Die EU-Kommission hat die Reformfortschritte der Ukraine auf ihrem Weg zur EU-Mitgliedschaft ausdrücklich gewürdigt. Der aktuell laufende sogenannte Screening-Prozess verlaufe reibungslos, heißt es im alljährlich vorgelegten „Erweiterungspaket“, in dem der Stand der Beitrittsprozesse der aktuell zehn Beitrittskandidaten bewertet wird. Erste inhaltliche Verhandlungen mit der Ukraine will die Kommission deshalb schon 2025 beginnen.
Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) erklärte anlässlich der Vorstellung des Berichts die EU-Erweiterung zu einer der Hauptprioritäten der neuen Kommission. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte die Notwendigkeit einer wertebasierten Erweiterung der Union. Auch EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi sprach mit Blick auf den Beitritt der Ukraine, Moldawiens und der westlichen Balkanstaaten von einem „geostrategischen Investment in Frieden, Stabilität, Sicherheit und sozioökonomisches Wachstum“.
Fortschritte im Agrarbereich
In dem Bericht wird aber auch deutlich, dass die Ukraine noch einen langen Weg vor sich hat, bis das Land die rechtsstaatlichen, institutionellen und wirtschaftlichen Standards der EU erfüllt. Anerkannt wird, dass trotz der enormen Zerstörungen durch den russischen Angriffskrieg Reformfortschritte erzielt wurden, so etwa im Justizbereich, wo der Auswahlprozess für Richter am Verfassungsgericht reformiert und eine unabhängigere und schlagkräftigere Korruptionsbekämpfung auf die Beine gestellt wurden. Auch im Agrarsektor der Ukraine stellt die EU ein Vorankommen fest.
Um die Angleichung an die europäischen Standards voranzutreiben, empfiehlt die Kommission der Ukraine, die nationale Strategie für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bis 2030, die noch vor dem Jahresende verabschiedet werden soll, konsequent umzusetzen.
Der Bericht listet zudem bereits erfolgte konkrete Reformvorhaben auf. Beispielsweise wurden erste Pilotprojekte für entkoppelte Zahlungen an Landwirte gestartet, um staatliche Unterstützungszahlungen künftig an die der EU anzupassen. Im Bereich der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) arbeite die Ukraine außerdem an der Angleichung der Gesetzgebung, insbesondere bei den Vermarktungsstandards. Auch wurde ein Gesetz über Weinbau und Rebsorten verabschiedet, das den europäischen Vorgaben entspricht.
Wie aus dem Bericht weiter hervorgeht, entsprechen die ukrainischen Tierwohlregelungen zwar noch nicht den EU-Standards; immerhin aber wurden auch im Veterinär- und Tierschutzbereich Fortschritte erzielt. So wurden beispielsweise Gesetze zur Überwachung übertragbarer Tierkrankheiten und zum Tierwohl erlassen. Eine Pilot-Einführung des europäischen Datenbanksystems Traces für den Handel mit tierischen Produkten wurde erfolgreich abgeschlossen und ist nun in begrenztem landesweiten Einsatz. Die Ukraine habe außerdem das Schnellwarnsystem der EU für Lebensmittel und Futtermittel vollständig integriert. Auch wurden Regulierungen zur Gentechnik verabschiedet, die bereits in Teilen EU-Standards erfüllen.
Export soll Devisen bringen
Unterdessen geht die Ukraine schärfer gegen die Unterschlagung von Deviseneinnahmen im Exportgeschäft vor. Um die Kontrolle zu verbessern und Schattenmärkte zu verhindern, wurde vom Kiewer Wirtschaftsministerium jetzt ein sogenanntes Exportgarantieverfahren vorgestellt, das bei der Ausfuhr einer Reihe von Agrarprodukten gelten soll. Dazu zählen Getreide, Pflanzenöle, Presskuchen, Nüsse und Honig. Die neue Regelung soll angewendet werden, bis das derzeit geltende Kriegsrecht wieder abgeschafft ist. Gemäß dem Exportgarantieverfahren dürfen Waren ausschließlich von registrierten Mehrwertsteuerzahlern ausgeführt werden. Außerdem werden laut Ministerium Mindestausfuhrpreise für Waren festgesetzt, die der Ausfuhrgarantie unterliegen. Die Differenz zwischen dem Rechnungsund dem Zollwert dieser Produkte darf nicht negativ sein.
Um die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen und zu kontrollieren, werden die Nationalbank, der staatliche Steuerdienst und der staatliche Zolldienst untereinander Informationen austauschen. Darüber hinaus wurden Grundsätze festgelegt, nach denen Steuerrechnungen ausgefüllt und in einem einheitlichen Register registriert werden müssen. age
Munition belastet Ackerkulturen
Die Kampfhandlungen in der Ukraine bedrohen nicht nur die dortige Bevölkerung. Durch den vermehrten Einsatz von Artilleriegeschossen, Minen und Kleinkalibermunition ist auch mit einer Belastung durch Schadstoffe in landwirtschaftlichen Produkten zu rechnen, die wiederum über den Export auf dem Weltmarkt landen. Die eingesetzten Waffen und deren Auswirkungen hat Dennis Röger in seiner Bachelorarbeit im Studiengang Energie- und Umweltmanagement der FH Burgenland analysiert. Das größte Problem stellen Röger zufolge Schwermetalle wie Blei, Cadmium und Zink sowie anorganische und organische Explosivstoffe wie TNT und Hexogen (RDX) dar. Kontaminiert werde der Boden zum Beispiel durch Landminen, Blindgänger oder nicht verfeuerte Munition. Die Aufnahme der Schadstoffe in das Ökosystem erfolge durch Luftfeuchtigkeit und Regen. Die im UkraineKrieg am häufigsten verwendeten Sprengmittel TNT und RDX zeigten ein unterschiedliches Verhalten bei der Aufnahme in die landwirtschaftlichen Produkte, heißt es in der Arbeit. RDX reichere sich vor allem in den oberirdischen Teilen der Pflanze an. Die höchste Konzentration an TNT sei hingegen in den Wurzeln festgestellt worden. age