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Herbstdüngung mit Klärschlamm oder Kompost

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Wenn die Ernte der Hauptfrucht abgeschlossen ist, fällt der Blick direkt auf die weitere Anbauplanung und damit möglicherweise auch auf die geplante Herbstdüngung. Wird eine Düngung mit Klärschlamm oder Kompost angestrebt, sind neben den allgemeinen Regeln zur Herbstdüngung unter anderem auch Besonderheiten zur Dokumentation der Düngemaßnahmen zu beachten. Die Regelungen zur Herbstdüngung mit Klärschlamm und Kompost werden im folgenden Artikel dargestellt.

Vor allem ist es wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen gemäß den Entscheidungskriterien der Herbstdüngung 2024 für Düngemittel mit wesentlichem N-Gehalt genau abzuleiten. Hier ergeben sich Unterschiede in der Bewertung von Klärschlamm und Kompost. Zwar ist anders als beim Klärschlamm eine Ermittlung des N-Bedarfs gemäß Rahmenschema Herbst für die Aufbringung von Kompost nicht erforderlich, dennoch muss hier genau auf die richtige Dokumentation geachtet werden, um für die Folgejahre eine rechtssichere Düngebedarfsermittlung vornehmen zu können. Generell stellt sich die Frage, ob zu der angebauten Kultur nach Ernte der vorigen Hauptfrucht überhaupt ein Düngebedarf besteht. Hier kommt es neben weiteren Kriterien unter anderem auf die Vorfrucht und den Aussaatzeitpunkt der nachfolgenden Kultur an.

Genau auf die Vorfrüchte schauen

Beim Klärschlamm kommt es generell darauf an, wie hoch der N-Gehalt in der TM ist. Denn Düngemittel mit einem wesentlichen N-Gehalt (über 1,5 % N/kg in der TM) dürfen auf Ackerland ab der Ernte der vorigen Hauptfrucht bis einschließlich 31. Januar des Folgejahres nicht aufgebracht werden. Abweichend davon dürfen laut Düngeverordnung (DÜV) auf Ackerland Düngemittel mit einem wesentlichen Gehalt an N bis in Höhe des N-Düngebedarfs bis zum 1. Oktober zu Wintergerste nach Getreidevorfrucht (bei Saat auch bis 1. Oktober), Winterraps, Feldfutter und Zwischenfrüchten (Futter/Gründüngung) jeweils mit Leguminosenanteil unter 50 % (bei Saat bis 15. September) aufgebracht werden. Dies gilt für Flächen außerhalb der N-Kulisse.

Nach Klärschlammverordnung (AbfKlärV) dürfen Klärschlämme allerdings nicht zu Feldfutter ausgebracht werden. Die Höhe der Stickstoffdüngung richtet sich nach dem N-Bedarf der Kultur und darf 30 kg NH4-N/ha und 60 kg Gesamt-N/ha nicht überschreiten. Hat ein Schlag eine Historie mit organischer Düngung, ist also langjährig organisch gedüngt worden (mindestens 36 mg P2O5/100 g Boden), liegt kein N-Bedarf im Herbst vor.

Ebenfalls kein N-Bedarf liegt bei folgenden Vorfrüchten vor: Mais (auch bei Winterbegrünung), Kohlarten, Körnerleguminosen, Leguminosengemenge/Kleegras mit Leguminosenanteil über 50 % und Dauergrünland. Für Flächen in der N-Kulisse gibt es abweichende Regelungen. Die Kriterien zur Ermittlung des N-Düngebedarfs nach der Hauptfruchternte werden auch detailliert in den Entscheidungskriterien zur Herbstdüngung 2024 dargestellt (siehe QR-Code).

Es kann vorkommen, dass Klärschlämme laut Analyse weniger als 1,5 % N/ kg in der TM aufweisen. Hat der Klärschlamm laut Analyse also keinen wesentlichen N-Gehalt, ist er von den Regelungen zur Herbstdüngung befreit. Da Kulturen im Herbst aber meist geringe N-Aufnahmen aufweisen, empfiehlt die landwirtschaftliche Fachbehörde aus diesem Grund, eine moderate Herbstdüngung mit Klärschlamm anzustreben, um Auswaschungsverluste während der Sickerwasserperiode zu minimieren.

Stickstoffanrechnung bei Kompost

Kompost hat die Eigenschaft, dass Stickstoff dort zum Großteil organisch gebunden ist. Das führt in der Regel zu einem geringeren Auswaschungspotenzial über die Wintermonate. Gleichzeitig können durch eine Düngung mit Kompost der Boden mit Humus angereichert und folglich das Bodenleben und die Bodenfruchtbarkeit gefördert werden. Eine Stickstoffbedarfsermittlung für die Aufbringung von Kompost im Herbst ist nicht erforderlich.

Bei der Aufbringung von Kompost ist eine Mindestwirksamkeit im Anwendungsjahr von 5 % (Grünschnittkompost: 3 %) anzusetzen. Der sonst übliche Ansatz von 10 % für die N-Nachlieferung aus der organischen Düngung zu den Vorkulturen des Vorjahres ist aufgrund der langsamen N-Nachlieferung von Kompost über drei Anbaujahre aufzuteilen. Hierbei sind im ersten Folgejahr 4 % sowie im zweiten und dritten Folgejahr jeweils 3 % (insgesamt 10 %) anzusetzen.

Kompost und Klärschlamm dokumentieren

Grundsätzlich gilt: Die aufgebrachte Düngemenge muss spätestens zwei Tage nach der Aufbringung aufgezeichnet werden. Die Einhaltung des ermittelten Düngebedarfes mit der dazugehörigen Düngedokumentation und der Sperrzeiten ist direktzahlungsrelevant. Vor diesem Hintergrund muss man sich unter anderem vergewissern, dass eine korrekte Düngedokumentation auf dem Betrieb erfolgt ist.

Für die Dokumentation der Klärschlammaufbringung nach DÜV sind einige wichtige Punkte zu beachten. Anders als bei Wirtschaftsdüngeranalysen werden bei Nährstoffanalysen von Klärschlamm in der Regel prozentuale Werte angegeben (Tabelle 1). Dies kann leicht zu einer falschen Angabe in der Düngedokumentation führen. Daher müssen die Analysewerte für N, NH4 und P2O5 in kg/t Frischmasse (FM) umgerechnet werden.

Hinzu kommt, dass auf den Lieferscheinen häufig die gelieferte Menge in Trockensubstanz (TS) angegeben wird, weil sich daraus die maximal zulässige Aufbringmenge von 5 t TS/ha innerhalb von drei Jahren gemäß Klärschlammverordnung ableiten lässt. In der Düngedokumentation ist jedoch die aufgebrachte Menge in FM (t FM/ha) anzugeben (Tabelle 2).

Bei der Dokumentation der Kompostaufbringung im Herbst ist auf die richtige N-Anrechnung im Frühjahr zu achten. Beispiel: Wird im Herbst 2024 Kompost auf die Fläche aufgebracht, sind im Frühjahr 2025 9 % des N-Gesamtgehaltes (5 % + 4 %) anzurechnen und in den Jahren 2026 und 2027 jeweils 3 %. Eine Ermittlung des N-Bedarfs gemäß Rahmenschema Herbst ist für die Aufbringung von Kompost nicht erforderlich. Die Sperrfrist für die Aufbringung von Kompost gilt vom 1. Dezember bis 15. Januar. Besonders hier ist die Einschränkung für die Aufbringung für Flächen innerhalb der N-Kulisse zu beachten (1. November bis 31. Januar). Eine Sperrfristverschiebung für Kompost ist nicht möglich.

Fazit

Neben den allgemeinen Bestimmungen zur Herbstdüngung sind die abweichenden Regelungen für Flächen in der N-Kulisse zu beachten. Hieraus ergeben sich sowohl weitere Einschränkungen der Aufbringung von Klärschlamm als auch eine verlängerte Sperrfrist beim Kompost. Die Regelungen sind in den „Entscheidungskriterien zur Herbstdüngung 2024“ detailliert beschrieben. Nach der Düngung sollte das Hauptaugenmerk auf der Dokumentation liegen. Hier wird der Grundstein für eine bedarfsgerechte und rechtskonforme Düngebedarfsermittlung im darauffolgenden Frühjahr gelegt.

Informationen zur Herbstdüngung: https://www.lksh.de/landwirtschaft/duengung/duengebedarfsermittlung-duengeplanung-duengeplanungsprogramm/duengung-herbst/

Bioschweinetagung in Bad Kreuznach

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Auf der Bioschweinetagung in Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz ging es kürzlich unter anderem um den Markt und die Fütterung. Christian ­Wucherpfennig fasst zusammen, was sonst noch aktuell ist.

„Bei Biofleisch sind die Discounter und die Verbandsware die Treiber, was für Biofleisch neu ist“, stellte Diana Schack von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) dar. Der mit Bioprodukten erzielte Umsatz ist im Jahr 2023 nur durch Preissteigerungen auf 16 Mrd. € gestiegen. „Von Januar bis April 2024 konnten wir jedoch gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Mengenwachstum von 2,7 Prozent bei einem Umsatzwachstum von nur 1,7 Prozent feststellen, sodass Anfang des Jahres die Preise sogar leicht zurückgingen“, betonte Schaack.

Der große Gewinner sind dabei die Discounter mit einem Mengenwachstum von 8,2 %, während im Naturkostfachhandel 12 % weniger Bioprodukte verkauft wurden. 40 % des Biofleisches werden mittlerweile über Discounter vertrieben, während der Naturkostfachhandel hier nur noch einen Anteil von 4 % aufweist.

