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Voller Einsatz für gesunde Böden

Die Zukunft bauen – das wollen die ZukunftsBauer! Ellen Redderberg vom Gut Kattenhöhlen in Scharbeutz, Kreis Ostholstein, engagiert sich in diesem Projekt des Deutschen Bauernverbandes. Gemeinsam mit ihrer Schwester Maren und Schwager Wilken Oldenburg produzieren sie Erneuerbare Energien und Ackerfrüchte. Dabei setzt die Familie seit sechs Jahren auf die Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft.

„Schon unsere Elterngeneration hat immer geguckt: Welche politischen und gesellschaftlichen Strömungen gibt es und wie können wir uns dazu passend weiterentwickeln?“, berichtet Maren Redderberg. Den Weg zur Regenerativen Landwirtschaft fanden die Betriebsleiterinnen über ein Seminar bei Anbauberaterin Dr. Sonja Dreymann. Während mehrerer Treffen über eine komplette Vegetationsperiode hinweg habe man einen Werkzeugkasten an die Hand bekommen. Es gebe für die Umsetzung aber keine pauschale Herangehensweise. Jeder Betrieb müsse sein eigenes Konzept entwickeln. „Die Umstellung funktioniert nicht von heute auf morgen. Es ist ein Prozess“, betont Maren Redderberg. Sie erklärt, dass zur Regenerativen Landwirtschaft unter anderem gehöre, Flächen „grün zu halten“, Humusaufbau zu betreiben und Nährstoffverhältnisse im Boden auszugleichen. Die mit Zwischenfrüchten begrünten Flächen auf Gut Kattenhöhlen werden im Frühjahr flach gefräst. Das Material wird anschließend in der sogenannten Flächenrotte sieben Tage lang liegen gelassen. Danach wird gegrubbert und Mais gelegt.

Als klassischer Ackerbaubetrieb hat Vater Carsten Redderberg 1995 eine Kompostieranlage für bis zu 10.000 t Kompost pro Jahr gebaut. Seit 2001 betreibt das Gut Kattenhöhlen zudem ein Holzhackschnitzelheizwerk, das mit Landschaftspflegematerial im benachbarten Ratekau 150 Wohneinheiten, die Schule und die Feuerwehr mit Wärme versorgt. Vor rund 15 Jahren ist dann eine 1-MW-Biogasanlage mit drei Blockheizkraftwerken ans Netz gegangen. Die Wärme wird aufgeteilt auf eine Holztrocknung am Hof, auf eine Gärtnerei und auf ein benachbartes Wohngebiet.

Die Prinzipien der Regenerativen Landwirtschaft im Betrieb umzusetzen bot sich laut den Schwestern an, weil es wegen der Kompostieranlage und der Biogasanlage „viel Organik“ im Betrieb gebe. Ihre Gärreste behandeln Redderbergs unter anderem mit Sauerkrautsaft, Pflanzenkohle und Huminstoffen, um das Bakterien­milieu des Bodens nicht mit dem der Gärreste zu schädigen und um den Kohlenstoffgehalt der Gärreste zu erhöhen.

Ellen Redderberg schildert: „Wir beschäftigen uns auch mit Systemen, die Humusaufbau honorieren.“ Aber auch ohne zusätzliche Honorierung sei man mit den Ergebnissen dieser Wirtschaftsweise sehr zufrieden, da weniger Mineraldünger, aber auch weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden müssten. „Wir sparen vor allem Kali- und Phosphatdünger“, erläutert Maren Redderberg. Außerdem kalke der Betrieb insgesamt weniger, aber häufiger mit kleineren Gaben.

Die Schwestern setzen auf ein intensives Monitoring und beproben sowohl ihre Pflanzenbestände als auch ihre Böden regelmäßig. Maren Redderberg beschreibt: „Es ist manchmal schwierig, den Pflanzen anzusehen, welcher Nährstoff gerade fehlt.“ Teilweise gebe es auch genug Nährstoffe im Boden, die aber nicht mobilisiert würden. Insbesondere bei der Mobilisierung von Phosphat haben die Schwestern positive Effekte der Regenerativen Landwirtschaft festgestellt.

Die Regenerative Landwirtschaft passt aus ihrer Sicht gut zur ZukunftsBauer-Initiative, weil sie dem gesellschaftlichen Wunsch nach Nachhaltigkeit entspreche. Um keine Trends zu verpassen, forcieren Redderbergs den Austausch mit ihren Feriengästen, indem sie die unterschiedlichen Betriebszweige in den Gästemappen beschreiben, die in den Ferienwohnungen ausliegen. Darin formulieren sie das Angebot: „Wenn Sie mehr wissen wollen, sprechen Sie uns an.“ Ellen Redderberg berichtet: „Das Gesprächsangebot nehmen mehr Gäste wahr, als wir gedacht hätten.“ Regelmäßig geht sie mit den Gästen auf den Acker, um das Bodenleben zu zeigen, oder zur Biogasanlage, um über Erneuerbare Energien zu diskutieren.

Ellen und Maren Redderberg haben viele Ideen, wie sie das Unternehmen nachhaltig und zukunftsorientiert weiterentwickeln wollen. Dabei setzen sie weiterhin auf die Vielfältigkeit der Betriebszweige, von der die Entwicklung des Unternehmens bereits in den vergangenen Jahren nachhaltig profitiert habe.

Arbeit und Schönheit Südamerikas

Nach Abschluss der Fachschule in Rendsburg hat der 22-jährige Junglandwirt Claas Friedrichs aus dem Kreis Ostholstein rund fünf Monate in Südamerika verbracht, hat sechs Wochen auf einem Ackerbaubetrieb in Chile und drei Monate in einer Zuckerfabrik gearbeitet, dazwischen das Land bereist. Hier sein Bericht.

