr 2022 in Endo-SH importieren.
Im Rahmen der DLG-Wintertagung in Hannover präsentierte der Forstbereich der Deutschen Land- wirtschafts-Gesellschaft das Impulsforum „Zukunft Brennholz?“ mit dem Thema „Nachhaltigkeit in Krisen- zeiten: Neu bewerten – aufgeben – weiterführen?“. Etwa 80 forstfachlich interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer reisten an, um sich mit den drei Referenten aus Wissenschaft, Politik und Praxis auszutauschen.
Das Impulsforum „Zukunft Brennholz?“ moderierte Dr. Gerrit Friedrich Bub, Abteilungsleiter Forsten bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein und Vorsitzender des DLG-Forstausschusses. „Die Herausforderungen und Veränderungen am Energie- und somit auch am Brennholzmarkt bewegen die Menschen“, erläuterte er. „Im vergangenen Jahr kam es zu Hamsterkäufen, in die Höhe schnellenden Preisen und knapper werdenden Verfügbarkeiten verschiedener Produkte. Wie in jedem Sektor bestimmt auch beim Energie- und Brennholz die Nachfrage das Angebot. Gleichwohl sind wir den natürlichen Verfügbarkeiten unterworfen.“
Ökosystemleistungen im Fokus
Der erste Referent, Herrmann Luttmann, arbeitet im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Referat für nachhaltige Waldbewirtschaftung und Holzmarkt und referierte über die politischen Rahmenbedingungen der energetischen Holzverwendung. Er sieht klar die zahlreichen Ökosystemleistungen der Wälder für die Gesellschaft im Fokus, welche am besten mit dem Konzept einer multifunktionalen Waldbewirtschaftung erreicht werden könnten. Insbesondere in Bezug auf das nur begrenzt erweiterbare Rohstoffaufkommen müsse es das gemeinsame Ziel der Forst- und Holzwirtschaft sein, Holz möglichst effizient und effektiv im Sinne der Kaskadennutzung zu verwerten.
Grenzen der Brennholznutzung
Ihm folgte Dr. Herbert Borchert, Abteilungsleiter für Forsttechnik, Betriebswirtschaft und Holz an der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft, mit einer wissenschaftlichen Einschätzung zum Potenzial und den Grenzen der Brennholznutzung. Konträr zur gängigen Meinung formulierte er ein begrenztes Kohlenstoffspeichervermögen der Wälder und führte an, dass dieses häufig überschätzt werde. Jedoch drohe bei eingestellter Bewirtschaftung oftmals ein rascher natürlicher Zerfall. Der Wald werde zur Quelle von zusätzlichen Treibhausgasen und der notwendige Waldumbau hin zu klimaangepassten Wäldern werde erschwert. Auch gebe es in manchen Regionen Deutschlands noch zusätzliche Nutzungspotenziale für Energieholz. Die Perspektiven für einen weiteren Ausbau seien allerdings aufgrund der derzeitigen politischen Entwicklungen schlecht. Nichtsdestotrotz, so führte Borchert an, sei der Zyklus des Kohlenstoffumsatzes in den Wäldern mit etwa 27 Jahren viel schneller, als es gemeinhin angenommen werde.
Folge der CO2-Abgabe auf Brennholz
Abschließend stellte Alexander Brendecke, landwirtschaftlicher Sachverständiger und Eigentümer des Rittergutes Alvesse mit angeschlossenem Brennholzhandel, seinen Betrieb sowie die Auswirkungen der in Politik und Wissenschaft aufgestellten Grundlagen für seinen Brennholzhandel vor. Er als Unternehmer sieht jede bereits diskutierte CO2-Abgabe auf Brennholz kritisch, da er diese in Form einer Preiserhöhung an die Endkunden weitergeben müsse. Brennholzkunden seien sehr preissensitiv, schätzten jedoch den hohen Servicegedanken seines Betriebes. Hier sieht Brendecke die Händler als Bindeglied zwischen Wald und Öffentlichkeit, welche den Menschen „Natur zum Anfassen“ ins heimische Wohnzimmer brächten. Neueinsteigern in den Brennholzhandel empfiehlt er, im Vorfeld auf solider Basis die Kosten und möglichen Erlöse zu kalkulieren.
Abschließend resümierte Bub: „Brennholz hat Zukunft, wenn die politischen Weichen richtig gestellt werden. Diese Zukunft liegt im Wirtschaftswald mit regional zusätzlichen Nutzungspotenzialen. Wir möchten der hohen Nachfrage der Gesellschaft nach Brennholz weiterhin nachkommen. Ob wir unser Brennholz weiterhin zum Wohle der Gesellschaft einsetzen können, hängt jedoch von politischem Willen ab.“
Fazit
Die DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) lädt seit 130 Jahren am Jahresanfang zur Wintertagung ein. Auch dieses Jahr reisten Ende Februar über 900 Besucher nach Hannover, um in 16 Impulsforen und zahlreichen weiteren Events miteinander zu diskutieren.
