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AG Zukunftsbauer: Mehr reden hilft

Öffentliche Wahrnehmung hat viel mit Psychologie zu tun und wenig mit Realität
Von Mechthilde Becker-Weigel
Thomas Hansen, Jörg Struve, Klaus-Peter Lucht (v.  li.) und Stephan Gersteuer (r.) folgen den Berichten von Jens Lönneker (stehend). Foto: rq

Die Diskussion, wie die deutsche Landwirtschaft neues Vertrauen in der Gesellschaft gewinnen kann, läuft auf verschiedenen Ebenen. Jens Lönneker, Psychologe und Inhaber der Kölner Marktforschungsagentur Rheingold Salon, riet am Montag (12. Juni) bei seinem Vortrag „Zukunftsbauer – Eine Analyse des öffentlichen Vertrauens“ den Landwirtinnen und Landwirten, sich sichtbar zu machen, und: „Erzählen Sie etwas von dem, was die andern geil finden!“

Es könnte besser laufen in der Verständigung zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft. Das empfinden Landwirtinnen und Landwirte nicht erst seit Kurzem. Wie kann das Schwarzer-Peter-Spiel, so nannte es Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH), in seiner Einführung, beendet und der Blick Richtung Zukunft gerichtet werden? „Die Kommunikation muss von der Basis ausgehen und von uns kommen“, so Lucht. „Die Diskussion von oben nach unten ist kein Weg.“ Der Bauernverband habe sich mit der Arbeitsgemeinschaft (AG) Zukunftsbauer auf diesen Weg gemacht, verdeutlichte Generalsekretär Stephan Gersteuer. In der AG beschäftigen sich Landwirtinnen und Landwirte intensiv mit dem Verhältnis der Verbraucherinnen und Verbraucher zur Landwirtschaft und wie man es verbessern kann. Jörg Struve vertritt Schleswig-Holstein in der bundesweiten Arbeitsgruppe Zukunftsbauer des Deutschen Bauernverbandes (DBV).

Zu wenig Wahrnehmung

In seinem Vortrag im Detlef-Struve-Haus in Rendsburg zeigte Lönn­eker, dass die Corona-Pandemie für viele ein Schock gewesen sei und die Grundfesten der gesellschaftlichen Alltagsorganisation erschüttert habe. Dazu kamen Lieferkettenprobleme und Versorgungsengpässe. Allerdings habe die Bevölkerung auch erkannt und gelernt, wie wichtig die zuverlässige Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten ist und dass nicht immer alles selbstverständlich ist. Aus dieser Erkenntnis allein lasse sich aber noch keine bessere Wahrnehmung ableiten, denn Landwirtschaft und Verbraucher lebten in Parallelwelten, so drückte Lönn­eker es aus. Es gibt kaum direkte Kontakte und entsprechend wenig Austausch, habe seine Studie ergeben. Landwirte führten an, dass wegen des hohen Arbeitsaufkommens zu wenig Zeit für die Kontaktpflege mit der „normalen“ Bevölkerung bleibe und dass man in der knappen Freizeit lieber andere Landwirte besuche. Die Situation zweier verschiedener Bevölkerungsgruppen am gleichen Ort mit unterschiedlichen Werten, die sich nicht treffen, bezeichnete der Psychologe als Humus für Vorurteile. „Selbst Hofbesuche oder Tage des offenen Hofes können da nicht helfen. Sie machen nur einzelne Betriebe zur Ausnahme“, so Lönneker.

Er machte deutlich, dass Landwirtschaft eine Projektionsfläche für Hoffnungen sowie Befürchtungen sei und die Bildmächtigkeit der Narrative allgegenwärtig. So könnten Bilder in den Medien von Pflanzenschutzspritzen oder Geflügelställen negative Emotionen erzeugen, während Ökobetriebe mit Idylle und Bullerbü-Landwirtschaft gleichgesetzt würden. „Bilder, die die Sehnsucht von Städtern befriedigen, wie sie gerne leben würden, führen die Menschen hinaus aus der eigenen Enge, die in ihrem Großraumbüro einen Hühnerstall sehen, der auf Effizienz getrimmt wurde.“ Die neue Bildungsoffensive des Landwirtschaftsministeriums (MLLEV) sei ein Ansatz, könne Projektionen aber nicht aushebeln, der Verbraucher ziele nach wie vor auf preiswerte Lebensmittel, so die Einschätzung von Lönneker.

Gehör verschaffen

Die Frage, wie das Mantra auch ohne ganz große Kampagnen zu durchbrechen sei, habe nur eine Antwort: durch diejenigen, die am meisten litten, die Landwirtinnen und Landwirte. „Führen Sie Gespräche“, rief der Kommunikationsexperte die Zuhörer auf. „Gehen Sie hinaus, verschaffen Sie sich Gehör, am besten gemeinsam und nicht allein.“ Um den Kreislauf zu durchbrechen, müssten neue Bilder, also neue Narrative gefunden und veraltete Vorstellungen der Verbraucher von der Landwirtschaft modernisiert werden.

Das Thema „Zukunft gestalten“ steht für Lönneker nach seinen Umfragen an erster Stelle, als gemeinsames Ziel mit höchster Übereinstimmung zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern. Er rief dazu auf, nicht zu lange intern zu diskutieren, sondern anzufangen.

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