Die Zellzahl wird als besonders zuverlässiger Indikator zur Beurteilung der Eutergesundheit angesehen. Aus diesem Grund sollten Milchviehhalter sowohl aus tiergesundheitlichen als auch aus ökonomischen Gründen darauf achten, die Zellzahl in ihren Herden auf einem niedrigen Niveau zu halten.
Das Auftreten von Mastitiden ist für die meisten Milchviehhalter keine Seltenheit. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Krankheit wird allerdings häufig unterschätzt, denn oft werden nur die klinisch kranken Kühe beachtet, da es hier zu Behandlungskosten und zur Entsorgung von Sperrmilch kommt. Doch auch Kühe mit einer subklinischen Mastitis, welche oft nur durch erhöhte Zellzahlen auffallen, weisen eine verminderte Milchleistung im Vergleich zu eutergesunden Kühen auf.
In der Milch nachgewiesene Zellen werden als somatische, also körpereigene Zellen bezeichnet. Konkret handelt es sich hier um abgestorbene Milchbildungs- oder Abwehrzellen wie Makrophagen beziehungsweise Lymphozyten. Bei einer gesunden Kuh liegt die Zellzahl bei einem Wert von weniger als 100.000 Zellen pro Milliliter Milch.
Durch eine Infektion wird die körpereigene Immunabwehr angeregt, vermehrt Abwehrzellen zu produzieren, um die Erreger möglichst schnell zu bekämpfen und das betroffene Viertel zu heilen. Bei erkrankten Kühen ist daher ein schneller Anstieg auf über 100.000 Zellen pro Milliliter Milch nachweisbar.
Indikator für chronische Infektionen
Neben akutem Infektionsgeschehen sind erhöhte Zellzahlen auch ein Indikator für chronische Infektionen. Weist eine Kuh in drei aufeinanderfolgenden Milchkontrollen eine Zahl von mindestens 700.000 Zellen auf, liegt eine chronische Mastitis ohne Aussicht auf Heilung vor. Weitere Behandlungen zeigen oft nur sehr kurzfristige Erfolge. Um Ansteckungen innerhalb der Herde zu vermeiden, sollten chronisch kranke Kühe zeitnah zur Schlachtung verkauft werden.
Da sich das Auftreten von Euterentzündungen bei Einzeltieren nicht gänzlich vermeiden lässt, wird für die Beurteilung der Eutergesundheit von ganzen Herden ein Schwellenwert von 200.000 Zellen pro Milliliter Milch angenommen.
Als Faktorenkrankheit ist das Aufkommen von Mastitiden in der Regel durch vielfältige Umstände verursacht. Ein wichtiger Aspekt ist der Erregerdruck aus der Haltungsumwelt. Grundsätzlich gilt: Je mehr Mastitiserreger im Umfeld der Kuh vorkommen, desto größer ist das Infektionsrisiko.
Hygiene ist essenziell
Essenziell ist hier die Beachtung größtmöglicher Hygiene in der Haltungsumwelt. Trockene, gründlich eingestreute Liegeflächen und regelmäßig abgeschobene Laufflächen sorgen für saubere Kühe und vor allem für saubere Euter. Nicht minder wichtig ist es zudem, Schädigungen an der Zitzenhaut beim Melken zu vermeiden und so den Erregern das Anhaften zu erschweren. Weiterhin kann durch Hyperkeratose am Schließmuskel dessen Funktionalität eingeschränkt werden, wodurch kein ausreichender Schutz mehr gegeben ist. Mangelhafte Melkhygiene kann dann dazu führen, dass Erreger unmittelbar von einem Euter zum nächsten übertragen werden.
Neben den hygienischen Bedingungen ist auch anhaltender Stress dafür verantwortlich, dass Mastitiden auftreten. Durch Stress wird die Leistung der Immunabwehr herabgesetzt, eine ausreichende Erregerbekämpfung bleibt aus, und die Kühe werden anfälliger für Krankheiten. Häufige Stressoren in Kuhställen stellen zum Beispiel Platzmangel, zu große Gruppen und Hitze dar. Zusätzlich kann fehlerhaftes Handling mit lautem Rufen oder zu starkem beziehungsweise gewalttätigem Einwirken auf die Kühe akuten oder auch chronischen Stress verursachen.
Weitere Einflüsse auf die Eutergesundheit liegen in der Fütterung, dem Trockenstehermanagement und der Genetik. Bei gehäuftem Auftreten von Mastitiden sollten in diesen Bereichen Mängel erkannt und behoben werden. Selbst kleine Veränderungen können zu einer Verbesserung der Gesamtsituation beitragen.
Zellzahlen in Schleswig-Holstein
Bei der Betrachtung der Zellzahlen schleswig-holsteinischer Milchviehbetriebe aus dem Jahr 2022 wird rasch deutlich, dass der Landesdurchschnitt mit 205.000 Zellen pro Milliliter Milch zu hoch ist. Ursächlich für die hohen Zellzahlen 2022 könnten die hohen Temperaturen des Sommers gewesen sein.