Das diesjährige Thema „Nachhaltigkeit in Krisenzeiten: Neu bewerten – aufgeben – weiterführen?“ fasste die enormen Herausforderungen, vor denen Land- und Forstwirtschaft stehen, zusammen und machte den Einfluss der politischen und gesellschaftlichen Ausnahmesituationen deutlich.
Die nächste DLG-Wintertagung findet am 20. und 21. Februar 2024 in Leipzig statt.
Unter TOP 23 ging es in der Plenarsitzung des Kieler Landtags am Donnerstag, 23. März, um das Vorkaufsrecht der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und einen Runden Tisch.
Wieviel Hektar Land befinden sich aktuell im Besitz der Stiftung Naturschutz? Diese kleine Anfrage nutze Oliver Kumbartzky, umweltpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion und parlamentarischer Geschäftsführer der FDP, als Einstieg in das Thema Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein und ihr Verhältnis zur Landwirtschaft. Im Eigentum der Stiftung befinden sich 34.405 ha Fläche, zuzüglich 2.985 ha Pachtland. Von 2016 bis 2022 hat die Stiftung 301,7 ha mithilfe des Vorkaufsrechts nach § 50 des Landesnaturschutzgesetzes erworben.
Die FDP in Schleswig-Holstein kritisiert das Vorverkaufsrecht der Stiftung zum Erwerb von Landflächen. „Die Stiftung Naturschutz greift sich von Jahr zu Jahr mehr Flächen über das Vorkaufsrecht“, sagte Kumbartzky zuvor der Deutschen Presse-Agentur. Das stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Vertragsfreiheit dar, so der FDP-Agrarpolitiker am vorigen Donnerstag im Plenum des Kieler Landtags.
Vorkaufsrecht greift in Selbstbestimmung ein
Landwirten werde durch das Land ordnungsrechtlich das eigene ökologische Bewusstsein und die Verantwortung abgesprochen, so Kumbartzky. Er erinnerte an die Koalitionsverhandlungen von 2017 und dass die Jamaika-Koalition sich damals als Kompromiss darauf verständigt habe, das frisch eingeführte Vorkaufsrecht erst mal nicht anzufassen, solange 100 ha im Jahr nicht überschritten würden. Jetzt, sechs Jahre später, habe sich die Situation aber verschärft. Nicht nur das Vorkaufsrecht werde mehr und mehr ausgeübt, auch habe die Stiftung Naturschutz pro Jahr rund 500 bis 700 ha Land auf dem freien Markt gekauft, so Kumbartzky. Mit der Schaffung immer neuer Naturschutzflächen erhöhe sich nämlich der Flächenanteil, für den das Vorkaufsrecht gelte.
Die Stiftung ist für den FDP-Politiker aber nicht der Sündenbock. Die politische Verantwortung trage der Umweltminister. Die Abschaffung des Vorkaufsrechts alleine sei nicht die Lösung des Problems. Deswegen habe man einen Runden Tisch zum Thema Flächentausch vorgeschlagen. Positiv hob Kumbartzky hervor, dass Medienberichten zufolge, Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) Bauern und Naturschützer an einen Tisch bringen wolle, um die Probleme Vorkaufsrecht und Flächenverbrauch zu diskutieren.
Flächenkonkurrenz und Ziele nicht ausspielen
Rixa Kleinschmit, die landwirtschaftspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, führte aus, dass es sehr unterschiedliche Gründe dafür gebe, dass täglich landwirtschaftliche Fläche aus der Produktion genommen werde – seien es neue Wohnbebauungen, neue Gewerbegebiete, Flächen für Erneuerbare Energien, für Infrastruktur oder auch für Ausgleich und Naturschutz. „Um diese Flächenkonkurrenz geht es im eigentlichen Sinne“, so Kleinschmit. Sie stimmte Kumbartzky soweit zu, dass Flächen zur Lebensmittelversorgung und Ernährungssicherheit gebraucht würden. Denn Schleswig-Holstein sei eine Gunstregion für Landwirtschaft.
„Für die zukünftigen Herausforderungen der Flächenkonkurrenz ist es notwendig, dass der Naturschutz als Partner auf Augenhöhe angesehen wird. Daher müssen Kritiken ernst genommen und thematisiert werden“, so Kleinschmit. Die stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion appellierte daran, die Konkurrenz um die vorhandene Fläche nicht gegeneinander auszuspielen und die Fronten zu verhärten. Sie begrüße das geplante gemeinsame Gespräch der beiden betroffenen Ministerien mit der Stiftung Naturschutz und den Landwirtinnen und Landwirten. Dem Antrag der FDP erteile die CDU keine Zustimmung.
