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Brüssel schleift die Genschere

Kommentar zu neuen Züchtungstechniken
Von Dr. Robert Quakernack
Die Anwendung Grüner Gentechnik ist schon lange kein Science-Fiction mehr. Foto: Imago

Die Brüsseler Vorschläge zum Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) und zum Gesetz zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) bringen die Agrarbranche auf die Zinne, vor allem aufgrund mangelnder Folgenabschätzungen und drohender Ernährungsunsicherheit. Allerdings will die EU-Kommission ihre Technologieblockade in Sachen moderne Pflanzenzüchtungsmethoden aufgeben, um schnellere Fortschritte bei der Züchtung klimarobuster Sorten zu ermöglichen. Deutet sich hier ein politischer Kuhhandel an?

Aus einem Verordnungsentwurf der Generaldirektion Gesundheit der EU-Kommission geht jetzt hervor, dass die Regulierung neuer gentechnischer Verfahren (zum Beispiel der Genschere CrispR/Cas) gelockert werden soll. Kern des Entwurfs ist die Einteilung der durch neue Züchtungstechniken erzeugten Pflanzen in zwei Kategorien: In Kategorie 1 sollen Sorten fallen, die als Ergebnis von gezielter Mutagenese oder Cisgenese in gleicher Form auch auf natürlichem Wege beziehungsweise durch herkömmliche Züchtung entstanden sein könnten. Diese Pflanzen müssen zudem Eigenschaften aufweisen, die vor allem Nachhaltigkeitszielen dienen. Genannt werden verbesserte Widerstandsfähigkeit gegenüber biotischen und abiotischen Stressfaktoren, aber auch Fortschritte bei der Lagerfähigkeit oder bessere ernährungsphysiologische Eigenschaften. Nicht eingeschlossen sind Herbizidtoleranzen. Die Pflanzen der Kategorie 1 sollen von den derzeitigen Vorgaben des Gentechnikrechts ausgenommen und konventionellen Varietäten gleichgestellt werden. 

Sofern mit neuen Verfahren erzeugte Pflanzen nicht den Kriterien für Kategorie 1 genügen, würden sie anhand des Entwurfs automatisch in Kategorie 2 eingestuft. Hier soll an den derzeitigen Regelungen um ein Genehmigungsverfahren festgehalten werden. 

Ungeklärt bleiben im Entwurf Fragen der Patentierung. Nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes würden die mithilfe neuer Techniken entstandenen Sorten unter den Patentschutz fallen. Für die Abgabe patentierter Gen­sequenzen wäre dann eine Lizenzgebühr fällig. Laut Sortenschutzrecht darf hingegen aktuell mit allen auf dem Markt verfügbaren Sorten weitergezüchtet werden. Eine Patentierung könnte demnach den Züchtungsfortschritt hemmen und kleinere Züchterhäuser massiv unter Druck setzen. Dieses Szenario gilt es unbedingt zu vermeiden.

Fest steht, dass die beschleunigte Pflanzenzüchtung mittels moderner Techniken die Zielerreichung des Green Deal unterstützen würde. Resistentere Sorten begünstigen beispielsweise die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes. Da in Mitteleuropa jedoch auch die klassische Züchtung sehr stark ist, sollten mögliche Effekte nicht überschätzt werden. Größere Einsparungen von Pflanzenschutzmitteln sind vielmehr durch ackerbauliche Methoden wie punktgenaue Anwendungen (Spot-Spraying) oder Kombinationsgeräte aus Hacken und Bandspritzen möglich. Der Einsatz solcher Techniken ist jedoch stark von der Kulturart und den Standortbedingungen abhängig. Pauschale Reduktionsziele – wie in der SUR formuliert – sind in diesem Zusammenhang daher fachlich kaum nachzuvollziehen.

Wichtig ist also, dass mit der Neuregulierung moderner Züchtungsmethoden auch Fragen der Patentierung und aus Verbrauchersicht auch der Kennzeichnung geklärt werden. Keinesfalls darf die Verordnung dazu dienen, die Vorschläge zu NRL und SUR im EU-Parlament durchzudrücken. 

Dr. Robert Quakernack, Foto: bb
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