Start Blog Seite 72

Beizstrategie kulturspezifisch wählen

0

Über das Saatkorn können Pilzkrankheiten übertragen werden, welche hohe Ertragsverluste verursachen. Auch bodenbürtige Erreger können Keimlinge oder junge Getreidepflanzen stark beeinträchtigen. Um diese Verluste zu vermeiden, sind Saatguthygiene und ausreichender Beizschutz unverzichtbar.

Innerhalb der Wintergetreidekulturen sind unterschiedliche Krankheiten von Bedeutung. Aus diesem Grund unterscheiden sich auch die Kontrollstrategien.

Brandpilze und samenbürtige Krankheiten

Brände haben das höchste Schädigungspotenzial der am Saatkorn lokalisierten Krankheiten. Wichtigste Vertreter sind der Flugbrand in Gerste und Weizen, der Steinbrand in Weizen, Triticale und Dinkel sowie der Stängelbrand im Roggen und der Triticale.

Flugbrand hat insbesondere in der Gerste (Gerstenflugbrand) eine hohe Bedeutung. Die Krankheit bleibt in der infizierten Pflanze zunächst symptomlos. Mit dem Ährenschieben treten statt Kornanlagen schwarze Brand-Sporenlager auf. Die Sporen verbreiten sich windbürtig, gelangen in die Blütenanlagen gesunder Pflanzen und bilden in den dort ausprägenden Getreidekörnern Pilzmycel. Häufige Niederschläge während der Gerstenblüte fördern den Befall.

Da sich das Mycel im Saatkorn befindet, ist eine Kontrolle besonders schwierig. Der Steinbrand bildet ebenfalls Sporenlager (Brandbutten) an den Ährenanlagen aus, wobei diese aus der zunächst intakten Kornhülle herausbrechen. Mit dem Erntegut werden die Sporen über die Körner verteilt, haften dann am Saatkorn und infizieren als Mycel den Keimling.

Auch im Weizen kann der Flugbrand auftreten, wobei dieser Pilz (Weizenflugbrand) auf den Weizen spezialisiert ist. Der Infektionsweg und die Anforderungen an die Beize sind identisch. Allerdings ist die Verbreitung in der Praxis und damit die Infektionsgefahr geringer.

Steinbrand haltiges Erntegut fällt durch einen starken Geruch auf und erschwert die Vermarktung. Der Stängelbrand verbreitet sich ähnlich. Allerdings werden oftmals keine Ähren ausgebildet, und die Brandsporenlager bilden sich an den Blattscheiden. Auch ist nach Starkbefall eine bodenbürtige Infektion möglich.

Neben den Bränden können in Form von Pilzmycel Fusarium-Arten, Schneeschimmel und in der Gerste die Streifenkrankheit am Saatkorn haften. Die Streifenkrankheit bildet Sporenlager auf den Blättern, die durch streifenförmige Nekrosen begleitet werden. Die Entwicklung der Ähre bleibt oft aus. Die Sporen verbreiten sich mit dem Wind und überdauern am gesunden Saatkorn.

Schneeschimmel, Fusarium und Typhula

Mycel der Fusarium-Arten und des Schneeschimmels können am Saatkorn haften oder aber nach der Saat über Strohreste auf die junge Getreidepflanze übergehen. Liegt Schneeschimmelbefall am Saatkorn vor, treten korkenzieherartig verdrehte Keimpflanzen auf. Bodenbürtiger Befall wird durch rotgefärbte Pflanzen häufig nach langer Schneebedeckung sichtbar, in dessen Folge viele Pflanzen absterben.

In der Wintergerste hat die Typhula-Fäule eine hohe Bedeutung. Im Boden überdauernde Sklerotien infizieren in dichten Beständen unter langanhaltend feuchten Bedingungen im Herbst/Winter die jungen Gerstenpflanzen. Diese sterben nesterweise ab, wobei auf dem abgestorbenen Pflanzenmaterial rotbraune Sklerotien sichtbar werden.

Schwarzbeinigkeit im Blick halten

Besonders der Winterweizen ist anfällig für die Schwarzbeinigkeit. Ausgehend von Stoppelresten werden Wurzel und Halmbasis befallen. In der Milchreife des Getreides fallen diese durch Weißährigkeit, Vermorschung der Halmbasis und Schwarzfärbung der Wurzel auf. Warme und feuchte Witterung im Herbst und Winter fördert diese Krankheit stark. Auch sind leichtere Böden mit hohem Getreideanteil in der Fruchtfolge häufiger betroffen. Auf zuvor befallenen Flächen erhöht sich das Risiko.

Elektronenbehandlung und weitere Alternativen

Die Elektronenbehandlung hat im Getreide als Methode zur Kontrolle von samenbürtigen Erregern eine große Bedeutung erlangt. Durch Beschuss der Getreidekörner mit niederenergetischen Elektronen werden Pilzmycel und Sporen am Saatkorn und in der Samenschale abgetötet. Steinbrand, Stängelbrand, Streifenkrankheit sowie Befall von Schneeschimmel und Fusarium-Arten am Saatkorn werden sicher erfasst.

Diese Krankheiten können daher ohne den Einsatz chemischer Wirkstoffe kontrolliert werden. Auch ist häufig ein schnelleres Auflaufverhalten im Vergleich zu chemisch gebeizten Saatkörnern zu beobachten. Die Wirkungsweise des Verfahrens schränkt jedoch das Behandlungsspektrum ein. Flugbrand kann nicht bekämpft werden, da das Pilzmycel im Saatkorn enthalten ist. Auch vor bodenbürtigem Befall kann dieses Verfahren nicht schützen. Gerade in der Wintergerste sind diese Einschränkungen problematisch.

Weitere Alternativen stellen die Bakterienpräparate Cedomon und Cerall sowie das aus Pflanzenmehlen bestehende Produkt Tillecur dar. Diese können ebenfalls in erster Linie Krankheiten an der Samenschale kontrollieren, wobei das Produkt Tillecur speziell gegen Steinbrand eine gute Wirksamkeit erzielt.

Die Wintergerste ist für die Typhula-Fäule besonders anfällig. In üppigen Gerstenbeständen und bei langanhaltend feucht-kühler Witterung im Herbst keimen Sklerotien im Boden und infizieren die Gerstenpflanze. In der Folge können die befallenen Pflanzen absterben. Ein Schutz ist nur mit breit wirksamen Beizpräparaten möglich.

Auswahl chemischer Produkte

Oftmals wird bereits durch den Vermehrer eine chemische Standardbeize vorgegeben. Dennoch ist eine Kontrolle vorab bei der Saatgutbestellung sinnvoll. Gegen aktuelle samen- und bodenbürtige Krankheiten bieten die Produkte Vibrance Trio und Rubin Plus den umfangreichsten Schutz. Diese sind aufgrund ihrer sehr guten Flugbrandwirkung sowie der Indikation auf Thypula-Fäule vor allem in der Wintergerste die erste Wahl. In den weiteren Wintergetreidekulturen stellen die Präparate Landor CT oder Seedron vergleichbare Alternativen dar.

Zur Kontrolle der Schwarzbeinigkeit sind spezielle Produkte notwendig, welche den Wirkstoff Silthiofam (Produkte: Latitude, Latitude XL, Latifam) enthalten. Empfehlenswert sind diese Zusatzbeizen unter den beschriebenen Risikofaktoren insbesondere im Winterweizen.

Systiva ist eine neue Carboxamid-haltige Zusatzbeize gegen Blattkrankheiten. Anhand der Indikationen ist diese Beize besonders in der Wintergerste von Interesse. Da keine aktuellen Versuchsergebnisse über den Zusatznutzen der Beize vorliegen, ist eine Beurteilung derzeit nicht möglich. Auch sind zusätzliche Resistenzgefahren zu berücksichtigen.

Weiterhin ist mit dem Produkt Signal 300 ES im Winterweizen und der Wintergerste auch eine insektizide Beize speziell gegen Drahtwurm und Getreidebrachfliege zugelassen.

