„Was die Kohle im Ruhrpott war, ist hier der Grüne Strom. Jetzt kommt die echte Energiewende!“ Solche Euphorie ist typisch für Dirk Burmeister von der Entwicklungsgesellschaft Region Heide, der maßgeblich dazu beigetragen hat, dass sich die Firma Northvolt mit der Produktion von Batteriezellen bei Heide ansiedelt. Der Strukturausschuss des Bauernverbands Schleswig-Holstein (BVSH) unter Vorsitz von Sönke Holling legte seine Sitzung dorthin und konnte die Baustelle vorab besichtigen.
Das Baugelände von Northvolt erstreckt sich über 110 ha auf Gemeindegebiet von Norderwöhrden und Lohe-Rickelshof. Diese Woche war offizieller Baubeginn. Die Investitionssumme beläuft sich auf rund 5 Mrd. €. Die Produktionsblöcke entstehen dort sukzessive, der erste soll in der zweiten Hälfte 2026 in Betrieb gehen, das gesamte Vorhaben 2030 fertig sein. Dann sollen dort rund 3.000 Mitarbeiter 60 GWh Energie pro Jahr in Form von Batteriezellen herstellen, „das entspricht einer Million Elektroautos“, erklärt Wiebke Hansen von Northvolt.
Recycling sei dem schwedischen Konzern wichtig, ergänzt ihr Kollege Arne Claussen: 20 bis 50 % der kritischen Rohstoffe wie Nickel, Kobalt oder Mangan würden wieder in den Kreislauf eingespeist, und das in mehrfachen Zyklen. Auch die Wasserver- und Entsorgung verlaufe weitgehend zirkulär. Northvolt legt nicht nur ein Regenwasserrückhaltebecken an, wozu die Firma verpflichtet ist, sondern auch ein Speicherbecken zur Nutzung von Regenwasser, denn das Rückhaltebecken muss bei Trockenheit wieder leerlaufen. Auch die Nutzung von Brauchwasser aus der städtischen Kläranlage Heide (Grauwasser) wird in Betracht gezogen.
Wasser war denn auch das Hauptthema der Sitzung, weshalb der Ausschuss zunächst beim Deich- und Hauptsielverband (DHSV) Dithmarschen in Hemmingstedt zu Gast war. Meeresanstieg, Starkregen und längere Trockenphasen, begleitet von Verschlickung und Moorsackungen werden in naher Zukunft zu großen Herausforderungen für die Wasserwirtschaft führen. Teile des Einzugsbereiches des inklusive Betreuungsgebiet 180.000 ha großen Einzugsgebiets des DHSV liegen unter dem Meeresspiegel, wenn auch nicht das Northvolt-Gelände mit 1 bis 3 m über NN. „Wir werden verkürzte Entwässerungszeiten haben und größere Rückhaltebecken brauchen“, sagt DHSV-Geschäftsführer Matthias Reimers. „Wir haben nicht zu wenig Wasser, aber Probleme mit der Sortierung.“ Sein Fazit: „Wir brauchen ein Wasserkonzept, auch als klare Antwort für Investoren.“
Denn bei der Neuansiedlung von Industrie in Dithmarschen könnte – und sollte – Northvolt erst der Anfang sein. Diese allseits als Segen empfundene Entwicklung für das bisher strukturschwache Dithmarschen kommt für die Wasserwirtschaft als Herausforderung hinzu. Burmeister rechnet bald mit einer Erweiterung, etwa durch die Produktion von Grünem Wasserstoff: „Da entsteht ein starkes Industriedreieck Heide-Brunsbüttel-Itzehoe. Das schafft Infrastruktur und Wertschöpfung. Aber wir müssen aufpassen, wir dürfen nicht alles nehmen.“
Kay Evers, Bürgermeister von Noderwöhrden, ist froh, damals für die Ansiedlung von Northvolt die Hand gehoben zu haben. „Wir hätten es später bitter bereut, wenn wir so weitergemacht hätten und die Entwicklung an uns vorbeigegangen wäre.“ 15 landwirtschaftliche Betriebe hätten Flächen dafreiwillig abgetreten, dazu kam eine große Fläche vom Amt Heider Umland. Von der zusätzlichen Gewerbesteuer habe die Gemeinde nichts, die sei ein durchlaufender Posten und gehe in den kommunalen Finanzausgleich.
Wasser ist auch für Evers ein Thema – „Wo kommt es her, wo fließt es hin? Wir liegen am tiefsten Punkt und müssen über‘n Berg.“ Doch ein ähnlich großes Thema ist für ihn das Verkehrsaufkommen – an die 500 Lkw pro Tag seien zu erwarten. Davon hätte er gerne einen Großteil auf der Schiene: „Die Marschenbahn wurde jahrzehntelang vernachlässigt!“