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Die Ampel-Regierung will ihre Sparbeschlüsse für den Bundeshaushalt des kommenden Jahres teilweise zurücknehmen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Dr. Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verständigten sich auf Änderungen der Vereinbarung vom Dezember zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2024. Dies teilte das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung am Donnerstagnachmittag mit.
Im Vergleich zur Einigung vom 15. Dezember 2023 ist nun vereinbart worden, auf die Abschaffung der Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft zu verzichten. Dies erfolge insbesondere „um den zum Teil erheblichen bürokratischen Aufwand für die betroffenen Unternehmen zu vermeiden“, hieß es.
Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel werde zudem nicht in einem Schritt vollzogen. Stattdessen erfolge eine schrittweise Reduzierung der Begünstigung, um betroffenen Unternehmen „mehr Zeit zur Anpassung zu geben“. Im Jahr 2024 soll eine Reduzierung des Entlastungssatzes um 40 % erfolgen. In den Jahren 2025 und 2026 werde jeweils eine weitere Reduzierung um 30 % erfolgen, sodass für im Jahr 2026 verbrauchte Mengen keine Subvention mehr erfolgt. Die Rückvergütung der im Jahr 2023 verbrauchten Mengen im Jahr 2024 erfolge unverändert.
Auf der Online-Plattform X (ehemals Twitter) verkündete Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne): „Wir haben gemeinsam eine Lösung gefunden, die eine überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft abwendet.“ Özdemir dankte in dem Post „ausdrücklich“ Kanzler Scholz sowie Vizekanzler Habeck und Bundesminister Lindner.
2023 war ein herausforderndes Jahr, vielleicht mehr denn je. Die Welt ist wieder gefährlicher und unberechenbarer geworden in den vergangenen zwölf Monaten. Ein Krieg, der nicht endet, und ein neuer, der begonnen hat, haben uns gelehrt, ganz neu über Frieden und Sicherheit nachzudenken. Die Agrarwirtschaft hierzulande war neben Wetterextremen, Lieferkettenproblemen und Arbeitskräftemangel vor allem politischem Überehrgeiz ausgesetzt.
Auf EU-Ebene konnte die geplante neue Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation, SUR), die massive Einschränkungen bedeutet hätte, vorerst gestoppt werden. Beim Naturwiederherstellungsgesetzt (Nature Restoration Law, NRL) zielen die Grundforderungen darauf ab, dass die EU-Staaten bis 2040 40 % der landwirtschaftlich genutzten Moorflächen wiederherstellen und 30 % davon wiedervernässen müssen. Der Rückgang der Bestäuberpopulationen muss bis 2030 nicht nur gestoppt, sondern umkehrt werden.
Bei der Industrieemissionsrichtlinie konnten völlig überzogene Vorstellungen der EU-Kommission zur Rinderhaltung abmoderiert werden, dennoch werden Schweine- und Geflügelhaltung in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren einbezogen. Die EU-Kommission plant, das EU-Gentechnikrecht zu liberalisieren. Dafür definiert die Brüsseler Behörde zwei Kategorien von Nutzpflanzen, die mittels biotechnologischer Verfahren wie der Genschere CrispR/Cas entstehen können.
Im Dezember 2023 hat die EU-Kommission die Genehmigung für Glyphosat um zehn Jahre verlängert. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) hat das geltende nationale Anwendungsverbot für Glyphosat per Eilverordnung ausgesetzt. Die für sechs Monate geltenden Verordnung des BMEL soll übergangsweise Rechtssicherheit geschaffen, während nach neuen Spielräumen für weitere Einschränkungen gesucht wird. Die Haltungskennzeichnung hat Bundestag und Bundesrat passiert. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz ist zunächst für die Schweinemast gestartet. Innerhalb eines Jahres müssen alle deutschen Betriebe mit Mastschweinehaltung ihre Haltungsform(en) der zuständigen Behörde melden. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, die sogenannte Borchert-Kommission, hat seine Auflösung beschlossen. Nach langem Warten auf eine Einigung der Bundesregierung zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung war die Geduld erschöpft.
Der Agrarbericht für 2023 zeigte neben einer dringend notwendigen positiven Einkommensentwicklung für 2022 die erschütternde Bilanz des Strukturwandels der vergangenen zehn Jahre. Zwischen 2010 und 2020 haben 36.100 landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben, das sind etwa zehn Betriebe pro Tag. Die Zahl der Schweine haltenden Betriebe hat sich in diesem Zeitraum von 60.000 auf 32.000 fast halbiert. Die Krone hat dem Ganzen im Dezember die von der Bundesregierung beabsichtigte Streichung der Agrardiesel- und der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge aufgesetzt. Die Landwirtschaft derart überproportional für die Deckung der Schäden durch den rechtswidrigen Schattenhaushalt heranzuziehen, beantwortet die Branche gerade mit sichtbarem Protest auf den Straßen.
Die große Teilnahme an den Demonstrationen zeigt, wie dicht die Branche zusammensteht, wenn es darauf ankommt. Bislang deutet nicht viel darauf hin, dass 2024 unter diesen Rahmenbedingungen ein einfaches Jahr wird. Aber es kann ein guter Anfang werden, wenn die Warnleuchten gemeinsam angehen, wenn Respekt und Zusammenhalt walten und die Botschaften gemeinsam und mit einer Stimme vorgetragen werden.
Einen glückenden Start in ein friedvolleres und für die Landwirtschaft gerechteres Jahr!
Klaus-Peter Lucht zieht eine positive Bilanz aus seinen Gesprächen im vorigen Jahr. Der Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein lässt nicht nach, die Gesprächsbasis über alle Shareholder auszubauen, Politik und Meinungsträger in sein Boot zu holen. Die Demonstrationen die gerade im ganzen Land stattfiden zeigen für ihn, wie wichtig der Ausstausch ist.
