Für die Entwicklung vom Kalb zur leistungsstarken Milchkuh oder zum guten Mast- oder Zuchtbullen ist eine optimale Aufzucht in der Kälberphase eine wichtige Voraussetzung. Nur ein gut versorgtes Kalb ist in der Lage, sein volles Leistungspotenzial zu entfalten. Es stellt hohe Ansprüche an die Fütterung, da insbesondere das Immunsystem noch nicht vollständig ausgereift ist und sich der Verdauungstrakt noch voll entwickeln muss. Die Wahl des Tränkeverfahrens und der Kälbermilch ist daher entscheidend.
Die frühe und ausreichende Versorgung mit Kolostrum ist für jedes Kalb der erste wichtige Grundstein, um durch passive Immunisierung einen Schutz gegen Krankheitserreger aufzubauen. Ziel sollte es sein, in den ersten sechs Lebensstunden 4 l Kolostrum zu vertränken. Dabei ist auf eine gute Qualität zu achten. Die Qualität des Kolostrums kann über ein Refraktometer bewertet werden und gibt den Brixwert als Maßzahl aus. Je höher der Brixwert, desto besser ist die Kolostrumqualität. So soll er bestenfalls bei über 22 liegen. Das entspricht etwa einem Antikörpergehalt von 75 g/l Kolostrum.
Die Qual der Wahl bei der Kälbertränke
Bei der Kälbertränke gilt es verschiedene Punkte zu entscheiden:
• Vollmilch oder Milchaustauscher?
• Eimertränke oder Tränkeautomat?
• Ad libitium oder restriktive Tränkemenge?
• Ansäuern oder nicht?
Vollmilch oder Milchaustauscher?
Ob man sich für eine Vollmilchtränke oder einen Milchaustauscher entscheidet, hängt in der Regel von betriebsindividuellen Faktoren ab. So spielt beispielsweise das Milchkontingent eine entscheidende Rolle. Für den Vergleich der beiden Tränken müssen diese auf die gleiche Basis gebracht werden und anhand der Nährstoffgehalte verglichen werden. 1 kg Milchaustauscher entspricht in etwa 6 kg Vollmilch. Auch die personelle Verfügbarkeit und die Einstellung des Betriebes sind weitere Entscheidungspunkte.
Vorteile einer Vollmilchtränke sind das sehr gut verdauliche Milcheiweiß, der hohe Energiegehalt und die hohe Energiedichte, die gute Zunahmen ermöglichen, in der Regel eine problemlose Verfügbarkeit und keine zusätzliche Organisation. Vollmilch ist die natürlichste und nahrhafteste Futterquelle. Im Durchschnitt hat sie 3,1 bis 3,5 % Eiweiß und zirka 4 % Fett. Die Zusammensetzung ist den Bedürfnissen des Kalbes angepasst. Es kann aber auch gelegentlich bei der Vollmilchtränke vorkommen, dass sie den Bedarf der Kälber nicht vollständig deckt und aufgewertet werden muss. Das ist möglich, wenn die Milch nicht genug Eiweiße oder Fett enthält. Des Weiteren können über die Vollmilch Krankheiten von der Kuh auf das Kalb übertragen werden. Teilweise sind die Vitamine und Spurenelemente nicht in ausreichender Menge enthalten und zu hohe Fettgehalte könnten zu Durchfall führen. Zudem ist es ein höherer betrieblicher Aufwand, für die Hygiene, Sicherheit und Konsistenz zu sorgen. Letztendlich ist die Entscheidung betriebsindividuell zu treffen.
Unterschiede bei Milchaustauschern
Unter den Milchaustauschern variiert die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe, aber auch die Höhe der einzelnen Konzentrationen, insbesondere Magermilchpulver, Immunglobuline, Fett und Eiweiß. Diese bestimmen in Kombination mit der abgenommenen Menge auch den Preis eines Milchaustauschers.
Milchaustauscher eignen sich ebenso wie Vollmilch für eine Ad-libitum-Tränke. Wichtig ist es, auf einen hohen Anteil an Magermilchpulver zu achten. Die Vorteile von Milchaustauschern sind zum einen die in der Regel gleichbleibende Qualität und konstante Zusammensetzung, zum anderen werden Kontaminationen und Krankheitsübertragungen von der Kuh auf das Kalb verhindert. Die Tagesmengen-Konzentration kann dem Bedarf der Kälber angepasst werden. Insbesondere am Anfang der Tränkephase sind Milchaustauscher mit hohen Gehalten an pflanzlichen Proteinen weniger geeignet, da der Verdauungstrakt der Kälber diese noch nicht in vollem Maße umsetzen kann. Weiterhin können mindere Qualitäten eines Milchaustauschers zu einem Mangel beim Kalb und auch zu Durchfall führen.
Es ist auf eine an die Bedürfnisse des Kalbes entsprechend seiner aktuellen Lebensphase exakt angepasste und gleichbleibende Anmischung des Milchaustauschers zu achten. Wird Milchaustauscher eingesetzt, ist zu beachten, dass es bei Erkalten zur Entmischung kommen kann, weshalb dieser eher vorteilhaft für einen Tränkeautomaten oder eine restriktive Fütterung ist.
Ebenfalls muss bei der Entscheidung für oder gegen den Milchaustauscher berücksichtigt werden, dass dieser einer gewissen Organisation bedarf. So sollte man beachten, dass immer eine ausreichende Menge vorhanden ist, da es immer einmal zu Lieferverzögerungen kommen kann. Eine abrupte Umstellung auf ein anderes Tränkeverfahren hat nachteilige Auswirkungen auf die Kälber, wie Durchfälle, Erkrankungen, schlechtere Zunahmen, und bildet dadurch keine optimale Basis, das Leistungspotenzial voll zu entfalten.
