Wenn sich mehr als 250 Reiter mit Lanzen oder Stechern treffen, geht es heutzutage zum Glück nicht um eine Schlacht. Vielmehr wird dann wahrscheinlich gerade ein Wettbewerb ausgetragen, bei dem an unterschiedlichen Orten in Schleswig-Holstein das Kulturerbe Ringreiten gelebt und präsentiert wird. Das Landesringreiten findet nur alle vier Jahre statt. Wegen der Pandemie gab es diesmal eine fünfjährige Pause, bevor sich die Ringreiter aus ganz Schleswig-Holstein in Wittbek im Kreis Nordfriesland trafen.
„Mir geht es um den Umgang mit dem Pferd und um die Kameradschaft“, erzählt Claus Röhe über seine Leidenschaft für das Ringreiten. Mit 18 Jahren, damals noch in Oldersbek ansässig, begann er mit diesem Sport. Inzwischen ist der heutige Mildstedter, Kreis Nordfriesland, seit 50 Jahren dabei. Doch in diesem Jahr war er zu beschäftigt, um selbst mitzumachen, denn er gehörte zum Veranstalterteam des Landesringreitens.
Die Vorbereitungen laufen zwar schon seit einem Jahr, aber wenn knapp 264 Reiter mit ihren Pferden anreisen, um auf 28 Bahnen ihre Wettkämpfe auszutragen, dann muss das gut koordiniert werden. Ein Treffen der Ringreiter in dieser Größe gibt es sonst nur noch in Dänemark. Dort, bei Sonderburg, sind es sogar noch mehr Teilnehmer. In Schleswig-Holstein wird hauptsächlich an der Westküste Ringreiten veranstaltet, vereinzelt auch im Landesinneren. Einzelne Veranstaltungen gibt es auch in den Niederlanden, in Niedersachsen und in Mecklenburg-Vorpommern. „Aber weiter nach unten geht es nicht“, weiß Röhe.
Immaterielles Kulturerbe
Hier in Schleswig-Holstein gibt es das Landesringreiten seit 60 Jahren. Röhe ist seit 30 Jahren dabei und hilft mit. Die Veranstaltung wurde im Laufe der Jahre an den unterschiedlichsten Orten durchgeführt, sogar schon auf Sylt. Röhe ist auch im Vorstand des Landesringreiterbundes und war gemeinsam mit seiner Kollegin Maike Buchholz aus Ostenfeld, Kreis Nordfriesland, maßgeblich daran beteiligt, dass das Ringreiten 2021 zum immateriellen Kulturerbe ernannt wurde. Die Idee kam von ihrem verstorbenen Mann Horst Buchholz.
Die beiden hatten die aufwendige Bewerbung mit großem Engagement vorbereitet. „Die Recherchearbeit hat zwei Jahre gedauert, da im Antrag sehr detaillierte Ausführungen gefordert sind“, berichtet Röhe. Unter der Überschrift „immaterielles Kulturerbe“ sammelt die Unesco mündliche Überlieferungen, Bräuche und Feste, darstellende Künste, Wissen und traditionelle handwerkliche Fertigkeiten. Die Expertenkommission begründete die Aufnahme unter anderem damit, dass das Ringreiten an der Westküste eine identitätsstiftende Wirkung habe und in der lokalen Bevölkerung sowie in den Reitvereinen tief verankert sei.
Das zeigte sich auch in der regen Beteiligung am diesjährigen Landesringreiten. Es nahmen Viererteams aus 66 Vereinen teil. Gestartet wurde ohne Alterskategorien, wobei das Mindestalter 16 Jahre betrug. „Der älteste Teilnehmer war 80 Jahre alt“, berichtet Claus Röhe. Jeder Reiter durfte 30 Mal sein Glück versuchen, also durch den Galli reiten – das sind die zwei Pfosten mit dem Tau in der Mitte und dem Magneten daran – und dabei den Ring stechen. Neben den Teilnehmern wurden noch Aufschreiber, Richter, Ringaufhalter und Ringsammler benötigt, also mindestens vier Personen pro Bahn.
Im Galopp stechen
Die Regeln sind recht einfach: Gefordert sind drei Galoppsprünge vor dem Galli und drei danach. Wenn ein Pferd während des Stechens in den Trab fällt, zählt der Ring nicht. Hat alles geklappt und der Ring ist auf der Lanze beziehungsweise dem Ringstecher, muss er mit der Hand abgenommen werden. „Den Ring einfach herunterzuschmeißen gehört sich nicht“, erklärt Röhe.