„Wie im Vorjahr gibt es einen Rückgang bei Biofleischersatzprodukten, vielleicht auch weil sie preislich auf dem Niveau von Biofleisch liegen“, beobachtet Schaack. Der stagnierende Absatz von Bioschweinefleisch liegt nach Ansicht der Referentin vor allem an dem Rohstoff, weil in der jüngeren Vergangenheit kaum noch Betriebe umgestellt haben.

Aldi, Netto und Penny im Boot

Die seit einiger Zeit bestehende Zusammenarbeit des Anbauverbandes Naturland mit dem Discounter Aldi, aber auch mit Netto und Penny, war Anlass für die Gesprächsrunde „Wertschöpfungsketten erfolgreich gestalten“. Bei Naturland wird diese Zusammenarbeit über die Naturland Zeichen GmbH abgewickelt. „Trotz der erst seit Kurzem bestehenden Kooperation hat Aldi schon viel Verbandsware“, freute sich deren Mitarbeiter Lukas Kniehl und ergänzte: „Bis Ende des Jahres streben wir bei Aldi Süd 25 Prozent Verbandswarenanteil an.“

Dabei erleichterte es die Umstellung auf Naturland-Qualität, dass zuvor schon Naturland-Ware in Aldi-Filialen verkauft wurde, aber bisher ohne Auslobung der Verbandsqualität. Die Verträge mit Aldi seien über mehrere Jahre entwickelt worden, und die Komplexität der Naturland-Zertifizierung führe dabei auch zu einer langfristigen Zusammenarbeit.

Sebastian Kühn schaut als Geschäftsführer mit seinem bei Berlin gelegenen Unternehmen Eberswalder Wurstspezialitäten „in alle Richtungen und jetzt ganz neu in Richtung Bio“. Dabei setze man mit dem Handel und allen Beteiligten auf verbindliche und langfristige Vereinbarungen, denn jeder neue Schritt bedeute zu Beginn erst einmal eine Investition. „Leider erlegt es uns der Handel meistens auf, dessen Eigenmarke zu nutzen“, berichtete Kühne und schlug vor, die Handelsmarken „mit sympathischen Herstellermarken aus der Region“ zu verbinden.

Unter der Eigenmarke „Nur nur Natur“ vertreibt Aldi Bioprodukte mit Naturlandzertifizierung sowie zusätzlichen Auflagen wie dem gänzlichen Verzicht auf Nitritpökelsalz in Wurstwaren.

„Nur nur Natur“ am Start

Benjamin Krieft, geschäftsführender Gesellschafter des seit 40 Jahren bestehenden Wurstfabrikanten Börner-Eisenacher, berichtete, dass Biowurst schon seit 2004 über Rewe und Aldi verkauft werde. „Bei einem Umsatz von 50 Millionen Euro haben wir mittlerweile einen Bioanteil von 75 Prozent“, stellte er heraus. Bisher wurden auch seine Bioartikel nur als EU-Bioqualität verkauft, und so freue er sich, beim Start von „Nur nur Natur“ in Verbindung mit Naturland von Beginn an dabei zu sein. „Ich wünsche mir, dass mehr Landwirte den Weg in Richtung Bio gehen, denn wir könnten definitiv mehr vermarkten, wenn ausreichend Bioschweine vorhanden wären“, gab Krieft einen positiven Ausblick.

Die anwesenden Landwirte machten eindrucksvoll darauf aufmerksam, dass Preissteigerungen auch deshalb notwendig seien, um Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angemessen entlohnen zu können und gegenüber anderen Berufssparten wenigstens annähernd konkurrenzfähig zu sein.

Maren ­Bornheimer-Schwalbach betreibt zusammen mit ihrem Mann Bernd die Bio-Schweino­thek im hessischen Gau-Bickelheim. „Wir haben uns bewusst, um aus der Masse herauszustechen, für die fetteren Bentheimer Schweine entschieden“, begründete Bornheimer-Schwalbach ihr Konzept. Da in der Region weit und breit keine Hausschweine gehalten werden und sich auch keine Wildschweine aufhalten, stellt die Freilandhaltung für die Veterinärbehörden kein Problem dar. Gefüttert werden die Schweine mit Getreide und Kartoffeln sowie im Sommer auch mit frischer Luzerne. Neben dem Hofladen wird das Fleisch auch über einen kleinen Marktwagen verkauft, in dem neben Schweinepattys auch vegetarische und vegane Burger zum einheitlichen Preis von 11,50 € angeboten werden.

Bedarfsgerechte Fütterung

Wie Bioschweine bedarfsgerecht und kostengünstig gefüttert werden können, stellte Sarah Mößner vom Raiffeisen-Kraftfutterwerk in Kehl am Rhein vor. Schon seit 2010 werden ökologische Futtermittel produziert und vor allem in Südwestdeutschland verkauft, wobei der Bioanteil an der Gesamtproduktion bei 17 % liegt. Alle Komponenten werden analysiert und anhand selbst entwickelter Rezepturen auf Bestellung produziert.

Mit Sau Fasermix gibt es ein an den geringen Bedarf tragender Sauen angepasstes Futter, das auf Basis energie- und proteinarmer Futtermittel wie Zuckerrübenmelasseschnitzel und Weizenkleie auch aufgrund der Quellfähigkeit für eine gute Sättigung sorgt. Zum Abschluss gab Mößner den Tipp: „Mit nur einem Vor- und einem Endmastfutter lässt sich über einen schrittweisen Verschnitt eine mehrphasige und damit altersangepasste Fütterung erreichen.“

Ersatz für konventionelles Kartoffeleiweiß

Als Geschäftsführer der BioEichenmühle in Stavenhagen in Mecklenburg-Vorpommern setzte sich Carsten Pohl schwerpunktmäßig mit der 100-%-Biofütterung von Ferkeln auseinander und berichtete, dass voraussichtlich ab 2027 der Einsatz konventioneller Eiweißfuttermittel für Ferkel bis 35 kg nicht mehr zulässig sein werde. „Biosojakuchen und Biosojabohnen weisen nicht nur deutlich weniger Aminosäuren auf, sondern haben mit 86 beziehungsweise 77 Prozent auch eine deutlich geringere praecaecale Verdaulichkeit als Kartoffeleiweiß“, warnte Pohl.

Im eigenen Werk wird verstärkt mit Fischmehl gearbeitet, das eingesetzt werden kann, weil es als nichtlandwirtschaftliches Futtermittel nicht unter die 5-%-Regelung fällt und eine mit Kartoffeleiweiß vergleichbare Verdaulichkeit aufweist. Bei Bioland und Demeter ist Fischmehl aber nicht zulässig. „In den vergangenen Jahren setzten daher die deutschen Biofuttermittelhersteller auch nur 20 Tonnen Biokartoffeleiweiß im Schweinefutter ein, während der Verbrauch von konventionellem Kartoffeleiweiß bei 800 bis 1.000 Tonnen liegt“, zeigte Pohl die Schwierigkeiten auf.

Auch wenn man alle Möglichkeiten ausschöpfe, mit hochwertigen Bioeinzelkomponenten zu arbeiten, werde der Trend vermutlich dahin gehen, mit abgesenkten Rohprotein- und Aminosäurengehalten zu arbeiten, um keinen Durchfall zu riskieren. „Mit einem 100-prozentigen Bioferkelfuttermittel schaffen wir es nicht mehr, die einschlägigen Empfehlungen auf Basis der Bruttowerte für das ideale Protein einzuhalten“, fasste Pohl nüchtern zusammen und warnte vor Gefahren für Gesundheit und Tierwohl bei unausgewogenen Rationen. Eine Warnung, der sich die anwesenden Praktiker und Praktikerinnen anschlossen.

Gute Aufzuchtleistungen in Luxemburg

Im Jahr 2022 begann Michel Steichen aus Luxemburg mit dem Bau eines Bioschweinestalls. „Anfangs planten wir für 100 Sauen im geschlossenen System, aber aus finanziellen Gründen entschieden wir, zunächst für 50 Sauen mit 480 Mastplätzen zu bauen“, berichtete Steichen. Aber auch so betrugen die Investitionen 2,5 Mio. €.

Die Abferkelbuchten dienen auch zur anschließenden Aufzucht bis zum Mastalter. „Wir haben 8,4 Quadratmeter innen, was rechnerisch 14 Aufzuchtplätzen entspricht“, so Steichen. Damit spare man sich einen Waschvorgang, und für die Ferkel sei es mit weniger Stress verbunden, wenn sie in der Abferkelbucht verblieben. Die Bucht ist so gestaltet, dass die Sau in der Regel längs vor dem Nest liegt und die Ferkel somit nur einen kurzen Weg zur Sau haben und das Nest gut annehmen. Die Fußbodenheizung kann für den Ferkel- und Sauenbereich separat gesteuert werden. Mit 13,7 abgesetzten Ferkeln je Wurf seit Produktionsbeginn im Juni 2023 ist Steichen sehr zufrieden.

Schwanznekrosen erkennen, die Zusammenhänge verstehen und die Ursachen lösen – das ist seit vielen Jahren ein wesentliches Betätigungsfeld von Mirjam Lechner, Betriebsberaterin der Hofra GmbH, Niederstetten in Baden-Württemberg. „Eine Entzündung ist nicht per se eine Infektion durch Krankheitserreger“, betonte Lechner und wies darauf hin, dass Entzündungsprozesse häufig im Darm begännen. „Ein gesundes Mikrobiom, beispielsweise durch die in Luzernesilage enthaltenen Saponine, ist daher wichtig“, ergänzte sie. Die Ferkel bekommen ansonsten die Endotoxinlast von der Sau ab und haben dann schon bei der Geburt Fieber. Ein auffälliges Liegeverhalten der Ferkel sollte daher ein Warnzeichen sein. Auch hängende Schwänze sind oft ein Anzeichen für beginnende Schwanznekrosen.

