Bestimmt hat schon jedes Mitglied im Bauernverband mit seiner Kreisgeschäftsstelle zu tun gehabt, und sicherlich ist ihm oder ihr dort bei dem Anliegen geholfen worden. Doch was umfasst eigentlich das gesamte Spektrum einer Kreisgeschäftsstelle, und wie sieht ihr Alltag aus? Das Bauernblatt hat sie besucht, heute: die Kreisgeschäftsstelle für den KBV Ostholstein-Lübeck in Lensahn.
Der Kreis Ostholstein bezeichnet sich gern als „den schönsten in Schleswig-Holstein“. In der Tat: Er hat im Bundesland die längste Ostseeküstenlinie mit ihren Seebädern, die Holsteinische Schweiz und angrenzend die Weltkulturerbestadt Lübeck. Doch „wo die Landschaft anfängt, hört die Landwirtschaft auf“, sagt Holger Schädlich, der seit 2004 Kreisgeschäftsführer ist. Das gilt vor allem für die waldigen und seenreichen Hügel der Holsteinischen Schweiz.
Allerdings profitiert auch die Landwirtschaft zum Teil vom Tourismus – durch Vermietung von Ferienwohnungen, Campingplätzen, Direktvermarktung, insbesondere von Sonderkulturen. „Der Tourismus bringt auch Wirtschaftskraft, mit vereinzelten Störungen können die Bauern leben“, sagt Schädlich.
Kein Brotweizen mehr
Was sich aus seiner Sicht schlimmer auswirkt, sind die Einschränkungen durch die Düngeverordnung. „Sie lässt uns so wenig Spielraum, dass wir kaum Brotweizen produzieren können, hatten historisch schlechte Rapsernten, Gerste lohnt nicht mehr.“ Ostholstein ist ein Ackerbauland, nur rund 50 Betriebe halten noch Milchvieh, auf Fehmarn nur einer, die Schweine „sind weggebrochen“. Da wird man noch nicht einmal Futtergetreide los. Die Geschäftsstelle berät, wie Ausfälle kompensiert werden können durch Fruchtfolge, Prämienstrategie, Diversifizierung. Aber natürlich ist das zuvorderst ein politisches Thema.
Dabei sind die Böden sehr gut, etwa in dem Gürtel, wo die großen Güter liegen – von Wagrien in den Plöner Bereich bis Eckernförde, auf Fehmarn, aber auch auf Lübecker Gebiet bei Travemünde. Windkraft ist ebenfalls ein wichtiger Faktor in Ostholstein.
Lebensader mit Engpässen
Die wirtschaftliche Lebensader im Kreis ist die A 1. Die zieht aber auch städtische Themen weit ins Land hinein: Leute mit Hunden, die über die Felder gehen, die kritische Blicke auf Güllewagen werfen, aber auch Flächendruck durch Immobilienkauf und Gewerbegebiete. Und nicht nur die Autobahn, auch die Ostseeküstenleitung und die Bahntrassen liegen entlang dieser Linie – mit Engpässen zwischen Scharbeutz und Haffkrug, wo kein Ausweichen in die beginnenden Hügel möglich ist, und auf der Großenbrodener Halbinsel, dem Endstück des Festlandes vor Fehmarn.
Drei große Infrastrukturprojekte benennt Schädlich und beginnt mit dem kleinsten, der 380-kV-Ostseeküstenleitung, die aus zwei Strängen besteht: Ein Erdkabel bringt Windstrom von Fehmarn, ein anderes, größeres über das Baltic-Kabel aus Skandinavien, kommt bei Travemünde aufs Festland. Sie vereinigen sich in Stockelsdorf-Pohnsdorf und führen weiter nach Henstedt-Ulzburg. Da gibt es viel zu tun mit Grundstücksverhandlungen (siehe Kasten nächste Seite). „Mit dem damaligen grünen Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck haben wir verhandeln können, dass Masten auf Antrag auch auf Knicks stehen können“, sagt Schädlich.
Platz für mehr Verkehr
Ein zweites Projekt ist der Ausbau des restlichen Stückes Bundesstraße von Puttgarden nach Heiligenhafen zur A 1. Die Fehmarnsundquerung wird für Autobahn und Bahn als Tunnel abgesenkt – ebenso wie bei der Fehmarnbeltquerung, dort ein dänisches Projekt. Die Schächte für die Tunnelein- und -ausgänge sind Baustellen mit riesigem Flächenbedarf.
Und noch viel mehr für das dritte, das größte Projekt: die Schienenhinterlandanbindung für die Fehmarnbeltquerung! Von den rund 100 km bis Lübeck werden 70 km komplett neu gebaut und mit anderem Verlauf. Nur bei 30 km genügt es, neben das vorhandene ein zweites Gleis zu legen. Der Grund: Es ist ein Teil des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN) für Hochgeschwindigkeitszüge (im Schnitt 160 km/h mit Spitzen bis 200 km/h), zweigleisig und ohne höhengleiche Übergänge. Bei der Streckenplanung spielte auch eine Rolle, dass so wenig wie möglich besiedeltes Gebiet berührt wird, „und da sind dann die Bauern“. Wichtiges Thema: Was wird aus Querungen zu Ackerflächen?
Fast 2.000 ha Ausgleichsfläche sind für die gesamte Bahnanbindung vorgesehen – ohne die genannten Tunnelbaustellen. „Das Projekt wird die Region verändern“, ist sich Holger Schädlich sicher. Einen Zugewinn erhofft er durch einen wirtschaftlichen Aufschwung, auch für die Landwirtschaft. Im Übrigen weiß der Kreisgeschäftsführer: Mehr als die Hälfte der Gesamtbaukosten geht inzwischen in den Umweltschutz – für Gutachten, Ausgleichskäufe, Grünbrücken und Ähnliches.
280 Eigentümer am Moor
Abseits von Straßen, Schienen und Leitungen darf ein anderes Projekt nicht vergessen werden: die Wiedervernässung des Oldenburger Grabens im Rahmen der Niederungsstrategie der Landesregierung. Rund 4.000 ha sind betroffen, davon rund 2.500 ha Moor. Vom Umweltministerium gefördert werden Gutachten für Bodenbeschaffenheit, Flächeneignung oder hydrologische Maßnahmen. Ein zweites Projekt, als EIP-Leuchtturmprojekt vom Landwirtschaftsministerium gefördert, soll die rund 280 betroffenen Eigentümer in einer zu gründenden Gemeinschaft zusammenbringen. Ziel ist, dass durch Ausgleich für jeden die gleichen Pachtpreise gelten sollen. „Das bekommt bundesweit Aufmerksamkeit“, betont Schädlich. „Bisher sind große Vernässungsprojekte nur gelungen, wenn es wenige oder staatliche Eigentümer gab.“
Fläche für das Umspannwerk
Das Anwesen von Christian Ehler im Stockelsdorfer Ortsteil Pohnsdorf grenzt direkt an das große Umspannwerk, Leitungen führen über sein Land, Masten stehen darauf. Im Zuge der Ostseeküstenleitung wird das Umspannwerk jetzt auch noch erweitert. Ehler hat dafür 18 ha an die Energiefirma TenneT verkauft, von dem Erlös konnte er gutes Land im Süden von Lübeck erwerben. „Kreisgeschäftsführer Holger Schädlich hat all die Verträge nachkontrolliert, allein hätten wir das nie geschafft“, betont Christian Ehler. Vor allem die Flächenumschreibung konnte so bei den Behörden beschleunigt werden.