Dies war keine klassische Back­packingreise, sondern die Chance, ganz anders zu arbeiten als zu Hause, zu reisen und dabei die Schönheiten Südamerikas zu entdecken. Auf dem Ackerbaubetrieb mit zirka 2.500 ha waren Kartoffeln die Haupteinnahmequelle. Zusätzlich brachten andere Kulturen wie Getreide mit einer Ertragsrate von 13 bis 17 t/ha und Raps mit 6 t / ha ebenfalls Spitzenerträge, welche den hohen Niederschlägen und der fruchtbaren Vulkanerde zu verdanken sind. Es war wahnsinnig interessant und eindrucksvoll, wie in anderen Teilen der Welt gearbeitet wird, wenn die Umstände anders sind.

Nach der Arbeit folgte gemeinsam mit zwei Freunden, mit denen ich hingeflogen war, eine sechswöchige Reise von den Gletschern im Süden bis zur trockensten Wüste der Welt, der Atacama im Norden Chiles. In der Wüste stießen noch zwei Freundinnen aus Deutschland dazu.

Im Anschluss ging es über Kolumbien mit fünf Tagen Aufenthalt in Bogota weiter nach Brasilien. Dort traf ich zwei der in Chile neu Kennengelernten. Das gemeinsame Ziel war eine Zuckerfabrik in Brasilien im Bundesstaat Mato Grosso. Dort arbeiteten wir drei Monate lang.

Zuckerrohrernte in Brasilien. Fotos: Claas Friedrichs

Die Fabrik bewirtschaftet eine Fläche von etwa 87.000 ha – fast fünfmal so groß wie Fehmarn – und beschäftigt rund 2.500 Mitarbeiter. Neben der Arbeit planten wir auch kurze Ausflüge, um das Pantanal – das größte Sumpfgebiet der Welt –, den Amazonas, das Nachbarland Bolivien und viele andere schöne Orte und Städte im fünftgrößten Land der Welt zu sehen.

Auch dort war das Eindrucksvollste aus meiner Sicht der wahnsinnige Kontrast zu europäischen Verhältnissen. Und die Erkenntnis, dass „Vitamin B“ – gut vernetzte Kontakte – in Südamerika noch viel wichtiger ist als in Deutschland, obwohl es auch hier ein starker Hebel sein kann.

Ein atemberaubender Blick über das Amazonas-Gebiet

Die deutsche c. p.-Politik

Den lateinischen Begriff „ceteris paribus”, c. p., kennt wohl jeder Student, der sich am Rande mit Wirtschaft befasst. Er bedeutet „unter sonst gleichen Bedingungen“. Man verändert im theoretischen Wirtschaftsmodell eine Variable und stellt so sicher, dass die Ergebnisse ausschließlich auf diese Variable zurückzuführen sind. Es ist eine Art Labor­denken, um die komplexe Wirklichkeit in kleine, verstehbare Häppchen zu teilen und – unter „sonst gleichen“, also kontrollierten Bedingungen – Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.

Der Begriff c. p. soll also die Wirklichkeit begreifbarer machen. Doch c. p. ist heute dem Labor entkommen und hat die Politik infiziert. Immer wenn in der politischen Debatte nach schnellen und harten Maßnahmen gerufen wird, ist c. p. nicht weit – und das in bester Absicht. Denn es geht darum, das Klima zu retten, die Menschheit gesund zu ernähren, die Natur zu schützen, und das alles, indem man an einem Faktor dreht: Weg mit dem Klimakiller Kuh! Esst weniger Fleisch! Fahrt die intensive Landwirtschaft herunter! Einfacher geht es nicht. Negative Folgen werden negiert.

Doch der Glaube, eine strikte c. p.-Politik würde unsere komplexen Probleme lösen, kann katastrophale Folgen haben. Das c. p. wurde geschaffen, weil wir die Welt sonst nicht verstehen. Es dient dem Erkenntnisgewinn, ist also vorpolitisch. Außerhalb des Labors aber zieht jede Maßnahme viele Ergebnisse nach sich, positiv wie negativ. Das heißt: Mit dem Ausschalten der negativen Wirkung beeinträchtigt man auch die positiven. „Von so was kommt so was“, weiß man in Norddeutschland. Die Methode c. p. funktioniert wohl in Labors, Fabriken oder Büros unter kontrollierten Bedingungen. Es mag manchmal etwas teuer sein, aber es ist generell umsetzbar. Es funktioniert aber nicht in der Natur oder im Markt. Ein Eingriff schafft nie nur eine negative Wirkung ab, er erschafft eine andere Zukunft. Aber diese Zukunft ist nicht steuerbar. Das erleben wir nicht nur in der Landwirtschaft: Die Politik steuert und steuert (auch mit Steuern) und kommt doch nicht hinterher.

Wir schalten ab, was uns negativ erscheint. Wir hoffen zugleich auf die Lösungskompetenz derer, die wir belasten, und fordern, dass deren Engagement nicht nachlässt – c. p. eben. Ob es hilfreich ist, gerade diesen Menschen vorzuwerfen, sie missachteten die Interessen zukünftiger Generationen, wenn sie sich den c. p.-Forderungen nicht anschließen, ist zweifelhaft.

Es wird Zeit, den c. p.-Laborblick abzulegen. Alternativlos ist „da draußen“ erst einmal gar nichts. Ein Politiker, der seine Argumentation von Laborbedingungen ableitet, sollte mit Vorsicht betrachtet werden. Wenn er dann noch zur Eile drängt, sollte sein Vorhaben erst recht auf die lange Bank geschoben werden. Wer meint, es würde reichen, ein einzelnes Zahnrad zu blockieren, der handelt verantwortungslos.

