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Der Mutmacher

In Deutschland leben 6,2 Millionen Erwachsene, die als sogenannte funktionale Analphabeten gelten. Sie können kaum lesen und schreiben. Einer von ihnen ist Uwe Boldt. Doch er holte sich Unterstützung. Heute hilft der gebürtige Hamburger auch anderen Betroffenen und macht durch Öffentlichkeitsarbeit auf das Tabuthema aufmerksam.

Wieder und wieder drehte Uwe Boldt an diesem Tag im Jahr 2000 seine Runden um das „Alfa-Mobil“, das auf einem Marktplatz in Hamburg Station machte. Es war mit einer mobilen Alphabetisierungs-Initiative deutschlandweit unterwegs, um Erwachsenen, die besser lesen und schreiben lernen wollten, Wege aufzuzeigen, Vorurteile abzubauen und über Analphabetismus zu informieren.

Uwe Boldt schaute sich das rege Geschehen am Informationsstand zunächst aus sicherer Entfernung an. Er wartete, bis es hier langsam ruhiger wurde, nahm all seinen Mut zusammen und ging hin. Der damalige Mitarbeiter Timm Helten begrüßte ihn freundlich. Der Diplom-Pädagoge informierte ihn in einem vertraulichen Vier-Augen-Gespräch darüber, dass es an der Volkshochschule (VHS) Kurse für Erwachsene gebe, die besser Lesen und Schreiben lernen wollten. „Ich war erst skeptisch, ob eine Volkshochschule tatsächlich das Richtige für mich war, meldete mich aber an“, blickt Boldt zurück.

Die Lieblingskaffeesorte im Regal zu finden, das klappt bei Uwe Boldt heute mühelos.

Heute ist er selbst „Lernbotschafter“ und steht am Alfa-Mobil, um anderen Betroffenen Mut zu machen. „Ich erkenne schon von Weitem, wenn einer da ist, der unsicher um das Fahrzeug herumläuft und sich nicht traut näherzukommen. Dann spreche ich ihn an. Manchmal ist die Scham einfach zu groß, sich zu outen, oder man befürchtet, bloßgestellt zu werden“, weiß er aus eigener Erfahrung. Aber von vorn.

Uwe Boldt wächst als Ältester von drei Geschwistern in Hamburg auf. Seine Eltern arbeiten hart, die Mutter ist Reinemachefrau, der Vater Schauermann am Hafen, wo er für das Be- und Entladen von Schiffen zuständig ist. Nur selten finden die beiden Zeit und Kraft, mit ihrem Nachwuchs Bücher anzuschauen oder ihnen daraus vorzulesen.

In der Schule merkt der kleine Uwe bald, dass ihm das Lesen- und Schreibenlernen schwerfällt. Oft wird er deshalb von Mitschülern gehänselt. Seine Eltern registrieren zwar das Problem, handeln aber nicht. „Wenn sie damals gewusst hätten, wie sie mir helfen können, hätten sie es getan“, ist der 65-Jährige überzeugt. Doch sie wissen es nicht, und so sitzt er im Klassenraum in der hintersten Reihe und fällt nicht weiter auf.

Keiner der Lehrer kommt auf die Idee, den Jungen beiseitezunehmen und zu fördern. Da er sich mündlich stets lebhaft am Unterricht beteiligt, teilweise auswendig lernt, was der Lehrer an Lernstoff vermittelt, wird er trotzdem in die nächsten Klassen versetzt. „,Aus pädagogischen Gründen‘ stand in meinem Zeugnis. Was das genau heißt, weiß ich bis heute nicht.“ Nachdem er die achte Klasse wiederholt hat, geht er nach neun Schuljahren ohne Abschluss von der Schule. Er ist zirka 16 Jahre alt, richtig lesen und schreiben kann er nicht. „Ich ging zum damaligen Arbeitsamt, und die schickten mich als Jungarbeiter in den Hafen. Da machte ich erst einmal nur Botengänge, denn ich war ja noch nicht volljährig.“

Auf Stippvisite in der Speicherstadt, in der Boldts frühere Arbeitgeberin, die Hamburger Hafen und Logistik AG, ihren Stammsitz hat.

Bei seinem zukünftigen Arbeitgeber stellt der Jugendliche sich persönlich vor, sodass er um eine schriftliche Bewerbung herumkommt. Einmal, da ist er etwa 20 Jahre alt, spricht er den Hausarzt auf sein Problem an. Dieser will ihm zwar helfen, doch die vorgeschlagenen, nicht passgenauen Angebote laufen ins Leere.

Auch wenn er kaum lesen und schreiben kann, macht sich der junge Boldt gut im Hamburger Hafen. Er wird Hafenfacharbeiter und später Kran- und Containerbrücken-Fahrer. Soll er Arbeitsprotokolle schreiben, bittet er Kollegen, es für ihn zu übernehmen. „Ich machte den Führerschein, den Staplerschein, den Großstaplerschein und den Tauchschein. Das schaffte ich mit viel Auswendiglernen und mit Prüfungsbögen, bei denen ich nur etwas ankreuzen musste, mein Lesen ging ja so.“

Doch die Furcht aufzufliegen, ist ein ständiger Begleiter. Was, wenn er zum Beispiel in einer Arztpraxis einen Anamnesebogen ausfüllen, bei einer Behörde etwas regeln oder Arbeitsanweisungen lesen muss? „Ich hatte meine Strategien und Ausreden, wurschtelte mich durch, sagte, ich hätte mir die Hand verstaucht oder die Brille vergessen, und fragte dann, ob man mir helfen könnte.“ Eines Tages macht er bei einer großen Kampagne „Gemeinsam stark“ im Hafen mit und erzählt dort offen über sein Leben.

