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Saugferkel gekonnt beifüttern

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Auch in größeren Würfen sollten weitgehend homogene Absetzgruppen erreicht werden. Deshalb hat es sich bewährt, die Ferkel bereits in der Abferkelbucht zuzufüttern.

Es gibt in der Praxis verschiedene Ansätze, auch in größeren Würfen die lebend geborenen Ferkel sicher aufzuziehen und hohe Absetzgewichte zu erzielen. Insbesondere geht es darum, die Überlebenschancen von kleineren und weniger vitalen Ferkeln zu erhöhen. Zu einem optimierten Management im Abferkelstall zählen somit jegliche Maßnahmen, die die Sau in ihrer Aufzuchtleistung unterstützen. Neben der rechtzeitigen Kolostrumaufnahme der neugeborenen Ferkel, dem Wurfausgleich oder dem Einsatz von Ammensauen spielt die Beifütterung von Milchaustauschern hier eine wichtige Rolle. Sie entlastet die Sauen und trägt zur bestmöglichen Nährstoffversorgung der Ferkel bei.

Automatisch oder manuell

Das Beifüttern erfolgt oftmals manuell, wobei auch stetig mehr technische Systeme am Markt angeboten werden. Bei den automatischen Tränkesystemen wird die Milch mithilfe von Pumpen durch Leitungen direkt in die Abferkelbucht gepumpt. Diese Systeme können sich deutlich voneinander unterscheiden. Der Landwirt sollte vor dem Einbau die Vor- und Nachteile genau abwägen. Auch der Milchaustauscher muss den Anforderungen des jeweiligen Systems entsprechen. Oftmals ist der Fettgehalt in diesen Milchaustauschern reduziert, um ein Ausbuttern durch die intensive technische Beanspruchung zu unterbinden. Bei allen Systemen ist ein striktes Reinigungsintervall zu befolgen, um den Hygienestatus in den Leitungen hochzuhalten. Ansonsten kann es schnell zu Durchfällen bei den Ferkeln kommen.

Bei großen Würfen stößt die Milchleistung der Sau immer häufiger an ihre Grenzen. Die Ergänzung durch eine zusätzliche Beifütterung – von flüssig über breiig bis fest – kann hier Abhilfe schaffen. Damit soll der Bedarf der Ferkel an hochverdaulicher Energie, Aminosäuren, Vitaminen und Spurenelementen bestmöglich gedeckt und ein Energiedefizit in den ersten Lebenstagen der Ferkel verhindert werden. Hierzu sollte der Milchaustauscher an die Bedürfnisse des Saugferkels angepasst werden. Die Enzymaktivität im Verdauungstrakt wachsender Ferkel verändert sich rasch in den ersten Lebenswochen und ist zu Beginn der Entwicklung vor allem auf die Verdauung von Milch ausgerichtet. Erst im weiteren Verlauf der Entwicklung und vor allem gegen Ende der Säugephase nimmt die Enzymaktivität, die für die Verdauung pflanzlicher Nährstoffe erforderlich ist, deutlich zu. Nach dem Beginn der Beifütterung dauert es drei bis vier Tage, bis die Ferkel nennenswerte Mengen aufnehmen. Deshalb gilt: So früh wie möglich damit beginnen, jedoch mehrmals kleine Mengen anbieten.

Für die Beifütterung der Ferkel sind am Markt verschiedene Produkte erhältlich. Sie reichen von hochwertigen, mit Immunglobulinen ausgestatteten Kolostrumergänzungen oder Elektrolyttränken (direkt zum Zeitpunkt der Geburt) über zahlreiche Milchaustauscher verschiedenster Hersteller bis hin zu Prestartern. Die Einsatzbereiche sind so unterschiedlich wie die Produkte selbst. Den frühesten Einsatzzeitraum nehmen spezielle, mit Kolostrumpulver und Immunglobulinen angereicherte Produkte ein, die bereits am Tag der Geburt die Ferkel unterstützen können.

Bereits zu diesem Zeitpunkt beginnt die Gesunderhaltung der Tiere, was eine unverzügliche und bedarfsdeckende Versorgung mit Kolostrum voraussetzt. Untersuchungen zeigen, dass bei einer unzureichenden Versorgung mit Kolostrum die Ferkelsterblichkeit deutlich zunimmt.

Kolostrum ergänzen

Trotz bestem Wissen und Gewissen im Hinblick auf die Managementmaßnahmen kann die Kolostrummenge bei größeren Würfen unzureichend ausfallen. Ausgefeilte Beifütterungskonzepte können dazu beitragen, die spezifische und unspezifische Immunantwort des Organismus zu verbessern und damit die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Saugferkel ab dem ersten Lebenstag zu unterstützen.

Der gesunde Darm

„Der gesunde Darm ist die Wurzel aller Gesundheit.“ Was bereits vor Tausenden Jahren von Hippokrates (griechischer Mediziner, 300 vor Christus) erkannt wurde, bestätigt sich heute in der modernen Tierernährung. Deshalb gilt es, die Darmentwicklung so früh wie möglich auf positive Weise zu beeinflussen. Ein gesunder Darm ist entscheidend für die Entwicklung eines gesunden und leistungsstarken Ferkels und legt den Grundstein für den Erfolg in der weiteren Aufzucht und Mast. Um eine gesunde Darmmikrobiota zu fördern, werden mittlerweile zahlreiche Produkte auf dem Markt angeboten. Diese reichen von der einfachen Elektrolyttränke bis hin zu komplexeren Ergänzungsfuttermitteln. Letztere versuchen, durch eine spezielle Formulierung und teils unter Einsatz von Pre- und Probiotika die Entwicklung und Besiedelung des Darms positiv zu beeinflussen. Der Darm spielt nicht nur in der Verdauung der Nährstoffe die zentrale Rolle. Er ist auch Hauptsitz des Immunsystems und bereits kleine Ungleichgewichte bringen die Symbiose und deren wichtige Funktion ins Wanken. Für einen funktionsfähigen Darm ist die intakte Darmwand unerlässlich. Sie bildet jene Barriere, die pathogene Eindringlinge daran hindert, ins Blut zu gelangen und sich negativ auf die Tiergesundheit und -leistung auszuwirken. Für die Aufrechterhaltung einer intakten Darmschleimhaut ist daher eine intakte Darmflora – die Gesamtheit aller Mikroorganismen – besonders wichtig. Ziel ist es, die Immunität der Ferkel so früh wie möglich aufzubauen beziehungsweise nachhaltig zu stärken. Ein starkes Immunsystem, eine stabile Darmflora und eine hohe Darmgesundheit bilden die Grundlage für eine optimale Entwicklung der Tiere. Weit verbreitet ist die Beifütterung der Ferkel mit flüssigen Milchaustauschern, umgangssprachlich auch „Ferkelmilch“ genannt. Hierbei ist es wichtig, dass diese Ferkelmilch stets nur als Ergänzung zu betrachten ist. Sie sollte in ihrer Zusammensetzung ähnlich der Sauenmilch gestaltet sein und vor allem aus molkebasierten und hochverdaulichen Komponenten bestehen.