Dies ist kein Plädoyer dafür, nicht zu handeln, sondern anders zu handeln: Abläufe so lange zu testen und zu überarbeiten, bis das Ergebnis zufriedenstellt. Dieser Prozess hört nie auf, solange die Welt sich verändert. Das nennt sich Adaptation – die möglichst optimale Anpassung an die Umwelt. Am Ende ist dies nicht nur erfolgreicher, sondern auch demokratischer. Die Buchstaben „cp“ kann auch heißen „customer paid“: „Empfänger bezahlt“. Dann sollte er auch bestimmen, wo es langgeht.

Lust auf Erdbeeren

Einer der schönsten Termine des Jahres, weil er nach Sommer schmeckt: Saisoneröffnung der Erdbeeren auf dem Hornbrooker Hof in Nehms (SE) am Montag. Die Blütenanlage sieht gut aus. 10.000 t des gesunden Obstes erwarten wir in Schleswig-Holstein. Drücken wir den Landwirten die Daumen für eine reiche Ernte. Dafür benötigen sie jetzt schönes und trockenes Wetter.

Springstars aus Holstein

Zum zweiten Mal stellten sich junge Springhengste in Münster zur Leistungsprüfung vor. In der Sportprüfung traten 24 Hengste an, acht nahmen an der Veranlagungsprüfung (kurz) teil.

Das qualitativ stärkste Lot stellten die fünfjährigen Hengste, mit Chavaros II von Charleston-Con Air an der Spitze. Der Holsteiner Schimmel aus der Zucht von Reimer Detlef Hennings aus Bendorf, Kreis Rendsburg-Eckernförde, vertrat in Münster die Hengststation Maas J. Hell in Klein Offenseth, Kreis Pinneberg. Er begeisterte mit viel Kraft und Übersicht. Für Vermögen und Manier erhielt er jeweils die 8,8, für die Rittigkeit sogar die glatte 9,0, ebenso wie für die Perspektive als Springpferd. Zusammen mit einer 8,5 für den Galopp errechnete sich eine gewichtete Endnote von 8,8.

Den am besten bewerteten Galopp in dieser Prüfung zeigte der Holsteiner Esmeraldo von Emerald van het Ruytershof-Caretino, der für seine Leichtfüßigkeit und Geschmeidigkeit mit der 9,0 belohnt wurde. Am Ende gab es die Note 8,75 (Vermögen 8,50; Manier 8,80; Rittigkeit 8,70; Gesamteindruck 8,80). Gezogen wurde der bunte Fuchs von Friedrich Meyer aus Nottfeld, Kreis Schleswig-Flensburg. Sven Völz aus Niedersachsen hatte ihn angemeldet.

Das beste Endergebnis der 16 vierjährigen Hengste erzielte der braune Westfale Daquito Royal. Für den Sohn des Holsteiners Diamant De Casall kam eine 8,51 als Endergebnis heraus. Vergleichbar gut schnitt auch der Casall-Sohn Chapeau del Pierre ab. Ausgestattet mit guten Grundgangarten gefiel er vor allem aufgrund seiner hohen Rittigkeit (8,8) und beendete die Sportprüfung mit der Endnote 8,5. Gezogen wurde Chapeau del Pierre von Peter und Thorsten Diedrichsen aus Borgsum, Kreis Nordfriesland, aus einer Quirado-Mutter. Der braune Holsteiner wurde von Dirk Ahlmann aus Reher, Kreis Steinburg, ausgestellt.

In der Veranlagungsprüfung schnitten zwei der acht Teilnehmer mit einer Endnote über 8,0 ab, darunter der braune Holsteiner Magnus von der Söhr (8,12). Der Hengst von Manchester van‘t Paradijs-Comme il faut stammt aus der Zucht von Christian Schröder aus Groß Wittensee, Kreis Rendsburg-Eckernförde, und wurde von Sven Völz ausgestellt.

Beratung wird Teil des Geschäftsmodells

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Die Umsetzung des Green Deal erfordert eine intensivere und transparente Zusammenarbeit der Unternehmen entlang der gesamten Vermarktungskette – von den vorgelagerten Bereichen über die Landwirtschaft und die Lebensmittelhersteller bis hin zum LEH. Darauf hat Harry Smit, Analyst bei der niederländischen Rabobank, auf der Frühjahrstagung der Verbindungsstelle Landwirtschaft-Industrie (VLI) am Mittwoch in Leverkusen hingewiesen.

Der Aufgabenschwerpunkt der Anbieter von Inputs wie Pflanzenschutzmitteln und Dünger wird sich künftig mehr auf Beratungsleistungen für Landwirte verlagern müssen. Der Industrie komme dabei zunehmend die Aufgabe zu, ihr umfassendes Fachwissen an die Landwirte zu vermitteln, erklärte Smit seine Sicht auf die Entwicklung der Branchen.

Derweil müssten die Bauern ihre Produktionsverfahren entsprechend verbessern, ihre Leistungen messen und diese Daten digital dokumentieren. Indes seien die Verarbeiter und der LEH dafür verantwortlich, Standards zu setzen, diese zu kommunizieren und Leistungen der Landwirtschaft zu belohnen.

Mit Blick auf die Abfederung volatiler Agrarpreise verwies der Analyst auf gute Erfahrungen mit längerfristigen Geschäftsbeziehungen im Rahmen vertikal integrierter Produktionsrichtungen wie der Geflügelfleischerzeugung. Der Wandel sei anstrengend und koste Geld, betonte der Banker.

Landwirtschaft hat größten CO2-Fußabdruck

Smit berichtete, dass aktuell kaum ein Landwirt den CO2-Fußabdruck seines Betriebes kenne. Dabei sei die Branche der wichtigste Emittent von Treibhausgasen in der Vermarktungskette von Lebensmitteln.