Nach der Veröffentlichung der Dokumentation ist es „raus“, dass er Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben hat. Sein Chef reagiert verständnisvoll. „Wir setzten uns hin und sprachen über die Sache.“

Als er seine erste Frau kennenlernt, mit ihr nach Lüneburg zieht, erzählt er ihr erst spät davon. Sie nimmt es gut auf, unterstützt ihn, bis die Beziehung nach sieben Jahren zerbricht. Als Uwe Boldt im Jahr 2000 seine berufliche Position im Hafen wechselt, ist klar, dass er nun durch die fortschreitende Automatisierung ums Lesen und Schreiben nicht mehr herumkommt. Also geht er zur VHS und büffelt mit Gleichgesinnten.

Er fängt an, sich ehrenamtlich zu engagieren, gründet mit anderen die Selbsthilfegruppe „Wortblind“, ruft das Projekt „Mento“ rund ums Thema Schriftkompetenz beim DGB-Bildungswerk mit ins Leben, wird Lernbotschafter beim Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung und Mitglied in einem Lernerrat, der Unternehmen über Analphabetismus aufklärt.

Ein Schlüsselerlebnis hat er dort, als es ihm während eines Lerner-Austausches und Workshops in Belgien mit Betroffenen aus sieben Nationen gelingt, den ersten Liebesbrief seines Lebens zu schreiben. „Meine damalige Frau hat sich sehr darüber gefreut.“ Boldt macht jedoch ebenfalls die Erfahrung, dass er stetig am Ball bleiben muss, um Erlerntes nicht wieder zu verlernen. „Manchmal hatte ich einen Durchhänger und war lernmüde. Das merkte ich dann gleich“, gesteht er. Seiner zweiten Frau, die Erzieherin ist, berichtet er schon bald von seinem Problem. „Sie half mir, bestand aber darauf, dass ich Dinge zunächst selbst versuchte, bevor sie ins Spiel kam.“ Heute liest er kürzere Texte und schreibt kleinere Sätze. „Ich bin auf dem Alpha-Level zwischen drei und vier“, sagt er. Was das bedeutet? Um Unterstützungsangebote zur Überwindung des funktionalen Analphabetismus passgenau anbieten zu können, ist es wichtig, die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen zu kennen.

Dafür wurden im Rahmen einer Studie vier sogenannte Alpha-Level definiert und die damit verbundenen Kompetenzen beschrieben. Die Grenzen zwischen den einzelnen Leveln sind fließend. Alpha-Level 1 bedeutet beispielsweise, dass eine Person einzelne Buchstaben erkennen und schreiben kann.

Uwe Boldt ist Mitbegründer der Selbsthilfegruppe „Wortblind“, die sich einmal monatlich in einer VHS an seinem Wohnort trifft.

Uwe Boldt liest einzelne Sätze und schreibt sie, hat jedoch Schwierigkeiten mit zusammenhängenden Texten. Seine Rechtschreibung weist etliche Fehler auf. Damit findet er sich im Alltag zurecht. Smartphone und PC sind ihm eine wertvolle Stütze. Auf ihnen kann er Videoanrufe empfangen, sich Texte vorlesen lassen oder ein spezielles Lernprogramm für Menschen mit Grundbildungsbedarf (vhs-lernportal.de) absolvieren.

Seit Januar 2023 ist der mittlerweile Alleinstehende im Ruhestand und dennoch ehrenamtlich unermüdlich in Sachen Aufklärung über Analphabetismus im Einsatz. Weil er gerade mit dem Bauernblatt spricht, verrät er zum Abschluss des Treffens, dass er bereits seit seinem 15. Lebensjahr auf Zuruf auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Kreis Herzogtum Lauenburg aushilft und sich dort sehr wohlfühlt. „Dem Bauern war es egal, ob ich lesen und schreiben kann. Er nahm mich so wie ich bin, erklärte mir alle Aufgaben wie Getreidefahren oder Ernteabladen mündlich. Hier gehöre ich bis heute fast zur Familie, obwohl der Junior schon den Hof übernommen hat.“

Eine Erkenntnis will Uwe Boldt auch an andere Betroffene weitergeben: „Nur eine Schwäche zu haben, bedeutet nicht, dass ihr dumm seid! Holt euch Hilfe, macht aus eurer Schwäche eine Stärke und blickt dabei immer positiv nach vorn.“

Info

Weitere Informationen gibt es unter alphabetisierung.de, mein-schlüssel-zur-welt.de oder alfa-mobil.de.

Alfa-Telefon: 0 800-53 33 44 55 (anonyme, kostenfreie Beratung für Betroffene und deren Umfeld)

Anmerkung: Liebe Leserinnen und Leser, sollten Sie eine Person kennen, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben hat, weisen Sie diese gern auf die hier genannten Hilfsangebote und Infos hin. sbk

Bedeutung der Solarenergie nimmt zu

Zahlen zum aktuellen Stand des Photovoltaik (PV)-Ausbaus im Land stellte der Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein (LEE SH) vergangene Woche in Kiel vor. Neben einem weiteren Zuwachs der Windenergie brauche es dem Verband zufolge bis zum Jahr 2030 in Schleswig-Holstein 10 GW aus Solarstrom, um klimaneutrales Industrieland werden zu können. Ausreichend Flächen und Dächer sind laut LEE SH vorhanden – große Abnehmer werden künftig der Wärme- und Verkehrssektor sein.

