In einer Zeit, in der die Landwirtschaft vor immer größeren Herausforderungen steht, rückt die Digitalisierung als Schlüsseltechnologie für nachhaltige und effiziente Lösungen in den Fokus. Ein zukunftsweisendes Beispiel hierfür ist das Projekt „DigiZert“ der Fachhochschule Kiel.
Dieses Vorhaben zielt darauf ab, digitale Zertifikate entlang der Kartoffel-Wertschöpfungskette zu etablieren und die Klima- und Umweltschutzmaßnahmen zuverlässig zu dokumentieren. Durch die Integration moderner Telemetrie-Systeme (Exatrek) kann die Landwirtschaft nicht nur effizienter, sondern auch transparenter und nachhaltiger werden.
Mithilfe der eingesetzten Telemetrie-Systeme können schon jetzt zahlreiche Dokumentationspflichten auf landwirtschaftlichen Betrieben und Lohnunternehmen erfüllt werden und bei der Effizienzsteigerung helfen. Auch für die Erstellung von Zertifikaten, die automatisch entlang der Wertschöpfungskette weitergegeben werden können, sind die erfassten Daten essenziell. Welche Anforderungen die Landwirte wie auch die Teilnehmer aus der Wertschöpfungskette an solche Zertifikate haben und wie diese in der Praxis umsetzbar sind, ist ein Kernelement des Projektes.
Moderne Landmaschinen liefern heutzutage allerhand wissenswerte Daten, beispielsweise den Dieselverbrauch oder Aufwandmengen von Pflanzenschutzmitteln. Um diese Daten effizient nutzen können, müssen sie zugänglich und auswertbar sein. Diesen Mehrwert bieten hauseigene Telemetrie-Systeme der Maschinenhersteller, die allerdings an eine Felgenfarbe gebunden und somit häufig nicht mit den anderen im Betrieb vorhandenen Maschinen kompatibel sind.
Das Projekt „DigiZert“ nutzt eine herstellerunabhängige Lösung, die alle relevanten Daten von Traktoren und Anbaumaschinen liefert. Mit standardisierten Kabeln für einzelne Gerätekombinationen ist es möglich, nahezu jede Maschine mit Isobus auszurüsten und in den Datenstrom zu integrieren. Mittels dieser Technik können alle Arbeitsschritte der Kartoffelproduktion aufgezeichnet werden. Die Daten können anschließend zur Verbesserung der Betriebsabläufe und zur Erstellung von definierten Zertifikaten verwendet werden.
Das sogenannte T3-Modul ist eine entscheidende Technologie für die automatische Datenerfassung auf Traktoren. Es wird direkt am Traktor installiert und arbeitet nahtlos mit einem an den Anbaugeräten angebrachten Gerätebeacon zusammen. Diese Kombination ermöglicht eine präzise Erfassung der Arbeitsgänge auf dem Feld.
Alle erfassten Daten werden in einem webbasierten Auswertungstool gespeichert und analysiert. Das T3-Modul zeichnet dabei nicht nur Daten über den Canbus des Traktors, wie Dieselverbrauch und Motordrehmoment, auf, sondern nutzt auch ein integriertes GNSS-Modul zur Erfassung von Informationen wie der Fahrspur. Bei Vorhandensein eines Lenksystems wird das Signal erfasst und das eigene überschrieben, was für präzise Anwendungen wie Pflanzenschutz erforderlich ist.
Darüber hinaus erfasst das Modul bei Einsatz von isobusfähigen Anbaugeräten sämtliche Isobus-Nachrichten, wodurch eine Aufzeichnung von Pflanzenschutz-, Dünger- oder Erntemengen ermöglicht wird.
Virtuelle Betriebsanalyse wird erstellt
Nachdem eine Arbeit auf dem Feld beendet wurde, erstellt das System eine Aktivität mit den aufgezeichneten Daten. Dabei werden Stand-, Wende- und Arbeitszeiten erfasst und zueinander ins Verhältnis gesetzt. Die Kosten für Maschinenabschreibung und Dieselkosten sowie der Stundenlohn des Fahrers werden addiert und in Summe angegeben.
Für mehrere erfolgte Aktivitäten kann eine Auswertung nach verschiedenen Kriterien erfolgen. Beispielsweise kann der Anwender alle Arbeitsgänge einer Maschine mit denen einer anderen Maschine vergleichen. Dies ermöglicht eine präzise Auswertung der erfolgten Arbeiten, wodurch sich mögliche Einsparpotenziale und Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren lassen. Das System zeigt eine Auswertung über alle erfolgten Arbeitsschritte eines Feldes an, wodurch eine Vergleichbarkeit der Flächen untereinander möglich wird. Aufwandmengen und Erträge können verglichen und gegebenenfalls den Standortverhältnissen angepasst werden.
