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Ist Stroh oder Heu geeigneter?

Rinder aktuell: Festfutter für Tränkekälber
Von Prof. Katrin Mahlkow-Nerge, Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrarwirtschaft
Kälber benötigen frühzeitig einen uneingeschränkten Zugang zum Festfutter. Fotos: Prof. Katrin Mahlkow-Nerge

Ein früher Zugang von Kälbern zum Festfutter stimuliert die Kautätigkeit, die Entwicklung der Pansenschleimhaut, das anatomische Wachstum des Pansen-Hauben-Komplexes und damit die Fähigkeit zur Aufnahme von Nährstoffen. Darüber hinaus geht von Festfutter – Grobfutter und Konzentrat – auch ein positiver antinutritiver Effekt aus.

Gerstenstroh und Luzerneheu sind die am häufigsten untersuchten Futtermittel für Tränkekälber, aber sie werden in der Wissenschaft unterschiedlich stark präferiert. Daher sollten in einer aktuellen Studie die potenziellen Auswirkungen dieser beiden verschiedenen Grundfuttermittel auf die Futteraufnahme, Leistung, das Verhalten, das ruminale Mikrobiom und die Entwicklung des Pansenepithels von Kälbern während des Zeitraumes vor und nach dem Absetzen von der Milch untersucht werden.

In der Vergangenheit wurde, besonders international, dem Konzentrat nicht nur eine größere Bedeutung zugemessen als dem Grobfutter, sondern oftmals sogar Grobfutter als Festfutter für Tränkekälber abgelehnt. Mittlerweile aber wird die ausschließliche Zufütterung von Konzentrat als Festfutter für Kälber vor dem Absetzen auch von internationalen Wissenschaftlern eher infrage gestellt, begründet durch die potenziell negativen Auswirkungen von Konzentrat auf den Pansen-pH-Wert.

Studie von Antúnez-Tort

In eine von Wissenschaftlern aus Uruguay und Spanien durchgeführte Untersuchung wurden 45 Holsteinkälber (zu Beginn: 44 ± 5,7 kg Gewicht und 3 ± 1,5 Tage alt) einbezogen, die alle innerhalb der ersten sechs Stunden nach der Geburt 3,5 l aufgetautes Kolostrum erhalten hatten. Die Haltung während der Tränkephase erfolgte in mit Sägespänen eingestreuten Einzelboxen.

Jeweils 15 Kälber wurden anhand ihrer Lebendmasse vergleichend auf drei Versuchsvarianten aufgeteilt. In der Versuchsvariante 1 erhielten die Kälber sowohl in der Zeit der Milchtränke als auch nach dem Absetzen von der Milch Gerstenstroh. In der Variante 2 wurden den Kälbern während der Tränkephase Gerstenstroh und nach dem Absetzen Luzerneheu zugefüttert. Die Kälber der Variante 3 bekamen sowohl in der Tränkephase als auch nach dem Absetzen Luzerneheu.

Der Milchaustauscher und die veranschlagten Tränkemengen waren für alle Kälber der drei Versuchsgruppen stets gleich. Sie erhielten in den ersten drei Tagen 4 l pro Tag, vom vierten bis siebten Tag 5 l pro Tag, vom achten bis 14.  Tag 6 l pro Tag (jeweils mit 12,5 % TM) und vom 15. bis 49. Tag dieser Studie 6 l pro Tag mit 15 % TM. Die Verabreichung der Tränke erfolgte zweimal täglich.

Ab dem 50. Tag der Studie bestand die Tränke nur noch aus 3 l Milch mit 15,0 % TM, die morgens verabreicht wurden. Am 57. Tag wurden alle Kälber von der Milch abgesetzt. Neben der Milchaustauschertränke erhielten alle Kälber der drei Versuchsgruppen gleichermaßen dasselbe Konzentratfutter, welches sowohl vor als auch nach dem Absetzen von der Milch ad libitum und in pelletierter Form angeboten wurde. In der Tabelle 1 sind die Nährstoffangaben des Milchaustauschers sowie sämtlicher Festfutter enthalten.

