Heinz Breloh, geboren 1940, war ein Künstler, der stets ungewöhnliche Wege beschritt. Viele seiner voluminösen Werke formte er nicht nur mit den Händen, sondern mit seinem ganzen Körper. Wenn er seinen eigenen Körper in den Gips drückte, sich selbst in das Material projizierte, wurde er nicht nur zum Werkzeug, sondern zugleich zum Motiv. „Die Arbeit ist getan, wenn zwischen Körper und Plastik keine Distanz mehr besteht“, sagte er. Für diese Art, Kunst zu erleben, hatte Heinz Breloh allerdings nur rund drei Jahrzehnte Zeit. Der gebürtige Nordrhein-Westfale starb 2001 nach schwerer Krankheit im Alter von nur 61 Jahren in Köln.
Eine große retrospektive Werkschau in der Villa Wachholtz, in diversen Erlebnisräumen sowie im Skulpturenpark der Gerisch-Stiftung zeigt nun vom 16. Juni bis 15. Dezember 2024 mehr als 120 seiner Arbeiten mit den thematischen Schwerpunkten „Der Künstlerkörper im Werkprozess“, „Künstlerrezeption“ und „Naturbezug“. Darunter sind kleine und große Gipsskulpturen, sinnliche Keramiken, großformatige Zeichnungen, Modelle für den öffentlichen Raum, Projektskizzen, seltene Film- und Fotoarbeiten aus dem Frühwerk sowie aufwendige Installationen aus dem Spätwerk. „Wir sind glücklich, die Werke von Heinz Breloh nach 16 Jahren wieder präsentieren zu dürfen, und freuen uns, dass dieser Nachlass im Gegensatz zu vielen anderen so gut verwaltet wird“, sagt Stiftungsleiterin Brigitte Gerisch.
Foto: Lydia Bernhardt
Das Werk von Heinz Breloh kreiste um den Menschen, aber auch viel um sich selbst. Die ersten Arbeiten spiegeln Brelohs Faszination für Fotografien und bewegte Bilder wider, die er in skulptural anmutende Installationen transformierte. Durch ein existenzielles Erlebnis von Wahrnehmung und Ausdruck fand er in den 1980er Jahren zum Konzept des „Bildhauers als Sechsender“. Der Kurator Malte Guttek erklärt es so: „Das Konzept des Bildhauers als Sechsender bedeutet, dass sich die Zahl sechs bei Breloh auf den Kopf, die Hände, den Penis und die Füße bezieht.“ Denn es sind immer sechs Elemente, die aus etwas herauskommen oder auf etwas einwirken: vergleichbar mit dem Bild des Menschen, des Bildhauers oder des schöpferischen Künstlers, der etwas macht oder eben erfährt. Manchmal sind Brelohs Arbeiten klar und eindeutig betitelt, dann wieder bleiben sie fragmentarisch und lassen viele Interpretationen zu. Das macht sein Gesamtwerk so spannend.
Dabei ist Heinz Breloh einer der wenigen Bildhauer, die bereits in den 1990er Jahren mit Keramik gearbeitet haben, als dieses Material von den meisten noch belächelt wurde. Den Umgang mit Keramik hatte Heinz Breloh allerdings nicht gelernt, die Keramiken dieser Zeit sind allein aus der Freude am Machen entstanden. Und doch lassen sie sich in ihrer Qualität durchaus mit zeitgenössischen Arbeiten vergleichen.
Foto: Lydia Bernhardt
Es entstanden große Formen, die nicht im Sinne der Materialgerechtigkeit geglättet wurden. Tiefe Fingerabdrücke, die von der Lust am Gestalten zeugen, haben sich unauslöschlich in das Material eingegraben. Darüber hinaus war Heinz Breloh ein Künstler, der sich intensiv mit der Kunstgeschichte auseinandersetzte und in historischen Dimensionen dachte. „Damit hat er sich eine einzigartige Position in der internationalen Bildhauerei gesichert“, so Guttek.
„Es war schon früh klar, dass man Heinz auf einem landwirtschaftlichen Betrieb am wenigsten gebrauchen konnte“, erzählt Dr. Ludger Breloh, der jüngste der vier Brüder, der heute den riesigen Werknachlass verwaltet. Heinz Breloh wuchs nämlich als zweiter von fünf Brüdern in einer bäuerlich-katholisch geprägten Familie in Hilden bei Düsseldorf auf. Während seine Brüder nach dem Abitur Landwirtschaft und Ingenieurwesen studieren, interessierte sich Heinz schon als Schüler besonders für Kunst und Musik. In vielen bäuerlichen Familien wäre das ein Problem gewesen, denn es geht hier stets um die Nachfolge, nicht so bei Familie Breloh. „Unsere Eltern und wir Brüder haben Heinz von Anfang an unterstützt, auch als er Kunst studieren wollte“, erzählt Ludger Breloh.
Foto: Lydia Bernhardt
Auch später, als Heinz frustriert zurückkehrte, weil er an den Hochschulen nicht den nötigen künstlerischen Nährboden fand, war die Familie für ihn da. Vater Breloh richtete ihm kurzerhand ein Atelier auf einem ungenutzten Heuboden ein. Doch es gab eine Bedingung. Heinz musste auf seinen kleinen Bruder Ludger aufpassen. „Ich bekam einen kleinen Tisch, an dem ich kneten und malen durfte und war dann nach der Schule immer bei Heinz im Atelier“, erinnert sich Ludger Breloh, dem diese gemeinsamen Jahre sehr viel bedeuten. Denn in dieser Zeit entstand eine besonders enge Bindung zwischen den Brüdern. Heinz passte nicht nur auf seinen kleinen Bruder auf, sondern nahm ihn auch auf zahlreiche Ausflüge in Museen und Kunstausstellungen mit. Schließlich wurden drei der fünf Brüder Landwirte, darunter auch Dr. Ludger Breloh, der in Kiel Agrarwissenschaften studierte. „Insofern war Heinz völlig aus der Art geschlagen, wurde aber von uns allen geliebt und unterstützt“, sagt er. Deshalb sei es für ihn eine besondere Freude, den Nachlass verwalten zu dürfen.
Derzeit entsteht ein umfangreiches Werkverzeichnis, an dem auch Kurator Malte Guttek mitarbeitet. Die ausführliche Biografie des Künstlers sowie zahlreiche Abbildungen seiner Werke findet man unter heinz-breloh.de