Der durch die Energiekrise bedingte Trend, PV-Anlagen auf Hausdächern zu installieren, habe im ersten Quartal 2024 abgenommen, dagegen habe der PV-Ausbau auf Freiflächen weiter zugenommen. Dort sei zwar die Anzahl zugebauter Anlagen gesunken, die installierte Leistung aber erneut gestiegen. „Fast die Hälfte des Ausbaus hat voriges Jahr auf Dächern stattgefunden“, erklärte LEE SH-Geschäftsführer Marcus Hrach. Wolle die Landesregierung ihre Zielvorgabe von 30 GW installierter Erneuerbarer Leistung bis 2030 erreichen, müsse PV neben Windkraft und Bioenergie laut Hrach mindestens 10 GW beitragen: „Obwohl der PV-Ausbau in Schleswig-Holstein zugenommen hat, muss er weiter beschleunigt werden.“ Im Jahr 2023 waren 2,97 GW im Land installiert. Das Ziel, in diesem Jahr 1 GW in Schleswig-Holstein zuzubauen, sei realistisch.

„Wir glauben nicht, dass der PV-Ausbau signifikant in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Erzeugung steht“, konstatierte Hrach. „Die zehn Gigawatt bräuchten lediglich rund 1,5 Prozent der Agrarfläche in Schleswig-Holstein, wenn man davon ausgeht, dass hälftig Freiflächen- und hälftig Dach-PV gebaut wird.“ Dieser Wert könne laut Hrach gut kompensiert werden, da derzeit 13 % der Agrarfläche für Energiepflanzen genutzt würden – mit sinkender Tendenz. Durch die aktuell ausgesetzte EU-Vorgabe der 4%igen Stilllegung besteht laut LEE SH dort künftig das Potenzial, Biodiversitäts-PV im Einklang mit Naturschutzauflagen zu realisieren. Potenzial sieht der LEE SH zudem in einer effizienten Doppelnutzung durch Agri-PV, Moor-PV oder die kombinierte Nutzung von Wind- und Solarenergie auf einem Standort, um den Flächenverbrauch zu reduzieren.

LEE SH Pressesprecherin Jana Lüth, Christian Andresen (Mitte) und Marcus Hrach Foto: jh

Die vorhandenen Netzkapazitäten ermöglichten zudem einen weiteren starken Zubau der Erneuerbaren, wenn Netzverknüpfungspunkte (NVP) überbaut würden. So könne an einem vorhandenen NVP, der vollständig mit Windenergie belegt sei, zusätzlich relevante PV-Leistung angeschlossen werden.

Durch klare Zielvorgaben und eine Anpassung des gesetzlichen Rahmens erhalte Schleswig-Holstein derzeit viel Rückenwind aus dem Bund, hielt LEE SH-Vorstandsmitglied Christian Andresen fest: „Schleswig-Holstein ist im Solarbereich auf einem guten Weg, die Bedeutung von Photovoltaik steigt.“ Künftig würden die Wärmewende und die Elektrifizierung des Verkehrs den Bedarf an Erneuerbarem, dezentralem und lokalem Strom massiv steigern.

Das Solarpaket bezeichnet der LEE SH als einen Gewinn: So seien etwa die Förderung großer Dachanlagen ab 40 kW auf Gewerbeflächen angehoben, die Gebotsmenge für Freiflächenanlagen von 20 auf 50 MW erhöht sowie die Flächenkulisse für PV-Freiflächenanlagen ausgeweitet worden. Sogenannte benachteiligte Gebiete der Landwirtschaft würden grundsätzlich für die Förderung klassischer PV-Freiflächenanlagen geöffnet.

Für die im Solarpaket geregelte Duldungspflicht (siehe Ausgabe 16) fordert der LEE SH eine Ausweitung auch auf private Flächen bei angemessener Entschädigung für die Flächeneigentümer.


Ausbau in Schleswig-Holstein

Landesweit sind 2023 mehr als 43.000 Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 629,8 MW zugebaut worden. Die installierte Leistung betrug damit im Vorjahr 2,97 GW. Erstmals seit 2010 konnte der Anteil an der bundesweit installierten PV-Leistung wieder ausgeweitet werden. Diese lag 2023 bei 3,61 %. Mit 188 kWp / km² installierter Leistung nimmt Schleswig-Holstein unter den Flächenländern einen der hinteren Ränge ein. pm

Opulente Walküren im Versailles des Nordens

Sie sind stark und sanft zugleich, ausladend und sichtbar, in sich aber filigran, vielschichtig, ornamental und voller Details und sie tragen die Namen historischer Heldinnen – die drei Walküren Thyra, Martha und Marina Rinaldi der portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos. Zusammen mit sieben weiteren raumgreifenden Installationen verwandeln sie das Schloss Gottorf in Schleswig bis zum 3. November in „Le Château des Valkyries“.

Einen besseren Ort für ihre Walküren als Schloss Gottorf kann sich Joana Vasconcelos nicht vorstellen. Die Nähe zu Skandinavien und somit zu den nordischen Mythologien sei etwas Besonderes, „und ich bin sehr stolz, hier zu sein“, sagt sie bei einem Rundgang durch ihre Ausstellung. Walküren sind Figuren aus der skandinavischen Mythologie und werden als weibliche Kriegerinnen dargestellt, die im Gefolge des Kriegsgottes Odin die Seelen tapferer Gefallener auf dem Schlachtfeld auswählen, um sie nach Walhalla zu führen. „Diese Macht, Verstorbene zurückzubringen, hat mich inspiriert“, erklärt Joana ­Vasconcelos. Mit ihren Walküren greife sie Elemente der Mytholgie auf und übertrage sie in eine neue Dimension. Gleichzeitig gebe sie Heldinnen der Vergangenheit eine neue Identität, wie bei der Walküre Thyra, die an die erste Königin Dänemarks, Thyra Danebod (zirka 880-935) erinnere. Das Werk hängt in der Schloss-Kapelle und war ursprünglich ein stofflicher Seitenarm der großen Walküre Miss Dior, die in der Dior-Show zur Herbst/Winter-Kollektion gezeigt wurde.

