StartNachrichtenLand & Leute„Einfach mal Pause machen“

„Einfach mal Pause machen“

Mit dem Buch „Regen in‘n Kopp“ erfahren bereits Kinder, wie sich Schwermut anfühlt und was helfen kann
Von Iris Jaeger
Beste Freunde und Weggefährten seit Kindertagen: Grafiker, Illustrator und Musiker Melf Petersen (li.) und Musiker, Songwriter und Kinderbuchautor Ove Thomsen Foto: privat

Für den gebürtigen Nordfriesen und Wahlhamburger Ove Thomsen war das ein aufregendes und trubeliges Jahr: Der Musiker und Songwriter veröffentlichte im März zusammen mit seinem langjährigen Freund und Illustrator, Melf Petersen, mit „Regen in‘n Kopp“ (Regen im Kopf) ein erstes Kinderbuch auf Platt- und Hochdeutsch. Prompt gab es im November dafür den Preis „Plattdeutsches Buch des Jahres“ der Carl-Toepfer-Stiftung in Hamburg. In einem Gespräch mit dem Bauernblatt erzählt er von seinen Eindrücken, aber auch weiteren Plänen.

Auftritte mit seiner aktuellen Band „Deniz & Ove“, die seit 2020 mit Kinderliedern im coolen Indie-Pop-Sound die Kinder- und Familienwelt erobert, dazu seit Herbst noch zahlreiche Lesungen samt der feierlichen Preisübergabe im Rahmen der Plattdeutschen Buchmesse in Hamburg – „das war schon viel dieses Jahr, was zusammen gekommen ist, und ich vergesse immer, auch mal zurückzublicken. Das macht man sonst ja meistens erst zu Silvester“, sagt er.

Nun habe er Zeit zum Innehalten, Erfolggenießen und zum Nachdenken. Zum Beispiel darüber, ob er kommendes Jahr mehr oder weniger machen möchte. „Ich bin zu dem Entschluss gekommen, ich muss mal auf die Pause-Taste drücken“, gibt er sich selbst die Antwort. Das meint aber nicht, dass er gar nichts mehr macht, sondern nur gezielter. „Ich freue mich immer so sehr, wenn die Leute etwas von mir sehen oder hören wollen, und sage dann zu, ohne viel darüber nachzudenken.“ Doch anstatt kreuz und quer durch die Republik zu fahren, nimmt er sich vor, die Veranstaltungen besser miteinander zu verknüpfen oder, wenn es gar nicht passt, auch mal Nein zu sagen. „Denn es ist gut, wenn ich da nicht meine eigene Parodie werde, ohne irgendwann mal die Pause-Taste gedrückt zu haben“, so Ove Thomsen.

Buchcover

P.A.U.S.E. – darum geht es auch in dem Buch „Regen in‘n Kopp“. Ameisenbär Gunnelt lebt zusammen mit Gürteltier Guschi in einem Reetdachhäuschen im Regenwald. Gunnelt ist als Hausmeister sehr gefragt und an sich macht ihm die viele Arbeit auch nichts aus. Er hilft gerne allen Tieren. Doch eines Tage merkt er, dass es ihm zunehmend schwererfällt, aufzustehen, sich zu motivieren. Alles, was ihm sonst Freude bereitet hat, macht ihm iregndwie nicht mehr so richtig Spaß. Es fühlt sich für ihn an, als habe er Regen im Kopf. Seine beste Freundin Guschi rät ihm, zu entspannen und einen Spaziergang durch den Regenwald zu machen. Dort trifft er auf Faultier Malie, das ihm den Tipp gibt, doch einmal Doktor Willi aufzusuchen. Doktor Willi ist ein Affe und hat einen einfachen Rat für Gunnelt: P.A.U.S.E. – Probier‘s Aus Und Sei Entspannt. Ob am Ende wieder die Sonne für Gunnnelt scheint, erfahren die Leser am Ende des 40-seitigen Buches, das es sowohl in einer rein hochdeutschen als auch in der zweisprachigen Variante mit Platt- und Hochdeutsch gibt.

Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, depressive Phasen, Überforderung – keine einfache Kost für Kinder ab fünf Jahren. Und doch schaffen Ove Thomsen und Melf Petersen es auf ihre ganz eigene, behutsame, spielerische Art, den Kindern das näherzubringen und sie durch die Geschichte zu führen. Es ist okay, dass nicht immer die Sonne scheint, dass man auch mal traurig sein darf und dass Pausen und Spazierengehen helfen können, die Dinge wieder aus einer neuen Sicht zu sehen. „Kinder verstehen das schon in dem Alter und auch wenn es ein schweres Thema ist, denke ich, je früher man damit in den Kontakt kommt, desto eher kann man so etwas wie eine Resilienz aufbauen oder Taktiken erwerben. Lehrer können das schon im Unterricht mit integrieren“, erklärt der Wahlhamburger. Und es verstehen nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene, was das Buch zu einem generationenübergreifenden Werk werden lässt.

