Die Bundesregierung hat eine Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 beschlossen. In dem am Mittwoch vor Weihnachten verabschiedeten Dokument werden 64 Ziele und dafür notwendige Maßnahmen in 21 Handlungsfeldern – vom Agrarland über die Energiewende bis zur Stadtnatur – formuliert. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bezeichnete die Strategie als „Meilenstein für den Naturschutz“. Umweltverbände begrüßten das Papier, scharfe Kritik kommt vom Deutschen Bauernverband (DBV).
Bei dem Dokument handelt es sich um eine Fortschreibung der seit 2007 bestehenden Biodiversitätsstrategie. Federführend war seinerzeit das Bundesumweltministerium (BMUV). Umgesetzt werden sollen die insgesamt 250 Maßnahmen bis 2027 – laut Umweltressort soll anschließend Bilanz gezogen und dann ein zweiter Aktionsplan für die Zeit bis 2030 aufgestellt werden.
Bodennutzung und Flächenverbrauch
Eines der Handlungsfelder besteht darin, Ökosysteme wiederherzustellen. Bis 2030 sollen entsprechend des EU-Naturwiederherstellungsgesetzes und des Globalen Biodiversitätsrahmens auf mindestens 30 % der degradierten Ökosysteme Wiederherstellungsmaßnahmen eingeleitet werden. Auch Böden sollen besser geschützt werden – bis 2030 soll der gute biologische Zustand von Böden definiert und als Maßstab der zukunftsfähigen Bodennutzung gelten. Verwiesen wird in dem Dokument auf die aktuell auf EU-Ebene verhandelte Bodenschutzrichtline. Laut Strategie soll auch der Flächenverbrauch durch Siedlungen und Verkehr bis 2030 auf durchschnittlich unter 30 ha begrenzt werden – von aktuell etwa 52 ha. Bis 2050 soll dann eine „Flächenkreislaufwirtschaft“ mit Netto-Null-Verbrauch erreicht werden.
Handlungsfelder auch im Agrarbereich
In dem Handlungsfeld zu Agrarlandschaften und Ernährung zitiert die Strategie die Beschlüsse der Zukunftskommission Landwirtschaft. Darin heißt es bekanntlich, dass das Agrar- und Ernährungssystem durchgreifend transformiert werden muss.
Eines der Ziele der Biodiversitätsstrategie ist, die Artenvielfalt im Agrarland bis 2030 in einen guten Zustand zu bringen. Auch soll es einen Aufwärtstrend beim Anteil von Landschaftselementen geben. Ausgeweitet werden soll der Ökolandbau. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen nur noch halb so viele Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden – die Strategie verweist dafür auf die im Zukunftsprogramm Pflanzenschutz des Bundeslandwirtschaftsministeriums festgelegten Maßnahmen. Im Ernährungsbereich sieht die Strategie bis 2030 vor, Lebensmittelabfälle zu halbieren. Bei der Grünen Gentechnik soll laut Strategie zudem das Vorsorgeprinzip beachtet werden. Beim Moorschutz soll das Bundes- und Landesrecht so weiterentwickelt werden, dass Wiedervernässungen leichter möglich werden. Vor allem auf Bundesliegenschaften soll die Wiedervernässung vorangetrieben werden.
Der World Wide Fund for Nature (WWF) zeigte sich in einer ersten Reaktion mit der Strategie zufrieden. Es sei eine gute Nachricht für die Artenvielfalt, dass Deutschland, wenn auch mit Verspätung, das Papier verabschiedet habe. Die kommende Bundesregierung müsse bei Umsetzung der einzelnen Maßnahmen den „Turbo anschmeißen“, forderte Matthias Meißner vom WWF Deutschland. Wichtig sei auch, dass die Mittel aus dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz in den kommenden Jahren weiter zur Verfügung stünden.
Auch der Geschäftsführer des Umweltdachverbandes Deutscher Naturschutzring, Florian Schöne, appellierte an die künftigen Koalitionspartner, die Strategie mit Nachdruck zu verfolgen.
„Gegenentwurf zum kooperativen Naturschutz“
Scharfe Kritik an der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt 2030 hat dagegen der DBV geäußert. Die vom BMUV vorgelegte Strategie sei ein Gegenentwurf zum „zukunftsweisenden“ kooperativen Naturschutz, sagte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. Für ihn steckt in dem Papier zu viel Ordnungsrecht: Es werde ein pauschaler Fokus auf die Flächenbeschaffung für den Naturschutz gelegt.
Angezeigter wäre es, die Kooperation mit den Landnutzern zu stärken. Man müsse auf Produktionsintegrierte Maßnahmen, Vertragsnaturschutz und Agrarumweltmaßnahmen setzen, so Krüsken. Die Halbwertszeit der Strategie bewertet er als begrenzt, da die Bundesregierung keine parlamentarische Mehrheit mehr hat. Seiner Einschätzung nach wurde sie vor allem aus wahlkampftaktischen Gründen veröffentlicht.
Zustimmung zur Biodiversitätsstrategie kommt dagegen vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Dass sich die Bundesregierung in der Strategie zum Ziel nach 30 % Bio bis 2030 bekennt, begrüßte der Spitzenverband. „Der Öko-Landbau stärkt nachweislich die Artenvielfalt auf der Agrarfläche“, sagte die BÖLW-Vorstandsvorsitzende Tina Andres. Der Strategie müssen nun Taten folgen, forderte sie. Bio-Betriebe müssen für ihre ökologische Leistungen auskömmlich honoriert werden, so Andres.