Deutschlands bisherige Wolfspolitik ist eine Gefahr für die heimische Weidetierhaltung und muss deshalb dringend hin zu einer Regulierung des Wolfs weiterentwickelt werden. Darin waren sich Vertreter aus Landwirtschaft, Politik und Wissenschaft auf dem Wolfsgipfel einig, den der Deutsche Bauernverband (DBV) und die 4D.Digitalagentur für das Land am vorigen Freitag in Berlin ausgerichtet haben.
Nach den Worten des DBV-Umweltbeauftragten Eberhard Hartelt habe eine Mischung aus „Verharmlosung, Realitätsverweigerung, romantischer Verklärung und organisierter Schönfärberei“ den Konflikt mit der Weidetierhaltung inzwischen „eskalieren lassen“. Weidetierhalter gäben die Bewirtschaftung auf, weil ihre Probleme nicht ernst genommen würden. Denn der Konflikt sei „nicht allein mit Herdenschutzmaßnahmen zu lösen“, mahnte Hartelt und richtete sich mit einem Forderungskatalog an die Politik. Es gehe „nicht um eine wilde Hatz auf den Wolf“ oder um dessen Ausrottung, betonte der DBV-Umweltbeauftragte. Deutschland müsse aber den guten Erhaltungszustand des Wolfs an die EU-Kommission melden und ein aktives Bestandsmanagement einführen.
Ähnlich äußerten sich Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die Präsidentin des Pferdesportverbands Hannover, Alexandra Duesmann, der Uelzener Landrat Dr. Heiko Blume und Prof. Hans-Dieter Pfannenstiel, vor seiner Emeritierung Professor für Zoologie an der Freien Universität Berlin. Hartelt kritisierte, dass trotz Anfrage kein Vertreter des Bundesumweltministeriums am Wolfsgipfel teilgenommen habe. Für den Umweltschutz war einzig der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Jörg-Andreas Krüger, anwesend.
Forderungen an die Politik
Hartelts Forderungskatalog umfasst neben der Einführung eines aktiven Bestandsmanagements auch Vereinfachungen bei der Entnahme von Problemwölfen. Daneben seien wolfsfreie Gebiete auszuweisen, in denen die Ansiedlung des Wolfes verhindert werde. Ferner müsse der Wolf von Anhang IV zu Anhang V in der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie umgestuft werden. Gebraucht würden außerdem der Ausbau des Wolfsmonitorings und eine Überarbeitung des Rissbegutachtungsverfahrens. Darin sei die Beweislast umzukehren. Entschädigungen müssten unbürokratisch erhöht werden.
Jens Schreinicke vom Landesbauernverband Brandenburg (LBV) berichtete, dass die Zahl der durch den Wolf geschädigten Nutztiere trotz teurer Herdenschutzmaßnahmen in seinem Bundesland im Jahr 2022 auf mindestens 1.116 weiter angewachsen sei. Gleichzeitig sei Herdenschutz mit hohen Kosten für das Land verbunden, so der LBV-Wolfsbeauftragte. Und die Zäune schadeten den Wildtieren, die sich darin verfingen und zu Tode kämen. Auch Duesmann warnte vor ausufernden Kosten für den Herdenschutz. Allein das Material für die Einzäunung von zehn Pferden koste etwa 50.000 €. Außerdem sei die Masse an Zäunen ein Problem für das Landschaftsbild und die Wildtiere. Herdenschutz sei nicht praktikabel, Koexistenz von Weidetieren und Wölfen nur mit einem aktiven Bestandsmanagement des Wolfs möglich.
Kaniber rechnete vor, dass für die Einzäunung aller bayerischen Weiden insgesamt 57.400 km Zaun benötigt würden. Das sei nicht nur wegen der Kosten problematisch, sondern auch wegen der Zerschneidung von Biotopverbünden. Zugleich wertete Kaniber den bisherigen Umgang mit dem Wolf in Deutschland als „eindimensionalen, völlig überzogenen Tierschutz“. Die Art werde in der Roten Liste der gefährdeten Arten als nicht gefährdet geführt. In der Weidetierhaltung seien die Schäden aber dramatisch. Bundesregierung und Europäische Union müssten dringend handeln. Ansonsten bestehe auch das Risiko, dass die Zahl illegaler Entnahmen steige.
Keine Einstimmigkeit
Dass der Schutzstatus des Wolfs gemäß der FFH-Richtlinie heruntergesetzt wird, hält Alexander Bernhuber von der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament für unwahrscheinlich. Dafür sei eine einstimmige Entscheidung der europäischen Umweltminister nötig. Und diese komme, nicht zuletzt wegen Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), wohl nicht zustande. Bernhuber wies außerdem darauf hin, dass die EU-Kommission eine Analyse der Wolfssituation in Europa vornehmen wolle. Die Mitgliedsstaaten sollten bis zum 5. Mai Zahlen zum Wolfsbestand und zu Rissen liefern. Das Ergebnis der Analyse werde zum Jahresende erwartet.
Heiko Blume gab einen Einblick in die Wolfssituation im Landkreis Uelzen, wo neben Weidetierrissen auch die Annäherung von Wölfen an den Menschen inzwischen Probleme bereite. Darunter leide die Akzeptanz des Wolfes erheblich. Inzwischen habe der Kreistag einstimmig eine Resolution verabschiedet, mit der von der Bundesregierung die Überprüfung des Schutzstatus des Wolfs und daran anschließend eine Bejagung gefordert würden. Diese müsse zur Normalität werden. Bislang sei sogar die Entnahme eines Problemwolfs faktisch unmöglich, scheitere zum Beispiel an den Gerichten.
