Die 70-jährige Birgit Völker-Bracker aus Kellinghusen, Kreis Steinburg, hat ein Faible für stimmungsvolle Naturmotive aus Flora und Fauna. In ihrem Atelier entstehen hübsche Unikate in filigraner Handarbeit.
Im schmucken Reihenhaus der Künstlerin stehen an diesem Nachmittag diverse Taschen aufgereiht im Flur. In ihnen hat sie eine Auswahl feinster Schalenkunst und Naturdekorationen reisefertig bruchsicher verpackt. Sie wartet auf ihren großen Auftritt, denn immer einige Wochen vor Ostern ist Birgit Völker-Bracker bundesweit mit einem Stand auf verschiedenen Ostereiermärkten unterwegs. „Als Nächstes geht es zum bekannten Ostfriesischen Ostereiermarkt nach Filsum. Hier treffen sich etwa 40 Künstler vorwiegend aus Deutschland und den Niederlanden und zeigen Eierkunst“, erzählt sie.
Autodidaktisch gestartet
Bereits seit 27 Jahren bannt die frühere Kauffrau Kunst aufs Ei. Zuvor hatte sie entsprechende Werke in einer Ausstellung in Bayern gesehen und war gleich von den kleinen Kostbarkeiten fasziniert. „Das versuche ich auch“, dachte sie und arbeitete sich autodidaktisch in das Metier hinein. Sie merkte, dass es ihr lag, und blieb dabei. Zunächst bemalte sie Eier nur zur eigenen Freude.
Nach einiger Zeit bewarb sie sich jedoch das erste Mal bei einem Veranstalter für Ostereiermärkte und wurde prompt als Ausstellerin angenommen. Weitere Märkte folgten. Mittlerweile organisiert sie sogar selbst welche, wie jüngst auf Hof Ansgarius in Willenscharen/Brokstedt im Kreis Steinburg. Dabei treiben die Eierkünstler insgesamt Nachwuchssorgen um. „Leider gibt es immer weniger von uns. Es kommen kaum junge Leute nach. Wahrscheinlich haben sie heutzutage keine Zeit mehr für solch ein Hobby“, bedauert die Ruheständlerin.
Sie habe schon von Kindesbeinen an ihre kreative Ader entdeckt und Kunst in allen Facetten kennen und lieben gelernt. „Meine Eltern betrieben das Malen als Freizeitbeschäftigung. Ich startete mit Porzellanmalerei, später kamen großformatige Rosenbilder hinzu, bis ich beim dreidimensionalen Oval landete“, schaut sie auf die Anfänge zurück und führt hinauf in ein lichtdurchflutetes Atelier, das sie sich im Dachgeschoss eingerichtet hat. Eines wird beim Betreten ihres liebevoll gestalteten Reiches schnell klar: Hier muss niemand Ostereier suchen, hier sind sie bereits in Hülle und Fülle vorhanden. Ob Hühner-, Nandu-, Emu-, Straußen-, Doppeldotter-, Zebrafinken- oder Gänseeier, Hunderte von Rohlingen und unzählige fertig verzierte Eier haben in Regalen, Schränken und Sideboards ihren Platz gefunden. Mittendrin der kunterbunt bestückte Werktisch der Künstlerin: Pinsel, Farben, Lasuren, Leinöl-Firnis, Motivvorlagen und „unfertige“ Eier auf Drähten im Trocknungsprozess befeuern hier ihre Kreativität.
Meist ab dem Herbst, wenn es in ihrem Naturgarten direkt an der Stör nicht mehr so viel zu tun gibt, zieht sich die Seniorin ins Atelier zurück und frönt der kreativen Leidenschaft. „Es kann schon mal sein, dass ich konzentriert fünf Stunden am Stück male, dabei Zeit und Raum vergesse und ganz in meiner eigenen Welt bin“, sagt sie und strahlt zufrieden übers ganze Gesicht. „Aber jetzt möchte ich Ihnen meinen Bauernhof zeigen“, meint sie und geht schnurstracks an ein Sideboard, auf dem sich ein rustikales Holztablett befindet. In ihm liegen auf Bast gebettet wahre „Ei-Catcher“ in verschiedenen Größen, einer schöner als der andere: ein Pferd mit Fohlen, ein Fasan, rosa Ferkel, Meister Adebar, Lämmchen, Kühe, Hühner und noch viel mehr.
