Der Zelldifferenzierungsindex (DSCC) ergänzt die klassische Zellzahl und liefert neue Hinweise auf die Eutergesundheit. Bereits in der vergangenen Ausgabe erschien ein Beitrag, der die biologischen Grundlagen und die Aussagekraft des DSCC beleuchtete. In dieser Ausgabe widmet sich der LKV den praktischen Anwendungen: Wie wird der Wert richtig interpretiert, welche Einflussfaktoren gibt es – und was lässt sich daraus für das Herdenmanagement ableiten?
Milch als gesundes Lebensmittel muss von eutergesunden Kühen stammen. Als wichtigsten Indikator der Eutergesundheit beobachten Milcherzeuger die somatischen Zellzahlen aus der monatlichen Milchleistungsprüfung (MLP). Seit kurzer Zeit bieten einige Landeskontrollverbände (LKV) zusätzlich die Auswertung der Zelldifferenzierung an. Neue Untersuchungsgeräte ermöglichen neben der Bestimmung der Zellzahl auch die Unterscheidung zweier Zelltypen. Das Mengenverhältnis dieser Zelltypen zeigt, ob ein akutes Entzündungsgeschehen vorliegt.
Euterentzündungen kosten Geld
Euterentzündungen sind eine der wichtigsten Ursachen für wirtschaftliche Verluste milchproduzierender Betriebe. Die frühzeitige Erkennung von Eutergesundheitsstörungen ist entscheidend, um Verluste durch verminderte Milchleistung, Tierarztkosten und Arbeitsaufwand zu minimieren. Besonders gefährlich sind subklinisch infizierte Kühe, deren Euter und Milch normal erscheinen, aber als Reservoir für Bakterien dienen und so Euterentzündungen unbemerkt verbreiten können. Schnelles Erkennen dieser Tiere ist für eine effektive Kontrolle im Bestand unerlässlich.
Zusammensetzung der Zellzahl
In der Milch kommen verschiedene Zellen vor: Makrophagen, Lymphozyten, Polymorphkernige Neutrophile Granulozyten (PMN) und Epithelzellen. Der Anteil dieser Zellen an der Gesamtzellzahl ist abhängig vom Eutergesundheitsgeschehen. Während die Epithelzellen und die Lymphozyten im akuten Entzündungsprozess weniger eine Rolle spielen, gibt der Anteil der Makrophagen oder der PMN an der Gesamtzellzahl wertvolle Hinweise auf den Status der Eutergesundheit. In der gesunden laktierenden Milchdrüse dominieren die Makrophagen, während der Anteil der PMN eher gering ist. Makrophagen sind Aufpasserzellen, die Bakterien, Zelltrümmer und angesammelte Milchbestandteile aufnehmen und abbauen können. Darüber hinaus erkennen sie eindringende Krankheitserreger und lösen eine Immunreaktion aus, die die schnelle Einwanderung von PMN aus dem Blut ins Eutergewebe zur Folge hat. Die Hauptaufgabe der PMN (auch als Fresszellen bezeichnet) besteht darin, in der akuten Entzündungsphase eindringende Bakterien zu beseitigen. Im Falle einer akuten klinischen Mastitis kann der Anteil der PMN bis zu 95 % betragen. Außerdem steigt die Gesamtzellzahl in der Milch an. Sobald die Bakterien eliminiert wurden, verschiebt sich das Verhältnis beider Zelltypen wieder zu Gunsten der Makrophagen und die Gesamtzellzahl sinkt. Entwickelt sich jedoch eine chronische Mastitis (>200.000 Zellen/ml Milch in der 2. MLP in Folge), so dominiert schließlich trotzdem der Anteil der Makrophagen, während die Zellzahl weiter hoch bleibt (Abbildung 1).
Neue Technik macht’s möglich
Eine neue Generation von Untersuchungsgeräten ermöglicht neben der Bestimmung der Zellzahl in Milch auch die Zelldifferenzierung in der Routineuntersuchung von Milchproben. Die Geräte machen sich die Tatsache zunutze, dass sich Makrophagen und PMN in ihrer Größe, Form und Beschaffenheit voneinander unterscheiden. Die Zellen in der Milch werden bei der Untersuchung mit einem speziellen Farbstoff angefärbt, der Makrophagen und PMN unterschiedlich markiert. Aus dem Mengenverhältnis beider Zelltypen in der Milch zueinander wird dann der Zelldifferenzierungsindex (DSCC = Differenzial Somatic Cell Count) in % berechnet. Der DSCC-Wert ermöglicht genauere Aussagen zum Eutergesundheitsstatus als die Zellzahl allein. Ein hoher DSCC-Wert steht für einen hohen Anteil an PMN und deutet damit auf ein akutes Entzündungsgeschehen im Euter hin. Ein niedriger DSCC-Wert steht dagegen für einen hohen Anteil an Makrophagen und damit eher für ein chronisches Entzündungsgeschehen.