So trivial und bekannt es auch ist, die Versorgung mit genug Wasser ist von überragender Bedeutung und wird in der Praxis nach wir vor nicht immer ausreichend beachtet. Auch können sich Wechsel der Tränketechnik negativ auswirken. Wassermangel kann auch Schwanzspitzennekrosen auslösen, und schon ab 19 °C beginnt der Schweinekörper zu reagieren. Bei drei Tagen mit 30 °C fangen auch die Darmzotten an abzusterben. „Wasseruhren zur Kontrolle des Wasserverbrauchs sind daher ein Muss“, so Lechner.

Ab 2025 sind in der ökologischen Ferkelaufzucht nur noch maximal 3 % konventionelle Eiweißfuttermittel (Kartoffeleiweiß) zulässig. In diesem Jahr dürfen es noch bis zu 5 % sein.

Bioschweine: Chancen und Risiken

Heike Kuhnert vom Thünen-Institut für Betriebswirtschaft und Dirk Klinkmann vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau unterzogen in ihren Untersuchungen die einzelnen Sektoren der ökologischen Landwirtschaft intensiv einer Stärken- und Schwächen- sowie einer Chancen- und Risiko-Analyse. Zu den internen Stärken zählen das hohe Potenzial für Tierwohl und die flächengebundene Tierhaltung, die auch zur Vermeidung von Nährstoffüberschüssen beiträgt. Als interne Schwächen lassen sich die sehr hohen Produktionskosten und die nur wenig verfügbaren Futtermittel sowie fehlende Daten als Grundlage für Beratung und Unternehmensführung anführen.

„Es gibt kaum einen Betriebszweig, wo die Investitionskosten so hoch sind“, betonte daher auch Klinkmann. Als externe Chancen sind zu benennen, dass es eine eindeutige gesetzliche Kennzeichnung durch die EU-Bioverordnung gibt und sich der Lebensmitteleinzelhandel engagiert, weil er eine höhere Wertschöpfung erzielt. „Eine externe Schwäche könnte es werden, dass die Ausdifferenzierung der einzelnen Haltungsstufen es dem Bioschweinefleisch schwerer machen könnte, sich eindeutig zu profilieren“, warnte Kuhnert aber auch.

Insekten in der Schweineernährung?

Prof. Georg Dusel von der Technischen Hochschule Bingen zeigte auf, welchen Beitrag die Larven der Schwarzen Soldatenfliege (BSFL) zur Eiweißversorgung von (Bio-)Schweinen leisten können. „Nach aktueller Rechtslage können acht Insektenarten auch als Futter für Nutztiere eingesetzt werden“, erklärte Dusel und ergänzte: „Es dürfen Proteine aus den verarbeiteten Larven in Mischrationen oder lebende Larven als Einzelfuttermittel verfüttert werden, tote Larven sind hingegen nicht zugelassen.“

Ziel sei es nicht, mit Insektenlarven die gesamte Proteinversorgung sicherzustellen, sondern lediglich den Spitzenbedarf bei zum Beispiel Ferkel führenden Sauen und insbesondere Ferkeln abzudecken. Je nach Fütterung weisen die Larven der Schwarzen Soldatenfliege, mit denen sich die TH Bingen beschäftigt, zwischen 40 und 60 % Rohprotein auf. Hinsichtlich der Aminosäuren könne man auf das Niveau von Fischmehl mit einem hohen Anteil schwefelhaltiger Aminosäuren kommen, erreiche aber nicht das Niveau von Kartoffeleiweiß.

Mit ihrem hohen Laurinsäuregehalt tragen die Larven zur Verbesserung der Darmgesundheit bei. Ab dem vierten Tag beginnen Saugferkel schon die ersten Larven aufzunehmen. Wenn hochwertiger Prestarter und Larven angeboten werden, bevorzugen die Ferkel eindeutig die Larven, wie Versuche bestätigen. Fressen die Ferkel schon während der Säugephase Larven, nehmen sie auch nach dem Absetzen mehr Futter auf. Saugferkel, die Larven aufnahmen, hatten aber nur geringfügig höhere Tageszunahmen, was darauf schließen lässt, dass die Milchleistung der Sauen nicht so hoch sein muss, wenn Larven beigefüttert werden.

„Die Larvenfütterung muss möglichst in eine Kreislaufwirtschaft passen, wofür sich insbesondere Gemüsereste, Nebenprodukte der Lebensmittelherstellung oder Altbrot eignen“, betonte Dusel. Jährlich 11 Mio. t verschwendete Lebensmitteln oder ungenutzte Nebenprodukte allein in Deutschland stünden theoretisch für die Ernährung der Larven zur Verfügung und könnten zur Deckung des hohen Proteinbedarfs genutzt werden. Im vergangenen Jahr wurde von der EU eine Expertengruppe beauftragt, Vorschläge für die ökologische Insektenproduktion zu erarbeiten. Naturland hat Vorschriften zur ökologischen Insektenzucht schon in seine Richtlinien aufgenommen.

In dieser kleinen Anlage werden die Junglarven innerhalb einer Woche zu erntereifen Larven aufgezogen.

Larvenzucht mit Biogasanlage

Als Doktorandin ist Laura Schneider von der TU Bingen in die Versuche mit Larven der Schwarzen Soldatenfliege intensiv eingebunden. „Vom Ei bis zur fertigen Larve vertausendfachen die Tiere innerhalb von 14 Tagen ihr Gewicht“, wies sie auf das große Potenzial hin. Da die Larven bei 25 bis 27 °C am besten gedeihen, sei ein Anschluss an eine Biogasanlage gut vorstellbar. „Dabei kann die Erzeugung der Larven auch dezentral auf den Betrieben laufen“, berichtete Schneider.

Die Junglarven werden im Alter von fünf bis sechs Tagen bezogen und erzielen nach einer Woche den maximalen Biomasseertrag. Die verbleibenden organischen Rückstände, Insektenfraß genannt, können nach Trocknung mittels Sieben von den Larven getrennt werden. Dabei nehmen die Larven etwai­ge im Insektenfraß vorhandene Keime nicht mit, sodass aus hygienischer Sicht keine Bedenken bestehen müssen. Ein aus den Larven gebildetes Mehl enthält etwa 50 % Protein, 30 % Fett und 10 % Chitin, das mittels teilweise noch zu entwickelnder Verfahren technisch herausgereinigt werden kann.

Der nach Absieben der Larven verbleibende Insektenfraß kann unter anderem in Biogasanlagen genutzt werden, wie Benjamin Klauk von der TH Bingen aufzeigte. „Die Methanausbeute ist dabei mit Wirtschaftsdüngern vergleichbar“, freute er sich. Allerdings fielen dabei hohe Ammoniakwerte auf. Für Düngeversuche wurde der aus Ausscheidungen der Larven und Resten des Futtersubstrats bestehende Insektenfraß nach einer Hygienisierung pelletiert und zur Düngung von Kartoffeln und Mais eingesetzt. „Die Erträge lagen dabei so hoch wie bei einer Vergleichsdüngung mit einem organischen Handelsdünger“, berichtete Klauk.

75 Jahre Grundgesetz

„Zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes lohnt es sich, weiter für unsere Demokratie zu kämpfen. Nix ist fix. Für Gleichheit und Freiheit müssen wir alle einstehen, jeden Tag“, sagt Johanna Selbert. Seit rund zwei Jahren lebt die gebürtige Hessin in Schleswig-Holstein. Mit Respekt schaut sie auf ihre Urgroßmutter, die Kasseler Juristin Dr. Elisabeth Selbert (1896-1986) zurück, die maßgeblich dafür sorgte, dass der Artikel 3, Absatz 2 ins Grundgesetz kam: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Johanna Selbert kommt gerade von einem beruflichen Termin in der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Kiel. In der Flensburger IHK-Dependance arbeitet die junge Volljuristin als Referentin im Team Recht und Steuern, ihre erste Anstellung nach Studienabschluss. Nun ist sie mit dem Bauernblatt am Kieler Landtag verabredet. Ein passender Ort, um über einen Aspekt rund um die Entstehung des Grundgesetzes zu sprechen, der heute kaum noch im gesellschaftlichen Gedächtnis ist. Deshalb nimmt die 33-Jährige das aktuelle Erinnern an die Geburtsstunde der Bundesrepublik vor 75 Jahren gern zum Anlass, um bei diversen Veranstaltungen auf das Wirken ihrer Urgroßmutter aufmerksam zu machen.

Auch wenn sie selbst sie nicht mehr persönlich gekannt hat – sie wurde fünf Jahre nach ihrem Tod geboren –, setzte die Urahnin wegweisende Impulse nicht nur für die Bundesrepublik, sondern auch für die nachfolgenden Frauengenerationen der Selberts. „Meine Mutter Susanne war 26, als ihre Großmutter Elisabeth mit knapp 90 starb. Die beiden hatten einen engen Kontakt, sowohl in ihrer Kindheit als auch in der Zeit, als meine Mutter Jura studierte. Sie konnte mir noch viel aus eigenem Erleben berichten. Elisabeth Selbert ist immer in unserer Familie präsent. Wir reden über sie.“

Mutter des Grundgesetzes: die Juristin Elisabeth Selbert (1896-1986) aus Kassel
Foto: privat

Ein Blick zurück: Auf Weisung der drei Westmächte, gewählt von den Landtagen, kommen am 1. September 1948 in Bonn erstmals die 65 stimmberechtigten Abgeordneten des Parlamentarischen Rates zusammen, um ein Grundgesetz für die Westzonen auszuarbeiten. Aus Schleswig-Holstein sind Andreas Gayk und Rudolf Katz von der SPD sowie Hermann von Mangoldt und Carl Schröter von der CDU dabei. Unter den Abgeordneten gibt es nur vier Frauen. Neben Elisabeth Selbert (SPD) sind es Frieda Nadig (SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum).