Saatstärke durch chemische Beizung eingeschränkt

Für alle chemischen Beizpräparate sind in der Zulassung neben einer maximalen Aufwandmenge je Dezitonne Saatgut nun auch maximale Aufwandmengen je Hektar vorgegeben. Dies führt flächenbezogen zu maximal zulässigen Saatgutmengen, welche zwischen den Produkten und zusätzlich den Kulturen differieren. Wird beispielsweise das Produkt Rubin Plus mit der maximalen Aufwandmenge von 150 ml/dt Saatgut gebeizt, dürfen im Winterweizen maximal 240 kg/ha, in der Wintergerste 210 kg/ha sowie im Winterroggen und der Wintertriticale 160 kg/ha ausgesät werden.

Weitere für den Anwender wichtige Auflagen (NH677, NH678, NH679, NH680) geben vor, dass kein gebeiztes Saatgut an der Bodenoberfläche verbleiben oder in Gewässer gelangen darf.

Des Weiteren ist speziell beim Produkt Signal 300 ES eine Wind-Auflage (NH 681) zu beachten, welche eine Aussaat bei Windgeschwindigkeiten über 5 m/s verbietet.

Hier finden sich die entsprechenden Übersichtstabellen zu den Beizmitteln und Indikationen in Wintergetreide – zugelassene und empfohlene Aufwandmengen (ml/dt): https://t1p.de/7fdor

Fazit

Mit dem Saatkorn übertragene und bodenbürtige Krankheiten haben weiterhin eine sehr hohe Bedeutung, insbesondere Brandpilze. Saatguthygiene und Beizverfahren sind daher zentrale Faktoren der Krankheitskontrolle. Die Elektronenbehandlung erfasst Krankheiten am Saatkorn und in der Samenschale, jedoch keinen Flugbrand und keine bodenbürtigen Krankheiten. Daher ist das Verfahren besonders in der Wintergerste eingeschränkt geeignet. Hier sollten aufgrund der hohen Wirkungsbreite die chemischen Präparate Vibrance Trio oder Rubin Plus den Vorzug erhalten. Diese Produkte stellen aktuell auch die Standardbeizen im Wintergetreide dar. Im Winterweizen muss auf Risikoflächen der Schwarzbeinigkeit eine zusätzliche Beizung Silthiofam haltiger Produkte in Betracht gezogen werden. In den Anwendungsbestimmungen chemischer Präparate sind die Aufwandmengen flächenbezogen reglementiert, sodass die Saatstärken (160 bis 250 kg/ha) kultur- und produktspezifisch eingeschränkt sind.

Börsen-Crash und Agrarmärkte – wie gehört das zusammen?

0

Anfang des Monats kam es an den Aktienmärkten weltweit zu einem regelrechten Börsen-Crash. Besonders heftig erwischte es Japan. Dort verlor der japanische Leitindex Nikkei rund zwölf Prozent und durchlitt damit den schlimmsten Börsenhandelstag seit 35 Jahren. Doch auch in Deutschland und den USA kam es zu einem regelrechten Kursrutsch. Für diesen Absturz gibt es mehrere Gründe: zum Einen verbreitete sich an den US-Finanzmärkten die Angst, die US-Zentralbank FED hätte den Leitzins zu lange hochgehalten und die US-Wirtschaft damit in eine Rezession gestürzt. Denn zu Monatsanfang hatte die FED den Leitzins immer noch bei 5,0 – 5,25 % belassen. Diese Angst wurde dann noch von einem Arbeitsmarktbericht befeuert, der die Arbeitslosenzahlen in den USA überraschend deutlich nach oben korrigierte.

Anleger sichern sich Kursgewinne

Diese angespannte Situation in den USA gepaart mit der schwächelnden Konjunktur in Europa hat viele Anleger dazu bewogen, ihre Aktien jetzt zu verkaufen, um sich die Kursgewinne der vergangenen Monate zu sichern. Ein weiterer Grund sind die Tech-Aktien. Sie waren aufgrund des Hypes um die Künstliche Intelligenz regelrecht durch die Decke gegangen. Hauptsächlich getrieben von den sogenannten „Glorreichen Sieben“: Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Microsoft, Tesla und dem Chip-Produzenten Nvidia. Diese Luft entweicht nun aus der IT-Blase. Verstärkt wird der Drang der Anleger zur Risikoverminderung auch durch die Spannungen mit unklarem Ausgang zwischen Israel und dem Iran. Die Folgen eines solchen Krieges wären für die Märkte unabsehbar.

„Carry-Trade“ wird zum Problem

Die japanischen Aktienmärkte leiden besonders unter dem Börsen-Crash, weil die japanische Wirtschaft stark exportorientiert ist und somit unter dem starken Yen im Vergleich zu einem schwachen US-Dollar besonders leidet. Zudem hat die japanische Zentralbank den Leitzins angehoben und somit ist auch der Kurs des Yen deutlich gestiegen. Nun wird ein bei Investoren beliebter, bisher lukrativer Deal zum Bumerang: der sogenannte Carry-Trade. Dabei leihen sich Investoren billig Geld in Japan, um es dann im Ausland anzulegen. Dieser Deal geht solange gut, wie die Renditen im Ausland höher sind, als die in Japan zu zahlenden Zinsen. Doch genau dieser Plan geht durch die Zinserhöhung in Japan nun nicht mehr auf und viele Investoren benötigen nun Liquidität um solche riskanten Positionen zu schließen.

Was bedeutet das für die Agrarmärkte?

Für die US-Rekordweizenernte erhöht ein schwacher Dollar erst einmal die Exportchancen und wirkt sich in den USA also preisstützend aus. Für den europäischen Getreidemarkt ist das Gegenteil der Fall, es verschlechtert die Position für europäisches Getreide auf dem Weltmarkt. Ein Funken Hoffnung auf höhere Getreidepreise in Europa gibt es aber noch: Die Investmentfonds ziehen durch die oben angeführten Gründe ihr Kapital aus den Märkten und somit auch aus den Rohstoffmärkten ab. Die Agrarmärkte gehören auch zu den Rohstoffmärkten, die Fonds im Agrarbereich sind aber alle „short“. Das heißt sie haben umfangreiche Leerverkäufe getätigt. Leerverkäufe sind Verkäufe von Gütern, die der Verkäufer gar nicht hat. Anders gesagt: es sind Wetten auf fallende Kurse. Wenn sie nun ihr Engagement reduzieren wollen, müssen sie umfangreiche Deckungskäufe tätigen. Dies würde die hiesigen Kurse stützen.

Änderungen für Gesellschaftsjagden ab Januar

0

Mit der Änderung des Landesjagdgesetzes Ende Januar wurde ein für Gesellschaftsjagden auf Schalenwild verpflichtender Schießübungsnachweis eingeführt, der zum Zeitpunkt der Jagd nicht älter als ein Jahr sein darf. Die am 2. August in Kraft getretene Verordnung regelt nun die konkreten Anforderungen an die Jägerinnen und Jäger in Schleswig-Holstein, die den Nachweis erbringen müssen.

„Diese neue Regelung dient dem Tierschutz und der Sicherheit bei Gesellschaftsjagden“, sagt Forst- und Jagdstaatssekretärin Anne Benett-Sturies. „Gerade bei diesen Jagden sind die Anforderungen in Bezug auf die Schießfertigkeit sehr hoch. Um unsere Jägerinnen und Jäger im Land zu unterstützen, haben wir ein Nachweisheft aufgelegt, welches den Schießständen im Land zeitnah zur Verfügung gestellt und dort kostenlos ausgehändigt wird.“

Die Nachweishefte können zudem auf der Homepage des Ministeriums für Landwirtschaft, ländliche Räume und Verbraucherschutz (MLLEV) heruntergeladen werden. Grundsätzlich wird aber auch jeder andere Nachweis, der bescheinigt, dass die Anforderungen gemäß § 2 der Landesverordnung erfüllt wurden und mit einem Stempel des Schießstandes, Datum sowie Namen und Unterschrift der Standaufsicht versehen ist, anerkannt. Der Nachweis über die vollständige Teilnahme an einer Kreis-, Landes- oder Bundesmeisterschaft im jagdlichen Schießen sowie Nachweise aus Bundesländern, die auf einer jeweils gesetzlichen Grundlage erbracht wurden, gelten ebenfalls als gleichwertig.

Bundesweiter Videowettbewerb

0

Zwei Jahrgänge der Forstwirtauszubildenden an der Lehranstalt für Forstwirtschaft (LAF) in Bad Segeberg haben am Videowettbewerb der Gesellschaft für forstliche Arbeitswissenschaft (Geffa) zum Thema „Sichere Waldarbeit im Klimawandel“ teilgenommen. Die Klasse Fowi 2022 holte bei der Preisverleihung den ersten Preis mit nach Schleswig-Holstein.