Für die Grünen steht das Vorkaufsrecht nicht zur Disposition, stellte die umweltpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, Silke Backsen, klar. Es sei ein wichtiges Instrument, um die in der Biodiversitätsstrategie gesetzten Ziele zu erreichen. „Das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht wurde von einer schwarz-gelben Regierung hier im Land vorrübergehend außer Kraft gesetzt, aber durch die Küsten-Koalition 2016 wieder eingeführt“, so Backsen. Es sei ein wichtiges Instrument, das nur fein dosiert zur Anwendung komme und dürfe nur ausgeübt werden, wenn es aus Gründen des Naturschutzes und der Landschaftspflege erforderlich sei und dann nur in einer klar definierten Kulisse. Das Land Schleswig-Holstein dürfe dieses Recht ausüben zu Gunsten von Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts und anerkannten Naturschutzvereinigungen. Darunter seien zum Beispiel auch Wasser- und Bodenverbände sowie Kommunen. Dass viele dieser Flächen bei der Stiftung Naturschutz landen, liege in der „Natur“ der Sache – nämlich dem Stiftungszweck der Stiftung Naturschutz, so die Grünen-Sprecherin.
SPD erwartet Bekenntnis zum Vorkaufsrecht
Die SPD beruft sich auf die Auswirkungen des Klimawandels und dass es jetzt darum gehe, Moore zu vernässen und Feuchtgebiete und Wälder zu erhalten und zu vergrößern. Die Landwirtschaft stehe vor ihrer größten Transformation. „Dem müssen wir begegnen, indem wir Landwirtschaft und Naturschutz zusammen denken“, so Sandra Redmann, die umwelt- und agrarpolitische SPD-Sprecherin. Auch sie hob den steigenden Druck auf die Fläche hervor – durch Wohnungsbau, Industrie, Straßenbau, Energie, Landwirtschaft sowie Natur- und Artenschutz. Sie teilte auch aus, dass die FDP während ihrer Regierungsbeteiligung nicht in der Lage gewesen sei, das Vorkaufsrecht der Stiftung abzuschaffen. Mit Blick auf die CDU sagte sie, es reiche nicht, dass deren Landwirtschaftsminister Schwarz sage, er akzeptiere die Kulisse des Vorkaufsrechts, aber mehr nicht. „Wir erwarten von der gesamten Landesregierung ein klares Bekenntnis zum Vorkaufsrecht der Stiftung“, so Redmann. mbw
Seit November ist Wolfgang Stapelfeldt aus Nordfriesland Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein im Bundesverband Windenergie (BWE SH). Der Landwirt und Geschäftsführer von zwei Bürgerwindparks spricht im Interview mit dem Bauernblatt über die ersten Monate im Amt und die Perspektiven für den Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein.
Wie haben sich die ersten Monate im neuen Amt für Sie angefühlt?
Wolfgang Stapelfeldt: Angekommen bin ich darin sofort. Durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise haben wir es mit zahlreichen neuen Gesetzen und Verordnungen zu tun, mit denen die Bundesregierung versucht gegenzusteuern. So gab es auch keine 100 Tage Einarbeitungszeit. Mein Team und ich hatten bereits zwei wichtige Treffen bei Energiewendeminister Tobias Goldschmidt und Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Es gibt viel Arbeit und viele Termine, aber es macht eine Menge Freude.
Können Sie bereits ein erstes Zwischenfazit ziehen?
Wir stellen vonseiten des BWE fest, dass die Politik die Branche der Erneuerbaren massiv unterstützt und nach vorn stellt. Das ist gut für uns. Dennoch gibt es viel zu tun, die Bürokratie bleibt schwierig, aber wir kommen in wichtigen Schritten voran. Vor dem Hintergrund der Energiekrise und langfristig auch des Klimawandels bleibt der Politik nichts anders übrig, als voll auf die Erneuerbaren zu setzen. Wir sind auf einem guten Weg und müssen und werden als BWE versuchen, Politik und Gesellschaft zu unterstützen, denn dieser Weg ist unumkehrbar und richtig. Davon bin ich überzeugt.
Wie schätzen Sie die Perspektiven der Windenergie in Schleswig-Holstein in den kommenden Jahren ein?
Wir müssen viel zubauen, haben aber auch eine Menge Probleme, die diesen Zubau behindern. Daran müssen wir massiv arbeiten und dort muss auch die Politik besser werden. Ich denke an den Genehmigungsstau aktuell in den Behörden. Es gibt dort wie in vielen Bereichen Personalmangel. Ein weiteres Problem ist die Flächenknappheit. Wir brauchen dringend neue Flächen, und dort hat Schleswig-Holstein, wie viele andere Bundesländer auch, ein Problem, da diese Flächen von der Landesregierung neu entwickelt werden müssen. Durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts, dessen Rechtskräftigkeit noch aussteht, erhöht sich der Druck für die Landesregierung noch einmal in Sachen Flächenplanung. Wir benötigen einen neuen Regionalplan und damit Rechtssicherheit. Ein weiteres Problem ist der Fachkräftemangel.