Die Walküre „Thyra“ erinnert an die erste Königin Dänemarks und bildet einen spannenden Kontrast zur Schloss-Kapelle.

„Thyra war eine bedeutende, starke und fortschrittliche Frau, die nicht gesehen und erkannt wurde. Es ist eine sehr detailreiche Figur, die in den Dialog mit der überbordend geschmückten Schloss-Kapelle tritt. Sie ist sehr sinnlich, feminin, gleichzeitig stark und ich hoffe, dass Thyra auf diese Weise bemerkt und erkannt wird“, so die Künstlerin. Für Dr. Thorsten Sadowsky, Wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen und Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte auf Schloss Gottorf, ist dies eine der beeindruckensten Arbeiten dieser Ausstellung, „weil so viele verschiedene Ebenen in diesem Raum zusammenkommen, die sich mit unseren skandinavischen Nachbarn und mit den nordischen Mythologien verknüpfen, gleichzeitig werden historische Landschaften reflektiert. Der Dialog mit dem geschichtlichen Umfeld der Kapelle ist unglaublich“, so Sadowsky.

Joana Vasconcelos neben dem Pumps „Marylin“, bestehend aus Töpfen

Unter seiner Leitung wurde diese Ausstellung im Team kuratiert und organisiert. Sie gilt als die bisher größte Einzelausstellung der portugiesischen Künstlerin in einem deutschen Museum. Und auch die beiden anderen Walküren im Kreuzstall und in der Reithalle des Museums erinnern an starke Frauen, an Heldinnen ihrer Zeit: Martha ist benannt nach einer französischen Widerstandskämpferin. Für diese Walküre wurde eigens eine Musik komponiert, ergänzt um eine Tanzchoreografie. Die Walküre Marina Rinaldi feiert die italienische Schneiderin Marina Rinaldi, die in den 1850er Jahren ein Atelier für Frauenmode gründete.

Mit ihren ausschweifenden und oft überzeichneten Installationen versucht Joana Vasconcelos den von Thorsten Sadowsky angesprochenen Dialog zu kreieren, der von der Vergangenheit in die Gegenwart reicht und möglichst bis in die Zukunft überdauert. Das sei nur an Orten wie diesem möglich, der mit den Möbeln und Objekten, den Malereien und Ausstellungsgegenständen das Historische und Traditionelle bewahre und am Leben erhalte, so Vasconcelos, die sich als künstlerische Botschafterin ihres Landes Portugal versteht. Bei ihr trifft moderne Konzeptkunst auf traditionelle portugiesische Handwerks- und Handarbeitstechniken, auf landestypische Farben und Muster. Ihre Arbeiten sind zutiefst feministisch und emanzipatorisch, stark, selbstbewusst und zugleich sinnlich und weiblich. Neben den Walküren sind weitere acht Werke zu sehen, wie „Red Independent Heart“, bestehend aus rotem Plastikbesteck, oder der riesige Damen-Pumps „Marylin“, bestehend aus Töpfen, mit denen Vasconcelos mit Stereotypen brechen möchte. Eines der Kunstwerke, eine schmiedeeiserne, 2,30 m hohe Teekanne befindet sich im Innenhof des Eisenkunstgussmuseums in Büdelsdorf.

Das Barocke ist dabei für die Künstlerin von entscheidender Bedeutung. Der Epochenbegriff ist abgeleitet vom portugiesischen „barocco“ für ungleichmäßig geformte oder schiefe Perlen. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich „der Barock“ zu einem Begriff für alles Exzentrische, Sonderbare oder Bizarre, barocke Kunst war geprägt von opulenten, prachtvollen Darstellungen, dynamischen Kompositionen, raumgreifenden Gesten, Detailreichtum, Emotionalität und illusionistischen Effekten – Kennzeichen, wie sie in der Kunst von Joana Vasconcelos wiederzufinden sind. Weitere Infos zur Künstlerin und der Ausstellung unter landesmuseen.sh

Mit Fado-Musik untermalt erzählt das Herz aus Plastikbesteck „Red Independent Heart“ vom Reichtum, der Liebe und dem Tod.
Fotos: Iris Jaeger
Die Künstlerin neben ihrer Schuhskulptur aus Töpfen
„Garden of Eden“ im Hirschsaal des Schlosses bezieht sich auf die aufwendige Beetgestaltung des Barockgartens; ein zauberhaft fluoreszierendes Labyrinth aus von Menschenhand geformten Blumen.
Detailaufnahme der Blumen
Foto: Hirschsaal Schloss Gottorf, Fotograf Marcus Dewanger
Le Chateau des Valkyries, Joana Vasconcelos, Schloss Gottorf, Walküren
Fotos: Iris Jaeger
Walküre „Martha“, die um Musik und Tanzchoreographie ergänzt wurde.
„Pantelmina“ spielt auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft an.
„Big Booby“ ist mithilfe von Fleischerhaken festgezogen; die Figur soll den sozialen Druck verdeutlichen, der Frauen in vielen Gesellschaften auferlegt wird.
„Finisterra“ – eine Häkelgemälde inspiriert von Landschaftsmalerei


Die Sommerblumensaison im Norden ist eröffnet

Die Gärtnerinnen und Gärtner in Schleswig-Holstein haben die Sommerblumensaison gestartet. Das heimische Angebot aus den Gewächshäusern der Region ist groß. Ihre Gewächshäuser sind gut gefüllt mit bewährten Schönheiten, aber auch Neuheiten wie der Pflanze des Jahres.