Nicht ganz freiwillig und mit geringen Erwartungen war die Klasse mit den Arbeiten am Videobeitrag gestartet. Sie hatte Sorge, dass professionelle Filmemacher teilnehmen und ihnen nachher nur viel Arbeit und wenig Brot bleiben. Es ist dann anders gekommen.

Anfang Mai kam die Klasse für ihren Zwischenprüfungsblock an die LAF nach Bad Segeberg. Am Ende des gut fünfwöchigen Blocks standen die Zwischenprüfungen für die 14 angehenden Forstwirte auf dem Plan. Zusätzlich galt es, die Schülerzeitung für die neuen Auszubildenden zu gestalten und sich praktisch und theoretisch auf die Prüfungen vorzubereiten. Die Klasse hatte also genug zu tun und brauchte nicht noch ein weiteres Projekt mit ungewissem Ausgang. Doch nach anfänglicher Zurückhaltung überlegte sie, was sie für das Thema benötigt und wie es sich in einem maximal zweiminütigen Videobeitrag darstellen lässt.

Herausgekommen ist ein Beitrag, der sich auf den Seiten des Kuratoriums für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF) und Geffa-Stiftung (https://kwf2020.kwf-online.de/geffa-videowettbewerb/) herunterladen lässt. Bevor es jedoch so weit war, musste vieles überlegt und in der Gruppe überdacht werden. Entscheidungen wurden getroffen und viel zeitaufwendige Arbeit in Videoschnitt und Vertonung gesteckt. Es galt, passende Programme zu finden, die günstig oder kostenlos waren, sich in diese einzuarbeiten und dann den eigenen Beitrag immer weiter zu verfeinern. Auf den ersten Blick keine klassische Arbeit für Forstwirtauszubildende, aber die Klasse machte sich mit Unterstützung des Klassenlehrers und der Arbeitslehrer aus der Lehranstalt auf den Weg.

Thema Klimawandel

Es mussten Bestände für die verschiedenen Aufnahmen gefunden und bei passendem Wetter Videos gedreht werden. Beim Thema Klimawandel durften geschädigte Fichtenbestände ebenso nicht fehlen wie totholzreiche Laubholzbestände und urbaner Wald, der die Bedeutung für die Bevölkerung verdeutlicht. Berichtet man über aktuelle Waldbewirtschaftung, dann geht es auch um Großtechnik. Angesichts von Stundensätzen von um die 200 €/h für den Harvester benötigt man auch einiges an diplomatischem Geschick, einen Betrieb für die Videoaufnahmen zu finden. Wer hat schon Lust, mehrere Stunden für Aufnahmen zur Verfügung zu stehen, die im endgültigen Video nur wenige Sekunden ausmachen? Das alles sollte dann nicht etwa im Harz gesucht werden, sondern möglichst im direkten Umfeld der Schule – eine organisatorische Aufgabe, angesichts der begrenzten Zeit mit den weiteren oben genannten Aufgaben. Die Klasse hat es geschafft!

Einladung zur KWF-Tagung

Die gemeinsame Bearbeitung mit 14 Personen stellte eine weitere Herausforderung dar. Jeder hat unterschiedliche Vorstellungen, Temperamente und Fähigkeiten, die es optimal einzusetzen galt. Dabei entstanden zwangsläufig Wartezeiten auf der einen und Hektik auf der anderen Seite, weil etwas wieder länger gedauert hat als geplant oder der Kollege noch drei weitere Versionen testen mochte. Auch zu der Frage, wie man welche Worte verwendet, musste sich die Klasse genau abstimmen, und Einzelne mussten Entscheidungen treffen, die von der ganzen Klasse getragen wurden.

Forstwirte auf dem Weg an den Arbeitsort

Die dann gefundenen Worte galt es zu vertonen. Ein professionelles Tonstudio, das Störgeräusche unterdrückt und klare Sprachaufnahmen liefert, hatte man nicht zur Hand. Glücklicherweise mangelte es nicht an Ideen, und so ließ sich aus verschiedenen Einrichtungsgegenständen der Internatszimmer und einigen Handtüchern und Decken ein Raum schaffen, der einem professionellen Tonstudio recht nahekommt.

Da zeigte sich wieder, dass Forstwirte flexibel und belastbar sind und bei Bedarf über mehr als ausreichende Kreativität verfügen. Das Ergebnis kann sich daher auch hinsichtlich der Tonqualität sehen lassen. Die Kombination aus fachlich verdichteter Information mit tollen bewegten Bildern aus verschiedensten Drohnenflügen sowie der entsprechenden Tonqualität hat dann die unabhängige Jury überzeugt.

Die Aufregung in der Klasse, aber auch in der Schule war entsprechend groß, als knapp eine Woche vor der Preisverleihung der Anruf kam, man sei unter den ersten drei Plätzen. Ob man es schaffen würde, dass die Klasse geschlossen zur KWF-Tagung nach Schwarzenborn kommt? Eine Fahrt an den gut 420 km entfernten Ort in Hessen war ursprünglich nicht geplant, aber dann doch schnell organisiert. Es wurde ein langer Tag mit zwei Kleinbussen, und bis auf einen Auszubildenden konnten alle mitkommen.

Vor der spannenden Preisverleihung am Ende des Messetages hatten alle noch etwas Zeit, sich mit den Neuerungen und aktuellen Themen der Waldarbeit zu beschäftigen. Obwohl vermutlich mit der weitesten Anreise war die Gruppe aus Schleswig-Holstein und Hamburg mit ihren Unterstützern offenkundig die größte bei der Preisverleihung. Als dann für den dritten Preis ein anderer Beitrag genannt wurde und auch der zweite Preis nicht nach Schleswig-Holstein ging, war es mit der nordischen Zurückhaltung vorbei. Der Jubel der Klasse und ihrer Unterstützer donnerte durch das Tagungszelt. Mit diesem Ergebnis hatte keiner gerechnet. Am Ende ging die Klasse auf das Podium und nahm den ersten Preis und das dazugehörige Preisgeld in Empfang.

Klassenfahrt statt Party

Die anfänglichen Überlegungen, das Preisgeld in ein großes Fest mit Gerstensaft und Spanferkel zu investieren, wurde angesichts des tatsächlichen Gewinns verworfen. Mittlerweile plant die Klasse, das Geld für eine fachliche Exkursion oder für die Klassenfahrt nach Schweden zu investieren, und da ist sie dann doch wieder, die nordische Vernunft und Zurückhaltung.

Der neue „RZRobot“

0

Die erste Einführung des bisherigen RZRobot (RZ = Relativzuchtwert) liegt im August zehn Jahre zurück. In dieser Zeit gab es viele Weiterentwicklungen in der Melktechnik, und neue Merkmale wurden eingeführt. Dazu hat der Bundesverband Rind und Schwein (BRS) 2022 eine Umfrage unter Roboterbetrieben durchgeführt und die Frage gestellt: „Wie sollte aus Ihrer Sicht der ideale RZRobot zusammengesetzt sein?“

Die Ergebnisse der Umfrage zeigten, dass sowohl die Einbeziehung weiterer Merkmale, der Austausch von Merkmalen durch andere als auch eine Festlegung von Optimalwerten für einige Merkmale von der Praxis gewünscht war. Diese Anforderungen bildeten die Grundlage für die neue Zusammensetzung des RZRobot. Beim Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung (vit) wurden Testrechnungen für verschiedene Versionen durchgeführt und die Ergebnisse mit einer Arbeitsgruppe aus Vertretern der Verbände und des BRS ausgewertet und diskutiert.

Erfahrungswerte der Landwirte aus der Arbeit mit Kühen und Melkrobotern lieferten wichtige Informationen für die Neubewertung des RZRobot.  

Dabei hat man sich auf die neue Zusammensetzung des RZRobots geeinigt, welche in der Tabelle im Vergleich zur bisherigen Version aufgezeigt ist. Zu erkennen ist, dass RZS (Zellzahl) durch RZEuterfit und Fundament durch Bewegung ersetzt wurde, da diese Merkmale direkter die Anforderungen im Melkroboter abbilden. Außerdem fließen die Merkmale Strichplatzierung vorne als auch Euterbalance zusätzlich in den neuen Index ein.