Die richtige Ferkelmilch

Mit dem Einsatz spezieller Milchaustauscher lassen sich Ferkel in der frühen Saugferkelphase bestmöglich unterstützen und der Übergang von flüssiger zu fester und von tierischer zu pflanzlicher Nahrung erleichtern. Dementsprechend wird ihre Zusammensetzung von molkebasierten hin zu erhöhten Anteilen an pflanzlichen Proteinträgern angepasst. Eingesetzt werden hier zum Beispiel hydrolysiertes Weizeneiweiß, Sojaproteinkonzentrat oder auch Weizenquellstärke. Das Ferkel beziehungsweise seine Verdauung wird dabei gezielt auf Stärke und Pflanzenprotein trainiert und damit die Enzymproduktion angeregt. Zusätzlich können durch die getreidebasierten Milchaustauscher, auch flüssige Prestarter genannt, Futterkosten eingespart werden. Die ergänzende Beifütterung der Ferkel wirkt sich sowohl positiv auf die Leistung vor als auch nach dem Absetzen aus. Versuche zeigen, dass mithilfe der zusätzlichen Ferkelmilch höhere Futteraufnahmen und damit auch höhere tägliche Zunahmen und Absetzgewichte erzielt werden können. Der Einsatz von Milchaustauschern senkt zudem die Ferkelverluste und steigert die Anzahl abgesetzter und verkaufsfähiger Ferkel. Dies bringt Vorteile sowohl für die Ferkel als auch für die Sau. Weniger Stress, verringerter Keimdruck und homogenere Ferkel sind die Folge. Dies wirkt sich auch nach dem Absetzen positiv auf die Entwicklung der Schweine bis zum Schlachthaken aus. Je nach Management, Genetik und Wurfgröße variiert der Nutzen, den eine Beifütterung ab der Geburt bis zum Absetzen haben kann. Es hat sich gezeigt, dass Ferkel, die bereits in der Abferkelbucht zusätzliches Futter aufnehmen, auch nach dem Absetzen deutlich früher fressen und höhere Tageszunahmen erreichen. Die ausbleibende „Absetzerlücke“ wirkt sich positiv auf die Entwicklung der Tiere aus.

Ebenso wird das kurzfristige Überfressen der Ferkel verhindert und die Gefahr des Absetzdurchfalls deutlich reduziert. Durch das Gewöhnen an feste pflanzliche Nährstoffe und das Enzymtraining wird das Saugferkel bestmöglich auf die kritische Phase des Absetzens vorbereitet. Unter dem Strich lassen sich durch das Beifüttern der Ferkel in der Abferkelbucht auch bei großen Würfen vitale und weitgehend homogene Gruppen von Absetzferkeln gewährleisten. Vor allem die leichteren Ferkel profitieren von der Ergänzung zur Sauenmilch. Ihre Überlebenschancen sind deutlich erhöht und neben dem betriebswirtschaftlichen Erfolg wird auch ein wertvoller Beitrag zum Tierschutz geleistet.

Färsen und Jungtiere besser verkauft als Bullen

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Die letzte Auktion vor der Sommerpause in Dätgen kann als erfolgreich bezeichnet werden. Von den weiblichen Tieren blieben nur zwei im Überstand, bei denen die Preisvorstellungen der Beschicker nicht erfüllt werden konnten. Schwieriger gestaltete sich der Bullenmarkt. Sowohl bei Rotbunt und als auch Schwarzbunt konnten nicht alle Bullen abgesetzt werden. Die Jungrinder und Kälber konnten alle verkauft werden.

Insgesamt boten die Käufer sehr qualitätsorientiert, was auch die große Preisspanne von 1.900 € bis 3.900 € bei den schwarzbunten Färsen zum Ausdruck bringt.

Spitzenfärse für 3.900 Euro zugeschlagen

Die schwarzbunten Färsen konnten im Schnitt für 2.575 € verkauft werden. Gut herausgebrachte Färsen mit entsprechenden Einsatzleistungen erzielen leicht Spitzenerlöse. Weibliche Tiere mit unterdurchschnittlicher Entwicklung oder Mängeln im Exterieur sind nur mit großen Preisnachlässen zu vermarkten. Alle Voraussetzungen für den höchsten Zuschlagspreis erfüllte die „Camus“-Tochter „Crokus“ von der Heidehof GbR aus Timmaspe. Die kapitale Färse hat mit 23 Monaten das erste Mal gekalbt, ist mit einem drüsigen und sehr festen Euter ausgestattet und ohne Fehler im Fundament. Die Einsatzleistung von 37 kg Milch führte zu einem spannenden Bieterduell. Bei 3.900 € konnte der Auktionator zuschlagen und nach der Auktion wurde die vielversprechende Färse für einen Züchter aus Nordfriesland verladen. Leider blieben einige Bullen im Überstand. Die verkauften Tiere erlösten im Durchschnitt 2.600 €. Teuerster Bulle war „Diros“ von Karsten Kaack aus Ratzbek. Der gut entwickelte Bulle konnte mit einem nicht alltäglichen Pedi­gree aufwarten und stammt aus einer sehr langlebigen Kuhfamilie. Der Zuschlagspreis lag bei 2.700 €. Elisabeth Weilandt von der Insel Fehmarn verkaufte aufgrund einer Betriebsaufgabe einige Jungrinder. Eine schwarzbunte „Kontex“-Tochter und eine rotbunte „Aperol“-Tochter erlösten jeweils 1.100 €. Ebenfalls im Angebot fanden sich zwei ihrer Jersey-Jungrinder, die für 1.050 € im Schnitt einen neuen Besitzer fanden. Mit 1.300 € erzielte eine „Jiggy“-Tochter den Spitzenpreis.

Sehr gute Angler und rotbunte Färsen

Die rotbunten Färsen konnten bis auf eine abgesetzt werden. Im Durchschnitt erzielten sie den sehr guten Preis von 2.846 €. Besonders erfolgreich war der Betrieb von Hilke Johanna Stahl aus Neuendeich. Sie erzielte für zwei „Elektro P“-Töchter jeweils Preise über 3.000 € im Ring. Teuerste Rotbuntfärse war „Curcuma“ mit 3.700 €. Die sehr gut entwickelte Färse überzeugte in allen Belangen. Leistungsstarker Kuhstamm im Pedigree, einwandfreies Exterieur und eine Einsatzleistung von über 30 kg führten zu diesem Spitzenpreis. Eine rotbunte „Sandro P“-Tochter von der Bensenhof GbR aus Achtrup zeigte sich als sehr leistungsstarke Kuh und mit viel Ausstrahlung im Ring und wurde schließlich für 3.000 € zugeschlagen.

