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Rallye an den Börsen

Marktkommentar
Von Judith Wahl, LK-Markt
Foto: Imago

Seit dem 18. Juli ist alles wieder anders. Vergangene Woche ist die Verlängerung des Getreidedeals, welcher sichere Getreideexporte aus der Ukraine ermöglichte, nach der Dauer von einem Jahr geplatzt. Russland wollte seine Forderungen für die eigenen Getreide- und Düngerexporte durchsetzen, was bis zu dem Zeitpunkt nicht in ausreichendem Maße geschehen sei. Anfangs schien die neue Situation keine großen Folgen zu haben. Die Börsenausschläge waren moderat. Man dachte, auch ohne Getreidedeal würde Getreide exportiert werden können. Per Schiene oder Schiff wären der logistische Aufwand sowie die Transportkosten höher. Man hatte sich jedoch auch vorstellen können, dass weiterhin Schiffe Getreide exportieren, dann jedoch mit höheren Versicherungsprämien wegen des größeren Risikos.

Laut Prognose für die aktuelle Saison 2023/24 wird die Getreideproduktion der Ukraine geringer ausfallen. Somit sollte wegen beispielsweise verringerter Anbauflächen, fehlender Rohstoffe, aber auch Arbeitskräfte auch weniger Getreide für den Export zur Verfügung stehen.

Angriffe auf die Handelsrouten

Doch die Marktlage änderte sich, nachdem Russland die ukrainischen Häfen in Odessa und Mykolajiw mehrfach angegriffen hat. In den vergangenen Nächten zielten Raketen und Drohnen auf den Süden und Osten der Ukraine, russische Luftangriffe auf die Infrastruktur. Es scheint, dass Russland die Ukraine vom weltweiten Handel langfristig abschneiden will und damit auch Einnahmen ausbleiben dürften. Durch die Luftangriffe wurden zudem Menschen getötet und Zehntausende Tonnen Getreide vernichtet.

Mit dem Ende des Getreidedeals gibt es keine Sicherheitsgarantien für die ukrainischen Getreideausfuhren mehr. Außerdem bergen schwimmende Minen ein hohes Risiko. Im Laufe der vorigen Woche erklärte Russland dann, dass Schiffe, die die Häfen der Ukraine verließen, als Träger militärischer Fracht, beispielsweise von Waffen, beurteilt werden könnten. Schiffe unter anderer Flagge würden als Konfliktpartei betrachtet. Sie würden als Kriegsbeteiligte angesehen. Mittlerweile haben Reedereien die Transporte über das Schwarze Meer eingestellt.

Die Verschärfung der Situation, einhergehend mit der Besorgnis hinsichtlich der weltweiten Versorgungslage, brachte deutliche Kursanstiege an den Börsen mit sich. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 erfuhr der Weizenkurs an der Börse in Chicago den größten Kursanstieg innerhalb einer Woche. Zu Wochenbeginn notiert Weizen an der Matif bei knapp 265 €/t und damit rund 30 €/t über der Vorwoche. Anders ist es beim Raps. Die Kurse schnellten erst hoch, beruhigten sich dann wieder und liegen Anfang der Woche bei 452 €/t, also wieder unter dem Niveau der Vorwoche.

Derzeit keine Einigung in Sicht

Im Zuge des Getreidedeals konnten 32,9 Mio. t Agrarprodukte aus der Ukraine exportiert werden. Es waren etwa 8,9 Mio. t Weizen und 16,9 Mio. t Mais. In den EU-Nachbarländern, durch die die ukrainischen Getreideexporte gelaufen sind, kam es zu Unruhen bei den Erzeugern vor Ort. In Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und der Slowakei wurde der Verkauf von ukrainischem Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumenkernen verboten und ausschließlich die Durchfuhr gestattet. Bis 15. September gilt diese Regelung noch. Doch die entsprechenden Länder haben bei der EU-Kommission eine Verlängerung erbeten.

Marktteilnehmer schließen nicht aus, dass es zum Lieferstopp von Getreide aus dem Süden der Schwarzmeerregion kommen könnte. Für die nordafrikanischen Länder, die sonst Getreide aus der Ukraine erhalten haben, könnte Russland der Helfer in der Not werden.

Russlands Aggression führte zu Irritation an den Weltgetreidemärkten. Wie sich die Preise weiterentwickeln, bleibt schwer kalkulierbar. Steigende Preise könnten für Russland zu höheren Einnahmen führen, was sicherlich in diesen Zeiten nicht irrelevant ist.

Ob es noch zu einer Einigung hinsichtlich der Weiterführung des Getreidedeals kommen wird, bleibt abzuwarten. Sie wird jedoch derzeit als unwahrscheinlich eingestuft. Konsequenzen könnten weltweit steigende Nahrungsmittelpreise, -knappheit und Migrationswellen sein.

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