Was braucht es am dringendsten, um beim Ausbau der Erneuerbaren im Land voranzukommen?
Ein schnelles Handeln der Politik durch das Ausweisen von Flächen und den Abbau von Bürokratie. Natürlich muss die Bevölkerung dabei mitgenommen werden. Auch dort ist die Politik nicht gut davor. Die Bürger müssen darauf vorbereitet werden, dass wir in Zukunft noch sehr viel mehr Windkraft haben werden. Wir werden auch Freiflächen-Photovoltaik (PV) brauchen, um die Ausbauziele zu erreichen. Da würde ich mir eine positivere Kommunikation vonseiten der Landesregierung wünschen. Der Ausbau der Erneuerbaren ist auch eine Belastung in einigen Bereichen, etwa beim Landschaftsbild. Aber natürlich haben wir immense Vorteile, Stichwort Klimawandel oder Importunabhängigkeit. Trotzdem muss die Bevölkerung dies realistisch einschätzen können und mitgenommen werden.
Wie realistisch ist das ausgewiesene Flächenziel von zwei Prozent der Landesfläche?
Leider aus meiner Sicht überhaupt nicht, da wir in Schleswig-Holstein im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern eine Rotor-in-Regelung haben. Demzufolge sind die zwei Prozent, die die Politik immer so schön nach vorn stellt, realistisch gerade 1,3 Prozent. Wir fordern die Rotor-out-Regelung, also dass eine Windkraftanlage dicht an der Grenze einer neuen Vorrangfläche im Regionalplan stehen darf und nicht zurückgezogen um die Rotorlänge. Wenn wir das erreichen, wären die zwei Prozent realistisch. Wir müssen im neuen Regionalplan eher drei bis vier Prozent ausweisen, um die Ausbauziele zu erreichen. Und auch das ist ein Punkt, an dem es der Landesregierung sehr schwer fällt, hier weiterzukommen. Natürlich immer unter der wichtigen Voraussetzung, dass alle Auflagen wie Immissionsschutz, Naturschutz und notwendige Abstände zu Gebäuden eingehalten werden.
Wie begegnen Sie Anwohnern und Landeigentümern, die den weiteren Zubau aufgrund sinkender Preise für ihre Immobilien und ihr Land kritisch sehen?
Wir müssen versuchen, die Bürger mitzunehmen. Wenn ein Windpark geplant wird, und wenn es idealerweise ein Bürgerwindpark ist, dann ist es nach meiner Erfahrung kein Problem, durch Transparenz und Mitnahme der Bürger zu erreichen, dass sie damit einverstanden sind. Man muss die Zahlen offenlegen und sagen, wie es läuft. Der weit überwiegende Teil von Anwohnern und Urlaubern steht der Windkraft sehr positiv gegenüber. Für junge Menschen ist es heute selbstverständlich, dass Windräder zum Landschaftsbild dazugehören.
Droht eine zunehmend fragile Straßeninfrastruktur zur Gefahr für den Windkraftausbau zu werden?
Das ist leider bereits jetzt der Fall. Wir haben aktuell massive Probleme, die Windkraftanlagen auf die Baustellen zu bekommen. Viele Infrastrukturen im Land sind marode, und die Landesregierung hat es nicht geschafft, diese Infrastruktur, also Straßen und Brücken, vernünftig instand zu halten. All das ist nicht passiert, und deswegen stehen wir schon heute in vielen Bereichen vor diesem Problem. In Dänemark sieht es da ganz anders aus.
Was hilft der weitere Zubau, wenn der Strom aus dem Norden derzeit kaum weitertransportiert werden kann?
In den vergangenen zwei Jahren konnten wichtige Infrastrukturprojekte verwirklicht und etwa die Westküstenleitung fast fertig gebaut werden. Abschaltungen wegen Leitungsüberlastung nehmen dadurch bereits jetzt ab. Nach wie vor Probleme haben wir in den süddeutschen Bundesländern, die überhaupt nicht ambitioniert sind, den Windkraftausbau voranzubringen, und leider auch den Ausbau der Netze verhindern.
Als Branche müssen wir im Norden daher ganz klar sagen: Wir produzieren dezentral Erneuerbare Energien. Liebe Industrie, dann kommt her zu uns! Vor dem Hintergrund, dass Industriezweige ihre Produkte mit Grünem Strom, also mit sauberer Energie herstellen können, haben wir große Hoffnungen, dass wir mit unserer Energieproduktion aus Windkraft, PV und Biogas dazu beitragen können, dass Schleswig-Holstein ein klimaneutrales Industrieland wird. Mit allen positiven Auswirkungen für Wertschöpfung und das Leben im Land.
