„Ich hoffe, dass auf dieser Veranstaltung Mut entsteht, den Umbau anzugehen“, erklärte Dietrich Pritschau, Vizepräsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH), am Dienstag zu Beginn des Forums Schweinehaltung in der Kammerhalle in Rendsburg. Insbesondere die jüngsten Ankündigungen aus dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH), die Sortimente auf höhere Haltungsstufen umzustellen, böten Perspektiven.
Pritschau, selbst Schweinehalter, erinnerte an den Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), nach dem bis 2040 alle Tiere in Deutschland mindestens in Haltungsstufe 3 gehalten werden sollten. Ob dieses Ziel realistisch ist, stellte er jedoch selbst infrage. Tatsache sei allerdings, dass der Tierschutz mittlerweile maßgeblichen Einfluss darauf habe, wie Tierhalter ihre Betriebe weiterentwickelten.
Der BVSH-Vizepräsident betonte, dass der höhere Aufwand des „deutschen Sonderweges“ für Unternehmer nur darstellbar sei, wenn er auch vergütet werde. Die Borchert-Kommission habe dazu Vorschläge gemacht. „Seitdem warten wir auf die Politik“, kritisierte der Schweinehalter. Nach einer langen Phase der politischen Untätigkeit gebe es seit Kurzem wieder Bewegung. Positiv stellte Pritschau die Initiative Tierwohl (ITW) heraus. Diese habe dazu geführt, dass heute 50 % der Tiere in Haltungsstufe 2 gehalten würden.
Nach seiner Überzeugung lasse sich mit der Umstellung auf höhere Haltungsstufen dem „Bashing auf den Fleischkonsum“ etwas entgegensetzen. Mit einem Verzehr von 50 kg pro Jahr liege der deutsche Verbraucher mittlerweile rund 18 kg unter dem europäischen Durchschnitt. „Entweder geht die Entwicklung so weiter und es hören immer mehr Betriebe auf. Oder wir fangen an, den Umbau anzugehen“, stellte Pritschau klar. Die Gesellschaft solle die Tierhaltung nicht weiter als „Pickel am Po“ betrachten.
Positiv sei, dass Schweinehalter aktuell Geld verdienten, denn die Umsetzung der Tierschutznutztierhaltungsverordnung stelle die Betriebe vor große Herausforderungen. Der LEH forciere die Umstellung ihrer Produkte auf Haltungsstufe 3. Schleswig-Holstein sei dafür als eine Art Testregion auserkoren worden. Die „freiheitsliebenden“, unternehmerischen Schweinehalter sähen eine stärkere Integration ihrer Betriebe in die Programme des LEH zwar skeptisch. „Wir hoffen aber, dass die Haltungsstufen einigermaßen deckungsgleich sind“, so Pritschau. Er forderte vom LEH, Produkte höherer Haltungsstufen verstärkt zu bewerben und 5xD weiter voranzutreiben, wenn die LEH-Initiativen für die Schweinehalter glaubwürdig bleiben sollten.
Eine Milliarde reicht nicht
Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) erklärte: „Ich kann mir ein Schleswig-Holstein ohne Schweinehaltung nicht vorstellen.“ Sein Ministerium unterstütze den Umbau zu mehr Tierwohl bereits. „Wir finanzieren eine Perspektivberatung 2040 durch die Schweinespezialberatung (SSB) und die Landwirtschaftskammer.“ Zudem gebe es eine Taskforce auf Landesebene, in der die relevanten Ministerien gemeinsam mit dem BVSH und der Beratung erörterten, welche Stolpersteine im Landesrecht aus dem Weg geräumt werden könnten, um die Genehmigung von Bauanträgen zu beschleunigen.
Schwarz berichtete von einer weiterhin großen Zurückhaltung der Betriebe, den Stallumbau anzugehen. Das belegten auch die „gerade einmal sechs Betriebe aus Schleswig-Holstein“, die bislang am entsprechenden Bundesförderprogramm teilnähmen. Diese „Tierwohlmilliarde“ allein werde laut Schwarz nicht ausreichen, damit der flächendeckende Umbau gelinge. Der Ball liege beim Bund.
Mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz habe der Bund versucht, mehr Klarheit für die Verbraucher zu schaffen. Das sei gescheitert. Die Länder wurden aus seiner Sicht zu wenig beteiligt. Schwarz fordert vom Bundeslandwirtschaftsministerium das aktuelle Gesetz aufzugeben oder es zumindest umfassend in Absprache mit den Ländern und den Wirtschaftsbeteiligten anzupassen.