Weiterhin werden die Merkmale Strichplatzierung hinten, Strichplatzierung vorne, Strichlänge und Euterbalance im neuen RZRobot als Optimalmerkmale behandelt. Dies bedeutet, dass sowohl positive als auch negative Abweichungen vom Optimum gleichermaßen quadratisch „bestraft“ werden. Durch diese Betrachtung konnten die Grenzen, welche für einige Merkmale gelten, etwas lockerer gesetzt werden (zum Beispiel bei Melkbarkeit von 94 auf 90).

Eine weitere Änderung in der Berechnung des RZRobot betrifft die Methodik. Die bisherige lineare Kombination der Merkmale wird durch die Index-Methode ersetzt, welche bereits für andere Indices angewendet wird und die Korrelationen der einzelnen Merkmale berücksichtigt.

Fazit

Welche Auswirkungen haben die beschriebenen Änderungen? Zum einen erhalten durch die etwas weiteren Grenzen nun mehr Bullen einen RZRobot (in Top-250 genomisch: 63 % statt vorher 43 %). Zum anderen ist die Abstufung innerhalb der Bullen mit RZRobot nun besser nachvollziehbar, da die betrachten Merkmale und deren Gewichtung noch mal neu an die aktuellen Herausforderungen beim Melken mit Melkrobotern angepasst wurden.

Im Zuge der Überarbeitung wurde der Blick in die Entwicklungsarbeiten anderer Länder natürlich nicht ausgelassen. In Zukunft sollte unser Ziel sein, die direkten Daten aus den Melkrobotern zu nutzen, um eine genetische Eignung zur Robotertauglichkeit auszuweisen. Das Projekt International Dairy Data Exchange Network (iDDEN) hat dafür das Ziel, diese täglich anfallenden Daten einheitlich und standardisiert auszutauschen. Die ersten Resultate lassen auf eine zukünftige Weiterentwicklung des RZRobot hoffen.

Im Zweitberuf Seuchenmanager

0

2024 wird es nachrichtentechnisch kein Sommerloch geben. Kaum sind die Olympischen Spiele vorbei, herrscht Gnitzenalarm und das Blauzungenvirus (BTV-3) (siehe Seiten 10 bis 13) grassiert unter Rindern, Schafen und Ziegen, ganz abgesehen von Afrikanischer Schweinepest (ASP) und Vogelgrippe. Deutschlands größter landwirtschaftlicher Tierversicherer, die R+V, rechnet bei der anzeigepflichtigen Tierseuche mit Schäden in Millionenhöhe. 2006 wurde die Blauzungenkrankheit erstmals nach Mitteleuropa eingeschleppt. Der Versicherer rechnet mit einem ähnlich schlimmen Ausmaß wie bei dem Seuchenzug von 2007/2008. Damals wurden in Deutschland rund 26.000 infizierte Wiederkäuer registriert, die Dunkelziffer dürfte weit höher gelegen haben. Die Versicherung verzeichnete bei ihren Kunden in der Ertragsschadenversicherung einen Gesamtschaden von 14 Mio. €. Beim aktuellen Seuchenzug werden Schäden in einer vergleichbaren Größenordnung erwartet.

Betrachtet man die weltweite Seuchensituation, zeigt sich, dass Europa sich wahrscheinlich noch auf einiges vorbereiten muss. In der Vergangenheit war die Wahrscheinlichkeit der Krankheitsübertragung und Ausbreitung von Tierseuchen deutlich langsamer, weil natürliche Grenzen oft große Hindernisse darstellten. Mittlerweile beobachtet man häufiger die sprunghafte Ausbreitung einer Tierseuche. Dazu trägt die Klimaveränderung bei, die die Ausbreitung von Überträgern begünstigt. Dazu kommen der zunehmende internationale Handel und Tourismus aufgrund der Globalisierung.

In der Blauzungenkrankheit steckt genug Potenzial, schnell Nachrichten und Informationskanäle der digitalen Medien zu füllen und die Verbraucher zu beunruhigen. Bislang hat sich die Publikumspresse auf die Ausbrüche der Afrikanischen Schweinepest in Hessen und Baden-Württemberg konzentriert. Aber die Verbreitung von BTV-3 geht sehr schnell, solange es warm ist. Die Krankheitsverläufe können dramatisch sein bis hin zu einer hohen Mortalität, gerade bei Schafen. Wichtig ist, dass die Verbraucher aufgeklärt werden, dass Menschen nicht durch das BT-Virus infiziert werden und dass kein Risiko besteht, weder für die öffentliche Gesundheit noch für die Lebensmittelsicherheit.

Die Risiken trägt, so wie es aussieht, die Landwirtschaft. Da es sich bei der Blauzungenkrankheit um eine anzeigepflichtige Tierseuche handelt, leistet die Tierseuchenkasse im Falle einer behördlich angeordneten Tötung der Tiere eine Entschädigung auf Basis des gemeinen Tierwertes. Allerdings gibt es Bundesländer, in denen abweichende Regelungen gelten. Entschädigungsleistungen für Ertragsausfälle werden hingegen nicht gewährt. Der Tierseuchenfonds Schleswig-Holstein gewährt keine Entschädigung für BTV-3 bedingte Tierverluste.

Die Tierhalter unter den Landwirten sind zum Glück im Zweitberuf Seuchenmanager und wissen, wie sie mit solchen Risiken und Situationen umgehen müssen. Wahrscheinlich ist deshalb die Stimmung unter ihnen so besonnen und gefasst. Die aktuelle Seuchenentwicklung zeigt aber auch, dass die Forschungskapazitäten ausgebaut und gut ausgestattet werden müssen, um die Entwicklung von Impfstoffen voranzutreiben. Denn die Risikofaktoren Klima und Globalisierung bleiben. mbw

Empfehlungen zum Herbizideinsatz im Winterraps 2024, Teil 2

0

Der Winterraps als „Gesundungsfrucht“ in einer Fruchtfolge wird seinem Ruf schon lange nicht mehr gerecht. Zu groß sind mittlerweile die pflanzenbaulichen Probleme, und daran haben auch die Ungräser wie Ackerfuchsschwanz, Trespen und Weidelgras ihren Anteil. In der Bekämpfung dieser reicht es auch im Raps nicht mehr aus, sich ausschließlich auf den Einsatz der Herbizide/Graminizide zu fokussieren.

Die gesamte Entwicklung des Rapses (Pflanzenetablierung, Nährstoffversorgung, Bekämpfung des Rapserdflohs und so weiter) spielt auch dabei eine entscheidende Rolle, denn besonders in lückigen Rapsbeständen nimmt die Verungrasung sonst rasant zu.

Kurzer strategischer Überblick

Besonders in den getreidelastigen Fruchtfolgen sollte der Winterraps konsequent zur Bekämpfung der Ungräser genutzt werden. Der erste Schritt ist dabei der Einsatz des Wirkstoffs Metazachlor im Rahmen der Unkrautbekämpfung im Vorauflauf bis maximal frühem Nachauflauf (siehe BB-Artikel Teil 1: www.bauernblatt.com/empfehlungen-zum-herbizideinsatz-im-winterraps-2024-teil-1/).

Je nach Einsatztermin, Aufwandmenge, Bodenfeuchtigkeit und nachfolgenden Niederschlägen kann die Anfangswirkung durchaus in Richtung 80 % gegen einzelne Ungräser gehen. Bodentrockenheit und ausbleibende Niederschläge nach der Applikation reduzieren die Wirkungsgrade umgedreht rapide. Eine Bodenherbizid-Wirkung ist vor allem auf den „Ungras-Problemflächen“ inzwischen von großer Bedeutung, da Produkte aus der Wirkstoffgruppe der FOP (zum Beispiel Agil S, Targa Super und andere) zwar gegen Ausfallgetreide nach wie vor eine „sichere Bank“ sind, aber gegen Ackerfuchsschwanz und zum Teil Weidelgras kaum noch Erfolge erzielen.

Mittlerweile sind auch die Blattherbizide aus der Wirkstoffgruppe der DIM (Cycloxydim und Clethodim) einer zunehmenden Resistenzentwicklung unterworfen, sodass auf einigen Flächen die Schwierigkeit besteht, überhaupt noch den optimalen Einsatztermin für die Propyzamid haltigen Produkte zu erreichen.