Wieder sehr erfolgreich war Klaus-Jürgen Wichmann aus Haby mit drei hornlosen Kälbern. Er erlöste im Durchschnitt 967 € für seine Kuhkälber. Homozygot hornlos, leistungsstarke Mütter und Großmütter im Pedigree und optimal herausgebracht für die Auktion, brachten „Eisvogel“ und „Erle“ den höchsten Preis von jeweils 1.000 €. Alle drei Kuhkälber verblieben im Kreis Rendsburg.

Das umfangreiche Angebot der Angler Färsen konnte komplett abgesetzt werden. Der Durchschnittspreis lag bei 2.617 €. Aus einer Betriebsaufgabe stammt die „Zukunft“-Tochter „Contra“ von Christina-Johanna Paulsen Schlüter aus Tolk. Die sehr leistungsstarke Färse hat eine Einsatzleistung von weit über 30 kg und zeigte sich im Ring sehr vielversprechend. Bei 2.800 € gab der Auktionator den Zuschlag.

Drahtige Wildtiere erobern das Eisenkunstguss Museum

Neugierig schaut ein Hirsch in Richtung Eingangsbereich des Eisenkunstguss Museums in Büdelsdorf. Wer mag da gleich zu Besuch kommen? Zwei Räume weiter spitzt ein Luchs die Ohren, im Innenhof des Museums streichen Wölfe umher, ein Adler breitet seine Schwingen aus und Frischlinge laufen zwischen den Exponaten des Museums hin und her. Die elf lebensgroßen Tierplastiken aus Hasendraht der britischen Künstlerin Kendra Haste wirken so echt, als wären sie tatsächlich lebendig. Mit der Ausstellung „Big Bad Wolfe“ setzt Kendra Haste ein Zeichen für die Existenz der Wildtiere.

Wie nehmen wir Wölfe wahr? Müssen wir sie fürchten? Oder kann eine Koexistenz gelingen?
Foto: Iris Jaeger

Gleichzeitig geht es um das Verhältnis von Mensch und Tier und wie sich dieses Verhältnis über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gewandelt hat. Im Dialog mit der Sammlung des Museums, zu der auch Tierdarstellungen aus dem 19. Jahrundert gehören, sollen Besucher dazu animiert werden, darüber nachzudenken, wie wir mit wilden Tieren wie dem Wolf koexistieren können, wie sich unsere Beziehung zur Natur neu definieren lässt. Wie hat sich unsere Wahrnehmung von Tieren im Laufe der Zeit verändert? Wer hat welchen Anspruch auf Lebensraum?

Das von der Künstlerin verwendete Material Stahldrahtgeflecht passt thematisch zu den gusseisernen Exponaten der Dauerausstellung des Museums. Und es spielt eine entscheidende konzeptionelle Rolle in der aktuellen Ausstellung. „Zwei Jahre hat es von der ersten Idee bis zur Umsetzung hier gedauert“, berichtet Kuratorin Ulrike Biedenbänder. Bei den ersten Überlegungen sei schnell klar gewesen, dass ein Zusammenspiel zwischen Tier und Mensch dargestellt werden sollte, auch in direkter Korrespondenz mit dem Raum „Jagd und Wandel der Zeit“. „Diese Ambivalenz ist so frappierend. Mit dem Draht haben wir ein industriell gefertigtes Material, mit dem man dennoch organische Masse darstellen kann, anatomisch so korrekt, als wären die Tiere direkt aus dem Wald ins Museum gesprungen“, so Biedenbänder. Bis auf die Wölfe, die schon in anderen Ausstellungen zu sehen waren, wurden die restlichen Skulpturen extra für die Ausstellung im Eisenkunstguss Museum gefertigt.

Kendra Haste hat für die Ausstellung im Eisenkunstguss Museum einheimische Tiere wie das Wildschwein aus Hasendraht hergestellt.
Foto: Iris Jaeger

Kendra Haste hat sich dabei auf die Darstellung einheimischer Wildtiere konzentriert. Schicht für Schicht legt sie den Draht übereinander, formt ihn um ein Grundgestell. Mit einem kleinen Holzhammer, Drahtschere und Zange gestaltet sie die Tiere bis ins kleinste Detail aus. Zuvor fertigt sie auf Papier naturgetreue Zeichnungen der Wildtiere an, die sie dann in die Stahldrahtkunstwerke umsetzt, als würde sie mit dem Hasendraht in 3D zeichnen.

Und genau so bezeichnet sie ihre Art zu arbeiten selbst: „Der Draht hat etwas Lineares, mit ihm zu arbeiten ist wie das Zeichnen in drei Dimensionen“, so die Künstlerin. Geboren und aufgewachsen mitten in London, entwickelte sich ihre Leidenschaft für die Natur- und Tierwelt erst später, dafür umso stärker.

Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 2. November. Weitere Informationen unter das-eisen.de

Kunstvoll: Ein Adler hebt seinen Schwingen
Foto: Iris Jaeger
Mit gespitzten Ohren schleicht ein Luchs durch den Ausstellungsraum
Foto: Iris Jaeger
Detailansicht des Luchses
Foto: Iris Jaeger
Detailansicht Wolf
Foto: Iris Jaeger
Kuratorin Ulrike Biedenbänder
Foto: Iris Jaeger
Frischlinge laufen zwischen den Exponaten des Museums umher
Foto: Iris Jaeger
Kendra Haste
Fotos: Iris Jaeger


Fenstermotiv zeigt Pfingstwunder

Als „architektonische Perle“ wird die 1959 eingeweihte Thomaskirche in Schulensee im Kreis Rendsburg-Eckernförde bezeichnet. Für Gemeindepastorin Nadine Ritter ist sie schlicht „ein kleines Goldstück“. Anlässlich des Pfingstfestes lud sie zu einer Besichtigung des Gotteshauses und seiner pfingstlichen Symbole ein.

Schon von Weitem ist die Thomaskirche zu sehen. Sie steht auf der Kuppe eines eiszeitlichen Endmoränenhügels. Der Weg zum Kirchenportal führt im weiten Bogen auf die Anhöhe hinauf. Was für ein skulptural anmutendes Bauwerk! Sein dunkles Schieferdach fällt von der Mittelachse nach beiden Seiten weit ab, als sei es wie ein schützendes Zelt über die Kirche – sprich Gemeinde – gespannt. Der Turm, normalerweise das höchste Bauteil einer Kirche, ist hier das niedrigste, wenn man sich den Turmschaft anschaut. Der herausragende Rest ist nur eine lange Spitze, die im Inneren auf getrennten Böden drei in Bochum gegossene Stahlglocken beherbergt.

