Die Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare ist eine Herausforderung unserer Zeit. Dazu ist im Südosten von Schleswig-Holstein ein riesiges Umspannwerk geplant. Als bestgeeigneten Ort dafür haben die Betreiberfirmen die kleine Gemeinde Sahms im Kreis Herzogtum Lauenburg ausgemacht. Das weckt Gegnerschaft bei Bewohnern. Andererseits können Landwirte zu gutem Preis Fläche verkaufen.
Da im „echten Norden“ viel Windstrom erzeugt wird und künftig noch mehr erzeugt werden soll, muss ein großer Teil davon in Großstädte und ins übrige Bundesgebiet weitergeleitet werden. Das Fehlen von Trassen mit geeigneter Kapazität wurde vielfach in Öffentlichkeit und Politik kritisiert, aber auch deren Nachrüstung, die inzwischen verstärkt angegangen wird.
Für diese Fernversorgung ist auch ein neuer Netzverknüpfungspunkt (NVP), auch Umspannwerk genannt, vonnöten, und der soll gigantische Ausmaße haben: Mit derzeit geplanten rund 35 ha Fläche wäre die Anlage in Sahms die größte in Deutschland.
Dazu kommt eine weitere Megastromleitung, die das neue Umspannwerk mit dem bestehenden in Oststeinbek bei Hamburg (das mit 18 ha „nur“ knapp halb so groß ist) verbindet. Die Trasse würde über Stormarner und Lauenburger Kreisgebiet verlaufen, entweder entlang der A 24 oder auf einer leicht nördlichen Ausweichroute.
Sahms hat nur rund 400 Einwohner und das Dorf selbst nur eine Fläche von rund 15 ha, das neue Umspannwerk würde also mehr als zweieinhalb mal so groß wie das Dorf werden. „Die Bewohner sind gespalten“, sagt Dr. Helmut Brüggmann, Bürgermeister von Sahms. „Es hat sich eine Bürgerinitiative gebildet, die vehement gegen den NVP ist. Andererseits sind drei der vier Landwirte, deren Flächen angefragt sind, bereits bereit zu verkaufen.“ Die Betreiber hätten ein faires Angebot vorgelegt. Zudem seien sie bereit, Teilflächen, die nicht für das Werk nötig seien, aber als Restflächen für die Landwirte uninteressant wären, mitzukaufen, sodass rund 40 ha Fläche in Verhandlung seien. Jedoch könnte nicht verkaufsbereiten Eigentümern am Ende aus Gründen der Versorgungssicherheit auch Enteignung drohen.
Stefan Brüggmann, Bruder des Bürgermeisters, ist Altenteiler und einer der drei, an die die Betreiber herangetreten sind, und er hat sich zum Verkauf entschlossen. Er nennt den angebotenen Preis nicht nur wie sein Bruder „fair“, sondern „unverschämt hoch“ – „Da kann man gar nicht Nein sagen.“ Es geht bei ihm um 6 ha in zwei etwa gleich großen Einzelflächen. „Wir sind im Dorf nicht ganz glücklich über das Vorhaben, es gibt viel Unfrieden“, sagt er. Aber auch er ist überzeugt, dass bei einer Verkaufsverweigerung die Sache in ein Planfeststellungsverfahren gehen würde, an dessen Ende die Enteignung drohe. „Daran sind auch die Betreiber nicht interessiert, da es die Sache verzögern würde. Da geben sie lieber vorher mehr Geld aus.“
Der neue NVP soll drei Teile in einem Komplex zusammenfassen: ein Umspannwerk von TenneT, das die Nord-Süd-Achse von Lübeck über die Elbe Richtung Niedersachsen vervollständigen soll, ein Umschaltwerk der Firma 50Hertz für die oben genannte Verlängerung einer bestehenden Ost-West-Leitung aus Mecklenburg nach Hamburg und schließlich ein Umspannwerk der Schleswig-Holstein Netz AG für die örtliche Versorgung.
Bei der Suche nach einem geeigneten Platz für die Anlage am Kreuzungspunkt der Fernleitungen haben sich die Betreiberfirmen für den Standort Sahms entschieden. Das Vorhaben wird nun der Bundesnetzagentur zur Prüfung vorgelegt, die allerdings bereits in die Entscheidungsfindung einbezogen war. „Wir als Gemeinde haben darauf gar keinen Einfluss“, sagt Helmut Brüggmann.
Wenn alles glatt läuft, soll 2025 mit dem Bau begonnen und in einem „sportlichen“ Zeitplan bis 2029 das Vorhaben abgeschlossen werden. Bürgermeister Brüggmann: „Bei der Bauplanung können wir dann als Gemeinde ein bisschen mitreden.“