Nachfolgende Niederschläge nach der Anwendung Propyzamid haltiger Produkte sind zwingend notwendig, besonders wenn üppiger Raps die Ackerfuchsschwanzpflanzen bedeckt.

Die Problematik der DIM

Auf vielen Rapsflächen werden derzeit ab dem Zwei- bis Dreiblattstadium des Ackerfuchsschwanzes die Wirkstoffe Cycloxydim (Focus Ultra) oder Clethodim (Select 240 EC, VextaDim, Brixton, Juniper Max) eingesetzt. Zeigen auch diese Produkte keine ausreichende Wirkung auf Ackerfuchsschwanz mehr, liegt unter anderem eine Wirkort-Resistenz (Ile1781-Leu Target-Site Resistenz gegen ACCase-Inhibitoren) vor.

Allerdings gibt es Unterschiede zwischen beiden Wirkstoffen. So erwies sich in genetischen Untersuchungen das Clethodim als robuster im Vergleich zum Cycloxydim. Man spricht hier von einer quantitativen Wirkort-Resistenz der DIM, vereinfacht ausgedrückt, es werden von Select 240 EC noch Ackerfuchsschwanz-Pflanzen erfasst, die von Focus Ultra nicht mehr bekämpft werden können.

Dieser Vorteil des Clethodims funktioniert aber nicht unbegrenzt, sondern ist einer dynamischen Entwicklung unterworfen, wo unter anderem Fruchtfolge und damit Einsatzhäufigkeit der Wirkstoffe eine entscheidende Rolle spielen.

Nimmt im Rahmen der weiteren Selektion der Anteil resistenter Individuen gegenüber Clethodim zu, können in dessen Folge die gesamten DIM einem völligen Wirkungsverlust unterworfen sein. Somit muss das Ziel sein, auch die Anwendungshäufigkeit der Produkte aus der Wirkstoffgruppe DIM zu minimieren (also zum Beispiel kein zweimaliger Einsatz Clethodim-haltiger Produkte im Raps in einem Herbst).

Einsatz Propyzamid haltiger Produkte

Vor einigen Jahren wurde in der Praxis noch sehr kontrovers über den generellen Einsatz von Kerb diskutiert, da der gezwungenermaßen späte Einsatztermin doch häufig abschreckend wirkte. Inzwischen steht das „ob“ nicht mehr in Frage, sondern nur noch das „wann“ zum optimalen Spritzzeitpunkt. Schon dies zeigt, wie stark sich die Lage im Bereich der Ungrasbekämpfung inzwischen verschärft hat. Auch die Frage nach der Aufwandmenge (Möglichkeit der Reduzierung) stellt sich nicht mehr, ein möglichst hoher Wirkungsgrad mit dieser einen Anwendung hat die oberste Priorität und bedeutet damit die Spritzung der vollen Aufwandmenge.

Solche großen Ackerfuchsschwanz-Pflanzen haben schon tiefe Wurzeln gebildet, dann kommt Kerb Flo an seine Grenzen.

Hohe Bodenfeuchtigkeit und nachfolgender Regen sind dabei für eine hohe Wirksamkeit zwingend notwendig, da gerade bei frohwüchsigen und dichten Rapsbeständen der Wirkstoff von den Blättern abgefangen wird, dieser aber seine Wirksamkeit nur in der obersten Bodenschicht besitzt. Aus diesem Grund schließen sich der gemeinsame Einsatz vom Propyzamid mit den gegen Rapserdflohlarven wirksamen Cyantraniliprole-haltigen Produkten Minecto Gold und Exirel, die in die Blattstiele des Rapses eindringen müssen, schon durch die unterschiedlichen Anwendungsbedingungen quasi aus.

Erste sichtbare Wirkungssymptome

Ein weiteres Einsatzkriterium für Kerb Flo & Co. ist die Bodentemperatur. Für eine gute Wirkung sind niedrigere Bodentemperaturen (nachhaltig unter 10 °C!) erforderlich. Liegen die Temperaturen deutlich höher, wird der Wirkstoff schneller abgebaut, und der Wirkungsgrad sinkt deutlich. Warmes Herbstwetter bis in den November hinein ist für die Anwendung somit kontraproduktiv und die Ackerfuchsschwanz-Pflanzen entwickeln sich kontinuierlich weiter.

Der gesamte Absterbeprozess dauert sehr lange, auch abhängig von der Pflanzengröße.

Da die Wirkung von Propyzamid in der obersten 3 bis 5 cm Bodenschicht am Stärksten ist, können bei großen bestockten Ackerfuchsschwanz-Pflanzen mit tieferen Wurzeln Probleme in der Bekämpfung auftreten. Somit ist es eine große Herausforderung, einen Anwendungstermin zu finden, der möglichst niedrige Bodentemperaturen und nachfolgenden Niederschlägen für den größtmöglichen Bekämpfungserfolg vereint.

Die sichtbare Wirkung von Propyzamid-Produkten lässt dann mitunter lange auf sich warten. Die ersten Anzeichen sind, dass die Ungraspflanzen nicht mehr weiterwachsen. Der eigentliche Absterbeprozess kann sich aber bis weit ins Frühjahr hinziehen.

Eventuell schlechtere Wirkungsgrade werden besonders oft bei großen, schon bestockten Ungräsern beziehungsweise widrigen Anwendungsbedingungen beobachtet und haben nichts mit eventuell beginnenden Resistenzen gegenüber Kerb Flo & Co. zu tun, sondern sind der oben beschriebenen Wirkungsweise von Propyzamid geschuldet. In diesen Ausnahmefällen kann ein Focus-Ultra-Zusatz blattaktiv unterstützen.

Anwendungsbedingungen ­clethodimhaltiger Produkte:

Temperaturen über 10 °C bei der Anwendung und weitere Vegetation notwendig.

Die Anwendung bis 30. September abschließen, sonst sind Schäden möglich, die zum Teil auch erst im Frühjahr sichtbar werden

Anwendung möglichst solo durchführen (Insektizid-Zusatz ist gegebenenfalls möglich, auf Fungizide sollte verzichtet werden)

Informationen zu der Einsatzstrategie der Gräserherbizide im Belkar Power System finden sich im Artikel Unkrautbekämpfung Teil 1 (Bauernblatt Nr. 31 und online hier: www.bauernblatt.com/empfehlungen-zum-herbizideinsatz-im-winterraps-2024-teil-1/).

Unterschiedliche Wurzelentwicklung, je nach Entwicklung des Ackerfuchsschwanzes. Bestockte Ackerfuchsschwanz-Pflanzen haben häufig schon ein üppiges Wurzelwerk ausgebildet.

Empfehlungen:

FOP

Ausfallgetreide: zum Beispiel 0,6 bis 0,8 l/ha Agil S o. a.

Quecke: zum Beispiel 2,0 l/ha Targa Super

DIM

Ackerfuchsschwanz, Ausfallgetreide:

Cycloxydim

2,5 l/ha Focus Ultra + 1,0 l/ha Dash (Einkeimblättrige Unkräuter, ­ ausgenommen Einjährige Rispe)

Clethodim

0,5 l/ha Select 240 EC + 1,0 l/ha Radiamix (Einkeimblättrige Unkräuter)

0,5 l/ha VextaDim + 0,5 l/ha VexZone (Ausfallgetreide)

0,7-1,0 l/ha Brixton + 0,7-1,0 l/ha Heliosol (Einkeimblättrige Unkräuter)

0,5 l/ha Juniper Max + 0,5 l/ha Connector (Ausfallgetreide)

Achtung: Brixton enthält 180 g/l Clethodim, alle anderen Produkte 240 g/l Wirkstoff).

Propyzamid

1,875 l/ha Kerb Flo/Groove/Setanta Flo (gegen schwer bekämpfbaren ­Ackerfuchsschwanz)

1,25 l/ha Kerb Flo/Groove/Setanta Flo (Ackerfuchsschwanz, Windhalm, Trespen-­Arten, Einjährige Rispe, Vogelmiere)

1,5 l/ha Milestone (+ Wirkstoff Aminopyralid) (wie Kerb Flo + kleine Pflanzen von Kamille, Kornblume, Klatschmohn, Vogelmiere, Ackerstiefmütterchen)


Hier konnte im Herbst/Winter 2023 aufgrund von extremer Nässe weder die Bekämpfung der Wegrauke noch die des Ackerfuchsschwanzes durchgeführt werden.