Herr Lucht, was hat sich für Sie persönlich verändert seit der Wahl? Was kriegen Sie noch mit von ihrem Hof?
Klaus-Peter Lucht. Fotos: Ulrike Baer
Klaus-Peter Lucht: Der Hof sieht mich jeden Morgen, vor allem meine Kühe beim Melken, wenn ich zu Hause bin. Die politische Arbeit ist enorm wichtig, aber die Bodenhaftung darf nicht verloren gehen. Die GbR mit meinem Sohn gibt mir den Freiraum für das Ehrenamt, den ich brauche. Die Schwerpunkte haben sich verschoben, ich bin nicht mehr die erste Arbeitskraft auf dem Hof und werde nicht mehr zum Maisfahren eingeteilt. Zu meinen Aufgaben gehört immer noch die Dokumentation. Das bringt Ernüchterung, und ich weiß genau, vor welchen Herausforderungen wir auf den Betrieben stehen.
Welches persönliche Resümee ziehen Sie nach einem Jahr an der Spitze des Bauernverbandes Schleswig-Holstein?
Es macht immer noch Freude, und ich glaube, wir haben einiges erreicht im vorigen Jahr. Ein wichtiges Anliegen war, dass der Dialogprozess „Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein“, der vor gut drei Jahren begann, vorankommt. Wir arbeiten jetzt endlich an den einzelnen Thesen. Beim Thema Wasser sind wir bereits sehr weit und haben eine Digitalplattform entwickelt. Und wir können in diesem Jahr auf der Norla neue Projekte zur Biodiversität in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium vorstellen. Ebenso läuft die Kooperation mit den Umweltverbänden in diesem Bereich sehr vernünftig. Agrarminister Werner Schwarz (CDU) unterstützt uns bei den Moorthemen, und Flurbereinigungsverfahren sollen nach vorne gebracht werden.
Der Moorschutz steht ganz oben auf der Agenda von Landespolitik und Bauernverband. Wie lassen sich Landwirtschaft und Moorschutz in Einklang bringen?
Der Bauernverband hat ein Moorschutzpapier erarbeitet, das den Fokus auf das Prinzip der Freiwilligkeit legt, den Erhalt von Betrieben und die kooperative Beteiligung der Wasser- und Bodenverbände. Im vergangenen Jahr haben wir intensive Gespräche mit den beiden zuständigen Ministerien für Landwirtschaft und für Umwelt sowie mit der Stiftung Naturschutz geführt. Der ausufernde und unkoordinierte Flächenkauf oder die Zupacht durch die Stiftung muss aus unserer Sicht ein Ende haben. Wir wollen dahin kommen, Flächen genau zu definieren, die schnell und einfach wiedervernässt werden können. Flächen in topographisch geeigneten Niederungen, die keine ertragsfähige Bewirtschaftung zulassen, könnten dann mit erster Priorität vernässt werden. Hilfreich wären Flurbereinigungsverfahren auf regionaler Ebene und freiwilliger Landtausch, um zukunftsfähigen Betrieben die Weiterbewirtschaftung zu ermöglichen.
Wenn es uns nicht gelingt, mit geeigneten Maßnahmen eine angepasste Bewirtschaftung zu ermöglichen, werden Betriebe aufhalten, werden junge Menschen den ländlichen Raum verlassen und andere Berufsperspektiven suchen. Das würde Betriebs- oder Familienvermögen vernichten. Die Erfahrung zeigt, dass Betriebe, die seit Jahren mit 20 cm Wasserstand unter der Grasnarbe arbeiten, gute Silagequalitäten und erfolgreich Milch produzieren. Eine technische sowie wirtschaftliche Nutzungsoption wäre der Bau von Flächenphotovoltaikanlagen zur Energieproduktion. Im Oldenburger Graben wurde das Modell einer Flächengenossenschaft entwickelt, bei dem durch Kooperation sowohl Vernässung als auch Grünlandnutzung und energetische Nutzung möglich sind. Das zeigt, Naturschutz ist auch in marktwirtschaftlichen Systemen möglich.
Ein großflächiges Thema sind die fast 60.000 km langen Knicks im Land. Die Unesco hat im März die Knickpflege in Schleswig-Holstein in das bundesweite Verzeichnis Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Was macht die Knickpflege zum Dauerthema mit dem Umweltministerium?
Der Knick hat viele Facetten, als traditioneller Bestandteil unserer Kulturlandschaft sowie im Natur- und Klimaschutz. Nahezu jeder landwirtschaftliche Betrieb in Schleswig-Holstein hat damit zu tun, bis auf die Betriebe in den Marschregionen. Unser beständiges Anliegen in der Landwirtschaft sind praxistaugliche Vorschriften zur Knickpflege. Ein großes Thema ist die Auffassungsänderung beim Umweltministerium. Demnach ist das seitliche Einkürzen der Knicks nur noch in den Wintermonaten möglich.
Dieses Jahr bietet wieder ein gutes Beispiel, warum der Rückschnitt nach der Ernte und nicht erst im Winter möglich sein sollte. Die Flächen sind in der Regel zu diesem Zeitpunkt nicht befahrbar oder würden geschädigt. Das betrifft nicht nur das seitliche Aufputzen mit Forstmaschinen, das Astwerk muss auch verladen und abtransportiert werden. Alle drei Jahre seitlich Aufputzen, und dann nur in den Wintermonaten, das ist für die Betriebe nicht darstellbar, denn gerade die Getreideflächen sind dann längst wieder bestellt. Das trifft vor allem Ostholstein.