Mit wenigen Klicks lassen sich Ertragskarten aus vorhandenen Ertragsmessungen erstellen, die dann wiederum für Applikationskarten im nächsten Jahr dienen. Eine Übertragung dieser Karten erfolgt dabei in beide Richtungen, entweder vom Traktor zur Plattform oder von der Plattform auf den Traktor. Eine Datenübertragung an das Terminal wird per mitgeliefertem USB-Kabel vereinfacht.
An festgelegten Orten im Betrieb kann automatisch ein Eingabefenster in der App aufgehen, sobald der Traktor sie durchfährt. Die Erfassung von Tank- und Wiegevorgängen wird dadurch digital dokumentiert, Tankbücher und Wiegescheine sind nicht mehr nötig.
Beim Einfüllen der Pflanzenschutzmittel in die Spritze ist eine Erfassung der Spritzmittel über die App möglich (QR-Code scannen oder per Hand eintragen). Eine automatische Erfassung der Aufwandmengen und Wirkstoffe in Kombination direkt während der Arbeit ist somit möglich. Dokumentationspflichten für Pflanzenschutz oder auch organischer Dünger können somit zukünftig direkt erfüllt werden (meist keine nähere Definition, nur zeitnahe Dokumentation verpflichtend). Alle Abläufe in der Außenwirtschaft können nahezu vollständig automatisiert erfasst werden.
Weitergabe der erfassten Daten
Automatisch erfasste Daten bieten den Betrieben eine enorme Erleichterung der Dokumentation. Doch diese Daten entfalten nur bei automatisierter Weitergabe ihren vollen Nutzen. In der Kartoffelbranche haben Handel und Verarbeitung oft jeweils eigene Systeme entwickelt, um die notwendigen Produktionsdaten von den Landwirtinnen und Landwirten zu erhalten. Diese Systeme unterscheiden sich jedoch erheblich, was die Kompatibilität zwischen ihnen nahezu unmöglich macht. Am Ende müssen die Landwirtinnen und Landwirte die relevanten Daten doch wieder manuell in Excel-Tabellen eingeben oder handschriftlich für jeden Abnehmer notieren, wodurch die angestrebte Arbeitserleichterung letztlich zunichtegemacht wird.
Um diesen Insel-Lösungen in der Kartoffelbranche entgegenzuwirken, zielt das Projekt darauf ab, eine einheitliche Lösung für alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette zu entwickeln. Die automatisch erfassten Daten dienen der Erstellung von Klima- und Umweltzertifikaten, die auf einer gemeinsamen Plattform zugänglich sind. Dadurch wird nicht nur die Dokumentation vereinfacht, sondern auch die Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette gestärkt.
Die ersten Ergebnisse des Projekts zeigen, dass insbesondere für Landwirte ein Zertifikat zur Ausweisung des CO2-Fußabdrucks von großem Vorteil wäre. Darüber hinaus wird die Möglichkeit der Dokumentation von Abständen zu Nichtzielorganismen wie Knicks, Gewässern oder Saumbiotopen als sinnvoll und wünschenswert von der Praxis bewertet.
Für den Kartoffelhandel und die weiterverarbeitenden Unternehmen steht vor allem das Thema Nachhaltigkeit im Vordergrund. Aber auch der Wasserverbrauch und die Wassereffizienz spielen eine zentrale Rolle und dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Durch das Portal können diese Aspekte umfassend abgebildet werden, was es den Betrieben ermöglicht, ihren Beitrag zu nachhaltiger Landwirtschaft und Ressourcenschonung nachzuweisen und kontinuierlich zu verbessern.
Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
Fazit
Das Projekt „DigiZert“ zeigt, wie Digitalisierung in der Landwirtschaft nicht nur zur Effizienzsteigerung, sondern auch zur Förderung von Nachhaltigkeit beiträgt. Durch die Implementierung moderner Telemetrie-Systeme und die Entwicklung eines einheitlichen Zertifizierungssystems entlang der Kartoffel-Wertschöpfungskette wird es möglich, Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen transparent und verlässlich zu dokumentieren. Die enge Zusammenarbeit mit den Akteuren der Branche gewährleistet, dass die entwickelten Lösungen praxisnah und umsetzbar sind. Damit leistet „DigiZert“ einen wertvollen Beitrag zur Digitalisierung der Landwirtschaft und zur Erreichung von Klimazielen.