Die Auswertung von Treibhausgasbilanzen zahlreicher Supermärkte in der EU und dem Vereinigten Königreich wie Tesco, Delhaize und Carrefour habe nämlich ergeben, dass durchschnittlich 97 % der betreffenden Emissionen Quellen zuzurechnen seien, die das bilanzierende Unternehmen nicht besitze oder direkt kontrolliere (Scope 3).

Auf der Ebene der Lebensmittelhersteller wie Danone und Nestlé sinke der Anteil von Scope-3-Emissionen lediglich auf durchschnittlich 95 %.

Kompass der nächsten Generation

Dem Analysten zufolge hat die EU-Agrarerzeugung ihren Höhepunkt bereits erreicht. Während sich die Getreideproduktion in den kommenden Jahren mengenmäßig wohl kaum verändern werde, sei für andere Betriebszweige wie die Erzeugung von Schweinefleisch und Milch sogar mit negativen Wachstumsraten zu rechnen.

Künftig dürften deshalb Mengensteigerungen nicht mehr im Vordergrund stehen. Vielmehr werde es darum gehen, die Wertschöpfung der Produkte zu steigern.

Der Green Deal sei als Kompass der nächsten Generation für den politisch angestrebten Wandel in der EU zu verstehen, hob Smit hervor. Als Vorteile des Konzepts nannte der Niederländer unter anderem konkretisierbare und wichtige Schritte hin zu einer ressourceneffizienten Wirtschaft. Ferner gewährleiste der Green Deal gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen in der Gemeinschaft und begünstige Innovationen. Allerdings seien die Ziele häufig sehr ambitioniert. Dadurch könnten die Wettbewerbsposition unter Druck geraten und die Produktion sinken. age

Marktkommentar

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Die deutschen Schweineschlachtbetriebe beklagen immer wieder ein Margenproblem, plädieren deshalb regelmäßig für eine Senkung ihrer Einkaufspreise, das heißt der Schlachtschweinepreise, zur Verbesserung ihrer Bruttomarge, der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis. Daraus müssen sie ihre Kosten decken und wollen verständlicherweise auch einen Gewinn erzielen.

Die Schlachtkapazität betrug in Deutschland bis Ende 2023 zirka 1,1 Millionen Schweine pro Woche. Derzeit werden regelmäßig weniger als 700.000 Tiere pro Woche geschlachtet. Damit werden fast 40 % der Kapazitäten nicht genutzt, die Fixkosten laufen aber weiter und verschlechtern die Marge der Schlachtbetriebe. Der politisch gewollte abnehmende Fleischkonsum ist Hauptgrund für diese Entwicklung, da der Pro-Kopf-Verzehr immer weiter zurückgeht. Weniger Fleischkonsum bedeutet weniger Schweineschlachtungen, bedeutet weniger Schlachter, bedeutet geringe Kapazitätsauslastung, bedeutet höhere Kosten. Gleichzeitig machen auch andere gestiegene Kosten der Branche zu schaffen – zum Beispiel für Energie – sowie ein akuter Fachkräftemangel. Dazu kommen ein immer höherer Bürokratieaufwand und Investitionen zur Umsetzung der EU-Hygienevorschriften.

Vion reduziert Schlachtkapazitäten

Die Vion Food Group, Nummer drei in Deutschland unter den Top Ten der Schlachtkonzerne, die hier 82 % der Schweine schlachten, baut ihre Kapazitäten nun deutlich ab. Nach der Schließung des Rinderschlachthofes Bad Bramstedt (ehemals 250 Mitarbeiter) am 31. Juli 2023 wurde Anfang 2024 bekannt, dass der Schlachthof Emstek mit einer Kapazität von 70.000 Schweineschlachtungen pro Woche geschlossen wird. Betroffen sind rund 750 Mitarbeiter. Dazu sind ein Rinderschlachthof in Thüringen, ein Schweineverarbeitungsbetrieb in Brandenburg sowie der Schinkenspezialist Ahlener Fleischhandel (NRW) betroffen, sie sollen an Mitbewerber in Deutschland verkauft werden.

Politik will regionale Schlachthöfe erhalten

Aber auch immer mehr regionale kommunale Schlachthöfe müssen schließen. Hohe Kosten, fehlendes Personal, geringe Auslastung und massive wirtschaftliche Verluste sind die Gründe. Die Politik wolle eigentlich genau das Gegenteil, ist aus den Landwirtschaftsministerien in Niedersachsen und Hessen zu hören: also die Förderung kleiner, regionaler Betriebe, die die Tiere von den Landwirten auf kurzen Wegen holen können. Wie das genau geschehen und vor allem finanziert werden soll, ist noch nicht bekannt. Im Moment läuft es komplett andersherum. Die Transportwege für Schlachttiere werden immer länger, was jedem Tierwohl-Gedanken widerspricht.

Auch andere Bereiche sind vom Rückgang des Fleischkonsums betroffen, so ging die Produktion von Schweinemastfutter 2023 gegenüber 2022 um rund 500.000 t zurück und fünf Mischfutterbetriebe mussten schließen. Das bedeutet die Gefahr von regionalen Monopolen und natürlich längere Transportwege zulasten der Umwelt.

Rückgang des Fleischkonsums

Der Schweinefleischkonsum nahm in den vergangenen zehn Jahren um etwa ein Viertel von 38,7 kg im Jahr 2012 auf 29,0 kg pro Kopf im Jahr 2022 ab. Dieser deutliche Rückgang ist der Haupttreiber der notwendigen Strukturanpassungen der Schweineschlachtbranche in Deutschland. Gleichzeitig nimmt auch das Exportgeschäft wegen der anhaltenden ASP-bedingten Sperren weiter ab. Deshalb ist eine weitere Konsolidierung in der Schlacht- und Verarbeitungsbranche unter den gegebenen Umständen leider unausweichlich, so schmerzhaft dies für die Betroffenen auch ist.