Ameisenbär Gunnelt hat Regen im Kopf, selbst auf seine Lieblingsspeise Ameisen hat er keinen Appetit.
Illustration: Melf Petersen

„Das Plattdeutsche in dem Buch war mir dabei sehr wichtig und ich werde nicht müde zu betonen, dass man auch schwere Themen im Plattdeutschen ansprechen kann, denn diese Sprache ist nicht immer nur komisch oder lustig. Außerdem möchte ich zum Erhalt der Sprache beitragen“, erklärt Ove Thomsen, der mit Platt groß geworden ist. Zu Hause werde nur Platt gesprochen, da mussten schon zu Schulzeiten Oves Freunde durch, wenn sie bei den Thomsens zu Besuch kamen. Das Plattdeutsche wurde gnadenlos durchgezogen, ob man es verstand oder nicht, „da wurde jeder sprachlich in die Mangel genommen“, erzählt er mit einem Augenzwinkern. Ein Fakt, der später dann auch in der Abi-Zeitung Erwähnung fand.

Die niederdeutsche Sprache und Literatur zu fördern sowie bei zeitgemäßen Projekten für das Plattdeutsche zu helfen, das sind auch Maßgaben, die sich die Carl-Toepfer-Stiftung in Hamburg auf die Fahnen geschrieben hat. Die Jury wählte „Regen in‘n Kopp“ zum Plattdeutschen Buch des Jahres, weil „in dem Bilderbuch die hervorragende Leistung gesehen wird, die die Satzung des Preises fordert. Das aus Sicht der Jury überragende Buch kombiniert anspruchsvolle haptisch-ästhetische Gestaltung mit zeitgemäßen inhaltlichen Aspekten“, lautet ein Auszug aus der Begründung. Dass Ove mit dem Buch darüber hinaus zum Erhalt seiner Muttersprache beitragen möchte, war ein weiterer Aspekt.

Aber auch die Illustrationen von Melf Petersen wurden dezidiert herausgehoben: „Das im Hamburger Jumbo-Verlag herausgegebene zweisprachige Bilderbuch ist sorgfältig lektoriert, durch ein Hörbuch zum Download und die Komposition eines Songs multimedial rezipierbar und überrascht durch die Illustrationen des Grafikdesigners und Musikers Melf Petersen. Der langjährige Weggefährte des Autors verbindet Aquarelltechnik und Federstrich und ermöglicht es den Lesern und Leserinnen, durch die Kombination vertrauter und exotischer Elemente Distanz und Nähe zum Inhalt zu entdecken.“

„Die Nachricht von dem Preis kam überraschend. Die Übergabe selbst war so wertschätzend. Und es war spannend für mich zu hören, wie das Buch aus einem anderen Blickwinkel bewertet wurde. Die Zeichnungen von Melf sind nicht kinderbuchtypisch. Aber als wir uns zu dem Projekt entschieden haben, war klar, dass wir es so machen wollen, wie wir es uns denken. Wir sind da völlig unbefangen herangegangen und hatten nicht den Anspruch an uns, sofort den großen Wurf hinzulegen. Ich mochte es, dass Melf sich beim Zeichnen nicht eins zu eins an den Text gehalten hat. Um seine Gedankenwelt mit teilhaben zu lassen, habe ich dann irgendwann noch mal meine Texte geändert“, berichtet Ove vom Werdegang des Buches.

Bei der plattdeutschen Übersetzung hatte er Hilfe von Peter Nissen, denn Plattsprechen sei das eine, Plattschreiben das andere. „Ich musste lernen, dass man nicht so schreibt wie man spricht, sondern mich an eine allgemein vereinbarte Schreibweise zu halten, sodass die Texte auch in Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern gelesen werden können.“

Seite aus dem Buch
Foto: Jumbo Verlag Hamburg

Auch die Kommunikation mit einem Verlag sei eine andere als mit einer Plattenfirma, ebenso die Abläufe. „Es sind andere Zyklen beim Herausgeben einer Platte im Gegensatz zu einem Buch. Aber ich habe nun Blut geleckt und bereits Ideen für weitere Kinderbücher, eventuell auch wieder in Kombination mit einem Lied. Aber da will ich mich nicht so festlegen. Manchmal kann ich mich besser in Liedform ausdrücken, manchmal in Textform.“ Und ansonsten hält er sich an die Lieblingsredewendung seiner Oma: „Jümmers mit de Roh un allens nah de Reeg“ (Immer mit der Ruhe und alles der Reihe nach). Was, das gibt er lachend zu, bisweilen noch nicht immer ganz geklappt habe. Aber dafür gibt es ja die Pause-Taste. 

WEITERE ARTIKEL
- Anzeige -
- Anzeige -

Meistgeklickt