Es gab zu dieser Thematik von unserer Seite auch Gespräche mit Vertretern von Nabu und BUND, die keine Einwände gegen den Zeitpunkt nach der Ernte haben. Solange das Land sich beim Rückschnitt auf den Bund und auf Artenschutzvorgaben beruft, die eine Durchführung nur in den Wintermonaten zulässt und eine Dreijahresfrist vorgibt, können die Landwirte kaum ordnungsgerecht ihren Verpflichtungen nachkommen.
Knickverstöße werden sanktioniert…
Leider setzt das Ministerium bei Knickpflegeverstößen zum Teil Vorsatz voraus, wodurch es in der Folge zu hohen Prämienkürzungen kommen kann. Das ist nicht gerechtfertigt und nicht angemessen. Den Dialog fortzusetzen und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten eine Annäherung zu finden, wäre für die betroffenen Landwirte ein Weg. Hier hilft auch der Bauernverband. Für den seitlichen Rückschnitt wäre die Aufhebung der Dreijahresfrist ein Weg zurück zur Praxistauglichkeit.
Jochen Warnke (Mitte) berichtet Klaus-Peter Lucht und Mechthilde Becker-Weigel von seinen Erfahrungen als Lohnunternehmer mit Knickarbeiten.
Vor Weihnachten hat die Bundesregierung bekannt gegeben, die Steuerrückerstattung für Agrardiesel und die grünen Kennzeichen zu streichen. Wie stark treffen diese Sparpläne die Landwirte in Schleswig-Holstein?
Das ist für die Landwirtschaft ein Schlag ins Kontor. Die Kürzung der Agrardieselrückerstattung macht 21 Cent pro Liter Diesel aus, das trifft uns hart, genauso wenn die grünen Nummernschilder abgeschafft würden. In Summe sind es zwei Mal 450 Millionen Euro und für Schleswig-Holstein allein 30 Millionen Euro. Den Verlust können die Landwirte an keinen Kunden weitergeben. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung das Gespräch mit dem Deutschen Bauernverband sucht, um gemeinsam zu überlegen, was nötig und möglich ist. Das ist leider nicht passiert.
Ab dem 8. Januar sind deutschlandweit Aktionen geplant, auch in Schleswig-Holstein. Was wollen Sie erreichen?
Das Hauptziel ist und muss bleiben: keine Steuererhöhungen beim Agrardiesel und Erhalt der grünen Nummernschilder! Das ist und bleibt die zentrale Botschaft. Es wird berichtet, dass wir super viele Unterstützer haben. Aber in Einzelgesprächen, die ich auch mit anderen Branchen geführt habe, wird geäußert, dass die Gruppen unterlaufen werden von Personen, die nicht für Agrardiesel kämpfen, sondern ihre eigenen Interessen im Sinn haben. Wir sollten als Landwirtinnen und Landwirte, gleich ob Mitglied im Bauernverband oder vielleicht bei LsV, darauf achten, dass wir unsere Kernforderung Agrardiesel und grüne Nummernschilder nicht aus den Augen verlieren. Wir sollten unbedingt erreichen, dass unsere Kernbotschaft nicht verwässert.
Sind Traktordemonstrationen eine neue Kommunikationsform in der Landwirtschaft?
Nein! Das dürfen sie auch nie sein. Wir können einmal mit dem Traktor losfahren, auch zwei- und dreimal. Wir sind dann kurzfristig in den großen Medien, aber die Wirkung nutzt sich bei zu häufigem Gebrauch ab. Genauso wird es mit Großdemonstrationen sein. Dann würden sie nur noch als Störung unserer Mitbürger wahrgenommen werden. Deshalb ist für mich wichtig, dass wir an drei Tagen in Schleswig-Holstein aktiv auf der Straße sind und unsere Mitbürger mitnehmen, ihnen die Situation erklären und sie nicht verärgern. Eine große Demonstration in Berlin am 15. Januar hat für mich oberste Priorität, weil die Entscheider der Politik in Berlin sind. Denn grundsätzlich versuchen wir, unsere Forderungen politisch umzusetzen, indem wir als Bauernverband mit unserem Hauptamt und Ehrenamt den Austausch mit der Politik auf den verschiedensten Ebenen suchen.
Es entstehen sehr starke Bilder in den Medien. Besteht die Gefahr, dass diese Bilder von anderen genutzt werden?
Leider ja. Nichtdemokratische Gruppen wollen diese Bilder nutzen, um ihr eigenes politisches Portfolio zu stärken oder abwegige Forderungen damit zu verbinden. Sie unterlaufen die Informationsgruppen. Das ist die Herausforderung: zu sehen, wer unsere echten Freunde und Unterstützer sind. Das Transportgewerbe zähle ich absolut dazu und den vor- und nachgelagerten Bereich. Unser Ziel ist die grüne Nummer und der Agrardiesel. Das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, wenn wir erfolgreich sein wollen.
Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?
Ich wünsche mir Kommunikation, dass Landwirte und Nichtlandwirte noch viel mehr miteinander sprechen. Denn reden hilft. Wir dürfen uns nicht nur in unserer eigenen Blase bewegen. Das hat uns der Dialogprozess in Schleswig-Holstein gezeigt. Ich wünsche mir, dass wir dabei bleiben und nicht müde werden, zu erklären, wie wichtig die Landwirtschaft ist – nicht nur für den ländlichen Raum.
Im Vergleich zu früheren Jahren hat die Entsorgung von Klärschlamm über die Ausbringung auf landwirtschaftlichen Flächen deutlich abgenommen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) wurden von den 2022 insgesamt entsorgten 1,67 Mio. t Klärschlamm nur noch knapp 333.000 t und damit 19,4 % bodenbezogen beziehungsweise stofflich verwertet.