Tränkeautomat oder Nuckeleimer?
Nachdem man die Frage geklärt hat, ob Milchaustauscher oder Vollmilch verfüttert werden soll, gilt es, zwischen Nuckeleimer und Tränkeautomat zu entscheiden. Ob man einen deutlich teureren Tränkeautomaten wählt, ist eine betriebsindividuelle Entscheidung. Generell sollte ein Tränkeautomat für eine Arbeitsentlastung sorgen, da das täglich mehrmalige Befüllen und Reinigen der Nuckeleimer entfällt. Die Reinigung im Tränkeautomaten, den Zulieferungsschläuchen und dem Nuckel läuft mehrmals täglich automatisch. Wichtig ist die Nähe des Betriebes zu dem entsprechenden Servicetechniker für Wartungen, Störungen und Notfälle. Der Tränkeautomat muss täglich auf störungsfreie Funktion kontrolliert und ausreichend mit Milchaustauscher oder Vollmilch sowie Reinigungsmitteln befüllt werden.
Sofern mehrere Tränkeplätze verfügbar sind, kann ein Nachahmungseffekt beobachtet werden, durch den sich die Kälber selbstständig anlernen. Ansonsten bedarf es je nach Kalb mehr oder weniger Unterstützung beim Erlernen der Tränkeaufnahme aus dem Automaten. Unabhängig davon sollten die abgerufenen Mengen täglich kontrolliert werden und Kälber, die nicht oder zu wenig getrunken haben, an den Automaten erneut herangeführt werden. Die Mahlzeiten sind individuell in kleinen Portionen zuteilbar und lassen sich digital, zum Beispiel über individuelle Tränkekurven, nachverfolgen.
Bei Vollmilch im Automaten kommt Arbeit durch das Ansäuern, Reinigen und Befüllen der Vorratsbehälter dazu. Großer Vorteil eines Nuckeleimers und des Befüllens durch ein Milchtaxi sind die niedrigeren Kosten und die täglich mehrmalige Tierkontrolle, die während des Befüllens erledigt werden kann. Die Kontrolle und Dokumentation der Tränkemengen muss jedoch händisch erfolgen.
Ad libitum oder restriktiv?
Mittlerweile ist die gängige Praxis die Ad-libitum-Tränke. In der Vergangenheit war auch die restriktive Tränke vermehrt auf den Betrieben vertreten. Immer mehr Studien belegen aber die Vorteile der Ad-libitum-Tränke. Es hat sich bewährt, die Kälber in den ersten drei Wochen ad libitum zu versorgen und ab der vierten Lebenswoche restriktiv zu füttern. Es ist durch mehrere Studien bewiesen, dass eine Ad-libitum-Versorgung die Kälber vitaler und leistungsstärker macht als eine restriktive Tränke. Bei einer Ad-libitum-Tränke kommen die Kälber bestenfalls nicht in den Moment des Hungerns. Bei einer restriktiven Tränke trinken die hungrigen Kälber in kurzer Zeit eine große Menge, die im Labmagen nicht gut gerinnt. Es ist entscheidend, dass die Kälber nach Belieben trinken können. Am Tränkeautomaten oder am Nuckeleimer trinken die Kälber bei einer Ad-libitum-Tränke zwischen 1 und 1,5 l bis 2 l pro Besuch. Die Ad-libitum-Tränke entspricht außerdem dem natürlichen Verhalten von Kälbern. In der Natur nehmen sie bei ihren Müttern über den Tag verteilt beliebig viel Milch auf.
Sowohl Vollmilch als auch ein Milchaustauscher lässt sich für die Ad-libitum-Tränke verwenden. Wichtig bei diesem Verfahren ist die Hygiene im Eimer und Nuckel, um eine Keimbesiedlung und folglich eine mögliche Erkrankung der Kälber zu verhindern. Bei sehr niedrigen Temperaturen im Winter ist darauf zu achten, dass die Nuckel nicht einfrieren.
Ansäuern oder nicht?
Das Ansäuern der Milch auf einen pH-Wert von 5,5 verhindert insbesondere bei warmer Witterungslage die Vermehrung von Keimen und hält die Qualität bei einer Ad-libitum-Tränke den ganzen Tag relativ gleich. Niedriger sollte der pH-Wert jedoch nicht sein, weil damit die Akzeptanz der Kälber sinken und folglich die Tränkeaufnahme reduziert werden würde. Weiterhin kann eine Ansäuerung dazu führen, dass die Verdaulichkeit besser wird. Das Kaseinprotein muss für eine gute Verdauung im Labmagen gerinnen, was bei niedrigem pH-Wert geschieht. Die Entscheidung, ob eine Ansäuerung der Milch stattfinden soll, ist auch hier betriebsindividuell zu treffen.
Fazit
Eine gute und von hoher Qualität ausgezeichnete Milchfütterung ist entscheidend für die Entwicklung von vitalen, gesunden und leistungsstarken Kälbern. Die verschiedenen Tränkeverfahren unterliegen betriebsindividuellen Entscheidungen und Einstellungen. Jedes Verfahren bietet Vor- und Nachteile gleichermaßen, die sich durch ein richtiges Management und gegebenenfalls Aufwertungen und Anpassungen aufheben lassen.