Fliegenmanagement in der Öko-Schweinehaltung

0

Welche Fliegenarten treten in der Öko-Schweinhaltung auf, welche Auswirkungen haben sie auf die Gesundheit der Schweine und welche Rolle spielt der Einsatz von Nützlingen bei der Fliegenbekämpfung? Diese und andere Fragen wurden kürzlich in einer Online-Veranstaltung des Naturland-Verbands zum Thema „Fliegenmanagement in der Öko-Schweinehaltung“ thematisiert.

Durch das Programm führte Martina Kozel von der Naturland-Beratung für Schweinehaltung. Im ersten Teil der Veranstaltung mit Elisabeth Hofinger von der QS Tierwohl des Naturland-Verbands wurden die im Stall auftretenden Fliegenarten betrachtet.

Fliegen lösen Stress bei den Tieren aus, können die Leistung der Schweine senken, Kannibalismus auslösen und außerdem Krankheiten übertragen. Die Teilnehmer der Naturland Online-Veranstaltung lernten, dass es Fliegen mit leckend-saugenden und mit stechend-saugenden Mundwerkzeugen gibt. Es wurde dargestellt, dass die bedeutendsten Fliegen im Schweinestall die Große Stubenfliege (Musca domestica) und der Wadenstecher (Stomoxys calcitrans) sind. Im Stall finden die Fliegen Nahrung und Brutplätze, denn sie ernähren sich unter anderem von organischen Substanzen oder als Parasit.

Verschiedene Fliegenarten im Stall

Die Große Stubenfliege hat als adulte Fliege eine Lebensdauer von 14 bis 28 Tagen und kann bis zu 2.000 Eier legen. Die Eier befinden sich hauptsächlich in der Einstreu oder der Schwimmschicht der Gülle und benötigen, ebenso wie die Larven, Feuchtigkeit. Anschaulich wurde dargestellt, dass die adulten Fliegen nur 20 % der gesamten Fliegenpopulation im Stall ausmachen, 80 % sind dagegen Jungstadien (Eier, Larven, Puppen). Über ihre Ausscheidungen kann die Große Stubenfliege ernsthafte Krankheiten wie Salmonellose und Maul- und Klauenseuche übertragen. Die Erreger nimmt sie leckend-saugend mit ihrer Nahrung auf, beispielsweise Schweiß, Kot, eiternde Wunden oder Aas.

Das Weibchen des Wadenstechers legt 600 bis 800 Eier in Tierkot (zum Beispiel in Misthaufen) ab, wo auch die Larven- und Puppenstadien überwintern können. Diese Fliegenart kann Bakterien oder andere Erreger wie das anzeigepflichtige EIA-Virus (equine infektiöse Anämie) übertragen. Die Übertragung erfolgt von Tier zu Tier über Erreger im Saugrüssel durch Blutsaugen.

Abschließend wurde erläutert, dass Fliegen ein Anzeiger für mangelnde Hygiene in der Tierhaltung sind. Daher sollten Entwässerungsrinnen mindestens wöchentlich durchgespült werden, der Hochdruckreiniger regelmäßig zum Einsatz kommen und außerdem das Schweinefutter einmal am Tag leer gefressen werden, um die Fliegen in ihrer Entwicklung zu hindern.

In diesem Stall wurde ein konsequentes Fliegenmanagement betrieben. Foto: Isa-Maria Kuhn

Bekämpfung mit nützlichen Insekten

Im zweiten Teil der Online-Veranstaltung informierte Stefanie Thudium von der biofa GmbH über die Bekämpfung von Stallfliegen mithilfe von nützlichen Insekten. Zunächst wurde der Einsatz von Schlupfwespen (Muscidifurax spp.) zur Bekämpfung von Fliegen im Festmist thematisiert. Die Schlupfwespe legt ihre Eier in die Fliegenpuppe, wobei ein Weibchen etwa 300 Eier ablegen kann. Die sich entwickelnden Schlupfwespenlarven ernähren sich von der Fliegenlarve und fressen diese auf. Nach etwa drei Wochen schlüpft die nächste Generation Schlupfwespen aus der Fliegenpuppe. Je wärmer es ist, desto schneller ist diese Entwicklung.

Schlupfwespen sind sehr klein, beeinträchtigen die Tiere im Stall nicht und sind für den Menschen nahezu unsichtbar, da sie in trockener Einstreu leben und nicht auffliegen. Da sie im Winter aussterben, müssen Schlupfwespen jedes Jahr neu angesiedelt werden, wofür mindestens 17 °C Umgebungstemperatur notwendig sind.

Die Züchtung von Nützlingen findet unter Laborbedingungen statt. Die Lieferung der Schlupfwespen an den landwirtschaftlichen Betrieb erfolgt in parasitierten Fliegenpuppen, welche dann in der Einstreu (Festmist) verteilt werden. Die Teilnehmer der Veranstaltung erfuhren, dass mindestens fünf Lieferungen im Abstand von zwei Wochen notwendig sind, um eine effektive Ansiedelung der Schlupfwespe im Stall zu erreichen. Dabei ist zu beachten, dass Schlupfwespen keine Zugluft oder Nässe mögen und vor Vögeln geschützt sein sollten.

Für die Bekämpfung von Fliegen im Güllebereich können Güllefliegen (Ophyra aenescens) als Nützlinge eingesetzt werden, welche die Stallfliegen auf der Schwimmschicht der Gülle bekämpfen. Ein Güllefliegenweibchen legt bis zu 600 Eier im Güllekeller auf der Schwimmschicht ab. Dort entwickelt sich die Güllefliegenlarve und bleibt auch als adultes Tier an diesem Ort. Menschen oder Nutztiere werden durch sie somit nicht belästigt. Im dritten Larvenstadium fressen die Larven der Güllefliegen die Larven der Stallfliegen auf.

Die Lieferung der Güllefliegen an den landwirtschaftlichen Betrieb erfolgt im Puppenstadium. Zur Ansiedelung sollten ebenfalls mehrere Aussetzungen der Puppen erfolgen. Vorab sollte einige Wochen der Güllekeller nicht geleert werden und eine stabile Schwimmschicht vorhanden sein. Zu beachten ist auch, dass der vorherige Einsatz von Antiparasitika bei den Nutztieren die Ansiedlung der Güllefliege beeinträchtigen kann. Nach Leerung des Güllekellers sollte außerdem stets eine Auffrischung des Güllefliegenbestands erfolgen.

Sonstige Maßnahmen zur Bekämpfung

Erwachsene Stallfliegen sind dagegen nur mit Fliegenfallen bekämpfbar. Bei Klebefallen sollte beachtet werden, dass auch Vögel oder Fledermäuse hierdurch beeinträchtigt und gefährdet werden können. Diese Tierarten können wiederum mit zur Fliegenbekämpfung im Stall beitragen.

Als ergänzende hygienische Maßnahmen gegen Fliegen im Stall wurden regelmäßiges Ausmisten, sorgfältiges Säubern sowie das Misthaufen umsetzen genannt, denn die Stallfliegen vermehren sich besonders stark und meist ungestört in Misthaufen und offenen Güllebehältern.

Weitere interessante Veranstaltungen zum Ökologischen Landbau sind im Terminkalender des Netzwerks Ökolandbau Schleswig-Holstein zu finden www.oekolandbau-sh.net/aktuelles/termine

Fazit

In der Naturland Online-Veranstaltung konnte für die biologische Fliegenbekämpfung in der Öko-Schweinehaltung folgendes festgehalten werden:

Nützlinge können den Fliegenbesatz im Stall deutlich reduzieren.

Sie sollten möglichst früh im Jahr eingesetzt werden, damit sie die jüngeren Entwicklungsstadien der Stallfliegen bekämpfen können.

Wenn Gülle und eine Schwimmschicht vorhanden sind, sollte die Güllefliege eingesetzt werden. Ideal ist auch eine Kombination aus Schlupfwespen und Güllefliegen.

Die Vorteile der biologischen Fliegenbekämpfung liegen in der einfachen und wenig aufwendigen Anwendung sowie der Ungefährlichkeit für Mensch und Tier.

