StartNachrichtenLand & LeuteOpulente Walküren im Versailles des Nordens

Opulente Walküren im Versailles des Nordens

Barocke Kunst von Starkünstlerin Joana Vasconcelos in Schloss Gottorf
Von Iris Jaeger
Die schwebende Walküre Marina Rinaldi in der Reithalle des Schlosses beeindruckt durch ihre Größe, die skurrile Form und die vielen Details. Sie ist der italienischen Schneiderin Marina Rinaldi gewidmet. Fotos: Iris Jaeger

Sie sind stark und sanft zugleich, ausladend und sichtbar, in sich aber filigran, vielschichtig, ornamental und voller Details und sie tragen die Namen historischer Heldinnen – die drei Walküren Thyra, Martha und Marina Rinaldi der portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos. Zusammen mit sieben weiteren raumgreifenden Installationen verwandeln sie das Schloss Gottorf in Schleswig bis zum 3. November in „Le Château des Valkyries“.

Einen besseren Ort für ihre Walküren als Schloss Gottorf kann sich Joana Vasconcelos nicht vorstellen. Die Nähe zu Skandinavien und somit zu den nordischen Mythologien sei etwas Besonderes, „und ich bin sehr stolz, hier zu sein“, sagt sie bei einem Rundgang durch ihre Ausstellung. Walküren sind Figuren aus der skandinavischen Mythologie und werden als weibliche Kriegerinnen dargestellt, die im Gefolge des Kriegsgottes Odin die Seelen tapferer Gefallener auf dem Schlachtfeld auswählen, um sie nach Walhalla zu führen. „Diese Macht, Verstorbene zurückzubringen, hat mich inspiriert“, erklärt Joana ­Vasconcelos. Mit ihren Walküren greife sie Elemente der Mytholgie auf und übertrage sie in eine neue Dimension. Gleichzeitig gebe sie Heldinnen der Vergangenheit eine neue Identität, wie bei der Walküre Thyra, die an die erste Königin Dänemarks, Thyra Danebod (zirka 880-935) erinnere. Das Werk hängt in der Schloss-Kapelle und war ursprünglich ein stofflicher Seitenarm der großen Walküre Miss Dior, die in der Dior-Show zur Herbst/Winter-Kollektion gezeigt wurde.

Die Walküre „Thyra“ erinnert an die erste Königin Dänemarks und bildet einen spannenden Kontrast zur Schloss-Kapelle.

„Thyra war eine bedeutende, starke und fortschrittliche Frau, die nicht gesehen und erkannt wurde. Es ist eine sehr detailreiche Figur, die in den Dialog mit der überbordend geschmückten Schloss-Kapelle tritt. Sie ist sehr sinnlich, feminin, gleichzeitig stark und ich hoffe, dass Thyra auf diese Weise bemerkt und erkannt wird“, so die Künstlerin. Für Dr. Thorsten Sadowsky, Wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen und Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte auf Schloss Gottorf, ist dies eine der beeindruckensten Arbeiten dieser Ausstellung, „weil so viele verschiedene Ebenen in diesem Raum zusammenkommen, die sich mit unseren skandinavischen Nachbarn und mit den nordischen Mythologien verknüpfen, gleichzeitig werden historische Landschaften reflektiert. Der Dialog mit dem geschichtlichen Umfeld der Kapelle ist unglaublich“, so Sadowsky.

Joana Vasconcelos neben dem Pumps „Marylin“, bestehend aus Töpfen

Unter seiner Leitung wurde diese Ausstellung im Team kuratiert und organisiert. Sie gilt als die bisher größte Einzelausstellung der portugiesischen Künstlerin in einem deutschen Museum. Und auch die beiden anderen Walküren im Kreuzstall und in der Reithalle des Museums erinnern an starke Frauen, an Heldinnen ihrer Zeit: Martha ist benannt nach einer französischen Widerstandskämpferin. Für diese Walküre wurde eigens eine Musik komponiert, ergänzt um eine Tanzchoreografie. Die Walküre Marina Rinaldi feiert die italienische Schneiderin Marina Rinaldi, die in den 1850er Jahren ein Atelier für Frauenmode gründete.

Mit ihren ausschweifenden und oft überzeichneten Installationen versucht Joana Vasconcelos den von Thorsten Sadowsky angesprochenen Dialog zu kreieren, der von der Vergangenheit in die Gegenwart reicht und möglichst bis in die Zukunft überdauert. Das sei nur an Orten wie diesem möglich, der mit den Möbeln und Objekten, den Malereien und Ausstellungsgegenständen das Historische und Traditionelle bewahre und am Leben erhalte, so Vasconcelos, die sich als künstlerische Botschafterin ihres Landes Portugal versteht. Bei ihr trifft moderne Konzeptkunst auf traditionelle portugiesische Handwerks- und Handarbeitstechniken, auf landestypische Farben und Muster. Ihre Arbeiten sind zutiefst feministisch und emanzipatorisch, stark, selbstbewusst und zugleich sinnlich und weiblich. Neben den Walküren sind weitere acht Werke zu sehen, wie „Red Independent Heart“, bestehend aus rotem Plastikbesteck, oder der riesige Damen-Pumps „Marylin“, bestehend aus Töpfen, mit denen Vasconcelos mit Stereotypen brechen möchte. Eines der Kunstwerke, eine schmiedeeiserne, 2,30 m hohe Teekanne befindet sich im Innenhof des Eisenkunstgussmuseums in Büdelsdorf.

Das Barocke ist dabei für die Künstlerin von entscheidender Bedeutung. Der Epochenbegriff ist abgeleitet vom portugiesischen „barocco“ für ungleichmäßig geformte oder schiefe Perlen. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich „der Barock“ zu einem Begriff für alles Exzentrische, Sonderbare oder Bizarre, barocke Kunst war geprägt von opulenten, prachtvollen Darstellungen, dynamischen Kompositionen, raumgreifenden Gesten, Detailreichtum, Emotionalität und illusionistischen Effekten – Kennzeichen, wie sie in der Kunst von Joana Vasconcelos wiederzufinden sind. Weitere Infos zur Künstlerin und der Ausstellung unter landesmuseen.sh

Mit Fado-Musik untermalt erzählt das Herz aus Plastikbesteck „Red Independent Heart“ vom Reichtum, der Liebe und dem Tod.
Fotos: Iris Jaeger
Die Künstlerin neben ihrer Schuhskulptur aus Töpfen
„Garden of Eden“ im Hirschsaal des Schlosses bezieht sich auf die aufwendige Beetgestaltung des Barockgartens; ein zauberhaft fluoreszierendes Labyrinth aus von Menschenhand geformten Blumen.
Detailaufnahme der Blumen
Foto: Hirschsaal Schloss Gottorf, Fotograf Marcus Dewanger
Le Chateau des Valkyries, Joana Vasconcelos, Schloss Gottorf, Walküren
Fotos: Iris Jaeger
Walküre „Martha“, die um Musik und Tanzchoreographie ergänzt wurde.
„Pantelmina“ spielt auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft an.
„Big Booby“ ist mithilfe von Fleischerhaken festgezogen; die Figur soll den sozialen Druck verdeutlichen, der Frauen in vielen Gesellschaften auferlegt wird.
„Finisterra“ – eine Häkelgemälde inspiriert von Landschaftsmalerei


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