Kombination Zellzahl und DSCC
Unter der Annahme, dass Kühe mit einer Zellzahl > 200.000/ml Milch als euterkrank betrachtet werden, kann man in Kombination mit dem DSCC alle Kühe in vier verschiedene Gruppen einteilen (Abbildung 2a): In Gruppe A befinden sich die Kühe mit einer Zellzahl ≤ 200.000 Zellen/ ml Milch und einem DSCC ≤ 65 %. Zur Gruppe B gehören Kühe mit einer niedrigen Zellzahl (≤ 200.000) bei einem gleichzeitig erhöhten DSCC (> 65 %). In Gruppe C finden sich die Kühe, bei denen sowohl die Zellzahl als auch der DSCC erhöht ist (> 200.000 Zellen/ ml, > 65 % DSCC). Kühe mit hohen Zellzahlen, aber einem niedrigen DSCC (≤ 65 %) gehören der Gruppe D an. In den Auswertungen der Landeskontrollverbände wird die Einteilung aller Kühe in die vier Gruppen graphisch dargestellt (Abbildung 2). Die Abbildung 2b zeigt die Entwicklung des Anteils der vier Eutergesundheitsgruppen, so dass Trends sofort erkennbar sind. Zusätzlich wird der Anteil der vier Gruppen mit den Zielwerten abgeglichen.
Aussagekraft der Auswertung
Die Kühe der Gruppe A (≤ 200.000 Zellen, DSCC ≤ 65 %) gelten als unauffällig und damit gesund. Ihr Anteil an der Herde sollte > 70 % ausmachen. Sinkt der Anteil ab, geht der Blick dahin, in welche Gruppe die Kühe von einer MLP zur nächsten verschoben wurden. Befinden sich die Kühe in Gruppe B, deutet der erhöhte DSCC auf eine Immunreaktion im Euter hin und damit auf den Beginn einer Mastitis. Diesen Kühen sollte eine erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Studien haben gezeigt, dass Kühe in Gruppe B eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit haben, in der nächsten Milchkontrolle eine Zellzahl > 200.000 Zellen/ml Milch zu haben. Außerdem konnte gezeigt werden, dass diese Kühe eine geringere Milchleistung im Vergleich zu Kühen in der Gruppe A aufweisen. Kann ein deutlicher Anstieg des Anteils an Kühen in Gruppe B beobachtet werden, sollte dies Anlass sein, die Hygienemaßnahmen (Pflege der Liegeboxen, Melkhygiene) im Betrieb auf den Prüfstand zu stellen und zu optimieren. Aber auch Stress und damit eine Belastung des Immunsystems, zum Bespiel durch eine Futterumstellung oder Hitze können Gründe für einen erhöhten Anteil an Kühe in Gruppe B sein.
Die Erhöhung beider Werte (> 200.000 Zellen/ml, > 65 % DSCC) der Kühe in Gruppe C weist auf eine akute Euterentzündung hin, so dass diese Kühe sofort in Augenschein genommen und gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Tierarzt behandelt werden sollten. Der Anteil der Kühe in Gruppe C sollte < 10 % liegen.
Kühe mit hohen Zellzahlen, aber einem niedrigen DSCC (≤ 65 %) gehören der Gruppe D an. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich hierbei um chronisch infizierte Kühe mit eher schlechten Heilungsaussichten. Ob eine Behandlung dieser Kühe erfolgreich wäre ist fraglich und sollte daher gemeinsam mit dem Tierarzt abgewogen werden. Ein plötzlicher Anstieg an Kühe in Gruppe D könnte aber auch ein Hinweis auf eine mechanische Belastung des Euters der Kühe sein, beispielsweise durch ein schlecht eingestelltes Vakuum der Melkmaschine.
Die Auswertung nach dem vorherrschenden Zelltyp in Verbindung mit der Höhe der Zellzahl erleichtert somit das Erkennen beginnender Euterentzündungen oder chronischer Infektionen. Weiterhin bietet die Einteilung der Kühe in die vier Gruppen eine zusätzliche Entscheidungshilfe für das selektive Trockenstellen, also der gezielten Entscheidung eine Kuh mit oder ohne Gabe eines Antibiotikums trocken zu stellen. Kühe, die die Voraussetzung für ein Trockenstellen ohne Antibiotikum (Herdenzellzahl < 200.000 Zellen/ml, kein Nachweis von Major Pathogens in der Milchprobe, Zellzahl der Kuh < 200.000 Zellen/ml in letzten drei MLPs) mitbringen, sollten zusätzlich der Gruppe A angehören. Gehören Kühe mit diesen Voraussetzungen der Gruppe B an, ist ein Erregernachweis vor der Entscheidung mit oder ohne Antibiotikum trocken zu stellen, sinnvoll.
Fazit
Das seit kurzem von einigen LKVs angebotene Verfahren zur Zelldifferenzierung in Milch bietet eine präzise Möglichkeit, die Eutergesundheit von Kühen noch besser zu überwachen. Durch die Kombination von Zellzahl und DSCC können akute, chronische oder beginnende Mastitisfälle frühzeitig sichtbar werden. Dies ermöglicht den Betrieben noch gezielter zu erkennen, ob Behandlungen einzelner Kühe durchzuführen sind, die Hygiene verbessert oder die Melktechnik optimiert werden muss. Auch beim selektiven Trockenstellen bietet die Einteilung der Kühe in die vier Gruppen eine zusätzliche Entscheidungshilfe. Insgesamt kann die neue Technik damit ein weiterer wertvoller Baustein im Herdenmanagement sein.