StartNachrichtenAgrarpolitikPrämiert und geschasst – der Fall Julia Ruhs

Prämiert und geschasst – der Fall Julia Ruhs

Kommentar zur Berichterstattung kritischer Inhalte
Von Dr. Robert Quakernack
Für den NDR moderierte Julia Ruhs drei Folgen der Sendung „Klar“. Quelle: ARD Mediathek

Für die NDR-Sendung „Klar – Der Frust der Bauern“ erhielten die Moderatorin Julia Ruhs und ihr Team Ende August den Kommunikationspreis des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ). „Der Fernsehbeitrag lässt auch Landwirte zu Wort kommen, die sonst eher ungern gehört werden“, urteilte die Jury. Das sei ein Weg, wieder in den Dialog zwischen verhärteten Fronten zu finden.

Der VDAJ würdigt mit der Vergabe also den Versuch, Brücken zwischen verschiedenen gesellschaftspolitischen – auch rechten – Sichtweisen zu schlagen, damit mehr Verständnis entstehen kann. Das ist zu begrüßen, obgleich einzelne Aussagen und Darstellungen der Sendung kritisch zu hinterfragen sind.

Massenhaft interne Kritik hatte Ruhs bereits die erste Sendung der „Klar“-Reihe zur Migration aus dem Frühjahr eingebracht. Der NDR kündigte nun an, sie gegen eine andere Moderatorin auszutauschen. Diese Personalentscheidung hat wiederum für Unverständnis bei vielen CDU-Spitzenpolitikern wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther gesorgt, der die Absetzung der Moderatorin als „extrem schlechtes ­Signal“ bezeichnete. Ruhs selbst erhebt den Vorwurf, dass der NDR Meinungen rechts der Mitte zu wenig zulasse.

Eine ausführliche Darstellung der Ereignisse rund um die Sendung „Klar“ finden Sie in diesem Beitrag: Kriminalisiert der NDR missliebige Ansichten?
Dort finden sich auch Einschätzungen der Landwirtinnen Dr. Heike Müller und Andrea Rahn-Farr, die sich im NDR-Rundfunkrat beziehungsweise im ZDF-Fernsehrat engagieren.

Der Fall Julia Ruhs verdeutlicht beispielhaft, wie ungleich der Umgang mit Menschen und Gruppen, die andere Meinungen vertreten, sein kann. Manche reagieren schon bei geringen Differenzen mit Empörung und Abgrenzung – die sogenannte Cancel-Culture. Andere versuchen, die Sichtweise des anderen einzunehmen und Verständnis aufzubauen. Der zweite Weg ist sicher der bessere, um eine gesunde Diskussionskultur zu pflegen.

Erschwerend wirkt jedoch, dass sich vor allem junge Menschen zunehmend Informationen über digitale Kanäle beschaffen. Dort halten „unsichtbare Bänder“ Nutzerinnen und Nutzer in der eigenen Meinungsblase fest. So erscheint die eigene Position viel eher als vermeintlich richtige Mehrheitsmeinung. Insbesondere die Sozialen Netzwerke nutzen Algorithmen, die bestehende Meinungen verstärken und daher potenziell zu weniger Offenheit gegenüber anderen Meinungen führen. Häufiges Beispiel sind derzeit Montagen mit Zitaten, die aus dem Zusammenhang gerissen werden. Solche Beiträge informieren nicht, sondern manipulieren.

Klar ist: Linke wie rechte Meinungen gehören zum demokratischen Spektrum dazu – solange sie nicht extrem sind. Wenn beispielsweise der Verfassungsschutz feststellt, dass die AfD „gesichert rechtsextrem“ ist, sollte das ein starkes Argument sein, den Vertretern dieser Partei keine Bühne zu bieten. Aber trifft das auch auf alle Wähler dieser Partei zu? Oder führt eine Ausgrenzung rechter Meinungen im öffentlichen Diskurs sogar zu einem Schub in die rechtsextreme Richtung? VDAJ und NDR beantworten diese Fragen anscheinend unterschiedlich.

Dr. Robert Quakernack, Foto: bb
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