Der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts entschied am Mittwoch vergangener Woche nach mündlicher Verhandlung die Unwirksamkeit des Regionalplans für den Planungsraum I. Die in Kapitel 5.8 (Windenergie an Land) enthaltene Festlegung von Vorranggebieten für die Windenergie leide an einem Abwägungsmangel, der die zu überprüfende Landesverordnung für den Regionalplan für den Planungsraum I in Schleswig-Holstein Kapitel 5.8 insgesamt unwirksam werden lasse.
Der Textteil des Regionalplans für den Planungsraum I legt in Kapitel 5.8 Vorranggebiete für die Windenergienutzung an Land fest. Raumbedeutsame Windkraftanlagen dürfen nur in diesen Gebieten errichtet und erneuert werden. Bei der Aufstellung der Regionalpläne sind die im Landesentwicklungsplan definierten Grundsätze der Raumordnung zu berücksichtigen. Einer dieser Grundsätze bestimmt, dass die Flächenauswahl für die Vorranggebiete nach bestimmten harten und weichen Tabukriterien sowie Abwägungskriterien erfolgen soll. Eines der weichen Tabukriterien nimmt Landschaftsschutzgebiete von der Flächenauswahl aus. Gleiches gilt für Gebiete, für die durch Einleitung eines Verfahrens zur Unterschutzstellung eine Veränderungssperre ausgelöst worden ist.
Die Voraussetzungen dieses Kriteriums hätten, so die Auffassung des Senats, mit Blick auf die beiden als Tabuzonen berücksichtigten Landschaftsschutzgebiete Wiedingharder- und Gotteskoog und Ostenfeld-Schwabstedter Geest mit vorgelagerter Marsch im Kreis Nordfriesland nicht vorgelegen. Denn die Ausweisung dieser beiden Gebiete beruhte auf Kreisverordnungen, die ihrerseits bereits durch Urteile des Oberverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2020 für unwirksam erklärt worden waren. Bis zum Inkrafttreten der hier streitigen Landesverordnung am 31. Dezember 2020 habe der Kreis keine Verfahrenshandlungen vorgenommen, die eine erneute Veränderungssperre ausgelöst hätten. Der Ausschluss dieser beiden Gebiete von der Windkraftplanung hätte demnach nur nach einer ergänzenden Abwägung erfolgen können; eine solche war jedoch unterblieben.
Gesamter Planungsraum I betroffen
Der festgestellte Fehler betreffe den gesamten Planungsraum I – bestehend aus den Gebieten der kreisfreien Stadt Flensburg, der Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg –, da sich das Verhältnis von Positiv- zu Negativflächen insgesamt verändere und deshalb nicht mit ausreichender Sicherheit angenommen werden könne, dass der Plan mit den übrigen Festsetzungen genauso beschlossen worden wäre. Erfolgreiche Antragstellerin in diesem Normenkontrollverfahren ist eine Projektgesellschaft, die im nördlichen Kreis Schleswig-Flensburg die Errichtung einer Windkraftanlage plant.
Mit dieser rechtlichen Würdigung hatte vorige Woche auch die Klägerin in einem zeitgleich verhandelten Verfahren Erfolg. Eine Bürgerwindpark-Gesellschaft begehrte vom Landesamt für Umwelt einen positiven Vorbescheid für eine geplante Windkraftanlage im Gebiet Wiedingharder- und Gotteskoog. Mit der Unwirksamkeit des Regionalplans für den Pla- nungsraum I stünden diesem Vorhaben keine Ziele der Raumordnung mehr entgegen, so der Senat.
Weitere Anträge und Klagen anhängig
Eine schriftliche Begründung der Urteile liegt noch nicht vor. Die Revision wurde nicht zugelassen. Gegen den Regionalplan für den Planungsraum I sind sieben weitere Normenkontrollanträge und eine weitere Klage anhängig.
Am 6. Juni wird sich der Senat mit dem Regionalplan für den Planungsraum II befassen. Er betrifft die kreisfreien Städte Kiel und Neumünster sowie die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde. Dagegen wenden sich zwei Antragstellerinnen. Die Gemeinde Krummbek, Kreis Plön, meint, dass das Vorranggebiet PR2_PLO_006 zu nah an ihr Gemeindegebiet heranreiche und ihre eigene Planungshoheit verletze. Eine private Antragstellerin wendet sich gegen die Aussparung ihrer im Kreis Rendsburg-Eckernförde in der Nähe der Potenzialfläche PR2_RDE_073 gelegenen Grundstücksflächen. Über den Fortgang der 43 Normenkontrollanträge und zwei Klagen, die sich gegen den Regionalplan für den südlichen Planungsraum III richten, bleibt sodann zu entscheiden.