Die unter Denkmalschutz stehende Thomaskirche von 1959 ist ein modernes, skulpturales Bauwerk. Auffallend: Hier gibt es keine spitzen Winkel. Foto:
Silke Bromm-Krieger

Architekt und Bauingenieur Otto Andersen (1924-1981) setzte in den 1950er Jahren bei der Präsentation seines Entwurfes für den geplanten Kirchenneubau alles auf eine Karte. Kurzerhand stellte er vor dem Kirchengemeinderat ein kleines Plastilin-Modell auf den Tisch und sagte: „Das ist Ihre Kirche!“ Andersen betonte zugleich, dass er keine Veränderungswünsche akzeptieren werde. Er gewährte den kirchlichen Entscheidungsträgern eine Bedenkzeit und meinte, dass es hier später nur ein Ja oder Nein geben könne. Er erhielt den Auftrag und das so umgesetzte Gotteshaus machte ihn populär. Später erschuf er weitere Kirchen im norddeutschen Raum, die zu den bedeutendsten Werken im Kirchenbau der Nachkriegszeit zählen. Nadine Ritter ist seit Mai 2022 die zuständige Gemeindepastorin. Für die Mutter eines zweieinhalbjährigen Sohnes ist es die erste Stelle nach dem Vikariat. Zu ihrem Einzugsgebiet mit 2.200 Gläubigen gehören Molfsee, Schulensee, Rammsee und Mielkendorf.

An diesem Tag will sie durch die Thomaskirche führen, die sie lächelnd als „kleines Goldstück“ bezeichnet. Durch ein Portal und einen Windfang hindurch betreten wir einen Vorraum. Erst als wir uns hier um 90° nach rechts wenden, erreichen wir nach wenigen Schritten den recht dunkel anmutenden sakralen Innenraum. „Solch eine Architektur ist unüblich für eine Kirche. Normalerweise betreten Besucher sie von Westen aus und haben sofort einen freien Blick zum Altar“, erklärt Ritter. Hier sei es anders. Man müsse erst durch drei Räume hindurchschreiten, um in den Kirchenraum zu gelangen, und der erste Blick falle nicht auf den Altar, sondern die Kanzel. Doch es gebe noch mehr Besonderheiten. „So finden sich in der Kirche keine spitzen Winkel. Nur an der Westseite ist ein rechter Winkel. Den Grundriss entwickelte Otto Andersen aus einer Rhombusform. Er ist einem Schiff nachempfunden“, weiß die Pastorin.

Pastorin Nadine Ritter ist seit rund drei Jahren in der Kirchengemeinde Schulensee und der Thomaskirche tätig.
Foto: Silke Bromm-Krieger

Während wir innehalten und den Kirchenraum mit seinen Bauelementen und Einrichtungsgegenständen auf uns wirken lassen, fallen sieben Fensterbilder in Form von Bullaugen auf. Sie wurden aus Dallglas, einem im Handgussverfahren gefertigten, nicht klar durchsichtigen Glas, hergestellt und erzählen lebendig und bunt die Schöpfungsgeschichte.

Die Reihe der Fenster beginnt über der Orgelempore mit dem Bild, das die Erschaffung des Lichts darstellt. Hier entdecken wir das erste Pfingstsymbol in Gestalt einer weißen Taube. Diese deutet den Geist Gottes an, der nahezu bewegungslos über den Wassern zu schweben scheint. Gegenüber dem Fensterbild des siebenten Schöpfungstags erhebt sich vom Altarraum bis zur Chordecke ein schmales Fenster, das symbolisch das Pfingstgeschehen, die Ausgießung des Heiligen Geistes, darstellt. Die Fenster des Gotteshauses wurden allesamt von Siegfried Assmann gestaltet (1925-2021), einem Maler und Bildhauer aus Großhansdorf bei Hamburg, der sich speziell in der Glasmalerei hervortat.

Geburtsstunde der Kirche

Nadine Ritter bleibt vor dem schmalen Fenster stehen, um das Motiv zu erklären. Eine gute Gelegenheit, zunächst in Erinnerung zu rufen, warum wir eigentlich Pfingsten feiern. „Pfingsten gilt als die Geburtsstunde der christlichen Kirche und Anfang der weltweiten Mission. Es ist das Fest des Heiligen Geistes und nach Weihnachten und Ostern das dritte Hauptfest des christlichen Kirchenjahres“, bemerkt sie. An diesem Feiertag werde der Heilige Geist gefeiert, der die Jünger Jesu 50 Tage nach dessen Tod am Kreuz ergriffen habe. Dadurch hätten sie plötzlich neue Sprachen sprechen und Gottes Wort in alle Nationen verbreiten können. „Auch auf diesem Bild ist in der Höhe der Geist Gottes wie eine weiße Taube dargestellt, aber im Vergleich zum ersten Schöpfungstag ist sie jetzt in Bewegung geraten, stürzt sich geradezu hinunter auf die versammelte Gemeinde, die in der Kirche andächtig vereint ist oder noch von außen dazukommt“, führt sie aus und entsperrt spontan eine kaum sichtbare Tür im Bildfenster, die sich zu einer davor angebrachten Außenkanzel öffnet. „Das Wirken des Heiligen Geistes wird durch viele Strahlen zum Ausdruck gebracht, die sich unten über der Erdoberfläche zu Netzen verbinden, als hätten sie die Aufgabe, Menschen einzufangen und hineinzuziehen“, interpretiert sie. Dieses Fenster sei im Vergleich zu den anderen in der Kirche sehr abstrakt gestaltet, aber in seiner Symbolik leicht erkennbar und aussagekräftig. Die Strahlen träfen dabei auch auf die in der Bildmitte erkennbare Gruppe der zwölf Jünger, die als Feuerflammen dargestellt sind. „Eine Veranschaulichung des Pfingstwunders, wie sie schlichter und innerlicher kaum zu denken ist“, fasst sie zusammen.

Der Taufstein steht für sich abgegrenzt wie in einer eigenen, kleinen Taufkapelle, die jedoch mit dem Kircheninneren zu einer Einheit verschmolzen ist.
Foto: Silke Bromm-Krieger

Im Altarraum stehen ebenso Kanzel, Altar und Taufstein, alle aus Würzburger Muschelkalkstein. Wie auch das über dem Altar hängende Kruzifix aus Bronze wurden sie gleichfalls von Siegfried Assmann gestaltet. Christus am Kreuz trägt bei ihm weder Dornenkrone noch andere Zeichen des Leidens. Er hat den Tod schon überwunden und erscheint zwischen den sechs Kerzen auf dem Altar als siebtes Licht und Zeichen der Hoffnung.

