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Befahrbarkeit und Reifentechnik in Einklang bringen

Reifenwahl, Fahrgassen, Spurweite und Reifentausch überdenken
Von Prof. Ludwig Volk
In einer 90 cm breiten Fahrgasse in Zuckerrüben wird mit 65 cm breiten Reifen und 0,6 bar Reifendruck mit angehängter Spritze gefahren. Es erübrigen sich die „Trennscheiben“, die falsch benannten Pflegereifen. Ein Reifenwechsel ist überflüssig. Aktuelle IF- und VF-Reifen mit hoher Flanke und variablem Reifendruck ersetzen eine weitere Reifenausrüstung und werden bei konventionellem Ackerbau auch zum Pflügen genutzt. Dann wird mit 1 bar gearbeitet, eingestellt in der Kabine. Es gibt 30 % Zuschuss für Reifendruckregelanlagen, egal ob ab Fabrik gekauft oder nachgerüstet. Den Zuschuss für Zugkraft gibt es im Bundesprogramm Energieeffizienz mit der Webseite ble.de Foto: Prof. Ludwig Volk

Die Anforderungen an Reifen sind: Sie sollen tragen, lenken, die Motorleistung mit weniger Schlupf abstützen, bremsen, federn sowie mit flachen Spuren und besserer Bodenschonung arbeiten. Effektiv zu arbeiten bedeutet, aus dem Diesel mehr Flächenleistung zu holen durch mehr echte Vorfahrt, also weniger Schlupf. Die Weiterentwicklung bei den Reifen in den vergangenen Jahren ist enorm. Ein Überblick steht im Folgenden.

Hersteller bieten neue Radialreifen mit mehr Tragfähigkeit bei gleichem Reifenluftdruck oder bei gleicher Last, mehr Grip mit niedrigem Reifenluftdruck an. Gekennzeichnet sind die neuen Radialreifen mit den Buchstaben „IF“ (improved Flection) und „VF“ (very high Flection), die in der Reifenflanke vor der Größen- und Breitenkennzeichnung stehen.

IF-Reifen können bei gleicher Radlast oftmals mit 20 % niedrigerem, bodenschonenderem Reifendruck arbeiten. VF-Reifen arbeiten mit bis zu 40 % niedrigerem Reifendruck. Die neuen Reifen stützen die effektive Zugleistung insbesondere mit variablem Reifendruck besser ab. Aber auch bisherige Reifen können gut arbeiten. Stark unterschiedliche Preise und die Lieferfähigkeit sind wichtige Kaufgründe.

Die richtigen Reifen wählt man nach Art der Schlepperarbeit aus. Also erhält ein Pflegeschlepper für die Fahrgassen beispielsweise eine Bereifung mit VF480/85 R26 oder 520/85 R26. Den stärksten Schlepper könnte man mit VF650/85R38 und variablem Reifendruck ausstatten.

Mit der Wahl flankenhoher Reifen, also 85er Reifen anstelle einer 65er Flankenhöhe, kann man effektiv den variablen Reifendruck mit durchschnittlich 10 % weniger Dieselverbrauch nutzen. Aus der Kabine wird der Reifendruck passend zu Radlast, Geschwindigkeit, Acker, Wiese und den Straßenverhältnissen eingestellt.

Reifenkontur für Acker und Straße und Reifen-Boden-Kontaktfläche. Mehr Kontaktfläche bedeutet besseren Bodenschutz, flachere Spuren und weniger Schlupf. Eine große Reifen-Boden-Kontaktfläche gewinnt man mit niedrigem Reifendruck im Feld. Mit Mehl markierte Reifenumrissen zeigen den Unterschied durch variablen Reifendruck: 1 m Länge bei 0,8 bar und 70 cm Länge bei 1,6 bar. Niedriger Reifendruck bringt flachere Spuren, weniger Schlupf, also mehr Bodenschutz. Auf der Straße rollt hoher Reifendruck leichter, bringt mehr Lenk- und Bremssicherheit und spart 10 % Diesel. Foto: Prof. Ludwig Volk

Mit variablem Reifendruck wird der Schlepper 15 % stärker und nützlicher. Auch nutzt der Landwirt das 30%ige Zuschussangebot für Reifendruckregelanlagen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Die BLE bietet auf ihrer Internetseite mit der Einzelmaßnahme „Förderung der Energieeffizienz und CO2-Einsparung in der Landwirtschaft“ den Zugang zum Easy-online-Antragsformular an. Weitere Informationen gibt es unter Tel.: 02 28-68 45 31 99.