Luzerneheu beziehungsweise Gerstenstroh, beide gehäckselt, wurden jeweils in einer separaten Schüssel neben dem Konzentratfutter angeboten, und zwar in Höhe von 7,5 % (vor dem Absetzen) und 15 % (nach dem Absetzen) der Gesamtfutteraufnahme des Vortages.

Die Verfügbarkeit von Stroh vor und nach dem Absetzen von der Milch erwies sich als vorteilhaft für die Entwicklung der Kälber.

Die Erfassung der Daten

Von jedem Kalb wurden täglich die aufgenommene Menge an Milchaustauscher, Konzentratfutter und Grobfutter sowie wöchentlich Körpergewicht und Widerristhöhe erfasst. Die Berechnung der wöchentlichen Futtereffizienz erfolgte auf Basis der aufgenommenen Milch und des Festfutters und der in der jeweiligen Woche zugenommenen Lebendmasse.

Dabei wurde die Füllung des Magens nach Jahn und Chandler (1976) entsprechend folgender Gleichung berücksichtigt:

Füllung des Magens (% des Lebensgewichts) = 10,4 – [0,39 × XP % aus festen Futtermitteln] + [0,41 × ADF % aus festen Futtermitteln]

Wöchentlich erfolgte die Ermittlung der Partikelgrößenverteilung des jedem Kalb vorgelegten Futters sowie des Restfutters (siehe Tabelle 1).

Untersuchungen zum Fressverhalten fanden jeweils an einem Tag in der siebten, neunten und 13. Woche der Studie statt, indem die Festfutteraufnahme bei allen Kälbern stündlich zwischen 5 und 21 Uhr erfasst wurde. Darüber hinaus registrierten die Wissenschaftler wöchentlich von der sechsten bis zur 13. Woche dieser Studie bei je sechs Kälbern pro Variante täglich das Selektionsverhalten beim Festfutter.

Begleitet wurden diese Untersuchungen durch direkte Beobachtungen des Fress- und Wiederkauverhaltens sowie des Liege- und Stehverhaltens von zehn Tieren pro Variante. Dafür wurden diese Kälber während vier aufeinanderfolgender Stunden ab dem morgendlichen Festfutterangebot im Abstand von 5 min beobachtet.

Weiterhin erfolgte bei jedem Kalb am 53., 66. und 87. Tag eine Pansensaftentnahme zur Bestimmung der Zusammensetzung des Mikrobioms. Darüber hinaus wurden von jeweils fünf zufällig ausgewählten Kälbern je Versuchsvariante Biopsien des Pansenepithels durch Endoskopie, etwa zwei Stunden nach der morgendlichen Fütterung am 90. Tag des Experiments, vorgenommen.

Futteraufnahme und Leistung

Während der Wochen vor dem Absetzen von der Milch ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Kälbern aller drei Versuchsvarianten in Bezug auf die Aufnahme von Milch, Konzentratfutter und Gesamt-Trockenmasse (Tabelle 2). Gleiches galt demnach auch für die Protein-, NDF- und Energieaufnahmen.

Nach dem Absetzen jedoch nahmen die Kälber der Versuchsvarianten 2 und 3 weniger Konzentrat und Gesamtfutter auf als Kälber der Versuchsgruppe 1, die stets Zugang zu Stroh hatten. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Bereitstellung von Stroh während der Zeit nach dem Absetzen vorteilhafter war als die Bereitstellung von Luzerneheu, was ebenfalls mit früheren Studien (Movahedi, 2017) übereinstimmt.

In besagter Untersuchung wiesen Kälber im Alter von etwa acht bis zehn Wochen eine geringere Aufnahme von Konzentratfutter und geringere Lebendmassezunahmen auf, wenn sie statt Weizenstroh Luzerneheu gefüttert bekamen.