Im Hauptausschuss des Rates wird über Grundsatzfragen beraten, zu denen nach fester Überzeugung Selberts die Verankerung der Gleichberechtigung von Mann und Frau gehört. Aber die von ihr über die SPD eingebrachte schlichte und eindeutige Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“, findet überraschend keine Mehrheit. Die Ausschussmitglieder verständigen sich zunächst auf den Satz „Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“ Im Klartext bedeutet das, die Frauen sollen, wie schon in der Weimarer Republik, lediglich das aktive und passive Wahlrecht erhalten. Mit diesem Widerstand gegen die Festschreibung der Gleichberechtigung hat Elisabeth Selbert nicht gerechnet. Immerhin gibt es zum Ende des Zweiten Weltkrieges sieben Millionen mehr Frauen als Männer. Das Gewicht dieser Wählerinnen kann man(n) doch nicht außer Acht lassen! Die streitbare Sozialdemokratin versucht, einen Konsens mit den anderen drei Frauen im Rat herzustellen, was aber aus verschiedenen Gründen schwierig ist. Ihre Genossin Frieda Nadig befürchtet beispielsweise ein Rechtschaos, wenn im Grundgesetz die Gleichstellung der Frau verankert würde, ohne gleichzeitig entsprechende Passagen im geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) von 1900 zu ändern, das den Frauen kaum Rechte zugesteht.

Elisabeth Selbert fängt an, über Parteigrenzen hinweg nach Verbündeten für ihre Formulierung zu suchen, und initiiert Protest in der breiten Öffentlichkeit. Damit setzt sie sich über ungeschriebene Gesetze parlamentarischer Konsensbildung hinweg. In einer Rede Ende der 1970er Jahre vor dem Deutschen Frauenring in Kassel schaut sie auf die Ereignisse zurück: „Es war geradezu begeisternd und erschütternd, wie die Proteste aus dem ganzen Bundesgebiet, und zwar Einzelproteste und Verbandsproteste, in großen Bergen in die Beratungen des Parlamentarischen Rates hineingeschüttet wurden. Körbeweise! Und ich wusste, in diesem Augenblick hätte kein Abgeordneter mehr gewagt, gegen diese Fülle von Protesten anzugehen und bei seinem Nein zu bleiben.“ Tatsächlich: Wessel, Weber und Nadig schwenken auf Selberts Linie ein. Nach zähen Verhandlungen nehmen schließlich im Hauptausschuss alle Mitglieder in der vierten Lesung einstimmig die Formulierung an: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Ein Übergangsparagraf bestimmt, dass das BGB bis 1953 entsprechend angepasst werden muss. Am 23. Mai 1949 wird das Grundgesetz vom Präsidenten des Parlamentarischen Rates und späteren Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) verkündet. Als Zeichen seines provisorischen Charakters – es gilt ja nur für Westdeutschland – spricht man bewusst nicht von einer Verfassung, sondern vom Grundgesetz.

Besonders die Bundes-SPD dankt später Elisabeth Selbert ihren Einsatz nicht. Eine bundespolitische Karriere bleibt ihr versagt. Zu profiliert, ambitioniert, unbequem und querköpfig sei sie gewesen, hieß es damals. „Sie war darüber zeitlebens tief enttäuscht. Sicherlich wäre sie gern Richterin am Bundesverfassungsgericht, Bundestagsabgeordnete oder hessische Justizministerin geworden“, gibt Urenkelin Johanna zu bedenken. Nach insgesamt zwölf Jahren als hessische Landtagsabgeordnete tritt Elisabeth Selbert 1958 von allen Ämtern zurück. Bis zu ihrem 85. Lebensjahr wird die Mutter zweier Söhne in ihrer Anwaltskanzlei als Rechtsanwältin für Familienrecht und Notarin tätig sein. Sie stirbt am 9. Juni 1986 in Kassel.

Am 3. Oktober 1990 schließen sich die fünf neu gegründeten ostdeutschen Länder und Ostberlin der Bundesrepublik und dem Grundgesetz an. Im Jahr 1994 wird im Zuge der Wiedervereinigung der Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes konkretisiert. Seitdem heißt er: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Ob Johanna Selbert sich in der Tradition ihrer Urgroßmutter sehe? Sie denkt kurz nach. „Schon früh habe ich mich für die Gemeinschaft eingesetzt. Dabei waren mir Elisabeth Selbert und meine kommunalpolitisch sehr aktive Mutter ein Vorbild“, antwortet sie. Damals in der Schule sei sie Klassen- und Schulsprecherin gewesen, mit 14 Jahren im Sportverein Kinder- und Jugendtrainerin in der Abteilung Sportakrobatik.

Seit‘ an Seit‘: Zu Ehren Elisabeth Selberts steht seit 2021 am Scheidemannplatz in Kassel eine Bronzestatue der streitbaren Demokratin.
Foto: privat

Nach dem Abitur sei sie für ein Jahr nach Chile gegangen, um in einem Kinderheim zu arbeiten. Auch in Australien sei sie im Rahmen von Work and Travel unterwegs gewesen. „Beruflich ging ich danach nicht den direkten Weg ins Jurastudium, sondern machte erst meinen Bachelor in Soziologie. In der dortigen Fachschaft war ich im Fakultätsrat aktiv, während meines Jurastudiums in der Hochschulgruppe der kritischen Jurist*innen Heidelberg engagiert und während meines Referendariats stellvertretende Landessprecherin des Gerichtsbezirks. Erst 2017 trat ich in die SPD ein. Seit zwei Jahren bin ich nun an meinem jetzigen Wohnort Flensburg ehrenamtlich im Einsatz“, berichtet Selbert.

Sie gehöre dem örtlichen Vorstand der SPD-Frauen an und sei Beisitzerin im SPD-Kreisvorstand. Ebenso sei sie Mitglied im Deutschen Juristinnenbund. „Ich hatte schon immer Freude daran, Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit anderen Menschen Neues zu gestalten“, fasst sie ihr weitreichendes Handeln zusammen. Ob es etwas gebe, das sie an ihrer Urgroßmutter besonders schätze und bewundere? Da muss sie nicht lange überlegen. „Ihren Mut, ihre Hartnäckigkeit, ihre Entschlossenheit, ihre Sachlichkeit als Juristin ohne jegliche Polemik und ihre Toleranz.“ Mit ihrem eigenen Beispiel möchte Johanna Selbert auch anderen jungen Frauen Spaß an der Politik und am Mitgestalten der Demokratie und Zivilgesellschaft machen. „Sich weiterhin auch für die Sache der Frauen einzusetzen, bleibt nötig. Viel ist erreicht, viel bleibt aber noch zu tun“, resümiert sie abschließend.

Silke Bromm-Krieger

Literatur

Hans Eichel, Barbara Stolterfoht (Hg.): „Elisabeth Selbert und die Gleichstellung der Frauen – Eine unvollendete Geschichte“, euregioverlag, 20 €,
ISBN: 9 78-3-93 36 17-62-0; ein Sammelband mit elf Beiträgen verschiedener Autorinnen und Autoren rund um Elisabeth Selbert und die Gleichstellung – von gestern bis heute. Enkelin Susanne Selbert gewährt einen familiären Blick auf die Person Selberts.

Fassade und Wirklichkeit

„Was haben wir für ein Bild vor Augen, wenn wir an die 1950er Jahre denken?“ – bunt, fröhlich, Wirtschaftswunder und Rock ‘n‘ Roll? Oder ein Versuch, die braune Vergangenheit sowie veraltete Werte- und Denkmuster hinter den neuen, bunten Kulissen verschwinden zu lassen? Fragen, mit denen sich die neue Sonderausstellung „Die anderen 50er Jahre“ des Museumsbergs Flensburg beschäftigt.

Zu sehen sind Objekte aus museumseigener Sammlung, ergänzt um Leihgaben aus Museen im ganzen Land und von Privatpersonen. „Es hat mich positiv überrascht, was uns die Menschen für Geschichten und Objekte gebracht haben“, sagte Dr. Michael Fuhr, Museumsdirektor der Städtischen Museen Flensburg, bei einem Presserundgang durch die Ausstellung zusammen mit Sammlungskuratorin Madeleine Städtler und Wissenschaftsvolontärin Tasja Steder.

Die Ausstellung sei sehr vielfältig und umfasse verschiedene Bereiche wie Wohnkultur, Arbeitsleben, Stadtgeschichte, Kunstgeschichte oder auch Designgeschichte. Möbel, Lampen, Einrichtungsgegenstände, Tapeten, Musik, Film und Fernsehen in pastelligen Farben, mit amerikanisch beeinflussten, oft abstrakten und organischen Formen prägten die Zeit und erleben auch heute immer wieder eine Retrowelle. „Die Film- und Unterhaltungsindustrie, Mode- und Möbeldesigner, aber auch Maler, Grafiker und Bildhauer setzten alles daran, die Welt schöner, heller, moderner erscheinen zu lassen. Doch war wirklich alles so schick? Oder hatte das alles auch Ecken und Kanten?“, fragte Fuhr.

Wie der Titel „Die anderen 50er“ vermuten lässt, hinterfragt die Ausstellung die Lebensumstände, die Kunst und die Moralvorstellungen einer Zeit, in der das Land damit beschäftigt war, hinter bunten Kulissen die braune Vergangenheit verschwinden zu lassen. Zum Beispiel beim Frauenbild: Als Wissenschaftlerinnen, Architektinnen, Ingenieurinnen oder Ärztinnen trugen Frauen maßgeblich zum Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes bei. „Trotzdem wurden sie vom Gesetzgeber wie unmündige Kinder behandelt“, so Michael Fuhr. So durften Frauen ohne Einwilligung ihres Ehemannes weder Geld verdienen noch Auto fahren oder Verträge abschließen.