Das Interesse an Impfungen ist groß

0

Durch den Ausbruch der Blauzungenkrankheit in Schleswig-Holstein sind Rinder- wie Schafhalter alarmiert. Zuchtauktionen finden weiter statt unter den gegebenen Vorsichtsmaßnahmen. Die Zuchtverbände appellieren für eine Impfung.

Rinderbetriebe und Schafhalter kommen der Empfehlung zur Impfung gegen die Infektion mit dem Blauzungenvirus ­(BTV-3) nach, das bestätigen Dr. Heiner Kahle, Geschäftsführung Rinderzucht Schleswig-Holstein (RSH) und Janine Bruser, Geschäftsführung Landesverband Schleswig-Holsteinischer Schaf- und Ziegenzüchter. Groß sei das Interesse bei den Milchviehbetrieben, so Kahle.

Der Ausbruch von BTV-3 mitten in der Erntezeit habe die Betriebe vor besondere Herausforderungen gestellt und sorge für zusätzliches Arbeitsaufkommen, durch Untersuchungen und Impfungen, erläuterte Kahle. Die RSH empfiehlt Tierhaltern, ihre Bestände durch den regelmäßigen Einsatz von Repellentien (Mittel zur Abwehr von Insekten) vor den Virusübertragenden Gnitzen zu schützen und Gebläse einzusetzen, um die Insekten abzuwehren.

Fragen stellten sich Anfangs zur Verbringung von Tieren. Bis vorigen Freitag konnten Tiere aus Schleswig-Holstein noch verbracht werden in Regionen, die ebenfalls von Blauzungeninfektionen frei waren. Das verschaffte zumindest einen geringen Wettbewerbsvorteil, der jetzt aufgehoben ist. Sollen nun Tiere verbracht werden in infektionsfreie Gebiete, wird zuvor ein Virustest benötigt.

Für das Auktionsgeschehen sieht Kahle keine Auswirkungen. Die Auktionen der RSH werden wie angekündigt stattfinden. Die Verbringung der Tiere erfolgt auf Basis von Blutuntersuchungen, die das Landeslabor durchführt. Dafür muss ein Tag einkalkuliert werden, bis die Ergebnisse vorliegen. Die Kosten übernimmt der Beschicker, also der Landwirt. Die Handhabung der Untersuchungen, wie Zeitpunkte und Logistik, werde sich schnell einspielen, so Kahle gegenüber dem Bauernblatt.

Auch der Husumer Schafmarkt, die traditionelle Bockauktion, wird in der kommenden Woche vom 21. bis 24. August stattfinden, betonte die Geschäftsführerin des Landesschafzuchtverbandes. Die Zustimmung des Kreisvertinärs liege vor, ohne spezielle Auflagen, so Bruser.

Kahle wies darauf hin, dass seitens des Tierseuchenfonds Schleswig-Holstein keine Entschädigung für BTV-3 bedingte Tierverluste gewährt werde. Die Bereitschaft zur Impfung unter den Schafhaltern bezeichnete Bruser als hoch, allein wegen der hohen Mortalitätsrate. Deshalb habe der Landesschafzuchtverband eine Härtefallregelung beantragt. Dies würde aber in jedem Fall auf eine Einzelfallbetrachtung hinaus laufen. Bruser berichte von einem Infektionsfall in Niedersachsen, wo 100 Tiere aus einer Herde von 1.000 verendeten.  mbw

Kleiner Stich mit fataler Wirkung

0

Gnitzen (Familie Ceratopogonidae) gelten als Überträger der Blauzungenkrankheit. Experten warnten davor, dass sich das Virus in diesem Frühjahr stark ausbreiten könnte. Am Freitag der Vorwoche wurden die ersten Fälle auch in Schleswig-Holstein bestätigt. Das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) zeigen auf, was die Ausbreitung für die Tierhaltung bedeutet.

Gnitzen, regional auch Bartmücken genannt, sind eine von mehreren Mückenfamilien mit blutsaugenden Vertretern. Sie werden nur 0,5 bis 5 mm groß, und adulte Tiere haben eine Lebensdauer von kaum mehr als zwei bis drei Wochen. Ihr Aktionsradius beträgt, von passiver Verdriftung abgesehen, nur kurze Distanzen. Dennoch können sie gefährlich werden, denn die Weibchen etlicher Arten benötigen eine Blutmahlzeit, die ihre Eireifung ermöglicht.

Penetrantes Stechverhalten und fatale Folgen

Die weite Verbreitung und das massenhafte Auftreten unter bestimmten Umweltbedingungen führen dann vielerorts allein schon wegen ihres penetranten Stechverhaltens zu Einschränkungen in Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie im Tourismus. Die Dichte sich entwickelnder Larven kann in bestimmten Lebensräumen (Moore, Sümpfe, Flussauen) bei mehr als 10.000/m2 Bodenfläche liegen. Daher können zur Hauptflugzeit extreme Belästigungen auftreten, die den Aufenthalt im Freien fast unmöglich macht. Und dann ist da noch die Übertragung von Krankheiten.

Von den mehr als 330 in Deutschland vorkommenden Arten spielen nur einige innerhalb der Gattung Culicoides eine Rolle als Vektoren von Krankheitserregern. Sie übertragen neben dem Blauzungen-Virus auch das Schmallenberg-Virus, gelten aber auch als Überträger der Viren der Afrikanischen Pferdesterbe und der Epizootischen Hämorrhagie der Hirsche, die in Mitteleuropa noch nicht aufgetreten sind.

Die Weibchen vieler Arten saugen Blut an Wirbeltieren oder ernähren sich von Körperflüssigkeiten anderer Insekten. Die Blutmahlzeit erfolgt in den Abendstunden und nachts. Gnitzen finden ihre Wirte dabei über den Geruchssinn und die Augen. Die Culicoides-Arten beispielsweise werden von den Ausdünstungen und Silhouetten großer Weidetiere angelockt. Die Weibchen stechen die Rinder in Bauch und Rücken, Pferde an der Mähne und am Schweifansatz, seltener am Bauch.

Gnitzenstiche können beim Menschen bis zu 2 cm große blasige Hautschwellungen verursachen, die meist mit starkem Juckreiz verbunden sind. Hautbereiche an den Rändern von Kleidungsstücken werden bevorzugt. Die Übertragung von Krankheitserregern durch Gnitzen auf den Menschen ist nur aus Süd- und Mittelamerika bekannt (Oropouche-Virus).

Schafe, Rinder, Ziegen und Pferde sind Opfer

Anders sieht das für die Tiere aus. Rund 50 Culicoides-Arten gelten weltweit als Überträger veterinärmedizinisch relevanter Krankheitserreger wie Protozoen, Filarien und Viren. Die durch Gnitzen übertragenen Erreger stellen in der Tierhaltung und -zucht – vor allem bei Schafen, Rindern, Ziegen und Pferden – ein ernstes Problem dar, da sie zum Teil mit hoher Morbidität und/oder Mortalität einhergehen. Die Kenntnisse der Blutwirte und Gnitzen als Reservoirwirte der Erreger sowie deren Pathogenität sind allerdings sehr lückenhaft.

Die aus Afrika und dem Mittelmeerraum seit Langem bekannte Blauzungenkrankheit ist ein prominentes Beispiel für eine Gnitzen-assoziierte Erkrankung, die durch ein Orbivirus verursacht wird und Wiederkäuer schädigt. Erstmals und überraschenderweise im August 2006 auch in Deutschland festgestellt, kam es in den Folgemonaten erstmalig und mit stark steigenden Fallzahlen zu einem epidemischen Auftreten seuchenhafter Erkrankungen bei Tieren. Erst mit sinkenden Temperaturen reduzierten sich die Fallzahlen im Spätherbst. Aber im Folgejahr flammten sie wieder auf.

Der Seuchenzug konnte erst 2009 durch eine ausgedehnte Impfkampagne unter Rindern, Schafen und Ziegen gestoppt werden. Ab 2012 galt Deutschland als BTV-frei, zum 1. Juni 2023 wurde der Status „amtlich seuchenfrei“ anerkannt. Allerdings hat sich die Seuche im Sommer und Herbst im vergangenen Jahr mit einem massiven Ausbruchsgeschehen in den Niederlanden zurückgemeldet. In Belgien und in Westdeutschland nahe der deutsch-niederländischen Grenze wurden ebenfalls BTV-Fälle gemeldet. Daher muss mit einer Weiterverbreitung in der nächsten Vektorsaison, das heißt in diesem Frühsommer, gerechnet werden!