Wir verlassen den Altarraum und steigen eine Treppe hinauf, um die Orgel mit ihren 22 Registern auf der Empore in Augenschein zu nehmen. Sie stammt aus der Werkstatt des Orgelbauers Detlef Kleuker (1922-1988) aus Brackwede, wurde 1961 errichtet und 2020/2021 grundlegend saniert. Sie spielt im musikalisch geprägten Gemeindeleben eine bedeutende Rolle und wird von Kirchenmusikerin Sabine Seifert regelmäßig zum Leben erweckt.Zum Ende des Rundgangs schauen wir in der Sakristei im Turmsockel, direkt neben dem Haupteingang gelegen, vorbei. Das bullaugenartige Fenster dort zeigt den Jünger Thomas, den Namenspatron der Kirche, kniend vor Jesu. „Thomas war bei der ersten Erscheinung des Auferstandenen am Ostertag nicht dabei. Als die anderen Jünger ihm davon erzählten, zweifelte er und meinte, er werde erst an die Auferstehung glauben, wenn er die Nägelmale und Wunden Jesu berühren könne. Diese Szene wird hier bildhaft beschrieben“, erläutert die Pastorin.

Die zwölf Jünger sind wir

Abschließend spannen wir in unserem Gespräch erneut den Bogen zum Pfingstfest. Für Nadine Ritter hat es eine besondere Bedeutung. Innerlich berührt, spricht sie von ihrer jüngsten Teilnahme am Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover. „Für mich wurde dort einmal mehr deutlich, dass wir Christen mit unserem Glauben auch andere Menschen inspirieren können. Die zwölf Jünger sind wir! Den Glauben, den wir in unserem Herzen haben, können wir alle in die Welt tragen, mutig, stark und beherzt“, bringt sie es getreu dem diesjährigen Kirchentagsmotto auf den Punkt.

In diesem Sinne weist sie auf ihren Pfingstgottesdienst am Pfingstmontag, 9. Juni, um 11 Uhr hin. „Er wird als Open-Air-Gottesdienst im Freilichtmuseum Molfsee an der restaurierten Bockwindmühle stattfinden, die dann im Rahmen des Deutschen Mühlentags wiedereröffnet wird“, informiert sie. Mehr Infos unter ­thomasbote.de

Getreu dem Motto „Unsere Hilfe stehet im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“, gestaltete Siegfried Assmann sieben Fenster zur Schöpfungsgeschichte.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Auf der Orgelempore ist auch für den Kirchenchor und einen Instrumentalkreis Platz.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Dritter Schöpfungstag: Und Gott sprach: „Auf der Erde soll es grünen und blühen. Alle Arten von Pflanzen und Bäumen sollen wachsen und ihre Samen und Früchte tragen.“
Foto: Silke Bromm-Krieger
Das Rundfenster in der Sakristei stellt den zweifelnden Jünger Thomas und den auferstandenen Christus mit seinen Wunden dar.
Foto: Silke Bromm-Krieger


Berufswettbewerb: Motiviert Richtung Bundesentscheid

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Die Sieger der ­Landesentscheide aus Schleswig-Holstein trafen sich Ende Mai zur gemeinsamen Vorbereitung auf den Bundesentscheid des Berufswettbewerbs (BWB) in Futterkamp. Im Gepäck: ihre Präsentationen und viel Motivation. Mit dabei waren auch der Vorstand des Landjugendverbandes, Geschäftsführerin Karen Stender, Agrarreferentin Dr. Susanne Werner sowie besondere Ehrengäste.

Im Mittelpunkt des ersten Tages stand die Generalprobe der vorbereiteten Aufgabe. Referentin Babette Bendsen unterstützte die sieben Teilnehmenden mit professionellem Feedback zu den Vorträgen aus den jeweiligen Fachgebieten. Auch die angehenden Richter für den Bundesentscheid aus Schleswig-Holstein nutzten die Gelegenheit zur Vorbereitung und zum Austausch mit dem Team.

Am Abend wurde gegrillt – ein entspannter Ausklang mit prominenten Gästen: Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU), die Präsidentin der Landwirtschaftskammer, Ute Volquardsen, und Bauernverbandspräsident Klaus-Peter Lucht schauten vorbei. In kurzen, motivierenden Ansprachen betonten sie die Bedeutung des Wettbewerbs. Es sei großartig, dass Schleswig-Holstein mit Teilnehmern und Richtern nach Nordrhein-Westfalen reise und das Bundesland dort beim Bundesentscheid vertrete, sagte Minister Schwarz. Auch Klaus-Peter Lucht und Ute Volquardsen freuten sich sichtlich, dass ein junges und motiviertes Team aus Qualifikanten und Richtern entsandt wird, dies war nicht immer der Fall. Mirco Engelbrecht, Vorsitzender des Landjugendverbandes, wünschte dem Team nicht nur Erfolg, sondern auch Freude am Wettbewerb: „Nutzt die Zeit, kommt in den Austausch – das ist mindestens genauso wertvoll wie das Ergebnis.“

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz hob die Bedeutung des Berufswettbewerbs hervor. Foto: Sören Schatt
Ute Volquardsen und Klaus-Peter Lucht (stehend) freuten sich über das motivierte Team aus Schleswig-Holstein. Foto: Sören Schatt
Das Team aus Teilnehmern und Richtern im Rinderstall des Lehr- und Versuchszentrums Futterkamp. Foto: Sören Schatt
Herr über die Grillzange: Laju-Vorsitzender Mirco Engelbrecht. Foto: Sören Schatt
Gemeinsames Grillen am Abend als entspannter Ausklang. Foto: Sören Schatt
Zu ihrem jeweiligen Fachgebiet präsentierten die Teilnehmer Vorträge und bekamen dazu ein professionelles Feedback. Foto: Sören Schatt


Praktische Übungen für die Teilnehmer aus dem Bereich Landwirtschaft standen am Sonnabendmorgen auf dem Programm: Technik und Maschinen, Tierbeurteilung und Bonitur – die letzten Handgriffe, bevor es im Juni ernst wird. Nach einer abschließenden Reflexion reisten alle mit viel Rückenwind ab. Das Ziel ist klar: Beim Bundesentscheid auf Haus Düsse in Nordrhein-Westfalen will das Schleswig-Holstein-Team zeigen, was in ihm steckt.

Goldschakal auf Sylt: Entnahme in Vorbereitung

Nach mehreren Rissvorfällen auf Sylt bereitet das Landesamt für Umwelt (LfU) eine Allgemeinverfügung für die Entnahme eines Goldschakals vor. Aufgrund der Insellage würde eine dauerhafte Anwesenheit des Goldschakals absehbar zu großen Schäden in der Schafhaltung führen, die insbesondere für den Küstenschutz und die Deichsicherheit bedeutsam ist. Außerdem schwächt der Goldschakal den Schutz von Bodenbrütern.