Nach einer längeren Pause mit unveränderten Kursen wurde der Vereinigungspreis für Schlachtschweine (VEZG-Notierung) in der vorigen Woche um 5 ct auf 2,33 € je Indexpunkt erhöht. Dass die Notierungen im Handel mit Schlachtschweinen bereits in der kalten Jahreszeit solche Rekordwerte erreichen, ist nicht auf eine ungewöhnliche hohe Nachfrage nach Schweinefleisch zurückzuführen. Diese setzt eigentlich erst mit dem Beginn der Grillzeit ein. Dennoch läuft aktuell die Bevorratung mit Grillartikeln. Da die Kühlhäuser bislang nur unzureichend gefüllt sind, hat ein reger Wettbewerb um das knappe Lebendangebot eingesetzt. Aufgrund des Bestandesrückgangs in der Schweinehaltung liegen die wöchentlichen Schlachtzahlen deutlich unter den Vorjahreswerten. Seit Jahresbeginn wurden in Deutschland etwa 8 % Schweine weniger als im Vorjahreszeitraum geschlachtet.
Spanischer Schweinepreis auf China-Niveau
Auch in den EU-Nachbarländern sorgt ein reduziertes Angebot für hohe Kurse im Schweinehandel. Spitzenreiter ist hier Spanien. Dort liegt die Notierung mit 2,72 €/kg SG nur knapp unter dem Niveau des Schweinepreises in China. Der hohe Schweinebedarf in Spanien wird auch durch umfangreiche Importe aus Frankreich bedient. Dort sind die Notierungen auf 2,51 €/kg SG gestiegen. Auch in Österreich sorgt ein kleines Angebot dafür, dass die Schweinepreise mit 2,48 €/kg SG über dem Niveau in Deutschland liegen. Trotz eines Preisaufschlags von 8 ct liegt der Schweinepreis in Dänemark mit 1,85 €/kg SG deutlich unter dem hiesigen Kurs. Obwohl auch die Schweinebestände in Dänemark zurückgegangen sind, bleibt man weiter vom Export abhängig. Die zuletzt fehlende Nachfrage aus Asien, vor allem aus China, bremste bislang einen möglichen Anstieg der dänischen Schweinenotierungen.
Laut vorläufigen Zahlen des Europäischen Statistikamtes (Eurostat) sind die Schweineschlachtzahlen in der Europäischen Union im vergangenen Jahr spürbar gesunken. Die gesamte Schweinefleischproduktion in den Mitgliedstaaten sank um 5,7 % auf 22,1 Mio. t, so wenig wie seit 2014 nicht mehr. Hohe Futterkosten und niedrige Erlöse sorgten für wirtschaftliche Verluste der Erzeuger und haben die Tierbestände in den meisten Mitgliedstaaten verringert. Die stärksten Rückgänge wurden in Deutschland, Dänemark, Belgien und Rumänien verzeichnet. Auch die Zahl der Sauen ist innerhalb von zwölf Monaten bis Ende vergangenen Jahres um 4,6 % zurückgegangen. In Deutschland liegen Sauenschlachtungen mittlerweile 20 % unter den Vorjahreszahlen. Auch die Notierungen für Schlachtsauen sind deutlich gestiegen. In vielen Verarbeitungsbetrieben, zum Beispiel bei der Wurstproduktion, kann Sauenfleisch nicht ohne Weiteres durch andere Produkte ersetzt werden. Viel wichtiger ist jedoch, dass ohne die Zuchtsauen die Zahl der Ferkel Monat für Monat sinkt. Damit ist absehbar, dass das Angebot an Schlachtschweinen im weiteren Verlauf immer weiter zurückgeht. Da die Ferkelpreise entsprechend der Entwicklung am Schweinemarkt stetig steigen und die Kosten für Mischfutter bislang wenig Luft nach unten zeigen, bleibt die Marge in der Schweinemast bescheiden. Somit müssten sich die Preise für Schlachtschweine in der Spirale des knappen (zurückgehaltenen) Angebotes und der höheren Ferkelpreise weiter nach oben bewegen. Diese Entwicklung wird wohl nur dadurch gebremst, dass die Nachfrage am Fleischmarkt durch zu hohe Preisforderungen irgendwann zurückgeht.
Günstige Prognose
Mit dem Beginn der warmen und damit grilltauglichen Jahreszeit werden weitere Preisaufschläge für Schlachtschweine erwartet. Bereits Richtung Osterfest erwarten die Marktteilnehmer in den meisten europäischen Ländern eine nochmals anziehende Nachfrage. Zunehmende Kaufanfragen aus asiatischen Ländern wecken zudem die Hoffnungen der europäischen Exporteure, dass auch der Drittlandsexport von Schweinefleisch wieder Fahrt aufnehmen könnte.
Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderte Verbundvorhaben „Feldstudie zur Impfung gegen Ebergeruch“ präsentierte Anfang März seine finalen Ergebnisse an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Neben der CAU waren das Max-Rubner-Institut (MRI) Kiel und die Georg-August-Universität (GAU) Göttingen ausführende Einrichtungen. Details zu den Studien können bei der jeweiligen Forschungseinrichtung erfragt werden. Hier eine Zusammenfassung.