Bei der Reifenwahl sollten große, breite, radiale Reifen mit hoher Flanke bevorzugt werden. Die Reifenpreise sind sehr unterschiedlich, denn diese werden weltweit hergestellt. Angebote aus Indien, wie der Markenreifen BKT, sind preiswerter im Vergleich zu anderen bekannten Marken. Häufig kann mit der Preisdifferenz eine Reifendruckregelanlage nachgerüstet werden für flachere Spuren, weniger Schlupf, mehr Ertrag, längere Reifennutzung und weniger Dieselverbrauch.

Ob preiswertere BKT-Reifen auch 5.000 Schlepperstunden laufen und arbeiten, wie man es bei europäischen Markenreifen erwartet, müssen die Erfahrungen von Landwirten und Lohnunternehmern zeigen. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass beim Ersatzreifenkauf BKT-Reifen gut geeignet sind für variablen Reifendruck.

Fahrstil bestimmt Reifenverschleiß

Hohe Geschwindigkeit besonders in Kurven und Kreisverkehren kosten Gummi, ebenso starkes Bremsen statt vorausschauendem Fahren und Rollenlassen. Hohe Achslasten und niedrige Reifendrücke auf der Straße kosten ebenfalls Diesel und Gummi. Mit variablem Reifendruck erschließt man die Vorteile, denn niedriger Ackerdruck (0,8 bis 1,2 bar) und hoher Straßendruck (1,8 bar) werden bequem während der Fahrt eingestellt.

Übrigens sind 40 km/h Höchstgeschwindigkeit mit dem Schlepper genug; schneller zu fahren kostet Expresszuschlag für Diesel, Reifenabnutzung, Bremsenprüfung und die jährliche Hauptuntersuchung.

Aktuelle Radialreifen sind Hightech-Bauteile

Im Reifengummi ist im Wulst ein dickes Drahtseil eingebettet, mit dem der feste Sitz auf der Felge gesichert wird. Zunehmend werden am Felgenhorn, also an der Kontaktfläche zum Reifen, die Felgen geriffelt, damit die Felge bei Ackerdruck und hoher Zugleistung nicht im Reifen zu wandern beginnt.

In der hohen und flexiblen Reifenflanke sind zugfeste Fäden in den Gummi eingebacken, die das biegesteife, Stollen tragende Laufband mit dem Drahtseil im Wulst verknüpfen. Im Markenradialreifen auf dem Schlepper trägt die eingespannte Druckluft die Last, nicht die Reifenflanke. Das Druckluftvolumen im Reifen wird in Litern angegeben; je größer und breiter der Reifen ist, desto mehr Luftpolster und Luftfederung aktiviert der richtige Reifendruck. Mit Ackerdruck beult sich die flexible Reifenflanke aus, das Laufband mit den Stollen wird zirka ein Drittel länger und kann die Spurtiefe und den Schlupf halbieren. Boden und Reifen sind zwei Seiten einer Medaille, denn weicher Boden sollte mit flexiblen Reifen mit niedrigem Reifendruck und großer Kontaktfläche befahren werden – und auf einer harten Straße rollt ein harter Reifen besser.

Reifendruckregelanlagen bei Schleppern

Mit flankenhohen, radialen Reifen und variablem Reifendruck werden zirka 10 % Kostenvorteil beim Diesel und höhere Flächenleistung mit kürzerer Maschinenlaufzeit als Mehrleistung erschlossen.

Beispiel: Fendt VarioGrip, die integrierte Reifendruckregelanlage (auf Wunsch ab Werk) am Großtraktor 800, 900 und 1000 von Fendt kostet zirka 16.000 € Investition, bei einem Nutzen von zirka 40.000 € in 10.000 Schlepperstunden.

