Die Landwirtschaft öffnen, ins Gespräch kommen und das gemeinsame Essen genießen, das ist eines der Ziele der Initiative „Agrill“. Und damit das möglichst agil funktioniert, haben Auszubildende der Firma Krone im Emsland eine mobile Outdoorküche konstruiert.
Und jetzt erst einmal ‘ne Wurst! Lieber ein Steak? Oder eine gegrillte Paprika? Das Lebensmittel ist beinahe egal, Hauptsache, es schmeckt. Mobil versteht sich. Quasi direkt am Acker, bestenfalls als Team. Und wie kommt ein Grill auf einen Feldweg? Richtig, mit einem Trecker. Das dachte sich vor einigen Monaten auch Sönke Hauschild, der für den Bauernverband Schleswig-Holstein mit in der Initiative „Agrill“ tätig ist. Gemeinsam mit den Aktiven von Fokus Fleisch, dem Bundesverband Rind und Schwein sowie dem Verein Land.Schafft.Werte war es nur eine grobe Idee während einer lockeren Gesprächsrunde. Ziel sei es gewesen, Möglichkeiten auszuloten, um Landwirtinnen und Landwirte ins Gespräch mit Verbraucherinnen und Verbrauchern zu bringen, so Ideengeber Hauschild. „Wo geht das besser als in einer geselligen Runde mit frisch Gegrilltem auf dem Teller und einem netten Getränk?“, zeigt er sich überzeugt. Also brauchte es kreative Köpfe, um einen Grill an den Trecker zu bekommen. Und die hat Hauschild bei der Firma Krone in Spelle gefunden.
Fahrbare Outdoor-Küche
Fünf Auszubildende des zweiten Lehrjahrs der Richtung Mechatronik haben sich in der Lehrwerkstatt begeistert ans Werk gemacht und im Grunde eine gesamte Outdoorküche gebastelt. Basis ist ein von der Firma Schickling zur Verfügung gestellter Gasgrill, die Azubis haben für diesen nun nicht nur einen Rahmen mit Treckeraufnahmen gebaut, sondern ihre Aufgabe mehr als ernst genommen: Zusätzlich haben Louis Woltring, Bastian Gebken, Henning Rass, Lasse Többen und Moritz Oechtering auch noch Ausschnitte hinzugefügt für eine Kühlbox, eine Spüle aus einem gebrauchten Druckluftkessel mit einem Hydraulikrohr als Wasserhahn – und viel raffinierte Elektrik. Die jungen Männer hatten „elektrifizierte“ Pläne, dafür brauchte es zahlreiche Steckdosen, die wurden geschickt unterhalb der Platte des Grills versteckt. Alles musste abgesichert werden, denn Heckscheinwerfer und Rundumleuchten sollen „auf der Straße“ für Sicherheit sorgen – na ja, und für spaßige Beleuchtung, gibt einer der Azubis, Bastian Gebken, zu.
Das junge Team hatte viele Einfälle, unter anderem für verschiedene Terminals, die mit Werbevideos bespielt werden können. Ein Werkzeugwagen wurde außerdem umfunktioniert zu Schubladen für Grillbesteck. Auch zur Wasserversorgung haben sich die Mechatroniker Gedanken gemacht. Louis Woltring erklärt: „Wir schweißen ein Schwerlastregal an, dann können wir die Wasserbehälter für Frisch- und Brauchwasser darauf befestigen, außerdem die Gasflaschen für den Grill.“ Künftig kann die fahrbare Küche an jedem erdenklichen Ort aufgestellt und angeheizt werden und für gemütliche Stimmung sorgen.
Die Firma Krone hat keine Vorgaben zu Maßen gemacht, die Azubis haben sich mit Unterstützung ihres Ausbilders Lukas Morkötter alles selbst erarbeitet. Mit Erfolg: „Jetzt ist es quasi eine fahrbare Outdoorküche, sie sollte stabil und massiv werden und urig aussehen, mit einer sauberen Oberfläche von oben, deshalb haben wir alles bündig eingelassen“, begründet Bastian Gebken. Und der letzte Kick kommt von einer Drehscheibe der ganz besonderen Art: Die ist nämlich eigentlich ein Teil des Gebisses eines Häckslers, bald wird auf ihr aber Grillgut vom Outdoor-Grill zu Hungrigen herübergereicht. So zumindest der Plan, den Auszubildender Woltring erläutert.
Dafür musste in der Lehrwerkstatt ordentlich gewerkelt werden. Nach der Konstruktion auf dem Papier, genauen Überlegungen zu Materialien und Maßen ging es dann auch schnell in die Praxis: Bohren, Schweißen, Metallbearbeitung, Schrauben, Schleifen, es gab viel zu tun. Insgesamt brauchten die jungen Männer drei Wochen. Den ersten öffentlichen Auftritt hatte ihr Werk auf der Messe EuroTier in Hannover – und der ist extrem gut angekommen. Angrillen? Läuft!