Zehn Jahre zuvor hatte der Anteil des in der Landwirtschaft, im Landschaftsbau und zu anderer stofflicher Verwertung eingesetzten Klärschlamms noch bei 45 % gelegen. Zu Beginn der Zeitreihe im Jahr 2006 war über diese Verwertungsart sogar 53 % des gesamten Klärschlamms entsorgt worden. Gleichzeitig gewinnt die thermische Verwertung von Klärschlamm immer mehr an Bedeutung.
Im Berichtsjahr wurde laut Destatis anteilig erstmals die Marke von 80 % übertroffen. Insgesamt wurden 2022 bundesweit 1,34 Mio. t Klärschlamm oder 80,2 % verbrannt. Auf diesem Weg wurden den Statistikern zufolge 132,8 Mio. kWh Strom und 355,9 Mio. kWh Wärme erzeugt. Im Jahr 2012 hatte der Anteil der thermischen Klärschlammverwertung erst bei 55 % und 2006 bei 47 % gelegen.
Das Jahr 2024 steht für den Landjugendverband ganz im Zeichen des Deutschen Landjugendtages (DLT). Dieser findet vom 14. bis 16. Juni 2024 in Jübek im Kreis Schleswig-Flensburg statt. Und genau hier werden Helferinnen und Helfer und Unterstützer gebraucht, damit eine der größten Sommerpartys in Schleswig-Holstein unter dem Motto „Segel setzen, Flagge zeigen“ starten kann.
Als Teil des Teams erwarten euch:
Festival-Feeling mit Zeltübernachtung
Drei Tage Landjugend-Party mit 1.000 Gleichgesinnten aus ganz Deutschland
Spannende Ausflüge
Ein witziges Theaterstück von Lajus für Lajus
Alle Infos und Anmeldung unter www.dlt2024.de und auf Instagram deutscher_landjugendtagljv
LandFrauen sind mit Leidenschaft bei ihrem Ehrenamt, Brückenbauerin und eine Konstante in krisengeschüttelten Zeiten, wie sie derzeit alle erleben. Was bewegte die LandFrauen im zurückliegenden Jahr, was wollen sie im kommenden Jahr in Angriff nehmen? Die Präsidiumsmitglieder des Landesvorstandes, allen voran Präsidentin Claudia Jürgensen, haben ihre Gedanken zum neuen Jahr aufgeschrieben.
„Danke“ – Dieses kleine Wort soll das erste meines Jahresrückblicks sein. Mein persönliches LandFrauenjahr war ein besonderes und jetzt ist eine gute Gelegenheit, „Danke“ zu sagen für das entgegengebrachte Vertrauen bei der Wahl zur Präsidentin. Es ist schön zu wissen, so viele Delegierte hinter sich zu haben, die den Weg der LandFrauen in Schleswig-Holstein gemeinsam weitergehen wollen.
Zusammen startete der neu aufgestellte und hoch motivierte Vorstand mit der Vertreterinnenversammlung am 1. April in ein neues LandFrauenjahr. „Das Beste liegt nie hinter uns, sondern immer vor uns“. Es fällt sicher schwer, angesichts des Weltgeschehens und manch politischer Entscheidung, dieses Zitat des britischen Philosophen und Mathematikers, Bertrand Russell, in den Mund zu nehmen. Aber für unsere LandFrauenarbeit möchte ich es doppelt unterstreichen. Würden wir nicht so denken, dann wären wir nicht angetreten für ein Ehrenamt, in das wir großes persönliches Engagement stecken. Ich möchte behaupten, meine Vorstandskolleginnen und ich leben die Idee der LandFrauen. Unser aller Bestreben ist es, den LandFrauenverband zukunftsweisend zu gestalten.
Mein Jahresrückblick ist geprägt von meiner Wahl zur Präsidentin, einem Amt, das ich mit der zugehörigen Portion Demut antrat, obgleich ich mir dabei eines besonders auf die Fahnen geschrieben habe: Ich will mich bei der Ausführung des Amtes nicht verbiegen. Bei mir wird immer die Freude an dem Ehrenamt im Fokus stehen.
Es ist eine Sache, sich vorzustellen, dieses Amt innezuhaben, mit Leben zu füllen, nach vorn zu blicken und die Zukunft zu gestalten. Und dann kommt einem das reale Leben mit aller Macht in die Quere. In diesem Jahr haben uns die Klimakrise, Inflation und nicht zuletzt die schrecklichen Kriege und der Rassismus/Antisemitismus auch hier in Deutschland tief bewegt und Zukunftsängste geschürt. Gerade diese Ängste bedeuten für unseren Verband eine besondere Herausforderung. Wir wollen sie als Motivation sehen, die Gemeinschaft der LandFrauen weiter zu stärken. Denn gerade, wenn sich die Welt um uns herum verändert, sind es die Konstanten, die Sicherheit geben. Ich persönlich wünsche mir, dass wir unsere Gemeinschaft weiter stärken, um Rassismus, Antisemitismus und Hass entgegenzuwirken. Ehrenamt ist gelebte Demokratie. Es ist so wichtig und gut, dass es uns gibt! Unser starkes Band, unsere Lebensfreude und Energie, die wir gemeinsam haben, konnten wir alle im Mai spüren. LandFrauen und Gäste erlebten unter dem Motto „Zum Glück zurück“ einen LandFrauentag, der bei allen Beteiligten noch lange positiv nachhallte.
