Den Entwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz haben die Koalitionsfraktionen SPD, Grünen und FDP vergangenen Woche im Ernährungsausschuss des Bundestages beschlossen. CDU/CSU, AfD und Linke lehnten die Vorlage ab. Ebenfalls mit der Ampelmehrheit angenommen wurde ein Entschließungsantrag der Koalition, der weitere Schritte für eine Ausweitung des Geltungsbereichs der Kennzeichnung sowie vorgesehene Änderungen insbesondere im Bau- und Immissionsschutzrecht skizziert.
Die agrarpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, bezeichnete die Entscheidung des Ausschusses als wichtigen weiteren Schritt für den Umbau der Tierhaltung. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sei ein zentraler Baustein für eine klare Information der Verbraucher, für fairen Wettbewerb in der Tierhaltung sowie für eine Ausrichtung am Tierschutz. „Zusammen mit noch folgenden Gesetzesänderungen ist das der Grundstein für eine zukunftsfähige Tierhaltung“, erklärte Künast. Der ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministerin zufolge ist der vorliegende Gesetzentwurf nur der Anfang. „Das Gesetz wird nun konsequent auf weitere Tierarten und Verkaufswege ausgeweitet“, kündigte Künast an.
Zufrieden über die jüngst erreichten Verbesserungen am Regierungsentwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz hat sich der landwirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Gero Hocker, geäußert. Die FDP habe in den Verhandlungen mit den Koalitionspartnern erreichen können, dass bereits am Markt etablierte Kennzeichen gestärkt würden. Die Tierwohl-Eingangsstufe „Stall plus Platz“ berücksichtige die bisherigen Anstrengungen der Landwirte und erlaube einen niedrigschwelligen ersten Schritt hin zu mehr Tierwohl.
Umbau läuft ins Leere
Weiter unzufrieden ist Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) mit dem Entwurf für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Zwar seien die nun eingebrachten Korrekturen „erste Schritte in die richtige Richtung“; die Änderungen gingen jedoch längst nicht weit genug, erklärte der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz (AMK). Schwarz wirft dem Bund vor, er habe ungeachtet der Beschlusslage des Bundesrates die Länder erneut nicht an der Überarbeitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes beteiligt. Stattdessen seien diese mit der Einreichung des geänderten Entwurfs zur Notifizierung bei der Europäischen Kommission vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
„Die entscheidenden Kritikpunkte bleiben nach wie vor unberücksichtigt“, beklagte der Minister. Dazu zählten beispielsweise die Nicht-Kennzeichnungspflicht für ausländische Ware sowie praktikable Regelungen für ein „Downgrading“ zwischen den Tierhaltungsstufen. Entscheidend sei jedoch, dass es weiterhin kein Gesamtkonzept aus Tierhaltungskennzeichnung, langfristiger Finanzierung sowie Anpassung von Naturschutz-, Immissionsschutz- und Baurecht gebe. Ohne einen solchen umfassenden Ansatz laufe der Umbau der Tierhaltung und ein Umstieg auf höhere Haltungsformen ins Leere, sagt Schwarz voraus.
Die Landwirte seien bereit, den gesellschaftlich gewünschten Umbau der Nutztierhaltung mitzugehen. „Dafür brauchen sie schnellstmöglich Klarheit“, betonte der CDU-Politiker. Auf der anstehenden Sonder-AMK werde er sich daher für einen konstruktiven Dialog zwischen Bund und Ländern stark machen und gemeinsam mit seinen Länderkollegen auf weitere notwendige Anpassungen drängen, kündigte Schwarz an.
Weniger Tiere besser halten
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat den Abschluss der Beratungen zum Tierhaltungskennzeichnungsgesetz im Bundestagsernährungsausschuss erwartungsgemäß begrüßt. Die Annahme des Regierungsentwurfs mit einigen Änderungen sei „ein Ampelerfolg für die Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch für die Landwirtschaft gleichermaßen“, erklärte der Grünen-Politiker.
Die Ampelkoalition wolle zusätzlich baurechtliche Hürden aus dem Weg räumen, damit Ställe leichter umgebaut werden könnten, führte der Minister aus. Das Ziel sei, weniger Tiere besser halten. Nunmehr sieht der Grünen-Politiker die Länder in der Pflicht. Die anstehende Sonder-AMK müsse Änderungen bei der Technischen Anleitung Luft (TA Luft) beschließen, damit sich Immissions- und Tierschutz nicht gegenseitig blockierten. Özdemir betonte das gemeinsame Interesse, den Betrieben endlich Planungssicherheit zu geben.
Vorwurf der Täuschung
Mit scharfer Kritik hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf die abschließende Beratung des Entwurfs für ein Tierhaltungskennzeichnungsgesetz im Ernährungsausschuss reagiert. Nach Auffassung von Agrarsprecher Albert Stegemann liefert die Ampelkoalition mit der Vorlage „agrarpolitisches Stückwerk“ ab. Fraktionsvize Steffen Bilger sprach von Verbrauchertäuschung mit staatlichem Siegel.
Stegemann machte erneut darauf aufmerksam, dass verarbeitetes Schweinefleisch in Fertigprodukten, in der Gastronomie und in Kantinen beim Tierwohllabel zunächst außen vor bleibe. Auch die Haltung von Rindern oder Geflügel werde nicht einbezogen. Am schlimmsten seien für die Landwirte die weiterhin fehlende Planungssicherheit und die ungeklärte Finanzierung von mehr Tierwohl. „Angesichts der gestiegenen Baukosten und der höheren Futtermittelpreise wird kaum ein Landwirt in neue Ställe investieren“, warnte der CDU-Politiker.
Bilger begründete seinen Täuschungsvorwurf mit dem Hinweis, dass die Kunden beim Kauf von frischem Schweinefleisch weiterhin nicht erfahren, ob das Ferkel im Ausland betäubungslos kastriert worden sei. Zudem reichten für die Haltungsstufe 2 – „Stall plus Platz“ – lediglich 12,5 % mehr Platz aus, nachdem die Grünen die damalige unionsgeführte Bundesregierung dafür kritisiert hätten, dass ihr Entwurf „nur“ 20 % mehr Platz in der Einstiegsstufe vorgesehen habe.