Da Wiederkäuer hierzulande jedoch keinen Immunschutz gegen das BTV-3 besitzen und flächendeckend noch kein entsprechender Impfstoff vorhanden ist, muss aus den Erfahrungen zur Überwinterung des BTV in Mitteleuropa mit dem Beginn der saisonalen Aktivität der Gnitzen 2024 von einem Fortgang des Infektionsgeschehens ausgegangen werden. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass die 150 km umfassende Restriktionszone, in der Handelsbeschränkungen für Wiederkäuer gelten, auf weitere Bundesländer ausgeweitet werden.

Als wirksamster Schutz für Rinder wird die prophylaktische Impfung empfohlen, um Krankheitsverläufe abzuschwächen. Foto: Agrar-Press

Schafe am schwersten betroffen

Unter den domestizierten Wiederkäuern zeigen Schafe die deutlichsten Krankheitssymptome nach einer BTV-Infektion. Sie können hohes Fieber (bis 42 °C) entwickeln, es tritt Apathie auf, und erkrankte Tiere sondern sich von der Herde ab. Weitere typische klinische Symptome sind gerötete und geschwollene Maulschleimhäute, vermehrter Speichelfluss und Schaumbildung vor dem Maul, Kreislaufstörungen, Ödembildungen und Hämorrhagien (Blutungen). An den Klauen rötet sich der Kronsaum und schmerzt. Infolgedessen treten Lahmheiten auf.

Die namensgebende Blauverfärbung der Zunge ist sehr selten zu beobachten und nur bei hochempfänglichen Schafrassen zu erwarten. Im aktuellen BTV-3-Ausbruchsgeschehen wurde in den Niederlanden von zahlreichen Todesfällen bei Schafen berichtet. BTV-3, der Serotyp, der sich auch nach Deutschland ausbreitete, wurde bis Sommer 2023 in Mitteleuropa noch nicht nachgewiesen, aber in Süditalien, Tunesien, Israel und Teilen des südlichen Afrikas.

Hat sich eine vektorkompetente Gnitze mit dem BTV infiziert, bleibt sie nach bisherigem Kenntnisstand lebenslang infektiös. Die Lebensdauer ist zwar kurz, aber die weiblichen Gnitzen sind in der Lage, in ihrem Leben mehrfach Blut zu saugen. Mit steigenden Temperaturen im Jahresverlauf und bedingt durch die Klimaerwärmung nimmt die Stechaktivität und -frequenz dieser Tiere zu. Der ebenfalls temperaturabhängige Replikationsprozess des Virus in der Mücke erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Erregerübertragung in der wärmeren Jahreszeit.

Empfehlungen zur Bekämpfung

Die Blauzungenkrankheit gehört zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen. Um ihre ungehinderte Ausbreitung zu vermeiden, wird nach strikten Regeln verfahren. Nach geltendem nationalen und europäischen Recht müssen um einen Befallsort ein Gefährdungsgebiet sowie eine Beobachtungszone festgelegt werden. Informationen zu den staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen sind bei den zuständigen Ministerien und Landesveterinärämtern abrufbar. Wiederkäuer und deren Produkte dürfen aus diesen Zonen nur unter Auflagen heraustransportiert werden.

Die Kontrolle der potenziellen Vektoren mit Insektiziden beziehungsweise Larviziden ist aufgrund mangelnder Kenntnis zu Larvenhabitaten und Lebensweise der adulten Gnitzen im Umkreis landwirtschaftlicher Betriebe nicht erfolgreich möglich. Weitere Möglichkeiten einer biologischen Kontrolle fehlen. Da sich die Bruthabitate der Gnitzen innerhalb und außerhalb der Stallungen befinden können, ist das Einstallen des Tierbestandes über Nacht unwirksam.

Nebelpräparate auf Basis von Pyrethrum können in Ställen sowie in den Außenbereichen zur Abtötung von Gnitzen eingesetzt werden. Rinder können vorbeugend mit einem Pyrethroid-haltigen Pour-on-Mittel behandelt werden. Es wird jedoch dringend dazu geraten Insektizide nur nach Rücksprache mit Veterinären und Schädlingsbekämpfern einzusetzen.

Dr. Doreen Werner und Anja Voigt, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung

Dr. Helge Kampen, Dr. Kerstin Wernike und Prof. Dr. Martin Beer, Friedrich-Loeffler-Institut

ZALF: Gnitzen-Monitoring verfolgt Ausbreitung in Deutschland

Aufgrund zunehmender Globalisierung mit verstärktem Güter- und Tiertransport sowie sich ändernder klimatischer Bedingungen fördert die Bundesregierung ein deutschlandweites Gnitzenmonitoring. Durchgeführt wird dies vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) auf ausgewählten landwirtschaftlichen Betrieben.

Dazu nutzen die Wissenschaftler spezielle UV-Lichtfallen, die sie zum Nachweis möglicher Vektoren (Gnitzen) für 24 Stunden pro Woche aktivieren und anschliessend beproben.

Die Fallen vor Ort werden von engagierten Landwirten beziehungsweise Tierhaltern betreut. Die Fallen befinden sich in Rinder-, Schaf- oder Ziegenställen oder in unmittelbarer Nähe von ihnen, beispielsweise auf den Weideflächen. An den Fangstandorten werden parallel dazu auch die Umwelteinflüsse erfasst, um die Verbreitung und die Aktivität der Gnitzen näher zu erforschen.

Die Fangproben kommen zur Sortierung und morphologischen Bestimmung zum ZALF. Aufbereitete Gnitzen der Obsoletus-Gruppe und des Pulicaris-Komplexes, die die wichtigsten virusübertragenden Arten enthalten, werden nachfolgend zur genetischen Identifizierung und Pathogendiagnostik zum Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) geschickt.

In Greifswald werden die kleinen Blutsauger und das eventuell in ihnen enthaltene Blauzungenvirus (Bluetongue-Virus oder BTV) mithilfe diverser PCR-Tests analysiert. Dabei werden das Genom aller Serotypen des BTV und alle wichtigen potenziellen Vektorarten der Gattung Culicoides erfasst.

Die Fallenbetreuer erhalten nach der Diagnostik Informationen zu den im Jahresverlauf bei ihnen gefangenen Gnitzen. Sie erfahren daraus die Artengruppen und ob ein Virus in den Insekten nachgewiesen wurde. Ein positiver Test hat für den Landwirt dabei keinerlei Konsequenzen, da es sich ausschließlich um den Nachweis von Virusmaterial in der Gnitze handelt. Der Tierbestand der Landwirte wird vom ZALF nicht untersucht.

Die Zahl der gefangenen Gnitzen schwankt zwischen den Standorten im Jahresverlauf. Zudem unterliegt sie diversen biotischen und abiotischen Einflüssen. Beispielsweise beeinflusst die Verfügbarkeit von Bruthabitaten und von Wirtstieren die Populationsdichte von Gnitzen entscheidend.

Die saisonale Aktivität beginnt an den meisten Standorten im April, ist in ihrer Ausprägung aber zunächst sehr stark von den vorherrschenden Temperaturen abhängig.

Die höchste Biodiversität der Gnitzenfauna wird im Frühsommer von Mai bis Juni/Juli verzeichnet, wobei sich die Populationsdichte bis in den Spätsommer halten oder sogar ausbauen kann.

Die Arten der Obsoletus-Gruppe wurden bisher am häufigsten gefangen, gefolgt von denen des Pulicaris-Komplexes. Die wissenschaftliche Bearbeitung der restlichen Culicoides-Arten steht noch aus. Das umfangreiche Monitoring lieferte bisher keine Hinweise, dass der global wichtigste Vektor von BTV, Culicoides imicola, im Studiengebiet in Deutschland vorkommt.

Gleichzeitig wird damit aber sehr deutlich, dass einheimische Gnitzen als Virusvektoren fungieren. Denn es gab im vergangenen Jahr einen massiven BTV-3-Ausbruch, der dazu führte, dass für die Bundesländer Nordrhein-Westfalen sowie Niedersachen der frei-Status ausgesetzt wurde. Zudem wurde in dieser Zone das Monitoring um 18 zusätzliche Standorte mit täglicher Probennahme er­weitert. ZALF, FLI