Der Goldschakal ist sowohl europarechtlich als auch durch Bundesrecht besonders geschützt. Die Ausnahmegenehmigung zur Entnahme kann erst nach Anhörung der anerkannten Naturschutzverbände ergehen. Diese wurden heute durch den Minister informiert und haben nun Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme.

Dazu sagt Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne): „Eine Ausnahmegenehmigung – wie der Name schon sagt – setzt besondere Umstände voraus und darf niemals leichtfertig erteilt werden. In diesem Fall liegen gleich drei gewichtige Gründe vor, die sich aus der besonderen Insellage der Insel Sylt ergeben: Kurzfristig geht es darum, weitere Schäden an Nutztieren einerseits sowie anderen geschützten Arten andererseits abzuwenden. Zudem hat die Deichschäferei eine besondere Bedeutung für den Küstenschutz. Vor diesem Hintergrund befürworte ich die geplante Ausnahmegenehmigung durch das Landesamt für Umwelt in diesem besonderen Fall.“

Der Goldschakal ist im Anhang V der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-RL gelistet sowie national nach Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) und dem Bundesna­turschutzgesetz (BNatSchG) besonders geschützt. Die Art wird vom Jagdrecht nicht erfasst. Illegale Entnahmen sind strafbewährt.

Zwischen dem 19. und 21. Mai wurden dem schleswig-holsteinischen Wolfsmanagement Rissvorfälle gemeldet, in deren Verlauf insgesamt 76 Lämmer getötet wurden. Die Vorfälle wurden durch das Wolfsmanagement untersucht. Die genetischen Proben wurden durch das Senckenberg Forschungsinstitut untersucht und als Verursacher wurde ein Goldschakal ermittelt.

Einfachere GAP und EUDR lieber später

Bei seinem ersten EU-Agrarrat am Montag in Brüssel betonte Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) die Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Ernährungssystems sowie die Stärkung landwirtschaftlicher Erzeuger. Einig waren sich die EU-Agrarminister, dass es ein solide ausgestattetes Agrarbudget braucht. Die baltischen Staaten betonten sicherheitspolitische Aspekte, insbesondere in dünn besiedelten Gebieten nahe der russischen Grenze.

Zum mittlerweile dritten Mal stand die agrarpolitische Vision der EU-Kommission bei einem Agrarrat in Brüssel auf der Tagesordnung – genutzt wurde der Programmpunkt zum Austausch über einen ganzen Strauß an Themen. Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) proklamierte das Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Agrar- und Ernährungssystems zu steigern und landwirtschaftliche Erzeuger zu stärken. Gleichzeitig wolle er die gesetzten Nachhaltigkeitsziele einhalten. Es sei unabdingbar, Landwirten Planungssicherheit und langfristig gute wirtschaftliche Perspektiven zu sichern.

Die Staaten des Baltikums sowie Rumänien, Slowenien und die Slowakei mahnten eine abschließende externe Konvergenz der Direktbeihilfen an. Litauen erklärte ähnlich wie Estland und Lettland, dass die Landwirtschaft in dünn besiedelten Regionen nahe der russischen Grenze auch eine strategische Rolle spiele. Der südlichste Staat des Baltikums regte dazu an, über den Umgang mit Stromausfällen auf großen Milchviehbetrieben und die Nutzung von Entwässerungsgräben für die Landesverteidigung nachzudenken. Finnland wiederum forderte, Zahlungen stärker an die Produktion zu koppeln.

Gerangel um Vereinfachung der GAP

Über das Vereinfachungspakekt zur GAP ist ein Kompetenzgerangel entstanden. Eine Position der Mitgliedstaaten zum von der Kommission jüngst vorgelegten Vereinfachungspaket zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wird es wohl so schnell nicht geben. Hintergrund ist ein Gerangel um die Zuständigkeiten zwischen dem EU-Agrarrat und dem Rat für allgemeine Angelegenheiten. Klar ist jedenfalls: Die EU-Landwirtschaftsminister wollen die Verantwortung für die Gesetzesänderungen nicht abgeben. Das hat der amtierende Agrarratspräsident und polnische Landwirtschaftsminister, Czesław Siekierski, beim Treffen der Agrarminister unterstrichen. Eine endgültige Entscheidung soll allerdings noch nicht gefallen sein.

Derweil hat EU-Agrarkommissar Christophe Hansen den Druck auf die Ressortchefs erhöht. Er hoffe darauf, dass die vereinfachten GAPRegeln spätestens ab dem kommenden Jahr in Kraft treten könnten, gab er zu verstehen. Nachdrücklich forderte er von den Mitgliedstaaten, sich jetzt nicht allzu lange mit verfahrenstechnischen Fragen aufzuhalten.

Alois Rainer plädierte wie Siekierski dafür, den Änderungsvorschlag in der Runde der Agrarressortchefs beziehungsweise im Sonderausschuss Landwirtschaft (SAL) zu behandeln. Viele Anliegen zur Entbürokratisierung hält er für berechtigt, hofft vor allem auf Erleichterungen für Jungbauern.

Diskussion um die Agrarreserve

Dass Mitgliedstaaten bei Bedarf bis zu 3 % ihrer jährlichen GAP-Mittel einsetzen, um Landwirte bei der Bewältigung der Auswirkungen von Naturkatastrophen oder Tierseuchen zu unterstützen, lobte Frankreichs Agrarministerin Annie Genevard ausdrücklich. Darüber hinaus forderte die Pariser Ressortchefin hinreichende Zeit für eine gründliche Prüfung der Änderungswünsche der Kommission. Die Minister sollten sich nicht zu sehr unter Zeitdruck setzen lassen, so Genevard. José Manual Fernandes, Portugals Agrarressortchef, forderte anders als seine Kollegin Genevard eine Aufstockung der Mittel der EU-Agrarreserve. Eine teilweise Verschiebung in die nationale Zuständigkeit sieht der ehemalige Europaabgeordnete skeptisch. Wichtig sei, dass die EU auch bei Unwetterkatastrophen solidarisch zusammenstehe und die Abfederung der Folgen künftig nicht allein national angegangen werde. Irlands Landwirtschaftsminister Martin Heydon sowie sein tschechischer Kollege Marek Výborný drängen auf einen weiteren Abbau der Standards für guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (Glöz).