Die Politiker sind gefordert, Stellung zu beziehen. Dem neutralen Betrachter ist unklar, was ihr Ziel ist: Es wird erklärt, sich zukünftig an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung orientieren zu wollen, die unlängst veröffentlich hat, einen Fleischkonsum von 300 g pro Woche und Kopf zu empfehlen. Das wären 15,6 kg pro Kopf jährlich, also ein Drittel des derzeitigen gesamten Fleischkonsums. Wieso sollen dann noch regionale Schlachthöfe erhalten werden? Wie werden die dann weiter notwendigen Strukturanpassungen abgefedert?

Marktlage für die Woche vom 29.4. bis 5.5.2024

Getreide: Feste Terminkurse für alt- und neuerntige Weizenkontrakte erhöhten am Kassamarkt die Gebote und belebten das Angebot damit spürbar.

Raps: Schäden an den Pflanzen konnten in weiten Teilen Europas nach den frostigen Temperaturen nicht ausgeschlossen werden und sorgten für Beunruhigung am Markt.

Futtermittel: Der Preisauftrieb für Futtergetreide war etwas geringer als zuvor, es gab aber mehr Umsatz. Auf der Großhandelsstufe verzeichnete Mais kräftige Aufschläge.

Kartoffeln: Die ersten landwirtschaftlichen Kartoffellager sind bei stetigem Absatz geräumt worden.

Schlachtrinder: Landwirte lieferten Jungbullen zögernder ab, damit passte das Angebot besser zur Nachfrage.

Schlachtschweine/-sauen: Insbesondere die sehr ruhigen Geschäfte mit Grillgut belasteten den Markt.

Ferkel: Deutschlandweit standen sich Angebot und Nachfrage relativ ausgewogen gegenüber.

Milch: Dieses Jahr wurde die Vorjahresmenge leicht verfehlt.

Schlachtlämmer/-schafe: Dem kleinen Angebot stand eine deutliche ruhigere Nachfrage gegenüber.

Markttendenz für die Woche vom 6. bis 12.5.2024

Getreide: Gestützt wird der Weizenmarkt weiter von der Trockenheit in Südrussland und den südlichen Plains der USA.

Raps: Der Euronext-Raps präsentiert sich derzeit stabil und so wird auch die weitere Entwicklung erwartet.

Futtermittel: Rapsschrot bleibt knapp und gefragt, Sojaschrot tendiert dagegen preislich schwächer, da am heimischen Markt eine Nachfrageflaute herrscht.

Kartoffeln: Für Kühlhausware wird je nach Qualität ein Aufschlag von 2 € bis 4 € gezahlt.

Schlachtrinder: Schlachtkühe sind etwas zu knapp, woran sich auch in den kommenden Wochen wahrscheinlich wenig ändern dürfte.

Schlachtschweine/-sauen: Das kleine Angebot lässt sich vermarkten, mit dem Anstieg der Temperaturen belebt sich der Absatz.

Ferkel: Die Stückzahlen haben sich leicht erhöht, es werden wieder erste freie Partien angeboten.

Milch: Impulse aus der anlaufenden Spargel- und Eis-Saison sind für Rahm bislang nicht spürbar.

Schlachtlämmer/-schafe: Es werden mehr frische Lämmer angeboten, für die höhere Preise gezahlt werden.

Gestaltungsideen mit Würzpflanzen

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Für aromatische Kräuter findet sich immer noch ein Plätzchen im Garten. Ob im Kräuterbeet oder Nutzgarten, im Hochbeet oder Kübel, im Staudenbeet oder zwischen Sommerblumen – Kräuter bereichern optisch und verwöhnen zudem mit würzigen Aromen.

Es ist nicht nur Geschmackssache, sondern auch eine Frage des vorhandenen Platzes, ob Kräuter ein eigenes Beet erhalten sollen. Liegt das Beet gleich bei der Terrasse, fallen die Wege zur Küche kurz aus. Praktisch sind auch Bereiche im Gemüsegarten, die für Kräuter reserviert sind. Hier können Sie die verschiedenen Arten nach ihren Ansprüchen gruppieren. Neuerdings häufiger zu sehen sind sogenannte Kräuterräder. Dabei werden einzelne Sektionen mit Steinen abgetrennt und unterschiedlich bepflanzt. Die Steine nehmen dabei die äußere Form des Radkranzes und der Speichen auf.

Für Borretsch findet sich noch irgendwo ein Plätzchen, sei es im Gemüsegarten oder im Staudenbeet. Foto: Karin Stern

Doch dank ihrer Optik müssen Kräuter gar nicht unter sich bleiben. Bronzefenchel und Borretsch passen prima in jede Staudenrabatte oder zwischen einjährige Sommerblumen. Einige Stauden wie Duftnessel (Agastache) und Indianernessel (Monarda) haben inzwischen den Weg in die Küche gefunden und dienen zunehmend als Aromapflanzen für die Teezubereitung. Aufgrund der vergangenen heißen und trockenen Sommer haben viele Gärtner auf Beete mit trockenheitsliebenden Stauden umgestellt. Hier fügen sich mehrjährige Arten wie Salbei (Salvia officinalis) und Thymian (Thymus) prima zwischen robuster und langlebiger Sonnenbraut (Helenium), Strohblume (Helichrysum thian­shanicum), Brandkraut (Phlomis), Schafgarbe (Achillea) und Kugeldistel (Echinops ritro) ein.

