Die Förderung von wenig produktiven Wirtschaftsweisen in der EU führt dazu, dass sich die heimische Agrarproduktion verringert, diesen Standpunkt vertritt Harald von Witzke, Professor für internationalen Agrarhandel und Entwicklung an der Humboldt-Universität zu Berlin, zum Welternährungstag (16. Oktober) und mit Blick auf den Green Deal. Das habe Auswirkungen auf Rohwarenverfügbarkeit, Biodiversität und die Freisetzung von Klimagasen.
Das Dogma der EU-Agrarpolitik und auch mancher Agrarwissenschaftler lautet: Die moderne und produktive Landwirtschaft verursacht externe Kosten für die Gesellschaft – also Kosten, die nicht von den Produzenten, sondern von der Allgemeinheit zu tragen sind. Dies erfolgt unter anderem in Form von heimischen Emissionen von Klimagasen und dem Verlust von heimischer Biodiversität.
Green Deal verringert Agrarproduktion
Der Green Deal und das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur werden als zentral für die Erreichung einer nachhaltigen Agrarproduktion angepriesen. Dazu sollen die Verfahren der modernen Landwirtschaft durch weniger produktive Wirtschaftsweisen ersetzt und die heimischen Agrarflächen reduziert werden. Als Folge dieser Programme würde sich die heimische Agrarproduktion erheblich verringern. So würde die EU-Weizenproduktion allein durch den Green Deal halbiert werden. Die EU würde dadurch von einer der weltweit führenden Exportnationen von Weizen, dem wichtigsten Nahrungsgetreide der Welt, zum Importeur.
Die deutliche Verringerung der heimischen Produktion verknappt weltweit Agrargüter und verteuert sie. Beides erhöht die Anreize zu einer beschleunigten Ausdehnung der Agrarflächen der Welt – typischerweise durch Brandrodung oder die Umwandlung von Gras- in Ackerland. Dabei gehen in großem Umfang natürliche Lebensräume und deren Biodiversität verloren. Darüber hinaus wird ein Vielfaches der Klimagase freigesetzt, die in der EU eingespart werden. Green Deal und Wiederherstellung der Natur werden das Gegenteil dessen zur Folge haben, was vorgeblich damit erreicht werden soll.
Die EU-Agrarpolitik und der Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) in Deutschland machten zwei entscheidende methodische Fehler in der Einschätzung des Werts der Landwirtschaft für die Gesellschaft: Zum einen berücksichtigten sie lediglich die lokalen Emissionen. Zum anderen ignorierten oder leugneten sie den externen Nutzen der modernen Landwirtschaft, der aus dem geringeren Flächenbedarf resultiere. Jeder Hektar, der in Deutschland und weltweit landwirtschaftlich genutzt wird, emittiert jährlich im Durchschnitt etwa 4 t CO2- Äquivalente.
Jeder Prozentpunkt Steigerung der Flächenerträge in Deutschland verringert die weltweite Ausdehnung der Agrarflächen um 130.000 ha und verursacht einen externen (Klima-)Nutzen. Nicht enthalten sind darin die weiteren – noch nicht monetär bewertbaren – externen Nutzen durch den Erhalt von 130.000 ha weltweiter natürlicher Lebensräume und deren Biodiversität. Die Welt befindet sich in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts in einer Phase, in der die Bevölkerung zahlenmäßig schneller wächst als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit.
Im Jahr 2050 wird nur noch etwa das Äquivalent der beiden Strafräume eines Fußballfelds als Ackerland je Person auf der Welt vorhanden sein. Die Landwirtschaft muss daher immer mehr Nahrung für immer mehr Menschen auf immer weniger Fläche je Person produzieren, wenn weit verbreiteter Hunger und die dadurch ausgelösten Migrationsströme vermieden werden sollen. Das könne nur gelingen, wenn auch in Deutschland und der EU auf Innovation und Produktivität gesetzt werde.
Hungersnöte wachsen und EU wird Nettoimporteur
Die armen Länder bleiben auf absehbare Zeit gefangen in der Malthusischen Falle, wenn das Bevölkerungswachstum größer ist als die landwirtschaftliche Produktion und es dadurch zu Hungersnöten oder Kriegen kommt. Selbst unter den besten aller denkbaren und realistischen Umstände werden die armen Länder der Welt nicht annähernd in der Lage sein, ihren rasch wachsenden Bedarf an Nahrung in den kommenden Jahrzehnten aus heimischer Produktion zu decken, ihr Importbedarf wird zunehmen. Die traurige Konsequenz aus alledem ist, dass die EU bereits ohne Green Deal und Wiederherstellung der Natur zu einem der weltgrößten Nettoimporteure geworden ist und per Saldo jedes Jahr zwischen 17 und 34 Mio. ha außerhalb ihrer Grenzen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse im Agrarbereich nutzt. Deutschland trägt mit 5 bis 6 Mio. ha erheblich zu diesem Defizit bei.
Die Jahrtausendwende hat eine neue Ära für die Landwirtschaft der Welt eingeläutet, nämlich eine neue Ära der Knappheit. Bei einem herrschenden Defizit an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, natürlichen Lebensräumen und Biodiversität sei eine politische Strategie anachronistisch, die auf weniger Produktion setze. Stattdessen müsse der knapper werdende Boden produktiver genutzt werden. Innovation und Produktivität seien die Gebote der neuen Ära der Knappheit in der Weltagrarwirtschaft. Nur eine solche Agrarproduktion sei ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig. Sie schone das Klima und das Naturkapital der Welt. Sie sei ökonomisch nachhaltig, weil die Landwirtschaft für den Bedarf der Verbraucher produziere und nicht für die Politik. Es könne genügend Nahrung hergestellt werden zu Preisen, die auch in armen Ländern der Welt gezahlt werden könnten. Damit leiste die moderne und produktive Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Sicherung der Welternährung. age