Die Frau als Hausfrau und Mutter mit typischer Kittelschürze

Das Frauenbild der NS-Zeit setzte sich fort auch mithilfe der Werbe­industrie, die die Frauen entweder als Modepuppen darstellte oder aber als Mutter und Hausfrau, für die es nichts Schöneres gab, als für ihren Mann zu kochen und hübsch auszusehen. Auch in der Arbeitswelt galten klar definierte Rollenbilder: der Chef und seine Sekretärin, der Arzt und die Sprechstundenhilfe. Dabei sah die Realität anders aus. Aufgrund der Tatsache, dass viele Männer im Krieg ihr Leben ließen, mussten Frauen Verantwortung in Politik und Gesellschaft übernehmen. Viele liebenswerte, rührende Geschichten und Erinnerungen verbergen sich hinter den Gegenständen und Objekten von privaten Leihgebern. Wie die von Sigrid Gregersen und ihrer Küchenmaschine, die ihre Eltern in den 1950er Jahren kauften und die bis heute treu ihre Dienste verrichtet. Gagel teilt mit den Besuchern das Familiengeheimnis, das hinter einem Hochzeitsfoto steckt: Ihr Lieblings- und Patenonkel Herbert heiratete 1941 mitten im Krieg seine Frau Ida. Das Foto zeigt das strahlende Paar. Erst nach dem Tod des Onkels fand Gagel heraus, dass ihr Onkel schwul und Ida lesbisch war, beide als Vorsichtsmaßnahme heirateten, um nicht Opfer des NS-Terrorregimes zu werden. Die Stadt Flensburg selbst war in den 1950er Jahren von gesellschaftlichen und politischen Ereignissen geprägt, die sich auf das gesamte Bundesgebiet und darüber hinaus auswirkten: 1951 gründete Beate Uhse ihr Versandhaus für Ehehygiene, 1952 wurde das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) von Bielefeld nach Flensburg verlegt, 1955 unterschrieben Kanzler Konrad Adenauer und der dänische Außenminister H.C. Hansen die Bonn-Kopenhagener Erklärungen, in denen die Rechte der deutschen und dänischen Minderheiten nördlich und südlich der Grenze festgeschrieben wurden. „Das war das erste gelungene Beispiel dafür, wie man Minderheitenrechte einrichten und sichern kann. Da hat Flensburg eine Vorreiterrolle eingenommen“, so Fuhr. Die Ausstellung ist noch bis zum 3. November zu sehen. Weitere Infos unter museumsberg.de

Teure Designmöbel für den Chef, einfaches Mobilar für die Sekretärin – auch die Arbeitswelt der 1950er Jahre war von Stereotypen geprägt.
Fotos: Iris Jaeger
Die Wanduhr spiegelt das Design der 1950er wider.
Kücheneinrichtung in pastelligen Farben
Die treue Küchenmaschine von Sigrid Gregersen
Eine voll fahrfähige Zündapp Bella
Ein Original-Kostüm von Marlene Dietrich


Rettet „Hope“!

Im Übermut zu schnell über die Koppel getobt und dann ist es passiert – ein Pferd ist am Koppelrand eine dicht bewachsene Böschung hinuntergestürzt und kann sich nicht mehr allein befreien.

Ein Szenario, das durchaus so passieren könnte – und Einsatzkräfte vor Herausforderungen stellt. Tiere in Gräben, Bachläufen oder Schlammlöchern in unwegsamem Gelände, Rinder in Güllegruben, gestürzte Pferde oder Rinder in Transportanhängern nach Unfällen – die Zahl von Einsätzen, bei denen Großtiere aus Notlagen befreit werden müssen, nehmen zu. Um auf solch einen Einsatz gut vorbereitet zu sein, bot die Arche Warder – Zentrum für alte Haus- und Nutztierrassen e. V. in Warder am vergangenen Wochenende Feuerwehren, THW, Veterinärmedizinern und Reitern ein ganztägiges Training zur technischen Großtierrettung an.

Vorsichtig wird der Rettungsgurt mit dem Hirtenstab zur Fädelstange gehoben, die sich unter dem Pferdekörper befindet und den Gurt dann unter dem Pferd durchzieht.

Mit 20 Teilnehmenden war das Training ausgebucht, neben Kameradinnen und Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren ­Timmaspe, Großharrie, Wattenbek, Eisendorf, Kropp, Mölln, Hochdonn und Rendsburg nahm auch eine Delegation aus dem brandenburgischen Schwedt teil. Mit dabei waren zudem zwei Tierärzte der Pferdeklinik Tappendorf, Mitarbeiter der Arche Warder sowie ein Mitglied des THW. Ziele des Trainingstages waren das Erlernen und Üben einer sicheren und tierschonenden Rettung von Großtieren wie zum Beispiel Pferden, Rindern oder Eseln. Konkret: das Tier unter Einsatz artgerechter und tierschonender Mittel von einem gefährlichen Ort an einen sicheren Ort zu bringen. Doch dafür sind einige Vorkenntnisse wichtig, die Trainer und Großtierretter Michael Böhler in einem Theorieteil vermittelte. So zum Beispiel das Verhalten von Fluchttieren, das Verhalten von Menschen, Gefahreneinschätzung, Risikovermeidung, Sicherheitsaspekte, Personenmanage­ment, Einsatzstrategien, das Anwenden des Spezialwerkzeugs.

Das Gelände des Tierparks Arche Warder bot den Teilnehmenden ideale Trainingsmöglichkeiten, um verschiedene Einsatzszenarien zu üben, zum Beispiel das Retten eines Pferdes aus einer Hanglage. Pferdedummy „Hope“ erwies sich dabei als geduldiges Rettungsopfer. Im Normalfall reagiert das Tier panisch, kann um sich schlagen oder mit den Hufen treten, denn der Fluchtinstinkt ist allgegenwärtig, um jeden Preis will sich das Pferd befreien und weglaufen. Das Szenario: „Hope“ ist beim Toben übers Ziel hinausgeschossen und am Hang verunglückt. Das Pferd kann sich nicht selbstständig aus seiner Lage befreien. Die Feuerwehr wurde gerufen, ebenso ein Tierarzt. „Der ist absolut unverzichtbar bei so einem Einsatz“, erklärt Michael Böhler. Die Pferdebesitzerin wurde ebenfalls informiert und tut das, was im Einsatzfall ebenfalls passieren kann: Sie reagiert panisch, hysterisch, will unbedingt zu ihrem Pferd, handelt emotional und unvernünftig, indem sie sich dem Tier nähert und sich dabei in Gefahr bringt. Denn das Tier reagiert besonders unter Stress unvorhersehbar, auch für seine Besitzerin.

Beruhigend redet der Feuerwehrmann auf die Besitzerin ein und führt sie vom Pferd weg.

Für die Einsatzkräfte bedeutet das: Ruhe bewahren, die Besitzerin aus dem Gefahrenbereich herausholen und die Lage einschätzen: Ist eine technische Rettung notwendig oder gibt es Alternativen? Ist die Rettung sicher und bei tolerierbarem Risiko durchführbar? Rechtfertigt der Nutzen den Einsatz? Und ist eine Lebendrettung sinnvoll? „Auch diese Frage muss gestellt werden“, erklärt die Tierärztin Friederike Lüthje von der Pferdeklinik Tappendorf. Hat das Pferd Knochenbrüche oder innere Verletzungen, sollte es von seinen Qualen erlöst und eingeschläfert werden. Bei „Hope“ ist das nicht der Fall. Grundsätzlich muss das Tier aber vor der Rettung sediert (ruhiggestellt) werden. Und selbst dann bestehen noch instinktive Reaktionsmuster.

Zunächst aber wird eine Rettungseinheit zusammengestellt, bestehend aus dem Einsatzleiter (steuert den Einsatz, trifft Entscheidungen in Absprache mit dem Tierarzt/der Tierärztin), einem Gerätemanager (verantwortlich für das Spezialwerkzeug, das am Rand des Einsatzortes bereitliegt), einem Sicherheitsassistenten (erkennt sich abzeichnende Risiken für Einsatzkräfte und andere Anwesende und warnt frühzeitig), Trupp am Tier (arbeitet direkt am Tier und nutzt die entsprechenden Werkzeuge, um es für Bewegungs- oder Hebevorgänge vorzubereiten), weitere Mannschaft (kommt zum Einsatz, wenn das Tier für das Ziehen bereit ist).

Gemäß den fünf Geboten zur Großtierrettung wird der Kopf des Pferdes mit einem Seil gesichert und durch ein Bergetuch geschützt und gelagert. Es wurde ein sicherer Ort für die Freilassung bestimmt, ein Rückzugsweg für die Retter und ein Alternativweg für das Tier frei gehalten, ein Tierarzt hinzugezogen und konsequentes Personenmanagement betrieben. Der Tierarzt versucht, einen direkten Zugang zur Vene zu legen, um das Tier zu sedieren. „Das Mittel wirkt dann innerhalb von 45 Sekunden bis zu einer Minute“, so Lüthje. Ist das nicht möglich, wird das Mittel in den Muskel gespritzt, dann dauert es mindestens 30 min, bis es wirkt. „Diese Zeit sollte unbedingt abgewartet werden“, mahnt Lüthje. Mitunter sei eine Vollnarkose notwendig, das ­variiere von Tier zu Tier und müsse individuell entschieden werden. „Egal ob ihr euch mögt oder euch nicht ausstehen könnt, ihr müsst immer miteinander funktionieren und euch absprechen sowie den Anweisungen des Tierarztes folgen“, so Böhler. Bevor die Spezialgurte (keine Feuerwehrschläuche!) angelegt werden, muss geklärt sein, in welcher Position und in welche Richtung das Pferd aus der Hanglage herausgezogen werden soll. In diesem Fall liegt „Hope“ mit dem Kopf nach oben, was für den Vorwärtsassistenten spricht. Dabei werden die Gurte so angelegt, dass das Tier vorwärts den Hang heraufbewegt werden kann. Weitere Bewegungsmöglichkeiten sind der Rückwärtsassistent sowie zwei Möglichkeiten der Seitwärtsbewegung. Trainiert wird auch Drehen des Tieres über den Rücken. Die Aktionen erfolgen dabei immer von der Sattellage aus, außerhalb der Kick-Zone des Pferdes. „Grundsätzlich steht der Selbstschutz der Mannschaft im Vordergrund“, so Böhler.