Stimmungsvolle Kreationen
Beim Anschauen der ländlichen Bauernhofszenen geht einem das Herz auf. „Mir ist es wichtig, meine Motive originalgetreu nach der Natur zu malen. Das kommt bei den Besuchern von Ausstellungen immer gut an.“ Und so verwundert es kaum, dass in Griffweite eine illustre Bücherauswahl rund um die Tierwelt und das Landleben auf ihren Einsatz wartet. „Ich schaue mir in ihnen die Tierabbildungen an, wenn ich mir bei einem Detail nicht sicher bin. Auch hole ich mir bei den Illustrationen Ideen für neue Motive“, bemerkt die Künstlerin. Ebenfalls biete ihr herrlicher Garten unzählige Anregungen für stimmungsvolle Kreationen. Sie habe ihn bewusst so angelegt, dass sich auch kleinste Tierchen in ihm wohlfühlten und immer etwas Leckeres zum Snacken fänden. „An der Stör sah ich schon Eisvögel, Wildgänse und Schwäne, im Garten beobachte ich gern Libellen und Vögel“, schwärmt die Naturliebhaberin. Übrigens sei es ihre persönliche Handschrift, dass sie die Rohlinge stets mit Ölfarben verziere. Farben, die für die Eiermalerei sonst eher selten zur Anwendung kämen, weil beispielsweise der Trocknungsprozess länger als bei Acryl- oder Aquarellfarben dauere. „Doch Ölfarben bestechen durch ihre Leuchtkraft und große Lichtechtheit und ermöglichen mir flexibel die Darstellung von winzigen, feinen Einzelheiten. Um Highlights und Lichtpunkte aufs Ei zu bannen, nutze ich zusätzlich Lasurfarben“, erklärt sie und setzt sich an den Werktisch.
Sie nimmt ein Straußenei zur Hand, an dem sie derzeit arbeitet, und demonstriert den Schaffensprozess. Vorsichtig führt sie den Pinsel ans Motiv, das dem berühmten Feldhasen von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1502 nachempfunden ist. „Ich beginne auf der Vorderseite des Eis mit meinem Hauptobjekt, das ich vorskizziert habe. Erst danach gestalte ich den passenden Hintergrund. Eine Kleinigkeit wie eine Feder, Hummel oder Blume kommt bei mir auf die Rückseite. Ich möchte eine Komposition schaffen, die der Betrachter sofort mit einem Blick erfassen kann“, unterstreicht sie. Teilweise bringe sie an Eiern, die sie nicht in einem Naturnest oder anderweitig dekoriere, schlichte weiße Bändchen an, an denen man sie in einen Frühlingsstrauß hängen oder hübsch an einem Zweig in Szene setzen kann.
Naturgetreue Motive
Beim Blick über die Schulter fällt auf, wie dünn der Pinsel ist, mit dem die Künstlerin dem Dürer-Feldhasen gerade Leben einhaucht. „Die Pinsel beziehe ich bei einem Pinselmacher aus dem Bergischen Land. Er hat auch Exemplare, die nur drei Haare haben, die gibt’s sonst nirgendwo“, stellt sie heraus. Mit diesen könne sie 100%ig naturgetreu einzelne Barthärchen, Fellhaare oder Federn auf die Exponate bringen. „Wenn ich einen solchen hauchdünnen Pinselstrich setzen will, halte ich für einen Moment die Luft an, damit ich genau und exakt mit absolut ruhiger Hand arbeite“, verrät sie und präsentiert ein Mini-Zebrafinkenei von 15 mm Durchmesser, auf das sie ein Mini-Rotkelchen gemalt hat. Was für eine filigrane Arbeit!
Eines ihrer Lieblingsmotive seien eben Vögel in allen Variationen und zu allen Jahreszeiten. Doch es sei gar nicht so einfach, zarte Tier- oder florale Motive perspektivisch richtig auf die gekrümmte Fläche des Eis zu bringen. Deshalb kontrolliere sie immer wieder, ob das aufgemalte Motiv von der Optik her stimme und ob die Proportionen harmonisch seien. Ein gutes Auge, viel Geduld, eine ruhige Hand, Talent und Erfahrung seien wichtig, um die Kunst am Ei perfekt zu meistern. „Keines meiner verzierten Eier gleicht dem anderen, es sind alles Unikate. In jedem stecken etliche Stunden Arbeit und viel Herzblut.“
Welches ihrer bemalten Eier ihr selbst das liebste sei, will die Bauernblatt-Reporterin zum Abschluss des Atelierbesuches wissen. Birgit Völker-Bracker lächelt, zögert keine Sekunde und zeigt auf ein mit einem Feldhasen bemaltes Kranichei. „Dieses mag ich sehr gern. Ich würde es nie verkaufen, weil es so selten ist.“ Weitere Infos und Anfragen an die Künstlerin per Mail unter rosenreigen@t-online.de
Silke Bromm-Krieger