Der Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland hat dieses Jahr die Petunie mit dem Namen ,Tuba Lou‘ zur Pflanze des Jahres gekürt. Da die Eisheiligen in diesem Jahr wahrscheinlich keine Rolle mehr spielen werden, kann ab sofort mit dem Auspflanzen der sommerlichen Blütenpracht problemlos begonnen werden.

Ein großer Teil der im Norden verkauften Sommerblumen stammt aus den Gärtnereien hier im Land. Einige Zierpflanzengärtnereien in Schleswig-Holstein haben sich zudem in der Initiative im-norden-gewachsen.de zusammengeschlossen, um die Vorteile der regionalen Produktion gemeinsam deutlich zu machen und zu bewerben. Die herausragende Qualität ihrer Blumen und Gemüsejungpflanzen wird vom Gütezeichen der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein bestätigt.

Zur Sommerblumensaisoneröffnung präsentierten sie die Pflanze des Jahres (v. li.): Klaus Petersen (Vorstand im Norden gewachsen e. V.), John Langley (Gartenbotschafter), Christina Buchwald (Inhaberin Buchwald Pflanzencenter), Gaby Eberts (Geschäftsführerin Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland) und Dr. Hans Hermann Buchwald (Buchwald Pflanzencenter). Foto: Anne Weise-Thomsen

Insgesamt gaben die deutschen Blumenfreunde zuletzt rund 2,1 Mrd. € für Beet- und Balkonpflanzen aus, also rund 25 € pro statistischem Durchschnittsbürger. Viele Gärtnereien machen im Frühjahr in den Monaten von März bis Juni ein Drittel bis die Hälfte ihres Jahresumsatzes. Das erfordert eine gute Organisation und eine engagierte, fachkundige Belegschaft.

Laut Statistikamt Nord gibt es 121 Zierpflanzengärtnereien in Schleswig-Holstein mit rund 400.000 m2 Fläche an Gewächshäusern. Darin werden rund zwölf Millionen Beet- und Balkonpflanzen herangezogen. Nach Angaben des Deutschen Gartenbauverbandes führen bei den Verbrauchern Geranien die Hitliste der meistgekauften Sommerblumen an mit 8 % der Ausgaben für Beet- und Balkonpflanzen, gefolgt von Petunien (6 %), Begonien (4 %), Lavendel (3 %) und Verbenen (2 %). Neu im Sortiment sind zum Beispiel neue Salviensorten, die gelbe Wüstenrose (Calylophus) oder rosafarbener Zauberschnee (Euphorbia) und auch die Pflanze des Jahres.
Dabei handelt es sich um ,Tuba Lou‘, eine orangerote Petunie. Die Blütenblätter sind ein echter Blickfang und bringen feurige Farbtupfer in jeden Garten und auf den Balkon. Mit ihren überhängenden Trieben und großen Blüten ist sie bestens geeignet für alle Arten von Ampeln, wo schon nach kurzer Zeit kein Pflanztopf mehr zu erkennen ist, siehe Bild unten. Hier finden sich Bezugsquellen in Schleswig-Holstein

Sie ist auch für Ampeln auf Terrasse und Balkon geeignet. Foto: Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland e. V.

Vielen Blumenfreunden ist es wichtig, neben einer schönen Umgebung auch den Insekten Nahrung zu geben. Zahlreiche Sommerblumen bieten dafür wahre Buffets: Schmuckkörbchen, Löwenmäulchen, Verbene, Fächer­blume, Sonnenblume, Zinnie, Schneeflockenblume, Vanilleblume, Dahlie, Mehlsalbei und viele mehr; die Fachleute in den Gärtnereien helfen bei der Beratung. Auch die aktuellen Klimawandelfolgen spielen in der Kundenberatung zunehmend eine Rolle: Einige Pflanzen kommen mit Trockenphasen besser zurecht als andere. So können bei richtigem Standort und Substrat eventuell einige Tage der Abwesenheit für einen Kurzurlaub überbrückt werden. Aber auch Pflanzen für feuchtere Standorte haben die Gärtner im Norden im Angebot.

Voller Einsatz für gesunde Böden

Die Zukunft bauen – das wollen die ZukunftsBauer! Ellen Redderberg vom Gut Kattenhöhlen in Scharbeutz, Kreis Ostholstein, engagiert sich in diesem Projekt des Deutschen Bauernverbandes. Gemeinsam mit ihrer Schwester Maren und Schwager Wilken Oldenburg produzieren sie Erneuerbare Energien und Ackerfrüchte. Dabei setzt die Familie seit sechs Jahren auf die Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft.

„Schon unsere Elterngeneration hat immer geguckt: Welche politischen und gesellschaftlichen Strömungen gibt es und wie können wir uns dazu passend weiterentwickeln?“, berichtet Maren Redderberg. Den Weg zur Regenerativen Landwirtschaft fanden die Betriebsleiterinnen über ein Seminar bei Anbauberaterin Dr. Sonja Dreymann. Während mehrerer Treffen über eine komplette Vegetationsperiode hinweg habe man einen Werkzeugkasten an die Hand bekommen. Es gebe für die Umsetzung aber keine pauschale Herangehensweise. Jeder Betrieb müsse sein eigenes Konzept entwickeln. „Die Umstellung funktioniert nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess“, betont Maren Redderberg. Sie erklärt, dass zur Regenerativen Landwirtschaft unter anderem gehöre, Flächen „grün zu halten“, Humusaufbau zu betreiben und Nährstoffverhältnisse im Boden auszugleichen. Die mit Zwischenfrüchten begrünten Flächen auf Gut Kattenhöhlen werden im Frühjahr flach gefräst. Das Material wird anschließend in der sogenannten Flächenrotte sieben Tage lang liegen gelassen. Danach wird gegrubbert und Mais gelegt.