Richtig gut machen sich einige Kräuter zudem als Beeteinfassung. Ganz klassisch eignet sich Lavendel (Lavandula) für diesen Zweck. Aber auch Schnittlauch (Allium schoenoprasum) mit seinen lilafarbenen Blütenkugeln macht in dieser Funktion eine gute Figur. Mit ihren dichten, weißen Blütenbällen ist die Sorte ‚Elbe‘ das dekorative Pendant. Diese Sorte zeigt sich robuster und wüchsiger als andere weiß blühende Varianten. Der heimische Schnittlauch ist mit der Blüte von Mai bis August nicht nur äußerst zierend, sondern auch für Insekten eine gute Nektarquelle. Außerdem eignen sich Salbei (Salvia) und Currykraut (Helichrysum italicum) als Beeteinfassungen. Letzteres ist leider nur bedingt winterhart, ebenso wie die buntlaubigen Sorten des Salbeis.

Im Kiesbeet macht Rosmarin in der Nachbarschaft der Blauraute eine gute Figur. Foto: Karin Stern
Die eindrucksvolle Blüte von Schnittlauch und Oregano ist ein toller Blickfang. Foto: Karin Stern

Auch in Töpfen fühlen sich die meisten Würzpflanzen wohl. Optisch ansprechend wirken verschieden große Terracotta-Töpfe, als Gruppe zusammengestellt. Besonders hübsch kommen solche Topfgruppen daher, wenn sich noch ein paar Dauerblüher wie Geranien oder Zauberglöckchen hinzugesellen. Den täglichen Gießaufwand muss man jedoch einplanen, insbesondere bei heißem und trockenem Wetter.

Vor der Umsetzung neuer Pflanzideen sind die Voraussetzungen für das gute Gedeihen der jeweiligen Kräuter zu prüfen. Mittelmeerkräuter wie Rosmarin (Rosmarinus officinalis) und Salbei brauchen durchlässigen Boden und einen sonnigen, warmen Platz. Liegt der geplante Standort im Halbschatten, passt das gut zu Schnittlauch, Zitronenmelisse (Melissa officinalis), Dill (Anethum graveolens), Minze (Mentha) und Petersilie (Petroselinum crispum). Sie schätzen nährstoffreichen, feuchten Boden. Pfefferminze (Mentha x piperita) treibt jedoch gern Ausläufer und breitet sich daher rasch aus. Ganz praktisch ist es, sie in einem Topf ohne Boden auszupflanzen. Die Seitenwände wirken dann wie eine Rhizomsperre. Alternativ kann man auch einen handelsüblichen Topf eingraben, sofern er über ausreichend große Wasserabzugslöcher verfügt. Ohnehin lassen sich im Topf die unterschiedlichen Ansprüche sehr leicht über die Wahl des Substrats verwirklichen. Für jedes Kraut finden sich die passende Erde und der optimale Aufstellplatz. Obwohl die meisten Kräuter ohne großen Pflegeaufwand gedeihen, kommt es mitunter zu Befall mit Echtem oder Falschem Mehltau. Echter Mehltau zeigt sich auf den Oberseiten der Blätter und an den Stängeln. Der Schönwetter-Pilz tritt vorwiegend bei trockenwarmem Wetter mit nächtlicher Taubildung auf. Falscher Mehltau zeigt sich zunächst auf der Blattunterseite und ist im weiteren Krankheitsverlauf meist auch auf der Blattoberseite erkennbar. Er tritt bei länger andauernder feuchter Witterung auf. Beim ersten Anzeichen schneidet man alle kranken Pflanzenteile sofort großzügig heraus.

Die Topfkultur bremst den Ausbreitungsdrang der Minze. Foto: Karin Stern
Buntlaubige Salbei-Arten sind leider nicht immer sicher winterhart. Foto: Karin Stern
Thymian bietet dank der großen Sortenvielfalt eine breite Palette an Laubfarben. Foto: Karin Stern
Echter Salbei lässt sich prima in Beete mit trockenheitsresistenten Pflanzen integrieren. Foto: Karin Stern
Currykraut braucht unbedingt einen guten Winterschutz. Dennoch kann die Pflanze im Winter absterben. Foto: Karin Stern


Hommage an‘t Plattdüütsche in allen Facetten

„Theater is uns Leven“ – unter diesem Motto stand das Theaterfestival op Platt, das am Sonnabend, 4. Mai, endet. Eröffnet wurde der Theaterreigen vergangene Woche Donnerstag mit einer Gala in der Stadthalle Neumünster. Dort konnten die Zuschauer erleben, wie vielfältig die plattdeutsche Sprache einsetzbar und wie facettenreich niederdeutsches Theaterspiel ist.

Es war ein Abend voller Witz, Frohsinn, Comedy, viel Musik und Gesang, aber mitunter auch mit nachdenklichen Momenten in dem voll besetzten Theatersaal der Stadthalle Neumünster. Den Einstieg machte Stargast Werner Momsen, de plattdüütsche Popp, gespielt von Detlef Wutschik mit Ausführungen zum Thema „Glauben“. Allein bei den Fußballgöttern gibt es ja nicht nur den einen Gott. Und dann verteufeln sich die einzelnen Mannschaftsgötter auch noch gegenseitig: „Alleen in de Twete Liga hest du denn ja al 18 Gödder.“ Über den Glauben an den Weihnachtsmann bis hin zu Verschwörungstheorien reichten seine Gedankengänge und wer Gottesdienste besucht, kennt das von ihm beschriebene Gefühl: Man sitzt in der Kirchenbank, alles ist still und dann kommt dieser eine Gedanke „jetzt bloß nicht husten“ – inklusive Verteilorgie von Hustenbonbons, die Muddern bergeweise in ihrer Handtasche hat.

Stargast Werner Momsen (Detlef Wutschik) mit Moderatorin Carina Dawert

Nachdenkliche Momente gab es bei der Filmvorführung von den Jungen Lüüd ut Löwenstedt mit „In de Juni geev dat immer Erdbeeren“. Darin wird das Thema Flucht aus einer neuen Perspektive erzählt. Ein Stück, das berührt und das 2022 für den Deutschen Amateurtheaterpreis Amarena nominiert war.