LEH umwirbt Landwirte
Dr. Sandra Erdmann, Leitung Landwirtschaft, Tierschutz und Nachhaltigkeit der Fleischwerk Edeka Nord GmbH, berichtete, dass es seit 2021 das Gutfleisch-Strohschwein-Programm (Haltungsform 3) gebe. Die einzuhaltenden Kriterien dafür umfassten unter anderem Stroh, strukturierte Buchten, ein nachhaltiges Fütterungskonzept und Anforderungen an die Rasse. Landwirte erhielten dafür eine Abnahmegarantie, Bonuszahlungen und langfristige Verträge.
Für das neue staatliche Tierhaltungskennzeichen hatte sie nur Kritik übrig: „Bei einem Audit von Ankündigung und Umsetzung würde die Bundesregierung gnadenlos durchfallen“, unterstrich Erdmann. Es gebe noch viele Fragezeichen sowohl für Landwirte, Schlachter als auch den LEH. „Wir wissen heute nicht genau, wie ein Frischluftstall aussehen soll“, kritisierte sie. Zudem biete die staatliche Kennzeichnung aktuell keine Kriterien für andere Tierarten, was gerade bei Mischprodukten wie Hackfleisch zur Verwirrung von Verbrauchern führe. Die meisten Lebensmitteleinzelhändler ließen daher zusätzlich zum staatlichen Label die eigene Haltungsformkennzeichnung auf den Verpackungen.
Markus vom Stein, Senior Buying Director bei Rewe, warb für die eigenen Tierwohlprogramme. Er betonte: „Wir wollen nicht Ankündigungsweltmeister sein, sondern Landwirte motivieren, bei unseren ambitionierten Programmen mitzumachen.“ Die Fleischstrategie bei Rewe bestehe aus einem Mix aus Tierwohl- und Regionalitätskriterien. Der Einzelhändler wolle die Weiterentwicklung der ITW in höhere Haltungsstufen forcieren und 5xD stärken, vor allem bei Frischfleisch. Am Ende sei aber wichtig, dass der Kunde die Ware auch abnehme. Vom Stein zeigte sich optimistisch, dass das mithilfe einer intensiveren Vermarktung gelinge.
Gute Strohqualität ist Pflicht
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion berichteten zwei Tierhalter, die bereits mehr Tierwohl auf ihren Betrieben umgesetzt haben, von ihren Erfahrungen. Torsten Bährs aus Neufelderkoog, Kreis Dithmarschen, hält 350 Sauen im Gutfleisch-Strohschwein-Programm. Dafür bekommt er zusätzlich 20 € pro Ferkel. Zu den Genehmigungsverfahren für die Um- und Neubauten berichtete er: „Das Bauamt war wohlwollend, aber unter der Voraussetzung, dass wir unseren Bestand nicht vergrößern.“ Der neue Wartestall mit 100 Sauen funktioniere gut. Die Tiere im Deckzentrum während der Rausche nicht zu fixieren sei aber „schwierig“. In der neuen Abferkelung mit 7,5 m2 großen Boxen sei eine Herausforderung, dass die Ferkel in den ersten Tagen schlecht ins Ferkelnest fänden. Höhere Erdrückungsverluste seien aber hauptsächlich bei Altsauen festzustellen. Großgezogen werden die Ferkel im Familienbetrieb in 100er-Großgruppen in alten Schafställen. Bährs stellte die Bedeutung der Strohqualität heraus. „Wenn du schlechtes Stroh zusammenpresst, macht das keinen Spaß“, so der Tierhalter.
Zur Mast kommen die Tiere auf den Betrieb von Thorben Lucht nach Barlt, Kreis Dithmarschen. Durch das Strohschwein-Programm erhält er zusätzlich 40 ct / kg SG. Seinen Maststall mit 1.400 Plätzen in vier Großgruppen hat er nach dänischem Vorbild konzipiert. „Wir haben zum Glück eine Unterflurspülanlage eingebaut“, berichtete auch er von hohem Mehraufwand beim Strohmanagement. Auch der Verzicht aufs Schwänzekupieren verursache durchschnittlich in jedem fünften Durchgang größere Probleme. Aktuell plant Lucht zwei Ausläufe, die eingestreut werden sollen, sodass das Stroh möglichst aus dem Stall herausgehalten werde.