Basis für den Gewinn mit variablem Reifendruck: fachkundiger Fahrer, richtige Reifenwahl, gezogene Bodenbearbeitung oder Gülledüngung und gute Auslastung mit Acker, Wiese und Straße. Bei der Nutzenkalkulation kann die Dieseleinsparung in Euro pro Schlepperstunde dreifach angerechnet werden.

Für die Gülledüngung als Dienstleistung wird am Schlepper oder am Güllefass ein Zusatzverdichter für die Druckluftlieferung angebaut. Bewährt haben sich hydraulisch angetriebene Schraubenverdichter mit hohem Volumenluftstrom von 2.800 l/min. Damit wird das Aufpumpen auf 3 min verkürzt (zum Beispiel vom Ackerdruck mit 0,8 bar auf 1,8 bar Straßendruck am 200-kW-Schlepper).

Straßendruck auf der Straße bringt weniger Rollwiderstand, deutlich weniger Dieselverbrauch und mehr Verkehrssicherheit sowie längere Reifenbetriebsdauer. Der Nutzen der Reifendruckregel­anlage entspricht dem Vorteil eines Lenksystems.

Nachgerüstete Reifendruckanlage von PTG, dem Pionier bei Reifendruckregelanlagen, vorgeführt durch Soester Studierende auf der Agritechnica. Weniger Dieselverbrauch, mehr Zugleistung, mehr Bodenschutz und mehr Fahrkomfort im Feld kann man durch variablen Reifendruck aktivieren. Die Investition in große, flexible VF- und IF-Reifen am Schlepper mit einstellbarem Reifendruck ist oftmals innerhalb von zwei bis drei Jahren rentabel. Mit 30 % Zuschuss zu Reifendruckregelanlagen wird die Investition zügiger entschieden. Es arbeiten aktuell knapp 20.000 Landwirte mit variablem Reifendruck. Foto: Prof. Ludwig Volk

Reifendruckregelanlagen zur Nachrüstung

Der Pionieranbieter ist die Firma PTG, die ein „Zweileitersystem“ empfiehlt. Die PTG-Reifendruckregelanlage wird beim Landmaschinenhändler nachgerüstet. In der Praxiserprobung von Michelin ist der neue Reifen EvoBib, ein Reifen, der für variablen Reifendruck mit der Reifendruckregelanlage ­Zen@-ter­ra konzipiert wurde.

Eine Zweileiteranlage bietet die Firma Claas an für Schlepper, am Häcksler Jaguar und am Mähdrescher Lexion auf der Lenkachse in Kombination mit TerraTrac, dem Raupenlaufwerk. Als Besonderheit gilt Cemos, eine im Schlepperterminal integrierte einzigartige Software, mit der Ballastierung, Reifendruck und Geräteeinstellung empfohlen werden. Die effektive Dieselnutzung als besserer Wirkungsgrad wird permanent verbessert. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft hat Claas mit Cemos eine DLG-Silbermedaille für die Warnung vor Schadverdichtungen zuerkannt.

Die Firma Steuerungstechnik StG, Georg Strotmann, bietet eine Einleiteranlage mit Leitungen über die Kotflügel an. Bei neuen Personenkraftwagen ist die Reifendruckkontrolle serienmäßig eingebaut, auch neue Lkw haben seit 2022 eine Reifendruckkontrolle. Die Reifendruckregelanlage kann mehr – der Reifendruck wird überwacht und eingestellt. Die StG-Reifendruckanlage ist montagefreundlich, preiswert und mit dem neuen Multi-Control-Terminal einfach zu bedienen. Der Marktführer ist die Firma Steuerungstechnik StG.

Weitere Anbieter sind die Firmen Sven Krude aus Neuenhaus im Emsland, AgrarPro aus dem westfälischen Sendenhorst mit ProAir, Rottmann Automation aus Ochtrup und HR Agrartechnik aus Velen.

Landwirte erhalten 30 % Investitionszuschuss, Lohnunternehmer können 15 % beantragen.

Weitere Hinweise zur Reifenwahl und zum Bodenschutz finden sich unter terranimo.world

Fazit

Guter Bodenschutz ist auch Klimaschutz und Zukunftssicherung. Die Reifenweiterentwicklung in den vergangenen Jahren ist enorm. Der richtige Reifeneinsatz auf dem Acker schont die Bodenstruktur.

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