Drehen des Pferdes über die Sattellage mit Bremse

Für die Gurte kommen jetzt die zuvor erlernten Fädel- und Zugtechniken mit Fädelstange und Hirtenstäben zum Einsatz. Die Fädelstange (oder der Federstahlbügel) wird vom Trupp am Tier behutsam unter dem Pferd hindurchgeschoben, um die von oben per Hirtenstab angereichte Gurtschlaufe einzuhaken und den Gurt unter dem Pferd durchzuziehen. Das klingt zunächst einfacher als es ist: Immer wieder rutscht der Gurt von dem Hirtenstab, Gebüsch behindert die Sicht. Und doch: Alles sollte ruhig und ohne Hektik geschehen, um das Tier nicht weiter nervös zu machen. „Denkt daran, macht langsam, wir haben keine Zeit“, erinnert Trainer Michael Böhler die Teilnehmer. Klingt widersprüchlich, gemeint ist aber, je ruhiger und bewusster die einzelnen Schritte durchgeführt werden, desto schneller kann das Tier befreit werden. Sind die Gurte angelegt, kommt der Rest der Mannschaft zum Zuge, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Schleifplatte leistet dabei einen wertvollen Beitrag, denn sobald das Tier darauf liegt, ist ein einfaches Ziehen der 600 bis 800 kg, die so ein Pferd wiegt, möglich. Zudem verhindert sie, dass das Tier direkt über den Boden gezogen wird und sich verletzt. „Die Platte ist Gold wert“, so Böhler, der auch bei der Rettung aus einem Pferdeanhänger wertvolle Hinweise geben konnte. „Hope“ wurde erfolgreich aus verschiedenen Situationen gerettet, dafür gab‘s zum Abschluss ein Gruppenfoto mit den Rettern.

Info

Lutz Hauch ist der einzige von der ARA (Animal Rescue Academy in Österreich) zertifizierte Großtierrettungstrainer mit Feuerwehrhintergrund in Deutschland. Seit 2016 unterrichtet er Einsatzkräfte von Feuerwehren und anderen Rettungsorganisationen in ganz Deutschland. Seit 2021 wird er von seinem Co-Trainer Michael Böhler unterstützt, der Organisationen in den nördlichen Bundesländern trainiert. Hauchs Trainingskonzept für die technische Großtierrettung wurde 2020 nach DIN ISO 9001 zertifiziert. (Quelle: comcavalo.de)

Für die Großtierrettung kommt Spezialwerkzeug zum Einsatz wie die Fädelstange (r.) oder die Schlammnadel (oben), Spezialgurte und Seile.
Fotos: Iris Jaeger
Tierärztin Friederike Lüthje von der Pferdeklinik Tappendorf verkörperte auch in der Übung die zur Einheit gehörende Tierärztin und wurde für den Einsatz am Hang mit einem Seil gesichert.
Im unwegsamen Gelände den Gurt zur Fädelstange zu führen ist kein einfaches Unterfangen.
Auch für das Bergen des Pferdes aus einem Anhänger gelten Sicherheitsregeln, die eine tierschonende Rettung ermöglichen, bei höchstmöglichem Schutz für die Retter. Trainer und Großtierretter Michael Böhler (li.) gibt hilfreiche Hinweise.
Geschafft: Das Pferd liegt auf der Schleifplatte und kann aus dem Pferdetransporter herausgezogen und dann weiter versorgt werden.


Neue Auflagen oder Geschäftsmodell?

Damit Landwirte ihr Engagement für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Biodiversität zum Betriebszweig weiterentwickeln können, ­brauchen entsprechende Dienstleistungen ein Preisschild. Immer neue EU-Gesetzgebungsvorhaben liefen den vollmundigen Versprechungen der in den letzten Jahren politisch Verantwortlichen und auch dem ZKL-Votum diametral entgegen. Für die Landwirtschaftsbetriebe kommt dies einem massiven Vertrauensbruch gleich.

Auf diesen Zusammenhang von Preis und Leistung hat der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd (BWV) und DBV-Umweltbeauftragte, Eberhard Hartelt, hingewiesen. „An entsprechenden politischen Willensbekundungen mangelt es nicht“, berichtete Har­telt in einem Forum, wo im Rahmen des Deutschen Bauerntages in Cottbus in der vergangenen Woche unter der Überschrift „Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Biodiversität – neue Auflagen oder Geschäftsmodell?“ diskutiert wurde.

Politische Realität anders

Nach Beobachtung von Hartelt ist die politische Realität in den vergangenen Jahren oft eine ganz andere, nämlich „pauschale Vorgaben, Verbote und mehr Bürokratie, dazu eine Politik des Ordnungsrechts in Berlin und Brüssel“. Immer neue EU-Gesetzgebungsvorhaben – vom Gesetzesvorschlag zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) über das Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) bis zur Bodenschutzrichtlinie – liefen den vollmundigen Versprechen der in den letzten Jahren politisch Verantwortlichen und auch dem Votum der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) diametral entgegen. Für die Landwirtschaftsbetriebe komme dies einem massiven Vertrauensbruch gleich, kritisierte Hartelt.

Der BWV-Präsident erinnerte in diesem Zusammenhang an die Negativerfahrungen vieler Landwirte mit der Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie. Schon hier sei von Umweltpolitikern und seitens der Naturschutzverbände immer wieder versichert worden, durch die Umsetzung der Richtlinie werde die Bewirtschaftung nicht einschränkt, und Landwirte könnten zusätzliche Einnahmen im Naturschutz erzielen. In der Realität werde jedoch die Bewirtschaftung über Verbote und Auflagen mit einer regelrechten Salamitaktik mehr und mehr behindert.

Kooperativer Ansatz fehlt

Das jüngst verabschiedete Naturwiederherstellungsgesetz ist für Hartelt vor diesem Hintergrund der nächste „Sündenfall“. Flächen für den Naturschutz würden per Gesetz über pauschale prozentuale Ziele abgesteckt, während keinerlei Vorrang für Kooperationen oder eine Finanzierung erbrachter Naturschutzleistungen vorgesehen sei. „Würde die Politik den kooperativen Ansatz der ZKL ernst nehmen, dürfte es kein NRL geben“, stellte der DBV-Umweltbeauftragte klar.

Vergleichsweise gut funktioniert der kooperative Ansatz Hartelt zufolge beim Aufbau von Kohlenstoffspeichern. Zwar fehle es auch hier bislang an einem Konzept zur dauerhaften Finanzierung. Die Kohlenstoffbindung im Boden sei aber durch den organisierten Verkauf von Klimazertifikaten schon heute ein Geschäftsmodell für Landwirte. Für den DBV-Umweltbeauftragten ist der Zertifikatehandel, bei dem Wirtschaftsunternehmen von Landwirten Klimazertifikate erwerben, eine Blaupause für den kooperativen Arten-, Natur- und Klimaschutz, losgelöst von den Regeln der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).

Damit der Zertifikatehandel flächendeckend ausgerollt werden könne, müssten jetzt einheitliche Spielregeln und Mindeststandards geschaffen werden, mahnte Har­telt. Andernfalls seien das Reputationsrisiko für Partner aus der Industrie unkalkulierbar und der private Kohlenstoffmarkt gefährdet. Der BWV-Präsident geht davon aus, dass der europäische Zertifizierungsrahmen für Kohlenstoffsenken die erforderlichen Leitplanken setzt, ohne die Flexibilität für die Umsetzung zu gefährden.

„Bodengefüge wird durch die Bauarbeiten zerstört“

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Dem Stromnetzausbau steht der Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) grundsätzlich positiv gegenüber, profitieren doch auch zahlreiche Bauern davon, die mit Erneuerbaren Energien wirtschaften. Einwände hat der BVSH jedoch gegen Erdkabel, da sie große Nachteile für die Beschaffenheit des Ackerbodens und dessen Bewirtschaftung haben. Erdkabel aber sind für NordOstLink bereits gesetzlich festgeschrieben.

Die 525-kV-Trasse NordOstLink soll auf 165 km Länge von Heide bis nahe Schwerin reichen. Die Bearbeitungsbreite wird zwischen 60 und 110 m schwanken, das sind auf jeden Kilometer sechs bis elf Fußballfelder. Verlegt werden die Kabel in einer Tiefe von 1,5 m. Die meisten betroffenen Grundstücke sind landwirtschaftliche Flächen. Die Eigner müssen mit Bauphasen rechnen, die zum Teil länger als eine Vegetationsperiode dauern.

Der bearbeitete Boden werde durch schwere Maschinen verdichtet, was die Wurzelbildung von Pflanzen erschwere, so der BVSH. Es werde Humus abgetragen und gehe verloren, was die Erosion erhöhe. Die Verlegung zerstöre das Bodengefüge und führe zu einem jahrzehntelangen oder sogar endgültigen Verlust der Ertragsfähigkeit.