Hintergrund der Feldstudie war der Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration Ende 2020. Obwohl die Immunokastration seit über 20 Jahren im Einsatz ist und hinreichend untersucht wurde, ist die Erfahrung rund um den praktischen Einsatz in Deutschland begrenzt. Die zurückhaltende Nutzung ist unter anderem den Vorbehalten bei Schlachtung und Vermarktung der Tiere geschuldet. Ein wesentliches Ziel der Feldstudie war also die Aufklärung dieser Vorurteile entlang der gesamten Wertschöpfungskette in der Schweineproduktion.
Umweltwirkungen von Immunokastraten
Umweltwirkungen aus der Tierproduktion werden aktuell stark diskutiert. Folglich untersuchte die CAU den Einfluss der Immunokastration auf die Umweltwirkungen aus der Schweinemast. Ausgangspunkt war dabei die Tatsache, dass sich der Futterverbrauch von Immunokastraten (IK) deutlich reduziert. Reduziert sich demnach auch die Umweltwirkung?
Mittels Klimabilanz wurden Futterproduktion, Ferkelproduktion, Ferkelaufzucht, Mast und Schlachtung im Klimabilanzmodell berücksichtigt. Es wurde das Treibhausgaspotenzial pro Betrieb und Jahr für chirurgische Kastration, Immunokastration und Ebermast kalkuliert. Im Vergleich zur chirurgischen Kastration können durch den Einsatz der Immunokastration 349 t CO2-Äquivalente pro Betrieb und Jahr eingespart werden. Für die Ebermast ergab sich ein Einsparungspotenzial von 373 t CO2-Äquivalenten pro Betrieb und Jahr.
Abweichungen in der Klassifizierung
Das MRI untersuchte, ob die Klassifizierung von IK im Vergleich zu Mastsauen, Borgen und Mastebern negativ verzerrt ist. Die Tiere wurden nach AutoFOM klassifiziert und der Muskelfleischanteil (MFA) kalkuliert. Für Referenzwerte wurden die Teilstücke gewogen und der MFA mittels Computertomografie bestimmt. Auf den Betrieben wurden Piétrain oder Duroc als Endstufeneber eingesetzt.
Innerhalb der Geschlechtskategorien wurde keine Über- oder Unterschätzung des MFA festgestellt, allerdings zeigte sich eine systematische Überschätzung beim Duroc. Die Teilstücke wiesen im Vergleich dazu höhere systematische Abweichungen auf (um die fünf Prozentpunkte). Innerhalb der Genetik zeigte sich beim Duroc eine Überschätzung von Kotelett und Lachs, während diese Teilstücke beim Piétrain eher unterschätzt wurden. Umgekehrt verhält es sich bei Schinken und Schulter. In den Geschlechterkategorien zeigten sich vergleichbare systematische Abweichungen, wobei IK, bezogen auf das Ausmaß dieser Verzerrungen, zwischen Borgen und Mastebern einzuordnen sind.
Tägliche, sorgfältige Tierkontrollen – Das Tierverhalten kann ein guter Indikator für den Impferfolg sein.
Streuung in Schlacht- und Befunddaten
Ob IK wesentlich zu einer Erhöhung der bekannten Streuung in Schlacht- und Befunddaten beitragen, wurde durch die CAU untersucht. Bei den Schlachtdaten nahmen IK eine Mittelstellung zwischen Mastsauen und Borgen ein. Eine Erhöhung der Streuung durch IK konnte ausgeschlossen werden. Als Ursache für die Streuung der Schlachtdaten gab die CAU vor allem den Betrieb und das Gewicht an. In allen Merkmalen zeigte das Geschlecht einen vernachlässigbaren Anteil an der Variation (<1 %).
Durch den Herz-Lungen-Kreislauf bedingt werden Befunde an Lunge, Brustfell und Herz dem Risiko für Atemwegsinfektionen zugeordnet. Eine Risikobewertung ergab, dass das Risiko für Atemwegsinfektionen und Leberbefunden bei IK im Vergleich zu Sauen oder Borgen nicht erhöht ist. Ein leicht höheres Risiko besteht für Abszesse und Gelenkentzündungen, deren Prävalenz allerdings unter 1 % liegt.
Immunokastration in der Praxis
Um einen erfolgreichen Einsatz der Immunokastration in der Praxis zu gewährleisten, müssen bestimmte Voraussetzungen im Management erfüllt sein. Für eine Evaluierung dieser Voraussetzungen erstellte die CAU einen Fragebogen zu Betriebsstruktur und Management in der Mast. In die Auswertung flossen 26 Mast- und 24 Kombibetriebe ein. 46 % der Betriebe gaben an, nie eine getrenntgeschlechtliche Aufstallung während der Mast durchzuführen, 40 % der Betriebe stallen immer getrenntgeschlechtlich auf.