Wer baut den besten?
Wie Hauschild verrät, gibt es auch noch eine weiterführende Projektidee: Es werden jetzt alle aufgerufen, einen eigenen Trecker-Grill zu konstruieren, der Wettbewerb soll im kommenden Jahr bei der Agritechnica seinen Höhepunkt finden. Dann wird der Sieger oder die Siegerin und somit die beste mobile Landtechnik-Grillmöglichkeit gekürt.
Was aus dem „Agrill“ schon allein in diesem Jahr geworden ist, stimmt Hauschild sehr zuversichtlich für das kommende Jahr. „Anfangs haben wir nur an Auftaktveranstaltungen gedacht; es ist viel mehr daraus geworden“, freut er sich. Allein auf den Social-Media-Kanälen habe man 2,5 Millionen Menschen erreichen können. Zusätzlich hätten sich Unternehmen an Wettbewerben mit Gewürzsets, Sonderaktionen für Grillzubehör und Fleischpaketen beteiligt. Ein Unternehmen habe seine Wurst sogar mit dem „Agrill“-Logo versehen, ein weiteres in der „Bild“-Zeitung eine Anzeige geschaltet. „Neben kleineren Geldzuwendungen haben wir diese Events mit unserem Medienkit (Schürzen, Beachflags, Fahnen, Flyer mit deren Logos, Bierdeckel und Aufkleber) unterstützt. Was als zartes Pflänzchen begann, soll weitergedeihen.“
Es gehe ja beim „Agrill“ nicht stumpf darum, einfach nur mehr Fleisch zu verkaufen. „Wir wollen, dass man am Grill ins Gespräch findet. Quasi am Lagerfeuer, ganz ursprünglich, ohne großes Hindernis. Man muss dafür nicht viel über Landwirtschaft wissen oder gar Landwirtschaftsexperte sein, alle können sich unterhalten“, beschreibt Hauschild. Er weiß, dass viele Menschen noch die Trecker-Demos vor Augen haben, die zahlreichen großen Maschinen, die aus Protest zu Beginn dieses Jahres Kreuzungen oder Autobahnauffahrten blockierten, vor Landtagsgebäuden oder Rathäusern parkten und zu Lichterfahrten aufbrachen.
Die Landwirtschaft hält zusammen – und es muss ja längst nicht immer eine Demo sein. Die Kraft der Landwirtinnen und Landwirte und die der Maschinen lassen sich ebenso nutzen für tolle Feste, für Veranstaltungen zur Ernte oder in Dörfern. „Mein Wunsch ist, dass es sich verselbstständigt. Dass Bauern einladen, ihre Höfe öffnen, ihre Nachbarschaften motivieren, ihre Arbeit zeigen. Und nebenbei wird eben gemeinsam gegrillt und gegessen und geschnackt. So findet die Gesellschaft zusammen“, so Hauschild.
Übrigens hat Hauschild noch einen Zukunftstraum, der wunderbar ins „Agrill“-Konzept passt – nur vielleicht etwas rockiger: „Die Initiative Tierwohl feiert im kommenden Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Wir denken gemeinsam darüber nach, auf dem Wacken Open Air aktiv zu werden und die Fans vor Ort mit Tierwohl-Grillgut zu versorgen. Vielleicht kommt dabei sogar ein solcher Grill zum Einsatz.“ Na, wenn das keine guten Aussichten sind.
Ein Video vom „Angrillen“ mit dem Krone-Grill im Internet: https://t1p.de/sp0hr
Agrill
Das Wort „Agrill“ setzt sich zusammen aus „April“ und „Grill“. Es ist ein Kampagnenmonat, der vom Bauernverband Schleswig-Holstein, dem Bundesverband Rind und Schwein, der Initiative fokusfleisch sowie Land.Schafft.Werte ins Leben gerufen wurde, um auf achtsamen Genuss, Gemeinsamkeit und Gastfreundschaft aufmerksam zu machen. Lebensmittel sollen mit Freude betrachtet werden, statt in einen Wettstreit zu geraten. Dafür wurde der Hashtag #gemeinsamgenießen gefunden. Die Verbreitung dieser Idee soll vor allem über Social Media erfolgen und so den Effekt einer Graswurzelbewegung auslösen. Mitmachen können natürlich nicht nur landwirtschaftliche Betriebe, sondern gern auch Sportvereine, Feuerwehren, Nachbarschaften, Heimatvereine …