Betroffen ist unter anderem Klaas Röhr in Reinfeld, Kreis Stormarn, Mitglied im Landeshauptausschuss des BVSH. „Der Boden wird durch den Eingriff massiv geschädigt“, sagt Röhr in einem Kurzvideo des Bauernverbandes, „das führt zu einem riesengroßen Biodiversitätsverlust im Bodenleben.“ Auch der Wasserhaushalt werde negativ betroffen sein – und letztlich das Pflanzenwachstum und der wirtschaftliche Ertrag. „Wir produzieren auf einem Hektar 15 Tonnen Zucker. Wenn es zum Erdkabelbau kommt, werden wir nur noch fünf Tonnen produzieren.“ Röhr macht sich für den Bau von NordOstLink als Freilandleitung stark, die deutlich schonender für den Ackerboden sei. „Der einzige Vorteil des Erdkabels ist, dass es nicht zu sehen ist“, bringt es Röhr auf den Punkt.

Ungeachtet der gegenwärtigen Gesetzeslage fordert der BVSH von der Bundesregierung die Prüfung der alternativen Bauweise als Freileitung. Alternativ solle auch das sogenannte Spülbohrverfahren geprüft werden. Bei diesem werden die Leitungen auf geschlossene Weise verlegt, was den Eingriff in den Boden deutlich verringere.

Sei die Verlegung als Erdkabel unvermeidbar, gelte es, die Trassenführung mit den geringsten Einschränkungen für die Landwirtschaft durchzuführen. Dazu sollten die Kabel möglichst am Rande der Fläche oder auf weniger fruchtbaren Abschnitten verlaufen. Grundsätzlich wird vom BVSH die Begleitung durch einen unabhängigen, sachkundigen Bodenkundler gefordert, und zwar nicht nur während der Bauphase, sondern auch bei der Untersuchung möglicher Folgeschäden.

Der Flächenverbrauch werde zusätzlich durch die Ausgleichsflächen für die Maßnahmen gesteigert, die oft doppelt so groß seien wie die durch die Leitungen beanspruchte Fläche. Man solle deshalb hier auf Ausgleichsflächen vollständig verzichten, so der BVSH. Weiter fordert er wiederkehrende statt einmaliger Entschädigungszahlungen an die Landwirte. Und schließlich seien die Landwirte in den Planungs- und Bauprozess von Anfang an einzubeziehen.

Klaus-Peter Lucht, Präsident des BVSH, ergänzt: „Ich weiß, dass Überlandleitungen nicht schön aussehen. Doch das alles unterirdisch auf unseren Hochertragsflächen auf einem Agrarstandort zu machen, geht nicht.“ Zur Veranschaulichung bringt Lucht ein Erlebnis aus dem Jahr 1979, als sich bei einem Nato-Manöver ein Panzer auf dem Acker festgefahren hatte. „Da wuchs später überhaupt nichts mehr.“

Der Bau von Erdkabelleitungen sei drei- bis fünfmal so teuer wie der von Oberlandleitungen, gibt Lucht zu bedenken. Laut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ließen sich dabei bundesweit bis zu 34 Mrd.€ sparen. „Das wird von uns allen über die Strompreise bezahlt werden“, betont Lucht und appelliert an die Bevölkerung: „Wenn wir es ernst meinen mit der Energiewende, müssen wir auch Oberlandleitungen zustimmen.“

Allerdings scheint der Zug für NordOstLink abgefahren zu sein. „Für eine Umstellung auf Freileitung sehen wir bei diesem Projekt keine Option, da im gesetzlichen Rahmen bereits der Präferenzraum für Erdkabel ermittelt worden ist“, erklärt Mathias Fischer, Pressesprecher der ausführenden Firma TenneT. Zwar räumt er ein, dass ein Umstieg auf Freileitungen allein bei den drei neuen Gleichstromvorhaben OstWestLink, NordWestLink und SuedWestLink Einsparungen von rund 20 Mrd. € bedeuten würde. Doch würde „eine Umplanung von Erdkabel zur Freileitung beim NordOstLink das Projekt um mehrere Jahre verzögern“. Gleichstromprojekte, die bereits in der Bauphase sind, wie Sued­Link und SuedOstLink, würden auf jeden Fall als Erdkabel realisiert.

Kurzvideo zum Thema unter: https://youtu.be/UPpKaI1Zu3E

Die Trasse NordOstLink verläuft quer durch Schleswig-Holstein. Skizze: TenneT

Landeschampionate der Geländepferde

Der Pferdesportverband ­Schleswig-Holstein (PSH) veranstaltete im Ihlwald in Bad Segeberg die Landeschampionate der Vielseitigkeitspferde. Es gab eine A**-Prüfung für die fünfjährigen Youngsters und eine L*-Prüfung für die sechsjährigen Nachwuchsstars. Beide Prüfungen waren gleichzeitig Qualifikationen für die Bundeschampionate der ­ Pferde und Ponys.

„Die ausgeschriebenen Prüfungen sind immer frei für alle Pferde. In der Geländepferdeprüfung der Klasse A** dürfen Vier- bis Sechsjährige starten und in der L*-Prüfung Fünf- bis Siebenjährige“, erklärte Matthias Karstens, Geschäftsführer des PSH, die Ausschreibung. Für die Landeschampionate müssen die Pferde in Schleswig-Holstein oder Hamburg (nördlich der Elbe) geboren sein oder Holsteiner Papiere haben. Daher ist der Gewinner einer Prüfung oft nicht automatisch der neue Landeschampion.

Anders war es bei Rebecca-Juana Gerken aus Tasdorf, Kreis Plön, und Meggie. Das Paar gewann mit der Note 9,0 die A**-Prüfung. Damit ist Meggie nun Landeschampionesse, denn die fünfjährige Schimmelstute von Catch ist nicht nur Holsteinerin, sondern stammt auch aus der Zucht von Gerkens Halbbruder, Thomas Gerken aus Tremsbüttel, Kreis Stormarn.

Gerken hat die Stute von Anfang an ausgebildet. „Das Pferd hat noch sehr wenig Erfahrung, ist aber unglaublich leistungsbereit“, schwärmte die Reiterin. Vor sechs Wochen waren die beiden beim ersten Geländetraining. „Meggie hat ihren Job direkt verstanden“, berichtete Gerken. In ihrer ersten Prüfung habe sie dann noch einmal am Graben geguckt, „völlig unwissend natürlich“. Die zweite Prüfung in Tasdorf habe sie direkt gewonnen, wie nun auch ihre dritte Prüfung in Bad Segeberg.

Selbst ausgebildeter Champion

Im Anschluss ritt Gerken die Stute dann gleich noch in Klasse L*, „total grün“, und kam dort auf Platz 16. „Sie ist mutig, leistungsbereit, schlau und hat den Willen, alles richtig zu machen“, sagte Gerken und fügte hinzu: „Das sind sehr gute Eigenschaften für ein gutes Sportpferd.“ Gerken hatte mit Mien Linea, Cadillac, Lola und DSP Sonntagskind noch mehr Pferde am Start. Mit Letzterer war sie Siegerin der zweiten Abteilung der L*-Prüfung und mit einer 8,5 Zweitbeste der gesamten Prüfung. Da die Stute aber aus Brandenburg kommt, konnte sie in die Landesmeisterschaft nicht eingreifen.

Das zweitbeste Ergebnis (8,9) der A**-Prüfung holten Carina Lisa Wacks und Quick Chu von Quickthago. Der Holsteiner Wallach stammt aus der Zucht der Familie Doose aus Ascheberg, Kreis Plön. Drittbeste wurde mit einer 8,4 Beeke Jankowski aus Schmalensee, Kreis Segeberg. Sie hatte mit Vlic Vlac eine Hannoveraner Stute gesattelt.

Mit einer 8,2 platzierten sich Andreas Brandt und sein selbst gezogener Wallach Signum‘s Siggi auf dem dritten Platz der zweiten Abteilung. Der sechsjährige Hannoveraner ging auch in Klasse L* an den Start und holte dort den Sieg. Da Pferd und Reiter allerdings aus Mecklenburg-Vorpommern angereist waren, zählte ihr Sieg nicht für das Landeschampionat.

Motivierende Geländestrecken

Johanna Held war mit ihrem selbst ausgebildeten Nupafeed’s Cool Connection von der Insel Fehmarn angereist. Der Wallach ist nun Landeschampion der sechsjährigen Vielseitigkeitspferde. Foto: PSH

Neuer Landeschampion der sechsjährigen Vielseitigkeitspferde wurde Nupafeed’s Cool Connection. Der Holsteiner Wallach von Cornetino ist im Besitz seiner Reiterin Johanna Held und stammt aus der Zucht von Sönke Eggers aus Struvenhütten, Kreis Segeberg. Tabea Henze aus der Geschäftsstelle des PSH freute sich über Helds Erfolg: „Sie ist Bereiterin im Stall Rüder. So ein Erfolg auf einem selbst ausgebildeten Pferd ist schon toll“, sagte die Mitorganisatorin des Turniers.

Der Olympiareiter Dirk Schrade aus Heidmühlen, Kreis Segeberg, war ebenfalls in Bad Segeberg. Sein bestes Ergebnis war der vierte Platz der zweiten Abteilung in Klasse A* mit Constanzehof’s Stitch und einer 8,0.

Henze war sehr zufrieden mit den diesjährigen Landeschampionaten: „Wir waren schon im Vorfeld sehr positiv gestimmt, weil wir ein sehr hohes Nennungsergebnis hatten und so beide Prüfungen in zwei Abteilungen werten konnten“, sagte sie. Außerdem sei es ein herrlicher Tag gewesen, mit zwei tollen Parcours auf Championatsniveau. „Torben Mölleken hat es geschafft, motivierende Strecken zu bauen“, erklärte sie weiter. So konnten die Richter einen sehr guten Eindruck von den jungen Pferden bekommen.