Viele zukunftsweisende Veranstaltungen und Seminare sollten noch folgen. So zum Beispiel die erfolgreiche Qualifizierung der Büroagrarfachfrauen. Ich hatte die Gelegenheit, alle Absolventinnen 2022/2023 kennen zu lernen. Diese Qualifizierung ist ein großer Gewinn. Die fachliche Ausbildung, aber auch das Netzwerk, das hier gesponnen werden kann, ist nicht zu unterschätzen. Bildung macht stark. Das habe ich bei der Übergabe der Zertifikate an die digitalen Patinnen gespürt. In Zusammenarbeit mit dem Breitbandkompetenzzentrum Schleswig-Holstein schulen wir LandFrauen, die als Multiplikatorinnen die mediale Kompetenz im ländlichen Raum stärken. Dass es so viele Frauen gibt, die das Angebot annehmen, stimmt mich zuversichtlich für unsere Zukunft.
„Zukunft Land – LandFrauen für Schleswig-Holstein“, so lautet unser Jahresmotto. Gemeinsam sind wir erste Schritte in diese Zukunft gegangen, haben in Klausur- und Arbeitstagungen neue Ziele formuliert, die im nächsten Jahr in Zukunftskonferenzen konkretisiert werden sollen. Darauf freue ich mich sehr. Denn: „Das Beste liegt nie hinter uns, sondern immer vor uns“. In diesem Sinne wünsche ich uns allen Freude und Zuversicht für das kommende Jahr.
Fiete, das Maskottchen des Deutschen Landjugendtages 2024, könnte der Star des neuen Jahres werden. „Geboren“ wurde er 2023, wie der Jahresrückblick im aktuellen Bauernblatt zeigt.
Auf zwei Seiten werden dazu zahlreiche Momente gezeigt, die in den zurückliegenden zwölf Monaten mit dem Handy festgehalten wurden.
Landesberufswettbewerb LandwirtschaftVorstandsarbeit in Ballkleid und Anzug auf der IGWAufruf zu den KommunalwahlenWarm-up zur VorstandsklausurTreffen mit der FeuerwehrBlutspendeaktionAgrarexkursion im SommerIm Schapptüüch zum Landjugendball auf der IGWErntekrone für die Landwirtschaftskammer
Die von der Bundesregierung beabsichtigte Streichung der Agrardiesel- und der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge hat die Bauern in Rage gebracht. Es sind umfangreiche Aktionen geplant, um gegen diese Vorhaben zu protestieren und ihre Zurücknahme zu erreichen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) muss 60 Mrd. € aus dem Klima- und Transformationsfonds streichen. So haben es die Richter des Bundesverfassungsgerichts am 15. November entschieden – ein Urteil, das den Haushalt, die Umwelt- und Klimapolitik sowie die Ampel-Koalition unter Druck setzt. Im Bundeshaushalt 2024 müssen noch 17 Mrd. € gespart werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich zur Lösung darauf geeinigt, in diesem Zuge 3 Mrd. € bei „klimaschädlichen Subventionen“ zu streichen. Dazu zählen sie die Befreiung von der Agrardieselsteuer und der Kfz-Steuer für die Land- und Forstwirtschaft. Damit würden allein auf den landwirtschaftlichen Berufsstand 1 Mrd. € entfallen, und die Landwirtschaft würde überproportional an den Kürzungen beteiligt.
„Spielball liegt beim Kabinett“
Der Deutsche Bauernverband (DBV) wendet sich strikt gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Die erste Reaktion war neben regionalen Demonstrationen die spontane Kundgebung von Tausenden Landwirtinnen und Landwirten mit 2.000 Traktoren vor dem Brandenburger Tor in Berlin am 18. Dezember.
DBV-Präsident Joachim Rukwied hat die Bundesregierung aufgefordert, in der anstehenden Entscheidung zum Bundeshaushalt 2024 die Vorschläge zur Streichung des sogenannten Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung zurückzunehmen: „Diese Bundesregierung hat die Tragweite ihrer Entscheidungen offenbar noch immer nicht erkannt“, so Rukwied. „Wir haben mit einer sehr kurzfristig angesetzten Großdemonstration in Berlin ein erstes Signal gesetzt.“
Der „Spielball“ liege derzeit beim Bundeskabinett, so der DBV. Ab dem 8. Januar werden die parlamentarischen Beratungen fortgesetzt, dann werden regionale Aktionen der Landwirte starten, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Zudem laufen Plakataktionen, die auf die Anliegen der Landwirtinnen und Landwirte hinweisen. Der Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) hat neben den bereits erfolgten Ansprachen an die Landespolitik die Parteispitzen der im Landtag vertretenen Parteien kurzfristig zu einem Gespräch eingeladen.
Ab dem 8. Januar soll es dann auch in Schleswig-Holstein zu weiteren Aktionen kommen, die der BVSH organisiert. Für alle Aktionen ist schon große Unterstützung aus dem vor- und nachgelagerten Bereich, dem Transportgewerbe, dem Handwerk und anderen zugesagt worden. Der BVSH ist im Austausch mit dem erweiterten Verbandsrat des DBV, um Aktionen zu koordinieren.
Alle Landwirtschaftsminister gegen Sparpläne
Plakat am Silo
Die Agrarminister des Bundes und der Länder lehnen die Sparpläne der Bundesregierung zu Lasten der Landwirtschaft einmütig ab. Nach ihrer einhelligen Auffassung muss sowohl die Streichung der Agrardieselvergünstigung als auch die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge vom Tisch. Bereits in der ersten Januarwoche will man sich erneut zusammenschalten, um das weitere Vorgehen zu beraten.
Weiterhin umstritten ist die Rolle von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bei dem Zustandekommen der Sparbeschlüsse. Bei der Demonstration, auf der Özdemir als einziger Politiker redete, sagte der Minister zu, er werde sich „mit aller Kraft“ dafür einsetzen, dass die Kürzungen so nicht kommen. „Ich kämpfe dafür, dass es in der Härte nicht kommt“, versicherte der Grünen-Politiker. Özdemir bekommt in seinen Bemühungen um eine Abmilderung der Sparbeschlüsse zur Landwirtschaft Rückenwind aus der Heimat. In einem Positionspapier übt die Landtagsfraktion der Grünen in Baden-Württemberg scharfe Kritik an der geplanten Abschaffung der Agrardieselvergünstigung und der Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft. Die Union hält ungeachtet der Aussagen an ihrer Kritik an Özdemir fest.