Während sich in der Studie von Antúnez-Tort et alii im Wachstum der Kälber vor dem Absetzen von der Milch kein Unterschied zwischen den drei Varianten zeigte, wiesen die Kälber, welche stets Stroh als Grobfutter erhielten (Versuchsgruppe 1), nach dem Absetzen tendenziell ein höheres Gewicht auf (Tabelle 3).

Futteraufnahme- und Selektionsverhalten

In der Woche 7, also eine Woche vor dem Absetzen, wurde bei den Kälbern aller drei Versuchsvarianten weder ein unterschiedliches Aufnahmeverhalten (bezogen auf die aufgenommene Futtermenge je Stunde) beim Grobfutter, noch beim Konzentratfutter registriert. Auch die Tagesrhythmik bei der Futteraufnahme war weitgehend gleich. Bezüglich der Grobfutteraufnahme war ein nahezu deckungsgleicher Tagesrhythmus bei den Kälbern aller drei Versuchsgruppen erkennbar.

Die höchste Grobfutteraufnahme erfolgte um 10 Uhr, während diese in allen anderen Stunden wesentlich niedriger war. Konzentrat hingegen wurde vermehrt am Morgen (8 Uhr) und am Nachmittag (16 Uhr) während der Milchtränke und darüber hinaus noch um 21 Uhr aufgenommen. Die aufgenommene Futtermenge war jedoch zwei Stunden nach der morgendlichen Tränke in allen Versuchsvarianten am größten.

In der neunten und 13. Woche, also nach dem Absetzen von der Milch, zeigte sich grundsätzlich ein ähnliches Fressverhalten der Kälber beim Grobfutter wie vor dem Absetzen (in der siebten Woche).

In der neunten Woche (nach dem Absetzen) war die Rate der Konzentratfutteraufnahme bei den Kälbern der Versuchsgruppe 1, die stets Gerstenstroh erhielten, signifikant größer als bei denen der Versuchsgruppe 3, die stets Luzerneheu bekamen. Diese Unterschiede wurden hauptsächlich auf die größere Futteraufnahmerate zwei Stunden nach dem morgendlichen Angebot von festem Futter zurückgeführt.

Die Futteraufnahmerate folgte bei den Tieren aller Versuchsvarianten einem ähnlichen Muster im Tagesverlauf.

In der 13. Woche wiesen die Stroh-Heu-Kälber (Versuchsvariante 2) eine größere Futteraufnahmerate auf als die Kälber der anderen beiden Versuchsvarianten. Die Konzentratfutteraufnahmerate der stets mit Stroh gefütterten Kälber der Gruppe 1 war signifikant größer im Vergleich zu den Kälbern der anderen beiden Gruppen.

Stündliche Unterschiede in der Konzentratfutteraufnahme zwischen Kälbern, die mit Stroh oder Luzerneheu gefüttert wurden, traten während dieser zwei Hauptspitzen der Futteraufnahme auf. Dies könnte darauf hinweisen, dass Sättigungssignale, die durch die Futteraufnahme ausgelöst wurden, bei Kälbern, die mit Stroh gefüttert wurden, später auftraten als bei solchen, die Luzerneheu erhielten. Ersteren ermöglichte dies, während der bevorzugten Fresszeiten mehr Futter zu konsumieren.

Sowohl vor als auch nach dem Absetzen nahmen die Kälber aller drei Versuchsvarianten die langen Futterpartikel gleichermaßen verstärkt auf und ließen die kurzen Futterpartikel vermehrt liegen.

Die in dieser Studie ermittelten Pansen-pH-Werte unterhalb von 6 könnten diese bevorzugte Wahl langer Partikel beeinflusst haben. Vergleichbare Reaktionen fand Maulfair bei Milchkühen, bei denen der pH-Wert im Pansen von 6,02 auf 5,77 abgesenkt wurde. Auf die „erzwungene“ Pansen-pH-Absenkung reagierten die Tiere ebenfalls mit einer Vorliebe für lange Futterpartikel.

Die Fütterung von Gerstenstroh vor und nach dem Absetzen hatte in der Studie einen günstigeren Einfluss auf die Pansenschleimhautentwicklung der Kälber als die Fütterung von Luzerneheu.