Klassik trifft Kulinarik in Berlin

Großer Beliebtheit erfreute sich auch in diesem Jahr der Sommerempfang der Landesregierung zum Schleswig-Holstein-Musikfestival (SHMF) in der Landesvertretung in Berlin.

Über 800 Besucher zählte das sommerliche Event. Viele der Gäste waren aus Schleswig-Holstein in die Hauptstadt gereist, um sich im Rahmen des Empfangs lebhaft auszutauschen und mit dem Auftaktkonzert der Gruppe Vinter Folk einen Vorgeschmack auf das beliebte Musikfestival zu bekommen. Im Anschluss an das Konzert eröffnete die Bevollmächtigte des Landes Schleswig-Holstein beim Bund, Sandra Gerken, das Gartenfest. Neben den klassischen Klängen wurde auch die heimische Kulinarik ausgiebig genossen. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) freute sich über die zahlreichen Produzenten aus Schleswig-Holstein, die vielfältige Spezialitäten mit nach Berlin gebracht hatten. So wurden an den Marktständen im Garten der Landesvertretung würzige Bratwürste aus dem Restaurant Odins Haithabu, herzhaftes Sauerkraut aus dem Kohlosseum, Backensholzer Käse-Raclette, Fischdelikatessen von Miriam Keste, Fleischspezialitäten vom Hof Steffen aus Muxall sowie saftiges Brot und Butterkuchen der Kieler Bäckerei Lyck angeboten. Im Rahmen des Schleswig-Holstein-Musikfestivals werden von Anfang Juli bis Anfang September rund 200 Konzerte und fünf Musikfeste auf dem Lande an über 100 verschiedenen Spielstätten zu erleben sein.

Oliver Firla, Chef vom Odins, Staatssekretärin Anne Benett-Sturies, MLLEV, und Thomas Otte, Odins Haithabu (v. r.), fachsimpelten über das perfekte Grillwürstchen. Foto: Sandra van Hoorn
Staatssekretärin Sandra Gerken sprach mit Miriam Keste (v. li.) über ihr erfolgreiches Vermarktungskonzept. Foto: Sandra van Hoorn
Die Gruppe Vinter Folk begeisterte die Besucher beim Auftaktkonzert in der Landesvertretung in Berlin. Foto: Sandra van Hoorn
Anke Mehrens stellte Kammerpräsidentin Ute Volquardsen und Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) das Raclette vom Deichkäse vor (v. r.). Foto: Sandra van Hoorn
Wilken Boie erklärte Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) das besondere Gärungsverfahren des Kohlosseums (v. li.). Foto: Sandra van Hoorn
Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU, r.) tauschte sich mit Rüdiger Behn, Behn Spirituosen, über den Stellenwert von Familienunternehmen in der heimischen Wirtschaft aus. Foto: Sandra van Hoorn


Moderne Stachelbeer-Sorten machen Lust auf mehr

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Stachelbeeren galten lange Zeit als die Stiefkinder unter den verschiedenen Arten an Beerenobst. Ältere, mehltauanfällige Sorten verschwanden nach und nach aus den Sortimenten. Doch neue, robuste Sorten lohnen den Anbau.

Beim Kauf einer Stachelbeere dreht es sich neben der Sortenwahl auch um die Wuchsform. Der Handel bietet sowohl Sträucher als auch Hochstämmchen an. Jede Form bringt Vor- und Nachteile mit sich.
Die Kronen hochstämmiger Sträucher erleichtern mit ihrer angenehmen Arbeitshöhe Pflege und Ernte. Dies ist besonders bei Sorten mit vielen Stacheln von Vorteil. Zudem benötigen Stämmchen weniger Platz. Doch diese Vorteile schlagen sich im Kaufpreis nieder. Der höhere Preis erklärt sich durch die Veredlung der jeweiligen Sorte auf die 80 bis 90 cm hohe Stammunterlage. Stämmchen brauchen zeitlebens einen Stützpfahl. Er sollte bis in die Kronenmitte reichen und an Größe und Gewicht der Krone angepasst sein. Manche Gärtner verwenden dafür gern stabile Tomaten-Spiralstäbe aus Aluminium. Stämmchen weisen zudem eine geringere Anzahl tragender Äste auf. Daher sind sie nicht so ertragreich wie Sträucher. Mehr als fünf bis sechs Haupttriebe sollte die Krone eines Stämmchens nicht aufweisen. Durch Blattmasse und Fruchtbehang entsteht ein nicht unbeträchtliches Gewicht, das eine gewisse Bruchgefahr mit sich bringt.
Ein Strauch hingegen ist meist vom Wuchs her etwas unübersichtlicher. Das erschwert zunächst die Ernte und Pflege, erhöht aber auch den Ertrag. Sträucher treiben junge Zweige direkt aus dem Wurzelstock oder der Strauchbasis. Sie verjüngen sich auf diese Weise selbst und erfreuen mit einer langen Lebensdauer.

Ob rote, gelbe oder grüne Stachelbeeren: alles eine Frage des Geschmacks. Fotos: Karin Stern

Stachelbeeren lieben einen halbschattigen oder leicht schattigen Standort. In praller Sonne kommt es häufig zu Sonnenbrand an den Früchten. Der Boden sollte locker, humusreich und nicht zu trocken sein. Nährstoffreiche, mittelschwere Böden mit ausreichender Bodenfeuchtigkeit sind ideal. Sandige Böden werden mit Humus verbessert. Auf zu trockenen Standorten gedeihen Stachelbeeren nicht. Sie reagieren auf Trockenheit empfindlicher als Johannisbeeren. Für eine ertragreiche Ernte ist daher die gute und gleichmäßige Wasserversorgung wichtig. Eine Mulchschicht auf dem Boden unterdrückt das Unkraut. Damit entfällt das Jäten. Dies ist ohnehin wegen der flachen Wurzeln nur oberflächlich und mit entsprechender Vorsicht möglich. Außerdem hält die Mulchschicht die Feuchtigkeit im Boden, da sie die Verdunstung minimiert. Mit der Düngung sollte man etwas zurückhaltend sein. Ein Zuviel an Stickstoff lässt die Pflanzen krankheitsanfällig werden. Etwas Kompost im zeitigen Frühjahr ist ausreichend. Alternativ verwendet man einen Beerendünger nach Packungsanweisung. Die Blüten der Stachelbeere sind selbstfruchtbar. Mehrere Sorten verbessern jedoch den Fruchtansatz.

Die Blüten der Stachelbeere sehen eher unauffällig aus. Foto: Karin Stern
An der Blüte lässt sich die spätere Farbe der Stachelbeere nicht erkennen. Foto: Karin Stern

Stachelbeeren tragen ihre Früchte vor allem an den einjährigen Seitentrieben älterer Triebe. Diese werden durch einen regelmäßigen Schnitt gefördert. Ältere, abgetragene Seitentriebe werden auf kurze Zapfen zurückgeschnitten, entweder direkt bei der Ernte oder im zeitigen Frühjahr. Man lässt dabei die einjährigen Seitentriebe unbedingt stehen. Sie bringen die Ernte im nächsten Jahr hervor. Außerdem werden zu dicht stehende und nach innen wachsende Seitentriebe entfernt. Bei Sträuchern kappt man zudem jedes Jahr zwei alte Bodentriebe und zieht dafür zwei einjährige, junge Bodentriebe nach. Zu lang geratene Bodentriebe werden um etwa ein Drittel eingekürzt und auf einen nach außen wachsenden Seitentrieb umgelenkt.

Moderne Sorten sind widerstandsfähig, teils sogar resistent gegenüber dem Echten Mehltau. Diese Krankheit wurde früher häufig als Amerikanischer Stachelbeermehltau bezeichnet. Die Anfälligkeit ist auf trockenen Standorten deutlich höher als am optimalen Platz. Resistente Sorten am idealen Standort bilden noch den besten Schutz gegen diese Krankheit.

Stachelbeeren für Konfitüre, Gelee oder Saft

Grüne oder gelbe Stachelbeeren:

‚Risulfa‘: reift Ende Juni, Grünpflücke für Kompott, ideal zum Einmachen, aufrechter Wuchs, Fruchttriebe überhängend
‚Rixanta‘: reift ab Juli, Grünpflücke für Kompott, starkwüchsig, aufrecht-buschige Gestalt, hoher Ertrag
‚Invicta‘: reift im Juli, bringt sehr hohen Ertrag, hellgrüne Früchte, die sich bei Vollreife gelb verfärben. Bei Grünpflücke sehr gute Sorte zum Einmachen, bei Vollreife wohlschmeckend und süß, regelmäßiger, sehr hoher Ertrag
‚Hinnonmäki gelb‘: reift ab Mitte Juli, gelbliche, leicht behaarte Früchte, platzfest und süß, mittelstarker, strauchartiger Wuchs

Rote Stachelbeeren:

‚Remarka‘: reift ab Juni, unreife Beeren für Kompott (Grünpflücke), unbehaarte, dunkelrote Früchte mit mildem, süß-saurem Geschmack, mittelstarker, halb aufrechter Wuchs, wenige Stacheln
‚Rote Triumph‘: reift ab Juli über einen längeren Zeitraum, mehrmals durchpflücken, starker, breitbuschiger Wuchs
‚Captivator‘: reift Mitte Juli, für Konfitüre, Kompott und Saft, reicht verzweigter, buschiger, aufrechter Wuchs, wenige Stacheln, auch für Kübel geeignet
‚Relina‘: reift Mitte Juli, sehr ertragreich, aufrechter, strauchartiger Wuchs, etwa 1,5 m hoch und breit