Als klassischer Ackerbaubetrieb hat Vater Carsten Redderberg 1995 eine Kompostieranlage für bis zu 10.000 t Kompost pro Jahr gebaut. Seit 2001 betreibt das Gut Kattenhöhlen zudem ein Holzhackschnitzelheizwerk, das mit Landschaftspflegematerial im benachbarten Ratekau 150 Wohneinheiten, die Schule und die Feuerwehr mit Wärme versorgt. Vor rund 15 Jahren ist dann eine 1-MW-Biogasanlage mit drei Blockheizkraftwerken ans Netz gegangen. Die Wärme wird aufgeteilt auf eine Holztrocknung am Hof, auf eine Gärtnerei und auf ein benachbartes Wohngebiet.

Die Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft im Betrieb umzusetzen bot sich laut den Schwestern an, weil es wegen der Kompostieranlage und der Biogasanlage „viel Organik“ im Betrieb gebe. Ihre Gärreste behandeln Redderbergs unter anderem mit Sauerkrautsaft, Pflanzenkohle und Huminstoffen, um das Bakterien­milieu des Bodens nicht mit dem der Gärreste zu schädigen und um den Kohlenstoffgehalt der Gärreste zu erhöhen.

Ellen Redderberg schildert: „Wir beschäftigen uns auch mit Systemen, die Humusaufbau honorieren.“ Aber auch ohne zusätzliche Honorierung sei man mit den Ergebnissen dieser Wirtschaftsweise sehr zufrieden, da weniger Mineraldünger, aber auch weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssten. „Wir sparen vor allem Kali- und Phosphatdünger“, erläutert Maren Redderberg. Außerdem kalke der Betrieb insgesamt weniger, aber häufiger mit kleineren Gaben.

Die Schwestern setzen auf ein intensives Monitoring und beproben sowohl ihre Pflanzenbestände als auch ihre Böden regelmäßig. Maren Redderberg beschreibt: „Es ist manchmal schwierig, den Pflanzen anzusehen, welcher Nährstoff gerade fehlt.“ Teilweise gebe es auch genug Nährstoffe im Boden, die aber nicht mobilisiert würden. Insbesondere bei der Mobilisierung von Phosphat haben die Schwestern positive Effekte der Regenerativen Landwirtschaft festgestellt.

Die Regenerative Landwirtschaft passt aus ihrer Sicht gut zur ZukunftsBauer-Initiative, weil sie dem gesellschaftlichen Wunsch nach Nachhaltigkeit entspreche. Um keine Trends zu verpassen, forcieren Redderbergs den Austausch mit ihren Feriengästen, indem sie die unterschiedlichen Betriebszweige in den Gästemappen beschreiben, die in den Ferienwohnungen ausliegen. Darin formulieren sie das Angebot: „Wenn Sie mehr wissen wollen, sprechen Sie uns an.“ Ellen Redderberg berichtet: „Das Gesprächsangebot nehmen mehr Gäste wahr, als wir gedacht hätten.“ Regelmäßig geht sie mit den Gästen auf den Acker, um das Bodenleben zu zeigen, oder zur Biogasanlage, um über Erneuerbare Energien zu diskutieren.

Ellen und Maren Redderberg haben viele Ideen, wie sie das Unternehmen nachhaltig und zukunftsorientiert weiterentwickeln wollen. Dabei setzen sie weiterhin auf die Vielfältigkeit der Betriebszweige, von der die Entwicklung des Unternehmens bereits in den vergangenen Jahren nachhaltig profitiert habe.

Arbeit und Schönheit Südamerikas

Nach Abschluss der Fachschule in Rendsburg hat der 22-jährige Junglandwirt Claas Friedrichs aus dem Kreis Ostholstein rund fünf Monate in Südamerika verbracht, hat sechs Wochen auf einem Ackerbaubetrieb in Chile und drei Monate in einer Zuckerfabrik gearbeitet, dazwischen das Land bereist. Hier sein Bericht.

Dies war keine klassische Back­packingreise, sondern die Chance, ganz anders zu arbeiten als zu Hause, zu reisen und dabei die Schönheiten Südamerikas zu entdecken. Auf dem Ackerbaubetrieb mit zirka 2.500 ha waren Kartoffeln die Haupteinnahmequelle. Zusätzlich brachten andere Kulturen wie Getreide mit einer Ertragsrate von 13 bis 17 t/ha und Raps mit 6 t / ha ebenfalls Spitzenerträge, welche den hohen Niederschlägen und der fruchtbaren Vulkanerde zu verdanken sind. Es war wahnsinnig interessant und eindrucksvoll, wie in anderen Teilen der Welt gearbeitet wird, wenn die Umstände anders sind.

Nach der Arbeit folgte gemeinsam mit zwei Freunden, mit denen ich hingeflogen war, eine sechswöchige Reise von den Gletschern im Süden bis zur trockensten Wüste der Welt, der Atacama im Norden Chiles. In der Wüste stießen noch zwei Freundinnen aus Deutschland dazu.

Im Anschluss ging es über Kolumbien mit fünf Tagen Aufenthalt in Bogota weiter nach Brasilien. Dort traf ich zwei der in Chile neu Kennengelernten. Das gemeinsame Ziel war eine Zuckerfabrik in Brasilien im Bundesstaat Mato Grosso. Dort arbeiteten wir drei Monate lang.