Vereinfachungen der EUDR gefordert

Die Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) solle vereinfacht werden, darin scheinen sich die Mitglieder des Agrarrats einig. Es gab breite Unterstützung für eine entsprechende Initiative Luxemburgs und Österreichs, die eine vierte Risikokategorie für Regionen mit vernachlässigbarem Entwaldungsrisiko fordern. Am liebsten würden sie den Start der EUDR in weiteres Mal verschieben. Darüber hinaus soll laut der Initiative die Verordnung bei zukünftigen Vereinfachungsvorschlägen der Kommission berücksichtigt werden. Es müsse darauf geachtet werden, dass kein weiterer bürokratischer Aufwand entstehe, insbesondere in EU-Ländern, in denen die Waldfläche wachse

Deutschland unterstützt das Anliegen ausdrücklich. Portugal kritisierte die potenziellen Kosten der EUDR durch zusätzlichen Verwaltungsaufwand und absehbar steigende Futterpreise. Eine schlankere EUDR sei zugleich eine nachhaltigere EUDR, argumentierte wiederum Schweden. Ungarn verwies auf eine veränderte wirtschaftliche und politische Situation, jede zusätzliche Belastung für Landwirte sei deshalb abzulehnen. Eine Außenseiterposition nahm Frankreich ein, das zwar ebenfalls auf umfangreiche Vereinfachungen pochte, gleichzeitig aber auf einen Start der EUDR ohne weitere Verzögerungen. Auch Rumänien forderte Vereinfachungen der EUDR.

Dagegen unterstrich EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall die Bedeutung des Kampfs gegen Entwaldung. Sie berichtete über bereits von der Kommission unternommene Schritte zur Vereinfachung und versprach auszuloten, wie bereits von der EU erhobene Daten genutzt werden könnten, um Landwirten die Dokumentation im Rahmen der EUDR zu erleichtern. age

Rainer will Agrarexporte fördern

Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer möchte Produkte der Agrar- und Ernährungswirtschaft über eine Exportstrategie besser vermarkten. Je vielfältiger die Exportmöglichkeiten seien, umso resilienter würden Wertschöpfungsketten und Betriebe, so der Minister bei der German Export Association for Food and Agriproducts (GEFA).

Eine Stärkung der deutschen Agrar- und Lebensmittelexporte hat Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer angekündigt. Der neue Chef des Agrarressorts unterstrich am Mittwoch voriger Woche beim Botschafterempfang zum 11.  Diplomaten-Salon der German Export Association for Food and Agriproducts, dass Agrar- und Ernährungswirtschaft weit mehr als nur ein Wirtschaftszweig seien. Wie bereits in seiner ersten Ministerrede verwies der CSU-Politiker auf seinen Plan für eine Exportstrategie, um den Absatz heimischer Produkte zu unterstützen.

Rainer hob hervor, dass die Agrarund Ernährungswirtschaft Existenzen auf den Höfen und im Lebensmittelhandwerk sicherten sowie den ländlichen Raum lebendig hielten und damit Perspektiven vor Ort schafften. Da in der Landwirtschaft jeder vierte und in der Ernährungswirtschaft sogar jeder dritte Euro im Ausland verdient werde, seien vielfältige Exportmöglichkeiten von besonderer Bedeutung. Diese machten die Wertschöpfungskette insgesamt resilienter. Die GEFA sprach sich für weitere Anstrengungen zur Liberalisierung des weltweiten Handels mit Agrarprodukten und Lebensmitteln aus. Handelsbarrieren und eine Spirale an Strafzöllen würden nur Verlierer produzieren.

Die stellvertretende Leiterin des Thünen-Instituts für Marktanalyse, Dr. Janine Pelikan, bezeichnete die politische Übereinkunft über ein Handelsabkommen zwischen den Mercosur-Staaten und der Europäischen Union als ein starkes Signal für offene Märkte und strategische Partnerschaften, die den internationalen Handel und wirtschaftliche Stabilität gezielt förderten. age

Neue Akzente in der Waldpolitik

Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) will der Landund Forstwirtschaft Vertrauen entgegenbringen und sie auf diese Weise von Bürokratie entlasten. Der Minister stellte sich am Parlamentarischen Abend der Familienbetriebe Land und Forst hinter das Prinzip „Schützen durch Nutzen“ im Wald und will eine NullRisiko-Kategorie für Deutschland bei der EUDR.

Die Bedeutung der Wälder als Wirtschaftsfaktor hob Rainer am Donnerstag voriger Woche hervor und plädierte dafür, sie nachhaltig zu nutzen. Einen Widerspruch zu Umwelt- und Klimazielen gebe es nicht, im Gegenteil: „Wer den Wald schützen will, muss ihn nutzen“, betonte der Minister.

Besorgt zeigte sich Rainer über den Zustand der heimischen Wälder infolge des Klimawandels. Umso wichtiger sei es, die Entwicklung von klimaresilienten und artenreichen Wäldern zu fördern und die Waldbesitzer bei der Erbringung von Ökosystemleistungen zu unterstützen. Untauglich für hiesige Verhältnisse ist dem Agrarminister zufolge die europäische Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR). „Wir brauchen eine Null-Risiko-Kategorie für den Wald in Deutschland“, so Rainer. Dafür werde er in Brüssel kämpfen und Verbündete suchen. Ausdrücklich hob der Niederbayer den Stellenwert hervor, den das Thema „Wald“ für ihn habe, und zeigte sich entschlossen, auch in diesem Bereich seine Politik „an der Lebenswirklichkeit der Menschen“ zu orientieren. Es gehe darum, ihnen Vertrauen entgegenzubringen und Maßnahmen praktikabel auszugestalten. Sein Ziel sei mehr Beinfreiheit für die Land- und Forstwirtschaft.

Rückendeckung erhielt der Minister vom Präsidenten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), Hubertus Paetow. Seiner Einschätzung zufolge sind die gegenwärtigen Voraussetzungen günstig, politisch etwas zu bewegen. Laut Paetow muss sich die Rolle des Staates im Verhältnis zur Agrarbranche grundlegend wandeln, und zwar „vom Kontrolleur zum unterstützenden Begleiter“. age

Chancenmanagement für die Landwirtschaft

In welchen Landwirtschaftssektoren derzeit investiert wird und wie sich die Bedeutung von Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Kreditvergabe entwickelt, beschreibt Stefan Lohmeier, Sprecher der Volksbanken Raiffeisenbanken in Schleswig-Holstein, im Interview mit dem Bauernblatt.

Aus Ihrem Geschäftsbericht zum Jahr 2024 geht hervor, dass die Investitionsbereitschaft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr gestiegen ist. Worauf führen Sie das zurück?

Als Nachfragetreiber für Kredite ist die Milchbranche zu nennen. Dort herrscht eine hohe Investitionsbereitschaft. Tatsächlich werden hier unter anderem klassische Stallbauprojekte angepackt. Im Schweinebereich erleben wir hingegen, dass viele Betriebe abwarten. Momentan fehlen planbare Rahmenbedingungen. Im südlichen Kreis Stormarn, wo ein Teil der Bank, die ich vertreten darf, schwerpunktmäßig unterwegs ist, kann ich mich kaum daran erinnern, wann wir zuletzt einen Schweinestall finanziert haben. Wenn wir dann noch auf den klassischen Ackerbaubereich schauen, stellen wir fest, dass in überschaubarem Maße Flächenzukäufe stattfinden, sofern sich Gelegenheiten bieten, aus Pachtflächen Eigentumsflächen zu machen.