Überwiegend wurde die Applikation durch das Betriebspersonal durchgeführt (48 %), in 2 % durch den Tierarzt. Vor und nach der Applikation erfolgte eine intensive Tierkontrolle. Zusätzlich machten 36 % der Betriebe vor der Erstimpfung einen Gesundheitscheck. 96 % der Betriebe nannten das Tierverhalten als Indikator für einen Impferfolg, 88 % nannten die tägliche Tierkontrolle, und 56 % gaben an, dass die Hodengröße ein guter Indikator sei.
Schlachtkörper – Fleisch- und Fettqualität
Die GAU evaluierte an Mastsauen und IK die Schlachtkörperqualität mittels AutoFOM sowie die Fleisch- und Fettqualität anhand der Parameter pH-Wert, Leitfähigkeit, Farbe, Tropf- und Kochverluste, Scherkraft, intramuskulärer Fettgehalt, Fettsäuremuster und Ebergeruchsstoffe.
In den untersuchten Parametern der Fleischqualität konnten zwischen IK und Sauen keine wesentlichen Unterschiede und keine Mängel festgestellt werden. Auch das Fettsäuremuster wies keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Geschlechtern auf. Folglich ist die Verarbeitungseignung von IK und Mastsauen vergleichbar. Allerdings zeigte sich in der Schlachtkörper- und Fettqualität eine große Variabilität zwischen den Betrieben.
Verarbeitungsqualität und Produktsensorik
Anhand Kochpökelware, Rohwurst und Bauchspeck untersuchte das MRI die Verarbeitungsqualität zwischen den vier Geschlechtskategorien und Genetiken. Das Ausgangsmaterial für die Produkte wurde physikalisch (unter anderem pH-Wert, Farbmessung) und chemisch (unter anderem Fettsäuremuster, Iodzahl, Ebergeruch) analysiert. Im Fettgehalt konnten IK zwischen Mastsauen/Borgen und Mastebern eingeordnet werden. Das Fettsäuremuster und der Oxidationsstatus wiesen einen signifikanten Betriebseffekt auf. Alle Produkte wurden anschließend zu unterschiedlichen Lagerzeiten durch Prüfer sensorisch bewertet. Im Gesamteindruck wurden vor allem Produkte von Mastebern schlechter bewertet. IK unterschieden sich dabei nicht signifikant von Mastsauen oder Borgen.
Akzeptanz beim Konsumenten
Die GAU ermittelte, wie intensiv Geruchsabweichungen bei IK wirklich wahrgenommen werden. Dafür wurden Geruchsproben von IK und Mastsauen durch geschulte Prüfer verglichen. Die Proben stammten jeweils vom selben Betrieb. Wiesen die Proben gleiche ASI-Werte (Androstenon, Skatol, Indol) auf, wurden Proben von IK häufiger (58 %) als „intensiv“ bewertet. Lagen die ASI-Werte der IK deutlich über den zu vergleichenden Sauenproben, wurde deutlich häufiger (78 %) ein intensiver Ebergeruch wahrgenommen.
In einem großen Lebensmitteleinzelhandel wurden Bauch- und Schinkenspeck sowie Nackensteaks an Kunden verteilt, die die Sensorik zwischen Produkten von IK und Mastsauen bewerten sollten. Hinsichtlich des Geschmacks konnten keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt werden. Unterschiede in den Rassen zeigten sich im Schinkenspeck: Hier wurden beim Duroc eher Produkte von Mastsauen bevorzugt (58 %), beim Piétrain hingegen eher Produkte von IK präferiert (54 %).
Fazit
Das Projekt konnte beweisen, dass Vorbehalte gegen die Immunokastration unbegründet sind. In sämtlichen Merkmalen lassen sich IK zwischen Mastsauen und Borgen einordnen. Alle Untersuchungen zeigten einen signifikanten Betriebseffekt. Demnach bildet das Management auf dem Betrieb eine wesentliche Stellschraube für die Qualität von IK als Mastendprodukt. Vor allem eine angepasste Fütterung nach der Zweitimpfung könnte die Qualität noch weiter verbessern. Eine getrenntgeschlechtliche Aufstallung ist dafür unumgänglich. Basierend auf den Fragebögen der Praxisbetriebe zeigt sich diesbezüglich Optimierungsbedarf in der Sachkunde. Hierfür sind bereits mögliche Schulungen durch und mit der Landwirtschaftskammer kommuniziert worden.
In der Klassifizierung fordert der Bauernverband eine Optimierung der Schätzformeln für IK und Duroc. Eine Kennzeichnung von IK sehen viele Parteien des Projektes auf Grundlage der Ergebnisse als nicht gerechtfertigt. Eine Möglichkeit, das Image und damit die Akzeptanz beim Verbraucher zu verbessern, könnte die Aufklärung über den Mehrwert im Tierwohl darstellen. Damit die Immunokastration die chemische Kastration langfristig ablöst, müssen vor allem Vermarktungssicherheiten für Ferkelerzeuger, Mäster und Schlachthöfe geschaffen werden.