Zuckerrohrernte in Brasilien. Fotos: Claas Friedrichs

Die Fabrik bewirtschaftet eine Fläche von etwa 87.000 ha – fast fünfmal so groß wie Fehmarn – und beschäftigt rund 2.500 Mitarbeiter. Neben der Arbeit planten wir auch kurze Ausflüge, um das Pantanal – das größte Sumpfgebiet der Welt –, den Amazonas, das Nachbarland Bolivien und viele andere schöne Orte und Städte im fünftgrößten Land der Welt zu sehen.

Auch dort war das Eindrucksvollste aus meiner Sicht der wahnsinnige Kontrast zu europäischen Verhältnissen. Und die Erkenntnis, dass „Vitamin B“ – gut vernetzte Kontakte – in Südamerika noch viel wichtiger ist als in Deutschland, obwohl es auch hier ein starker Hebel sein kann.

Ein atemberaubender Blick über das Amazonas-Gebiet

Die deutsche c. p.-Politik

Den lateinischen Begriff „ceteris paribus”, c. p., kennt wohl jeder Student, der sich am Rande mit Wirtschaft befasst. Er bedeutet „unter sonst gleichen Bedingungen“. Man verändert im theoretischen Wirtschaftsmodell eine Variable und stellt so sicher, dass die Ergebnisse ausschließlich auf diese Variable zurückzuführen sind. Es ist eine Art Labor­denken, um die komplexe Wirklichkeit in kleine, verstehbare Häppchen zu teilen und – unter „sonst gleichen“, also kontrollierten Bedingungen – Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.

Der Begriff c. p. soll also die Wirklichkeit begreifbarer machen. Doch c. p. ist heute dem Labor entkommen und hat die Politik infiziert. Immer wenn in der politischen Debatte nach schnellen und harten Maßnahmen gerufen wird, ist c. p. nicht weit – und das in bester Absicht. Denn es geht darum, das Klima zu retten, die Menschheit gesund zu ernähren, die Natur zu schützen, und das alles, indem man an einem Faktor dreht: Weg mit dem Klimakiller Kuh! Esst weniger Fleisch! Fahrt die intensive Landwirtschaft herunter! Einfacher geht es nicht. Negative Folgen werden negiert.

Doch der Glaube, eine strikte c. p.-Politik würde unsere komplexen Probleme lösen, kann katastrophale Folgen haben. Das c. p. wurde geschaffen, weil wir die Welt sonst nicht verstehen. Es dient dem Erkenntnisgewinn, ist also vorpolitisch. Außerhalb des Labors aber zieht jede Maßnahme viele Ergebnisse nach sich, positiv wie negativ. Das heißt: Mit dem Ausschalten der negativen Wirkung beeinträchtigt man auch die positiven. „Von so was kommt so was“, weiß man in Norddeutschland. Die Methode c. p. funktioniert wohl in Labors, Fabriken oder Büros unter kontrollierten Bedingungen. Es mag manchmal etwas teuer sein, aber es ist generell umsetzbar. Es funktioniert aber nicht in der Natur oder im Markt. Ein Eingriff schafft nie nur eine negative Wirkung ab, er erschafft eine andere Zukunft. Aber diese Zukunft ist nicht steuerbar. Das erleben wir nicht nur in der Landwirtschaft: Die Politik steuert und steuert (auch mit Steuern) und kommt doch nicht hinterher.

Wir schalten ab, was uns negativ erscheint. Wir hoffen zugleich auf die Lösungskompetenz derer, die wir belasten, und fordern, dass deren Engagement nicht nachlässt – c. p. eben. Ob es hilfreich ist, gerade diesen Menschen vorzuwerfen, sie missachteten die Interessen zukünftiger Generationen, wenn sie sich den c. p.-Forderungen nicht anschließen, ist zweifelhaft.

Es wird Zeit, den c. p.-Laborblick abzulegen. Alternativlos ist „da draußen“ erst einmal gar nichts. Ein Politiker, der seine Argumentation von Laborbedingungen ableitet, sollte mit Vorsicht betrachtet werden. Wenn er dann noch zur Eile drängt, sollte sein Vorhaben erst recht auf die lange Bank geschoben werden. Wer meint, es würde reichen, ein einzelnes Zahnrad zu blockieren, der handelt verantwortungslos.

Dies ist kein Plädoyer dafür, nicht zu handeln, sondern anders zu handeln: Abläufe so lange zu testen und zu überarbeiten, bis das Ergebnis zufriedenstellt. Dieser Prozess hört nie auf, solange die Welt sich verändert. Das nennt sich Adaptation – die möglichst optimale Anpassung an die Umwelt. Am Ende ist dies nicht nur erfolgreicher, sondern auch demokratischer. Die Buchstaben „cp“ kann auch heißen „customer paid“: „Empfänger bezahlt“. Dann sollte er auch bestimmen, wo es langgeht.

Lust auf Erdbeeren

Einer der schönsten Termine des Jahres, weil er nach Sommer schmeckt: Saisoneröffnung der Erdbeeren auf dem Hornbrooker Hof in Nehms (SE) am Montag. Die Blütenanlage sieht gut aus. 10.000 t des gesunden Obstes erwarten wir in Schleswig-Holstein. Drücken wir den Landwirten die Daumen für eine reiche Ernte. Dafür benötigen sie jetzt schönes und trockenes Wetter.

Springstars aus Holstein

Zum zweiten Mal stellten sich junge Springhengste in Münster zur Leistungsprüfung vor. In der Sportprüfung traten 24 Hengste an, acht nahmen an der Veranlagungsprüfung (kurz) teil.