Theaterkostproben und Gesangsvorführungen gab es unter anderem von den Niederdeutschen Bühnen und Theatervereinen Neumünster, Süsel, Kiel, Flensburg, Lübeck und Schleswig mit heiteren Szenen aus dem Alltag, wie dem trinkfreudigen Babysitter, der das Abendessen des Baby-Vaters mit seinem Chef vermasselt, mit heimtückischen Schwestern, die um das Erbe des verstorbenen Vaters ringen, mit Frauen in den Wechseljahren – also mit der ganzen Bandbreite, die das Leben und Miteinander so zu bieten haben, und alles in plattdeutscher Sprache, die an diesem Abend, so befand es NDR-1-Moderatorin Carina Dawert, der größte Promi war. Die Woche über gab es dann im ganzen Land Plattvorführungen. Das Theaterfestival op Platt löst nach 30 Jahren die Niederdeutschen Theatertage Molfsee ab. 

Mit frischem Wind und neuen Ideen

Seit November 2022 ist Dr. Kerstin Poehls Direktorin des Freilichtmuseums Molfsee. 57 Jahre nach der Eröffnung wurde damit erstmals vom Stiftungsrat der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen eine Frau an die Spitze berufen.

Von ihrem Büro im alten Torhaus genießt die Direktorin einen weiten Blick auf das Freigelände. Zurzeit wird hier ordentlich gebuddelt und gewühlt. Kleine und größere Baustellen prägen das Bild. „Bis 2025 stehen Tiefbauarbeiten und eine Sanierung und Restaurierung an 28 historischen Gebäuden auf dem Plan. Es sollen unter anderem Barrieren abgebaut werden, sodass die Häuser mittelfristig für Menschen mit Einschränkungen zugänglich sind“, informiert die 45-Jährige bei einem gemeinsamen Kaffee.

Bauarbeiten prägen momentan das Bild im Freilichtmuseum Molfsee.

Die Kulturanthropologin ist bereits viel in der Welt herumgekommen. Unterschiedliche Stationen im In- und Ausland sorgten dafür, dass sie sowohl in Wissenschaft und Forschung als auch in der Ausstellungspraxis wertvolle Expertise und Erfahrungen sammelte. Ebenso baute sie sich ein internationales Netzwerk an Kooperationspartnern auf. Nun hat sie, nur 20 km von ihrem Geburtstort Nortorf entfernt, eine neue Herausforderung gefunden.

Im Schnelldurchlauf lässt sie zunächst ihren beruflichen Werdegang Revue passieren: „Zur Schule ging ich in Rendsburg. Nach dem Abitur 1997 studierte ich Ethnologie, Skandinavistik und Betriebswirtschaftslehre in Tübingen. Ein Stipendium ermöglichte mir 1999 einen Studienaufenthalt in Stockholm. Danach wechselte ich an die Humboldt-Universität zu Berlin, machte hier meinen Magisterabschluss und promovierte 2007 mit meiner Arbeit ‚Europa backstage‘ über europäische Eliten“, führt sie aus. Anschließend war sie als Kulturreferentin in der schwedischen Botschaft in Berlin beschäftigt, organisierte dort Ausstellungen sowie Film- und Literaturveranstaltungen. Danach kehrte sie in den Wissenschaftsbetrieb zurück.

2011 ging sie für ein Gastjahr auf die griechische Insel Lesbos an die Universität der Ägäis. Nach Lehraufträgen in Trondheim und Göttingen widmete sie sich ab 2012 als Juniorprofessorin für Empirische Kulturwissenschaft (vormals Volkskunde) an der Universität Hamburg verschiedenen Forschungsprojekten. „Zum Beispiel forschte ich über Migration in und nach Europa und darüber, wie man dieses Thema in Ausstellungen umsetzen kann, und über Zucker als globales und regionales Handelsgut“, schaut sie zurück.

Das neue Eingangs- und Ausstellungsgebäude Jahr100Haus beherbergt unter anderem die Dauerausstellung „Land. Leute. Leben – im 20. Jahrhundert in Schleswig-Holstein“.

Und jetzt also die Wirkungsstätte Freilichtmuseum Molfsee. 1965 eröffnet, ist es das größte Freilichtmuseum Norddeutschlands und zugleich zentraler Erinnerungs- und Erlebnisort für die Alltags- und Kulturgeschichte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert im Land zwischen den Meeren. Auf 40 ha Freifläche stehen über 70 historische Gebäude. Es gibt eine Sammlung zur Alltagskultur und seit 2021 das Jahr100Haus, ein modernes Gebäude, das Raum für Dauer- und Sonderausstellungen bietet. Seit 2013 gehört das Freilichtmuseum Molfsee zur Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Got­torf, ist aber eigenständig. Es verschmolz mit der 2014 geschlossenen Volkskundlichen Sammlung des ehemaligen Volkskundemuseums am Schleswiger Hesterberg und zählt pro Jahr zirka 130.000 Besucher.