Ein Blick auf die Zahlen vergangener Jahre verdeutlicht, dass dieser Umstand kein neues Phänomen ist. Die Zellzahlen in Schleswig-Holstein lassen sich lückenlos bis ins Jahr 1985 zurückverfolgen und in keinem dieser Jahre konnte die Gesamtheit der schleswig-holsteinischen Milchkühe als eutergesund bezeichnet werden. Die Zellzahl lag durchweg über dem Schwellenwert von 200.000 Zellen Milch. Zwar ist die Zellzahl in den vergangenen Jahren in kleinen Schritten immer weitergesunken, jedoch hat es in der Milchviehhaltung in den vergangenen 27 Jahren einen sehr starken Strukturwandel zugunsten des Tierwohls und der Tiergesundheit gegeben, was das Ergebnis überraschend wirken lässt.
Dem Jahresabschluss des Landeskontrollverbandes (LKV) lässt sich ebenfalls entnehmen, dass mit steigender Milchleistung des Betriebes die Zellzahl stetig abnimmt. So liegt die Zahl bei Betrieben mit einer Leistung von 7.501 bis 8.000 kg Milch bei 235.000 Zellen pro Milliliter, bei einer Leistung von über 10.000 kg Milch liegt die Durchschnittszahl hingegen bei 184.000 Zellen pro Milliliter Milch. Dies spricht dafür, dass eutergesunde Kühe leistungsbereiter sind als solche mit einer (sub-)klinischen Mastitis. Auch ist das Management in Betrieben mit hoher Milchleistung zumeist intensiver, sodass Mastitiden seltener auftreten.
Die genaue Aufteilung der einzelnen Zellzahlen zeigt, dass 78,7 % der 2022 beprobten Kühe eine Zahl von weniger als 200.000 Zellen pro Milliliter Milch aufweisen. Der Großteil der Kühe ist demnach gar nicht für diesen erhöhten Durchschnitt verantwortlich. Hingegen liegen 11,1 % der Kühe bei einem durchschnittlichen Gehalt von mehr als 400.000 Zellen. Diese vergleichsweise wenigen Kühe sind maßgeblich an dem zu hohen Durchschnittszellgehalt beteiligt. Hinzu kommt, dass 1,2 % des schleswig-holsteinischen Milchkuhbestandes per Definition chronisch an einer Mastitis erkrankt sind. Bei diesen beiden Tiergruppen besteht akuter Handlungsbedarf.
Erkrankte Tiere aussondern
Eine wichtige Maßnahme ist das Identifizieren und Merzen chronisch erkrankter Tiere. Hier besteht keine Aussicht auf Heilung. Zusätzlich stecken diese Kühe möglicherweise andere Stallgenossinnen an und erhöhen so das Mastitisrisiko der gesamten Herde. Auch liegen die Milchleistungen chronisch erkrankter Kühe unter ihrem eigentlichen Potenzial. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, den Stallplatz eher an eine gesunde Remontierungsfärse zu geben, die ihr volles Leistungspotenzial ausschöpfen kann. Oft werden diese Kühe jedoch gar nicht in der Form als unwirtschaftlich wahrgenommen, da sie, abgesehen von der Zellzahl, nicht negativ auffallen und womöglich selten lahm sind und bei der ersten Belegung sofort wieder tragend werden.
Ist dieser Schritt getan, sollten gemeinsam mit dem Bestandstierarzt und dem Agrarberater „Baustellen“ ermittelt werden. Besonders der Melkvorgang, der Milchviehstall sowie der Trockensteher- und Abkalbebereich sollten genau begutachtet werden. Anschließend wird gemeinsam ein Maßnahmenkatalog erstellt, um das Infektionsgeschehen insbesondere in diesen Bereichen zu minimieren.
Um sich einen Überblick zu verschaffen, welche Erreger es zu bekämpfen gilt, sollten regelmäßig Leitkeime bestimmt werden. Dies ermöglicht es einerseits festzustellen, ob es sich um umwelt- oder kuhassoziierte Erreger beziehungsweise eine Kombination handelt. So lässt sich erkennen, in welchem Bereich Optimierungen vorzunehmen sind. Andererseits erlaubt die Leitkeimbestimmung auch die Ausarbeitung erregerspezifischer Behandlungskonzepte.
Zur Leitkeimbestimmung sollten nach jeder Milchleistungsprüfung Milchproben von den Kühen genommen werden, die einen Zellzahlsprung aufweisen. Dieser Sprung spricht für eine frische Infektion. Da sich der Leitkeim des Bestandes auch ändern kann, sollte dies nicht nur bei gehäuften Mastitisproblemen, sondern regelmäßig stattfinden.
Fazit
Der schleswig-holsteinische Milchzellgehalt liegt seit Jahrzehnten über dem Schwellenwert von 200.000 Zellen pro Milliliter Milch. Demnach gilt die Gesamtpopulation im nördlichsten Bundesland nicht als eutergesund. Lediglich ein geringer Teil der Kühe hat chronisch erhöhte Zahlen von mehr als 700.000 Zellen in drei Milchkontrollen. Bei diesen Tieren ist mit keinerlei Behandlungserfolg zu rechnen, daher sollten sie zeitnah gemerzt werden, um weitere Ansteckungen zu verhindern. Diese Maßnahme würde in den Betrieben zusätzlich Raum für eutergesunde Tiere schaffen und so auch den schleswig-holsteinischen Durchschnitt auf ein gesundes Niveau absenken.