Dr. Britta Siefken vom Fachdienst Bauaufsicht des Kreises Rendsburg-Eckernförde empfahl umbauwilligen Landwirten einen Blick auf die Internetseite des Kreises. Dort gebe es Checklisten, die bei der Vorbereitung eines Bauantrages hülfen. „Ich werbe auch für unsere kostenfreie Vorberatung mit dem zuständigen Sachbearbeiter“, ergänzte Siefken. So ließen sich möglich Fallstricke frühzeitig identifizieren.
Jens Rixen vom Planungsbüro Rixen & Heyn erläuterte seine Herangehensweise an Bauvorhaben: „Wir gucken uns zunächst die alten Genehmigungen an und überprüfen, ob die vorhandenen mit den genehmigten Tierzahlen übereinstimmen.“ Anschließend werde ermittelt, ob man sich im Baurecht oder im Recht nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) bewege. Baugenehmigungsverfahren für Ställe nach BImSchG dauerten häufig länger als ein Jahr. Verfahren nach Baurecht liefen normalerweise schneller.
Lena Preißler-Jebe, Baurechtsexpertin des BVSH, riet Tierhaltern bei Problemen während des Genehmigungsverfahrens, die Beratung des Verbandes in Anspruch zu nehmen. Sie erklärte: „Im rechtlichen Bereich arbeiten wir mit Begriffen, die dehnbar sind.“ Oftmals würden Spielräume nicht genutzt. Andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen legten Ermessensspielräume oft viel positiver für die Landwirte aus, als es in Schleswig-Holstein der Fall sei.
Dr. Claudia Meyer-Kriszun (Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holstein) berichtete, dass Sauenhalter in der Pflicht gewesen sind, bis zum 9. Februar 2024 Umbaukonzepte für ihre Deckzentren vorzulegen. Von den 203 Betrieben in Schleswig-Holstein haben nach ihren Angaben 135 ein Umbaukonzept eingereicht, elf haben den Umbau bereits umgesetzt, sieben werden definitiv aussteigen und 50 haben bislang nichts gemeldet.
Dr. Veronika Drexl (Schweinespezialberatung Schleswig-Holstein) erläuterte den Stand der Dinge hinsichtlich der verpflichtenden fünfstufigen Kennzeichnung nach dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz. Die bisherige Haltungsform 4 teilt sich demnach auf in eine neue Stufe 4 (Auslauf/Weide) und in eine Stufe 5, für die die Kriterien der EU-Ökoverordnung gelten. Laut Drexl fragen sich viele Schweinehalter, welche Voraussetzungen sie für einen Wechsel auf Stufe 3 (Frischluftstall) erfüllen müssen. Ob der jeweils angedachte Frischluftbereich passend sei, sei vielen Betrieben nicht klar. Um Umbauten grundsätzlich rentabel zu machen, gibt es seit diesem Frühjahr eine Bundesförderung. Drexl stellte alle Kriterien sowohl für die investive Förderung als auch die Förderung der Mehrkosten vor. Mehr Informationen zum Bundesförderprogramm
Carla Isenberg (Rentenbank) stellte das Programm „Zukunftsfelder im Fokus“ der Rentenbank vor. Darin werden Vorhaben finanziert, die Haltungsstufe 3 oder höher ermöglichen. Nach ihren Angaben sind die Baukosten in den vergangenen drei Jahren um 50 % gestiegen. Hauptursachen seien die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Sie erwartet für die Zukunft eine Seitwärtsbewegung bei diesen Kosten. Laut Rentenbank ist die Finanzierungssumme von Ställen für alle Tierarten zurückgegangen. Das bereite Sorgen.
Dr. Dorothee Holste (Sachverständige für Emissionen und Immissionen) erläuterte die Unterschiede von Bauvorhaben, die dem Baurecht, und solchen, die dem Immissionsschutzrecht (BImSchG) unterliegen. Sie berichtete, dass in die TA Luft ein Tierwohlaspekt aufgenommen worden sei, Geruchsimmissionswerte aber unverändert gälten. Die Vollzugshinweise zu Haltungsverfahren in der Schweinemast, die nachweislich dem Tierwohl dienen finden Sie HIER.