Plakat im Feld
Die Brisanz der Sparbeschlüsse sei auch im Bundeslandwirtschaftsministerium angekommen, stellte der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister und bis Jahresende 2023 Vorsitzender der Agrarministerkonferenz (AMK), Werner Schwarz (CDU), nach einer Unterredung mit Minister Özdemir fest. Konkrete Lösungsvorschläge seitens des Bundes habe es allerdings noch nicht gegeben. Schwarz wies zudem darauf hin, dass geplante Kürzungen des Bundes nicht dazu führen dürften, dass der politisch und gesellschaftlich begonnene Umbau der Tierhaltung und die Anpassung der Landwirtschaft gefährdet würden. Er reagierte damit auf Vorschläge aus den Reihen der FDP-Bundestagsfraktion, die bereitgestellten Bundesmittel für den Umbau der Tierhaltung zu kürzen. Schwarz forderte die Ampel-Koalition auf, „sich endlich zur heimischen Urproduktion zu bekennen und die aktuellen Streichungsvorschläge zurückzunehmen“.
Forderung nach Sonder-AMK
Unterdessen meldeten die Bundesländer ihren Anspruch an, bei den Verhandlungen um die Kürzungspläne des Bundes mitzureden. Sachsen-Anhalts CDU-Landwirtschaftsminister Sven Schulze und sein SPD-Amtskollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Till Backhaus, forderten eine Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK). Laut Schulze muss eine Sonder-AMK spätestens in der zweiten Januarwoche erfolgen, um Einfluss auf die Beschlüsse des Haushaltsausschusses nehmen zu können. „Ansonsten sind die Messen gesungen“, mahnte der Minister.
Eine Sonder-AMK muss von mindestens neun der 16 Länder befürwortet werden. Die AMK ist allerdings nur ein politisches Beratungs-, jedoch kein Entscheidungsgremium.
Zukunftskommission meldet sich zu Wort
Überraschend hat sich die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zu Wort gemeldet, die sich bislang bewusst aus tagespolitischen Fragen herausgehalten hatte. Das Expertengremium kritisiert eine überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft sowie des Gartenbaus durch die geplante Streichung der Agrardieselbeihilfe sowie der Kfz-Steuerbefreiung. Die jetzt vorgesehenen Kürzungen verursachten Einkommensminderungen, die in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden positiven Umwelteffekten stehen, teilte die ZKL mit.
Bereits in ihrem Abschlussbericht vom Sommer 2021 hatte sich die ZLK dafür ausgesprochen, dass eine Streichung von umweltschädlichen Subventionen mit der Förderung umweltpositiver Fortschritte verbunden werden müsse. Angesichts der aktuellen Sparpläne ließe sich daraus beispielsweise ableiten, dass im Gegenzug zu den vorgesehenen Kürzungen alternative Antriebe und umweltfreundliche Kraftstoffe entsprechend begünstigt werden. Die Einsparungen dürften nicht zu Lasten des globalen Südens und wichtiger sozialer Fragen gehen.
Was sagen Bio-Verbände und Umweltschützer?
Während Agrarverbände ihren Ton gegenüber der Bundesregierung und der Ampel-Koalition verschärften, ging mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein „Schützerverband“ auf Distanz zu den Beschlüssen der Bundesregierung, die mit dem Abbau klimaschädlicher Subventionen begründet werden.
Greenpeace hält die Abschaffung der Agrardieselvergünstigung hingegen für gerechtfertigt. Angesichts „milliardenschwerer Subventionen für die Landwirtschaft“ sei der geplante Wegfall der Dieselsubvention durchaus zu verkraften, meint Greenpeace-Agrarreferent Martin Hofstetter. Auch die Landwirtschaft müsse ihren Teil zum Erreichen der Klimaziele beitragen und auf spritsparende und klimafreundliche Antriebssysteme umschalten. Die Technik dafür sei vorhanden, erste E-Trecker bereits im Einsatz.
Demgegenüber hält Bioland-Präsident Jan Plagge Vorstellungen für reine Utopie, „dass alle Landwirte innerhalb kürzester Zeit auf alternative Antriebe oder Treibstoffe umsteigen“. Der Diesel werde sich durch die steigende CO2-Abgabe ohnehin deutlich verteuern. Auch Pflanzenöl werde als Alternative zusätzlich besteuert. Die Landwirtschaft könne nicht von heute auf morgen auf 1 Mrd. € verzichten.
Laut Demeter-Vorstand Dr. Alexander Gerber ist die geplante Abschaffung der Beihilfe für Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung ein inakzeptabler Nackenschlag und muss umgehend korrigiert werden. Reale Einkommensverluste von mehreren Tausend Euro seien für die Betriebe angesichts gestiegener Energiepreise und eines enormen Preisdrucks nicht zu stemmen.
Aktionen in Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein plant der BVSH folgende Kolonnenfahrten:
Montag, 8. Januar: Kreise Steinburg und Pinneberg und Stadt Hamburg, Kreis Segeberg, Kreis Dithmarschen
Mittwoch, 10. Januar: Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg, Kreise Herzogtum Lauenburg, Stormarn und Ostholstein-Lübeck
Freitag, 12. Januar: Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde nach und durch Kiel
Die genauen Routen, Ziele und Uhrzeiten gibt der BVSH noch bekannt.
Am Montag, 15. Januar, wird es zu einer erneuten Großdemonstration in Berlin kommen.