Das qualitativ stärkste Lot stellten die fünfjährigen Hengste, mit Chavaros II von Charleston-Con Air an der Spitze. Der Holsteiner Schimmel aus der Zucht von Reimer Detlef Hennings aus Bendorf, Kreis Rendsburg-Eckernförde, vertrat in Münster die Hengststation Maas J. Hell in Klein Offenseth, Kreis Pinneberg. Er begeisterte mit viel Kraft und Übersicht. Für Vermögen und Manier erhielt er jeweils die 8,8, für die Rittigkeit sogar die glatte 9,0, ebenso wie für die Perspektive als Springpferd. Zusammen mit einer 8,5 für den Galopp errechnete sich eine gewichtete Endnote von 8,8.

Den am besten bewerteten Galopp in dieser Prüfung zeigte der Holsteiner Esmeraldo von Emerald van het Ruytershof-Caretino, der für seine Leichtfüßigkeit und Geschmeidigkeit mit der 9,0 belohnt wurde. Am Ende gab es die Note 8,75 (Vermögen 8,50; Manier 8,80; Rittigkeit 8,70; Gesamteindruck 8,80). Gezogen wurde der bunte Fuchs von Friedrich Meyer aus Nottfeld, Kreis Schleswig-Flensburg. Sven Völz aus Niedersachsen hatte ihn angemeldet.

Das beste Endergebnis der 16 vierjährigen Hengste erzielte der braune Westfale Daquito Royal. Für den Sohn des Holsteiners Diamant De Casall kam eine 8,51 als Endergebnis heraus. Vergleichbar gut schnitt auch der Casall-Sohn Chapeau del Pierre ab. Ausgestattet mit guten Grundgangarten gefiel er vor allem aufgrund seiner hohen Rittigkeit (8,8) und beendete die Sportprüfung mit der Endnote 8,5. Gezogen wurde Chapeau del Pierre von Peter und Thorsten Diedrichsen aus Borgsum, Kreis Nordfriesland, aus einer Quirado-Mutter. Der braune Holsteiner wurde von Dirk Ahlmann aus Reher, Kreis Steinburg, ausgestellt.

In der Veranlagungsprüfung schnitten zwei der acht Teilnehmer mit einer Endnote über 8,0 ab, darunter der braune Holsteiner Magnus von der Söhr (8,12). Der Hengst von Manchester van‘t Paradijs-Comme il faut stammt aus der Zucht von Christian Schröder aus Groß Wittensee, Kreis Rendsburg-Eckernförde, und wurde von Sven Völz ausgestellt.

Beratung wird Teil des Geschäftsmodells

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Die Umsetzung des Green Deal erfordert eine intensivere und transparente Zusammenarbeit der Unternehmen entlang der gesamten Vermarktungskette – von den vorgelagerten Bereichen über die Landwirtschaft und die Lebensmittelhersteller bis hin zum LEH. Darauf hat Harry Smit, Analyst bei der niederländischen Rabobank, auf der Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) am Mittwoch in Leverkusen hingewiesen.

Der Aufgabenschwerpunkt der Anbieter von Inputs wie Pflanzenschutzmitteln und Dünger wird sich künftig mehr auf Beratungsleistungen für Landwirte verlagern müssen. Der Industrie komme dabei zunehmend die Aufgabe zu, ihr umfassendes Fachwissen an die Landwirte zu vermitteln, erklärte Smit seine Sicht auf die Entwicklung der Branchen.

Derweil müssten die Bauern ihre Produktionsverfahren entsprechend verbessern, ihre Leistungen messen und diese Daten digital dokumentieren. Indes seien die Verarbeiter und der LEH dafür verantwortlich, Standards zu setzen, diese zu kommunizieren und Leistungen der Landwirtschaft zu belohnen.

Mit Blick auf die Abfederung volatiler Agrarpreise verwies der Analyst auf gute Erfahrungen mit längerfristigen Geschäftsbeziehungen im Rahmen vertikal integrierter Produktionsrichtungen wie der Geflügelfleischerzeugung. Der Wandel sei anstrengend und koste Geld, betonte der Banker.

Landwirtschaft hat größten CO2-Fußabdruck

Smit berichtete, dass aktuell kaum ein Landwirt den CO2-Fußabdruck seines Betriebes kenne. Dabei sei die Branche der wichtigste Emittent von Treibhausgasen in der Vermarktungskette von Lebensmitteln.

Die Auswertung von Treibhausgasbilanzen zahlreicher Supermärkte in der EU und dem Vereinigten Königreich wie Tesco, Delhaize und Carrefour habe nämlich ergeben, dass durchschnittlich 97 % der betreffenden Emissionen Quellen zuzurechnen seien, die das bilanzierende Unternehmen nicht besitze oder direkt kontrolliere (Scope 3).

Auf der Ebene der Lebensmittelhersteller wie Danone und Nestlé sinke der Anteil von Scope-3-Emissionen lediglich auf durchschnittlich 95 %.

Kompass der nächsten Generation

Dem Analysten zufolge hat die EU-Agrarerzeugung ihren Höhepunkt bereits erreicht. Während sich die Getreideproduktion in den kommenden Jahren mengenmäßig wohl kaum verändern werde, sei für andere Betriebszweige wie die Erzeugung von Schweinefleisch und Milch sogar mit negativen Wachstumsraten zu rechnen.

Künftig dürften deshalb Mengensteigerungen nicht mehr im Vordergrund stehen. Vielmehr werde es darum gehen, die Wertschöpfung der Produkte zu steigern.

Der Green Deal sei als Kompass der nächsten Generation für den politisch angestrebten Wandel in der EU zu verstehen, hob Smit hervor. Als Vorteile des Konzepts nannte der Niederländer unter anderem konkretisierbare und wichtige Schritte hin zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft. Ferner gewährleiste der Green Deal gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen in der Gemeinschaft und begünstige Innovationen. Allerdings seien die Ziele häufig sehr ambitioniert. Dadurch könnten die Wettbewerbsposition unter Druck geraten und die Produktion sinken. age