Für Pfannenstiel, der Herdenschutz ebenfalls als nicht ausreichend und nicht praktikabel bewertete, erwächst aus der großen Bedeutung der Weidetierhaltung für den Artenschutz die Notwendigkeit einer Regulierung des Wolfs. Dieser werde aber auch selbst Nutzen ziehen, weil die Akzeptanz dann steige und es nicht zu illegalen Entnahmen komme.
Keine Notwendigkeit für eine Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht sieht Nabu-Präsident Krüger. Problemwölfe könnten bereits heute entnommen werden, argumentierte er. Und ein Großteil der aktuellen Risse finde in ungeschützten Herden statt. Hinzu komme, dass auch wenige Wölfe viele Weidetiere reißen könnten. Ferner lernten Wölfe bei Abschüssen nicht, sich von Herden fernzuhalten. Herdenschutz- und Vergrämungsmaßnahmen seien die zielführenderen Maßnahmen. Krüger räumte aber auch ein, dass es Schwierigkeiten beim Einzäunen von Großtierherden geben könne. Bei Schafen und Ziegen stelle die Einzäunung dagegen kein Problem dar.
Unionsanstrag abgelehnt
Unterdessen ist der Antrag der CDU/CSU-Fraktion, die Bejagung des Wolfes zu erleichtern, im Bundestag gescheitert. In namentlicher Abstimmung votierten am vergangenen Mittwoch 407 von 670 Abgeordneten gegen die Vorlage, 254 stimmten dafür. In dem Antrag sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, den Erhaltungszustand des Wolfes unverzüglich zu definieren und auf dieser Basis ein effektives Wolfmanagement nach dem Vorbild anderer EU-Mitgliedstaaten, wie etwa Schweden, einzuführen. Genannt wurden die Schaffung vereinfachter Möglichkeiten für eine rechtssichere Wolfsentnahme, die Einrichtung wolfsfreier Zonen und die Aufnahme des Wolfs in den Katalog der jagdbaren Arten.
Unionsberichterstatter Klaus Mack warf der Bundesregierung vor, sie bleibe trotz zunehmender Wolfsrisse untätig. Ziel müsse es sein, den Wolfsbestand auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Der günstige Erhaltungszustand des Wolfes sei inzwischen gegeben. FDP-Obfrau Judith Skudelny bescheinigte der Union, ihr Antrag sei inhaltlich sehr gut. Er sei jedoch überflüssig, weil die Ampel-Koalition längst an dem Thema arbeite. Die FDP-Politikerin kündigte an, dass die Koalition ein europarechtskonformes Wolfsmanagement einführen werde. Erste Schritte dazu würden bis zur Sommerpause unternommen. Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Harald Ebner (Grüne), warnte in der Debatte vor falschen Erwartungen. Der „schnelle Ruf nach der Waffe“ werde das Problem der Wolfsrisse ebenso wenig lösen wie wolfsfreie Zonen. Nötig seien europarechtskonforme Lösungen und ein wirksamer Herdenschutz. Für SPD-Berichterstatterin Dr. Lina Seitzl ist „Abschuss keine Lösung“. Eine Bestandsbegrenzung des Wolfes schütze nicht vor Nutztierrissen. Die agrarpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Susanne Mittag, plädierte für eine stärkere Unterstützung von Herdenschutzzäunen und -hunden. Dieselbe Forderung kam von der Obfrau der Linken im Agrarausschuss, Ina Latendorf.
Nabu: Herdenschutz statt Bejagung
Mehr Sachlichkeit in der Debatte um den Umgang mit Wölfen fordert der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). „Eine Bejagung des Wolfes würde nicht mehr Sicherheit für Weidetiere bedeuten“, erklärte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Fakt sei, dass die Anzahl an Wölfen nicht zwangsläufig mit der Anzahl an Rissen wachse. So seien die Risse in Deutschland trotz eines wachsenden Wolfsbestandes im Jahr 2021 um 15 % zurückgegangen. Wirksame Herdenschutzmaßnahmen seien der einzig wirksame Weg, um Weidetiere vor Wolfsrissen zu schützen.
Krüger begrüßte die Entscheidung des Bundestages, den Unionsantrag für eine erleichterte Entnahme von Wölfen abzulehnen. „Wölfe lernen durch eine Bejagung nicht, Abstand zu Weidetieren zu halten“, erläuterte der Nabu-Präsident. Dies könne nur durch Herdenschutz mit Elektrozäunen oder Herdenschutzhunden erreicht werden. Die Förderung von Herdenschutz dürfe sich nicht nur auf die Anschaffung von Material beschränken, sondern müsse auch die laufenden Kosten umfassen. Als letztes Mittel könnten Wölfe getötet werden, die guten Herdenschutz überwunden hätten, so Krüger.
Kein Vorbild sieht der Nabu im Wolfsmanagement Frankreichs oder Skandinaviens. In Deutschland gebe es statistisch zwei bis drei Nutztierrisse pro Wolf und Jahr, in Frankreich dagegen 18. Das zeige, dass mit einer Verkleinerung der Population den Weidetieren nicht geholfen sei, wenn Herdenschutz fehle.