Die Sturmflut an der Ostsee vom Oktober ist aus den Schlagzeilen, doch die Folgen beschäftigen Betroffene und Politik noch lange. So ist Umwelt- und Küstenschutzminister Tobias Goldschmidt (Grüne) seitdem unterwegs zu den betroffenen Deichen, um sich vor Ort einen Überblick über die Schäden zu verschaffen und mit den lokalen Akteuren über Lösungsmöglichkeiten zu beraten.
„Wir lassen Sie in dieser Situation nicht allein“, versicherte Minister Goldschmidt bei seinem Besuch in Arnis. Auch bei der an der Schlei gelegenen kleinsten Stadt Deutschlands war in der Nacht vom 20. zum 21. Oktober ein Deich gebrochen. Die Sturmflut hatte das Ostseewasser in die Schlei gedrückt. Die Freiwillige Feuerwehr und viele Bürger versuchten in jener dramatischen Nacht alles, um den Deich zu retten. „450 Leute waren in dieser Nacht im Einsatz. Nachdem der Hochwasserpegel bereits wieder gesunken war, hatten wir nicht mehr damit gerechnet, dass der Deich bricht“, erinnert sich Axel Kühn, stellvertretender Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Arnis.
Um 1.30 Uhr brach der Deich dennoch. Zu diesem Zeitpunkt waren die Deichretter nicht mehr vor Ort. Großes Glück für sie, so war ihr Leben nicht in Gefahr! Das Schleiwasser überflutete Teile von Arnis. 40 Häuser waren betroffen, zehn besonders schwer. Sie sind seitdem unbewohnbar. Das Wasser stand in Kellern und Erdgeschossen – tagelang. Denn trotz des Einsatzes von leistungsfähigen Pumpen nach der notdürftigen Schließung der Deichbruchstelle brauchten Feuerwehr und Technisches Hilfswerk mehrere Tage, um das Wasser abzupumpen.
Bei den anderen Bewohnern normalisierte sich das Leben nach etwa einer Woche weitgehend, nachdem Strom und Abwasser wieder funktionierten. In den zehn besonders stark betroffenen Häusern ist an Wiedereinzug noch lange nicht zu denken.
Diskussion um den besten Hochwasserschutz: Birgit Matelski, Direktorin des LKN.SH, Umwelt- und Küstenschutzminister Tobias Goldschmidt, Deichgraf Peter Dreyer und Jens Jesaitis, LKN.SH (vorne v. li.)
Bewuchs und Maulwürfe als Gefahren
Beim Vor-Ort-Termin mit dem Minister spielten auch die kleinen Probleme eine Rolle, die die Stabilität der Deiche gefährden: der Bewuchs und die Maulwürfe. „Der Deich ist auch ein beliebter Wanderweg“, begründete Peter Dreyer, seit 40 Jahren Deichgraf von Arnis, den Bewuchs auf der Landseite des Deiches. „Bewuchs ist immer schädlich für Deiche“, erklärte Birgit Matelski, Direktorin des Landesbetriebs für Küstenschutz (LKN.SH) – siehe Artikel. Auch die Bekämpfung der Maulwürfe war Thema. Sie untergraben im wahrsten Sinne des Wortes die Stabilität des Deiches. Da es im Falle einer Bekämpfung um eine geschützte Tierart geht, ist dafür eine Sondergenehmigung erforderlich.
Erst reparieren, dann langfristige Lösungen
Es wurde schnell klar, dass die kleinteiligen Zuständigkeiten für die Deiche kaum noch kompatibel mit den aktuellen und künftigen Herausforderungen des Küstenschutzes sind. Denn zuständig für die Deiche und deren Wiederaufbau sind die örtlichen Wasser- und Bodenverbände. „Ein Meeresspiegelanstieg von 50 Zentimetern macht aus einer Jahrhundertflut eine Zehnjahresflut“, betonte Goldschmidt. Er erneuerte die Zusage des Landes, 90 % der Kosten für die Wiederherstellung der Deiche zu übernehmen, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Die einzelnen Deichabschnitte sind häufig in privatem Eigentum, oft von Landwirten. In früheren Jahrzehnten legten die lokalen Akteure Wert darauf, sich selbst um ihre Deichabschnitte zu kümmern. Bei größer werdenden Herausforderungen kommen die örtlichen Wasser- und Bodenverbände zunehmend an ihre Grenzen. Der Landtagsabgeordnete Thomas Jepsen (CDU) erklärte: „Wir brauchen eine höhere Professionalisierung der Wasser- und Bodenverbände mit Fachpersonal.“
Auf Dauer wird es wohl darauf hinauslaufen, dass das Land Deiche übernimmt. „In den 1970er Jahren war das nicht gewollt. Jetzt ist die Bereitschaft größer“, so Minister Goldschmidt, der dafür eine klare Bedingung nannte: „Dann müssen die Deiche dem Land kostenfrei übertragen werden.“
Jetzt geht es erst einmal darum, möglichst schnell die gebrochenen Deiche zu reparieren. In Arnis liegen Tausende Sandsäcke und etliche Sandcontainer an der Bruchstelle, um die Schlei aus der Stadt herauszuhalten. Im ersten Quartal 2024 soll mit den Planungen für die Reparatur des gebrochenen Abschnitts begonnen werden. Doch das ist nur der erste Schritt. Danach braucht es langfristige Überlegungen und Maßnahmen.