„Ich bin hier von allen mit großer Offenheit empfangen worden“, freut sich Kerstin Poehls. Ob sie glaube, dass sie als Frau einen anderen Blick auf die historische Alltagsgeschichte und -kultur habe als ihre männlichen Vorgänger im Amt? „Ja, insgesamt hat sich in der Museumslandschaft in den vergangenen Jahrzehnten ein Generationenwechsel vollzogen. Damit verbunden ist, dass mehr Frauen in diesem Bereich gestaltend tätig sind und verstärkt ihre weiblichen Perspektiven einbringen. Deutschlandweit werden immer mehr Museen von Direktorinnen geführt“, berichtet sie und gibt zu bedenken, dass etliche Museen, wie auch Molfsee, in den 1960er Jahren gegründet worden seien. Sie seien keine Expresszüge, sondern langsam und genau in Bewegung. Deshalb spiegelten sich hier teilweise noch die damaligen traditionellen Rollenbilder und Darstellungen von Frauen und Männern wider. „Heute nehmen wir andere Fragen in den Fokus als früher. Zum Beispiel: Wer lebte in den damaligen Gebäuden? Wer agierte wie aus welcher Position und Macht heraus? Wie sah der Frauenalltag aus?“

In diesem Zusammenhang erwähnt sie das schleswig-holsteinische LandFrauen-Archiv. Seit seiner Gründung im Jahr 2006 hat es seinen Standort im Freilichtmuseum und wird in Kooperation von Freilichtmuseum und LandFrauenverband getragen. Ziel der Zusammenarbeit ist der Aufbau einer umfassenden Sammlung von schriftlichen und bildlichen Zeugnissen zur Geschichte aller Frauen im ländlichen Raum, mit Schwerpunkt auf dem 20. Jahrhundert. In den vergangenen Jahren gab es einige Sonderausstellungen zur LandFrauen-Geschichte, zuletzt 2018 unter dem Titel „Kohl-, Appel- un Blomenhoff – Ländliche Hausgärten in Schleswig-Holstein“.

Das Gelände des Freilichtmuseums bietet mannigfaltige Einblicke in das bäuerliche und ländliche Leben von anno dazumal.

„Ich freue mich schon sehr darauf, neue Formate mit den LandFrauen zu entwickeln. Wenn Sie auf unser Museumsprogramm 2024 schauen, werden Sie sehen, dass sie auch hier als wichtige Akteurinnen im ländlichen Raum mit eingebunden sind“, bemerkt sie. So habe es im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Heimaten. Eine Ausstellung und Umfrage“ im Februar einen Genussabend zum Thema Grünkohl mit den LandFrauen gegeben. Im Juli werden sie unter dem Motto „Heimaten erzählen“ den Alltag auf dem Land gestern und heute schildern.

„Für mich ist diese Kooperation ein gelungenes Musterbeispiel dafür, wie Gruppen von Menschen das Freilichtmuseum mit Leben füllen, hier mitarbeiten und sich mit ihm verbunden fühlen, es als ‚ihren Ort‘ verstehen und begreifen. Das ist großartig“, findet die Direktorin. Berichten will die Mutter zweier Töchter auch über die Kooperation mit Kindergärten und Schulen, die regelmäßig im Freilichtmuseum für spannende Aktionen zu Gast sind. „Mittlerweile ist ja die Großelterngeneration, die den Enkeln und Urenkeln aus eigenem Erleben etwas über die alte Zeit und Lebenswirklichkeit erzählen könnte, nicht mehr da. Wir wollen Geschichte so präsentieren, dass sie für die junge Generation ansprechend ist.“

Ein Anliegen ist es Kerstin Poehls, in ihrer Arbeit über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen, Lokales, Globales und Europäisches miteinander zu verknüpfen und Themen wie Klimakrise, Migration oder die Bewahrung der Natur und ihrer Ressourcen museal aufzugreifen. „Ich möchte mit meinem Team auf Geschichte neugierig machen, Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart schaffen und Dialoge über unsere Zukunft initiieren“, bringt sie die Ziele auf den Punkt. Ebenfalls solle das Museum mit seinem Ganzjahresbetrieb ohne Winterpause noch bekannter werden, denn auch bei Regen- und Winterwetter lohne ein Besuch im Jahr100Haus.

Bevor es abschließend auf einen kurzen Spaziergang durchs Gelände geht, möchte die Direktorin alle Bauernblatt-Leser auf die aktuelle Ausstellung „Heimaten. Eine Ausstellung und Umfrage“ aufmerksam machen, und sie ermuntern, sich aktiv an ihr zu beteiligen. Sie läuft bis zum 21. Juli, befasst sich mit dem Konstrukt „Heimat“ und bricht dabei bewusst mit klassischen Vorstellungen dieses Themas (siehe auch Bauernblattausgabe 38 vom 23. September 2023). „Klar ist: Die eine für alle und jeden Moment gültige Definition von Heimat gibt es nicht. Aus diesem Grund steht der Titel dieser Schau im Plural“, erklärt sie. Die Ausstellung sei als Einladung zum Dialog angelegt, ein vielseitiges Rahmenprogramm runde sie ab.

Frischen Wind und neue Ideen will Kerstin Poehls in die Museumsarbeit bringen. „Ich denke, dass wir noch nachdrücklicher mehr unterschiedliche Menschen zum lustvollen Nach- und Mitdenken über Alltagskulturen früher und heute einladen können.“ Weitere Infos und Veranstaltungen unter ­freilichtmuseum-sh.de

Heute Direktorin, früher Besucherin: Kennengelernt hat Kerstin Poehls das Freilichtmuseum Molfsee erstmals als Kind, als sie es mit ihrer Oma besuchte. 
Fotos: Silke Bromm-Krieger
Die Gebäude auf dem Gelände des Freilichtmuseums sind Zeitzeugen
Idyllische Impression: Ein Spaziergang durch das Freigelände lohnt sich zu jeder Jahreszeit.
Ein historischer Heurechen dokumentiert auf dem Freigelände die Landwirtschaft vergangener Epochen.
Molfsee ist das größte Freilichtmuseum Norddeutschlands und zugleich zentraler Erinnerungs- und Erlebnisort für die Alltags- und Kulturgeschichte vom 16. bis ins 20. Jahrhundert im Land zwischen den Meeren.
Spinnkopfmühle aus Fockendorf (um 1850)