Wie steht es um Investitionen in Technik?

Im Bereich der Landtechnik stellen wir eine Investitionszurückhaltung fest. Wir haben in den vergangenen Jahren den Einfluss der sogenannten Bauernmilliarde gespürt. Die Fördermittel sind in dieser Zeit für Investitionen genutzt worden. Aktuell investieren noch Milchviehbetriebe zum Beispiel in Melkroboter. Hier findet ein Tausch statt: Arbeitskraft gegen Technik.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Investitionen?

Bei größeren Investitionen spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Häufig geht es darum, den Netto-CO2-Ausstoß herunterzufahren und dadurch als Lieferant für die aufnehmende Hand – also Meiereigenossenschaften oder privaten Milchhandel – attraktiv zu sein. Die Meiereien achten zunehmend auf ihren CO2-Fußabdruck. Aus unserer Sicht als Bank hat das auch etwas mit dem Thema Risikomanagement zu tun. Es ist eine große Unbekannte, wie sich der CO2-Preis in Zukunft liquiditätsmäßig auf den Betrieben niederschlägt. Das ist eine Kostenkomponente, die es mit Blick auf das Risikomanagement zu kalkulieren gilt. Im Sinne der Nachhaltigkeit müssen zwar Ökonomie, Ökologie und Soziales im Einklang sein. Wir als Banken gucken aber natürlich sehr stark darauf, dass die Ökonomie funktioniert.

Woraus ergibt sich die Risikobewertung für Investitionen in der Landwirtschaft?

Eine landwirtschaftliche Besonderheit ist, dass ein Großteil der CO2-Emissionen rein aus dem Geschäftsmodell entsteht und teils unvermeidbar ist. Die Kuh muss Methan emittieren, um Milch zu produzieren. Daher gibt es noch keine Taxonomieerklärung für die Landwirtschaft. Momentan wird das aus Brüssel auch nicht intensiv weiterverfolgt. Trotzdem sind wir alle sehr aufmerksam, wie der Green Deal in Europa weiter umgesetzt wird. Wir haben bereits vor eineinhalb Jahren zwei Pilotbetriebe mithilfe eines Nachhaltigkeits-Tools analysieren lassen und uns mit einem Kreis von Landwirten dazu ausgetauscht. Ich nehme unter den Praktikern eine große Offenheit für das Thema wahr und ein Interesse, mit kleinen Maßnahmen, beispielsweise im Flächenmanagement, auch Einfluss auf Nachhaltigkeitswerte zu nehmen. Momentan haben alle Banken ihre eigenen Tools im Einsatz. Wir lernen also noch und sammeln vor allem Daten.

Für nachhaltige Energieerzeugung sind Erneuerbare Energien notwendig. Wie entwickelt sich dieser Bereich in Schleswig-Holstein?

An der gesamten Westküste von Nordfriesland bis nach Dithmarschen sowie an der Ostküste ist Windenergie weiter ein ganz großes Thema. Hier gibt es hohe Investitionen. Moderne Windkraftanlagen können schnell 5 bis 7 Mio. € pro Stück kosten. In früheren Jahren waren es stärker die Biogasanlagen, die das Segment Energie geprägt haben. Aktuell sind es Windkraftanlagen und Photovoltaik-Freiflächenanlagen.

Wie intensiv beobachten Sie den Strommarkt, um Investitionen in Biogasanlagen zu bewerten?

Die Bundesnetzagentur verlangt eine Flexibilisierung der Energiebereitstellung durch Überbauung der Biogasanlagen. Deswegen gilt aus unserer Sicht die Aufforderung an alle Biogasanlagenbetreiber, sich intensiv mit den Mechanismen auseinanderzusetzen und die eigene Risikotragfähigkeit zu erarbeiten, um das auch im Bankgespräch zu transportieren. Natürlich stehen wir als Volks- und Raiffeisenbanken bereit, auch mit der Expertise unserer DZ Bank. Es kommt immer auf die betriebsspezifischen Gegebenheiten an, beispielsweise darauf, ob ein Wärmenetz zur Verfügung steht.

In Sinne des persönlichen Austauschs richten die Volksbanken Raiffeisenbanken jährlich den VR-Landwirtschaftstag in Neumünster aus.

In Ihrem Geschäftsbericht steht, dass Sie zwar vereinzelt Filialen geschlossen, zugleich aber mehr Mitarbeiter eingestellt haben. Woran liegt das?

Unsere Geschäfte wachsen, und wenn wir wachsen, brauchen wir mehr Menschen, die das Geschäft händeln. Auch das Thema Teilzeit hat einen höheren Stellenwert, sodass die reine Mitarbeiterzahl nicht mit früheren Jahren zu vergleichen ist. Darüber hinaus investieren wir gezwungenermaßen in interne Bereiche, weil die Bankenregulatorik zunimmt. Im Jahr 2004 hatten wir noch 500 beschriebene Seiten Bankregulatorik, heute sind es 55.000 Seiten.

Welche Forderung stellen Sie vor diesem Hintergrund an die neue Bundesregierung?

Das Thema Bürokratieabbau ist für alle Branchen wichtig, auch für uns Banken. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken sind Verfechter eines sogenannten Proportionalitätsprinzips. Das heißt: Kleinere Institute sollten mit weniger Regularien belegt werden, auch um der Fusionsdynamik etwas entgegenzuhalten. Persönlich bin ich zuversichtlich, dass uns der Trend der Künstlichen Intelligenz in Zukunft helfen wird, die Prozesse aufzufangen und die Kosten intern überschaubar zu halten.

Warum sind die Volksbanken Raiffeisenbanken aus Ihrer Sicht für die Landwirte weiterhin ein guter Partner?

Unser Hauptsatz ist: Mache die Geschäfte mit den Menschen, die du kennst. Und wir kennen unsere Landwirtinnen und Landwirte und machen die Geschäfte sehr gern, um die Zukunftsinvestitionen für die Familienbetriebe oder auch die größeren Betriebe zu begleiten. Die genossenschaftliche Idee ist anpassungsfähig und letztendlich unsere Stärke. Unsere Eigentümer sind unsere Kunden. Wir haben viele Tausend Mitglieder in Schleswig-Holstein. Unser Geschäftsmodell ist darauf ausgelegt, unsere wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten, ohne dabei Maximalgewinne anzustreben, da dies nicht nachhaltig wäre. Das macht uns resilient und deswegen bin ich zuversichtlich, dass Genossenschaften eine der effektvollsten Rechtsformen sind, um auch in Zukunft erfolgreich im Bankgeschäft zu bestehen.