Küstenschutzminister Goldschmidt weiß um schmerzliche Entscheidungen, die dann zu treffen sein werden. „Wir werden Deiche hochziehen müssen, aber das wird nicht bei allen möglich sein.“ An manchen Stellen werde man der Ostsee mehr Raum geben müssen. „Und es wird Gebiete geben, an denen keine neuen Häuser mehr gebaut werden dürfen.“ Thomas Jepsen fordert eine langfristige Strategie 2100, „einen Generalplan Küstenschutz“. Um die Orte an der Schlei künftig vor Hochwasser zu schützen, schlug er ein Sperrwerk vor Schleimünde vor. Die damit verbundenen finanziellen Herausforderungen will er durch „eine andere Prioritätensetzung“ stemmen.
Dieser Deich hat gehalten, obwohl die Feuerwehr auch hier mit Bruch gerechnet hatte.
Lindenweg besonders hart getroffen
Kerstin Rosinke ist eine der Betroffenen des Arniser Deichbruchs. Erst 2019 ist die junge Frau, die als Leiterin der Bibliothek in Kappeln arbeitet, gemeinsam mit ihrem Partner von Hamburg nach Arnis gezogen. Sie kauften ein 1971 gebautes Einfamilienhaus im Lindenweg. Im Erdgeschoss war alles neu: die Küche, das Bad, das Wohnzimmer. Jetzt laufen dort die Trockner.
Das Wasser kam, während sie mit ihrem Partner im Urlaub war. „Dass bei Hochwasser einmal der Keller volllaufen kann, damit mussten wir rechnen, aber nicht, dass das Wasser im Erdgeschoss stehen würde.“ Schließlich führen mehre Stufen zur Haustür. Bei Nachbarn, deren Haus noch tiefer gelegen ist, stand das Wasser teilweise bis im ersten Stock. Erst einmal wohnen Rosinke und ihr Partner kostenfrei in der Ferienwohnung einer Freundin, zunächst bis März. Wie es dann weiter geht, wissen sie noch nicht.
Probleme mit der Versicherung
Die Gebäudeversicherung von Rosinke will nicht zahlen, weil die darin enthaltene Elementarschadenversicherung eine Sturmflut ausdrücklich ausschließt. Der Streitpunkt ist die Frage, ob die Sturmflut die Ursache für den Schaden ist. „Wenn auch das Hochwasser in der Schlei zum Ausschlussgrund Sturmflut gehören sollte, sind wir bei Vertragsabschluss nicht gut aufgeklärt worden. Wir haben ja bewusst die Elementarschadenversicherung abgeschlossen, um vor Hochwasser aus der Schlei geschützt zu sein. Und wo sonst soll es herkommen, wenn nicht aus der Ostsee?“ Anwälte kämpfen zurzeit ehrenamtlich für die Ansprüche der Versicherten – Ausgang offen.
Die Kfz-Versicherungen seien kulanter, weiß Rosinke. Die haben Kraftfahrzeuge, welche nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnten, inzwischen ersetzt. Beim Härtefallfonds des Landes konnte Rosinke noch keinen Antrag stellen. „Noch sind die Kriterien nicht klar.“ Schlecht zu sprechen ist sie auf den Bund, der nach dieser Katastrophe nicht helfen will. „Das kann doch nicht sein, nur weil hier weniger Menschen direkt betroffen sind als etwa im Ahrtal.“
Spendenaktion der Stadt Arnis
Bleibt vorerst die Spendenaktion der Stadt Arnis, die Sandra Hille koordiniert. „Daran haben sich auch viele Feriengäste beteiligt“, erklärt sie. 350.000 € sind inzwischen zusammengekommen – viel für die 273 Einwohner (Stand 2022) der kleinen Stadt, aber für 40 zum Teil schwer geschädigte Häuser eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Rosinke ist dankbar für die Hilfsbereitschaft der Mitbürger.
Die Spendenaktion der Stadt Arnis läuft weiter. Sandra Hille erklärt zum Spendenzweck: „Es geht uns um die Härtefälle. Diese unterstützen wir mit den gesammelten Geldern. Alle Spenden kommen an, und erste Teilzahlungen wurden bereits geleistet. Selbst wenn eine Elementarversicherung besteht zahlt diese nicht. Das Land hat es noch nicht geschafft, eine Härtefallregelung zu schaffen. Aktuell werden nur Darlehen mit kurzer Laufzeit und hohen Tilgungsraten angeboten. Das ist unmöglich abzubilden für Menschen, denen die Stromrechnungen aufgrund der Trockengeräte gerade die Haare vom Kopf fressen. Natürlich fühlen sich diese Menschen allein gelassen.“
Informationen zur Hilfe des Landes Schleswig-Holstein bei Schäden durch die Ostseeflut unter https://t1p.de/864jz
Bewuchs auf dem Deichkörper ist aus vielerlei Gründen unerwünscht. Vereinfacht ausgedrückt besteht ein Deichkörper aus Sand, Klei und einer Grasdecke, die vor Ausspülung schützt. Deshalb muss die Grasdecke dicht und das Gras kurz gehalten werden. Schafe verdichten mit ihren kleinen Hufen das Gras und halten es kurz.
Löcher in der Grasdecke können viele Gründe haben. Einer sind Disteln, deren Wurzeln tief in die Kleischicht eindringen und Wasser in diese Regionen lenken. Da Disteln sich schnell vermehren, stellen sie ein Problem dar. Deshalb entfernen beim LKN.SH Deichläufer die Disteln. Ähnliches gilt für Sträucher oder Bäume, die mit ihren Wurzeln die Deckschicht zerstören. Bewuchs lockt auch Tiere an, die Löcher graben, beispielsweise Mäuse. Sie fühlen sich bereits dort wohler, wo das Gras höher aufwächst.
Werden Bäume bei einem Sturm entwurzelt, werden große Löcher in die Deckschicht gerissen. Umgestürzte Bäume durchlöchern mit ihren Ästen den Deichkörper. Wird ein entwurzelter Baum immer wieder über die Grasschicht gewälzt, schält er die Schutzschicht ab.