Das Verhalten der Tiere

Während einer Zeitdauer von drei Wochen fanden Beobachtungen zum allgemeinen Tierverhalten statt. Dabei zeigten sich während der morgendlichen Fütterung unterschiedliche Verhaltensmuster bei den Kälbern der drei Versuchsgruppen. So kauten tendenziell die Kälber der Versuchsgruppe 1 (Stroh vor und nach dem Absetzen) in den ersten vier Stunden nach der morgendlichen Tränke mehr wieder (Tabelle 4). Womöglich liegt ein Grund hierfür in den beim Gerstenstroh gefundenen längeren Partikeln im Vergleich zu Luzerneheu, obwohl beide Futtermittel mit derselben Maschine und der theoretisch identischen Schnittlänge gehäckselt wurden.

Diese längere Wiederkauzeit in Kombination mit der größeren Partikellänge mag Einfluss auf den pH-Wert im Pansen genommen und letztendlich das Muster der Konzentratfutteraufnahme beeinflusst haben, was den Kälbern der Versuchsgruppe 1 eine größere Konzentratfutteraufnahme zu den Spitzenzeiten ermöglicht haben könnte.

Hingegen verbrachten die Kälber in der Versuchsgruppe 3 (vor und nach dem Absetzen Luzerneheu) signifikant mehr Zeit mit Liegen.

Kälber der Versuchsvarianten 1 und 2 verbrachten in den drei Beobachtungswochen signifikant mehr Zeit mit der Wasseraufnahme als diejenigen der Versuchsvariante 3.

Wie reagiert der Pansen?

Der Pansen-pH-Wert, der in der siebten, neunten und 13. Versuchswoche ermittelt wurde, unterschied sich jeweils zwischen den Kälbern der drei verschiedenen Behandlungsgruppen nicht. Jedoch war der pH-Wert in der 13. Woche mit 6,01 signifikant höher als in den beiden vorhergehenden Beobachtungswochen (siebte Woche: 5,74, neunte Woche der Studie: 5,76).

Im Laufe der Probenahmewochen zeigte sich auch eine Veränderung im Pansenmikrobiom. Zwischen den Kälbern der drei Versuchsgruppen aber gab es diesbezüglich keine Unterschiede, was ebenfalls zu den nicht verschiedenen Pansen-pH-Werten, sowohl vor als auch nach dem Absetzen, passt. Dies könnte durch das gleiche Verhältnis von Grobfutter zu Konzentrat sowie durch die gleichen Gehalte an Rohprotein und Nichtfaser-Kohlenhydraten im Futter aller drei Versuchsgruppen begründet sein.

Fazit

Ziel der vorgestellten Studie war es, die potenziellen Auswirkungen von gehäckseltem Gerstenstroh beziehungsweise Luzerneheu während der Zeit vor und nach dem Absetzen von der Milchtränke auf die Futteraufnahme, Leistung, das Verhalten sowie auf Pansenparameter von Kälbern zu untersuchen.

Die Studienergebnisse bestätigen die Vorteile der Bereitstellung begrenzter Mengen an Stroh vor und nach dem Absetzen der Milch. Zwar hatte die Art des zugeführten Grobfutters (ob Gerstenstroh oder Luzerneheu) keinen Einfluss auf die Aufnahme von Konzentrat- beziehungsweise Grobfutter und Gesamttrockenmasse vor dem Absetzen, aber Gerstenstroh als bereitgestelltes Grobfutter verbesserte im Vergleich zur Gabe von Luzerneheu die Futteraufnahme und die Leistung der Kälber in der Zeit nach dem Absetzen, ohne negative Auswirkungen auf die Futtereffizienz.

Abschließend kommen die Autoren dieser Studie zu der Aussage, dass die Fütterung von Gerstenstroh vor und nach dem Absetzen effektiver war als die Fütterung von Luzerneheu, um die Aufnahme von Konzentratfutter nach dem Absetzen sowie die Entwicklung der Pansenschleimhaut bei den Kälbern zu fördern.

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