In den meisten Vereinen treffen sich die Ringreiter regelmäßig zum Training, wobei vor allem die Zielgenauigkeit des Reiters geübt wird. Wichtig seien auch ruhige Pferde und eine gute Verbindung mit dem Reiter. „Bei so einer großen Veranstaltung gibt es ein großes Gewühl. Es wird dicht auf dicht geritten und auch auf die Pferde zu“, erklärt Röhe. Das heißt, entweder eignet sich ein Pferd dafür oder eben nicht. Rote Schleifchen, wie sie auf Spring- oder Dressurturnieren bei schlagenden Pferden üblich sind, sieht man beim Ringreiten nicht. „Es ist wie ein Ehrenkodex, dass solche Pferde zu Hause bleiben“, sagt der Profi.
Heute sattele praktisch niemand mehr nur einmal im Jahr sein Pferd und gehe zum Ringreiten. Das komme nur noch vereinzelt vor. Früher hingegen sei es immer so gewesen, dass sich die Knechte die Ackerpferde der Bauern ausgeliehen und sich zum Turnier getroffen hätten. Manchmal seien auch die Bauern selbst an den Start gegangen, als „Herren“, aber stets getrennt von den Knechten.
Solche Unterschiede gibt es heute nicht mehr. Gestartet wird in drei unterschiedlichen Kategorien: lange Lanze, Ringstecher und normale Lanze. Letztere Kategorie ist am weitesten verbreitet. Hier nahmen dann auch 148 Reiterinnen und Reiter teil. „Eine normale Lanze ist 1,40 Meter lang und wird auf 40 Zentimetern gehalten“, erklärt Röhe. Der Ring hat einen Durchmesser von 2 cm.
Schwierige lange Lanze
Der gastgebende Ringreiterverein Wittbek konnte mit der normalen Lanze gewinnen. Die vier Reiter holten insgesamt 95 von 120 Ringen. Zweiter wurde der Ringreiterverein Tetenbüll, Kreis Nordfriesland, mit 84 Ringen vor den Osterhevern, Kreis Nordfriesland, die zwar ebenfalls 84 Ringe hatten, aber beim sogenannten Umstechen verloren. „Hier reiten alle noch einmal durch den Galli, es kommen dann aber kleinere, sogenannte Königsringe zum Einsatz“, erklärt Röhe. Bei nur 1 cm Durchmesser gebe es dann schnell ein Ergebnis. Auch bei den Einzelreitern gab es ein Umstechen. Matthias Thiesen und Jane Petersen hatten jeweils 29 von 30 Ringen. Am Ende setzte sich Thiesen durch. Er startete auch für die Mannschaft aus Tetenbüll.
Die schwierigste Disziplin ist die lange Lanze. Sie ist 2,20 m lang und wird auf ungefähr 1,40 m gehalten. „Die hat hinten ein Kontergewicht, damit man sie überhaupt halten kann“, erklärt Röhe. Der Ring ist hier unwesentlich größer: 2,2 cm. Zehn Teams, also 40 Reiter, trauten sich an den Start. „Ich habe beobachtet, wie sie den kleinen Ring auf die Lanze bekommen und wie schnell sie da durchreiten. Das ist Wahnsinn“, schwärmt Röhe. Mit 66 Ringen gewann hier die Reitergemeinschaft Soholm, Kreis Nordfriesland, vor dem Ringreiterverein Medelby, Kreis Schleswig-Flensburg, mit 64 und dem Ringreiterverein Westre und Umgebung, Kreis Nordfriesland, mit 63 Ringen. Bester Einzelreiter war hier Marcel Hansen aus Medelby mit 26 Ringen.
Veranstalter gesucht
In der Kategorie der Ringstecher wird auf eine Scheibe als Ring gezielt. Die Öffnung ist auch hier wieder 2 cm groß. „Der Ringstecher sieht ein bisschen aus wie ein Pistolengriff aus Draht“, erklärt Röhe. Ein Holzstöckchen würde zwar auch gehen, das könne aber auch mal wehtun, wenn man dagegenstoße.
Hier gingen 19 Teams an den Start. Am besten lief es für den Ringreiterverein Nahe und Umgebung, Kreis Segeberg. Die Reiter holten 99 Ringe. Der zweite Platz ging an den Ringreiterverein Ketelsbüttel, Kreis Dithmarschen, mit 87 Treffern. Dritte wurden die Teilnehmer vom Ringreiterverein Dithmarsia Hochdonn mit 78 Ringen. Dieser Verein stellte auch den besten Einzelreiter, Markus Stotzem mit 29 Treffern.
Am Ende waren Claus Röhe und die anderen Veranstalter mehr als zufrieden. „Wir haben so lange vorbereitet und seit einer Woche aufgebaut. Der Tag selbst ist dann das schöne Ende“, sagt Röhe. Mit der Unterstützung aus vielen teilnehmenden Vereinen sei aber alles gut machbar gewesen. Es habe richtig Spaß gemacht. Nun wird ein Ausrichter für das Landesringreiten 2026 gesucht. Bewerber können sich gern bei Maike Buchholz unter buchholz.maike@gmx.de oder Tel.: 0 48 45-70 12 58 melden.