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ZKL: Kein Zurück in die Gräben

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Die Einigung der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ist mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Sie plädiert für eine Steuerermäßigung auf Agrardiesel und eine Risikoausgleichsrücklage. Der Bericht bekräftigt den Ausstieg aus den EU-Direktzahlungen. Eine Anhebung der ermäßigten Umsatzsteuer auf tierische Produkte soll der Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung dienen.

Der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Dr. Holger Hennies, begrüßte den erneuten Konsens zwischen Landwirtschaft und Umwelt. Wichtige Anliegen der Agrarbranche seien im neuen Papier enthalten. Hubertus Paetow, Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), erwartet spürbare politische Auswirkungen und lehnt Vorschläge ab, Zahlungen künftig von der „Bedürftigkeit“ abhängig zu machen. LandFrauenpräsidentin Petra Bentkämper hofft, dass die Empfehlungen der nächsten Bundesregierung als Richtschnur dienen.

Landjugend erwartet Taten statt Worte

Die Landjugendvorsitzende Theresa Schmidt sieht die Verständigung als wichtiges Signal an die Politik und fordert Taten statt Worte. Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), betont die Kooperationsbereitschaft von Agrar- und Umweltseite und ist überzeugt, dass es keinen Rückfall in alte Gräben geben werde. Prof. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), sieht in der ZKL einen klaren Weg und fordert die Politik auf, die Maßnahmen konsequent umzusetzen. Michael Wagner, Präsident des Industrieverbands Agrar (IVA), bezeichnet die Empfehlungen als „riesigen Erfolg“ und hebt das Aktionsprogramm zur Förderung der Biodiversität hervor.

Bertram Fleischer, Generalsekretär des Zentralverbands Gartenbau (ZVG), lobt den Ansatz, den Pflanzenschutz zu stärken und Produktionsverlagerungen zu vermeiden, um den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen.

Raiffeisenpräsident Franz-Josef Holzenkamp betont die Bedeutung einer gestärkten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft, die nicht dem Natur- und Klimaschutz untergeordnet werden sollte. Er fordert die Einbindung der Wirtschaft in politische Entscheidungsprozesse und den Abbau von Regulierungen. Holzenkamp verwies auf den Stellenwert des Exports für die heimische Agrar- und Ernährungswirtschaft. Ferner müssten einheitliche Nachhaltigkeitskriterien in der EU gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten und Aufzeichnungspflichten möglichst bürokratiearm und digital gestaltet sein. Zufrieden ist der DRV-Präsident, dass eine nationale Anwendung von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO) zu staatlichen Vorgaben für Milchlieferbeziehungen keinen Eingang in den Text fand. Er sprach von „Satzungsautonomie der Genossenschaften“.

Umbau der Tierhaltung an oberster Stelle

Für Hans Foldenauer, Sprecher des Bundes Deutscher Milchviehhalter (BDM), ist es notwendig, die Agrarmarktpolitik auf eine Anhebung des Preisniveaus auszurichten, um wirtschaftliche Perspektiven zu schaffen. Xenia Brandt, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), fordert eine bessere Stellung der Bauern in der Wertschöpfungskette und eine verlässliche Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung. Tina Andres, Vorsitzende des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), betont den notwendigen grundlegenden Umbau des Agrar- und Ernährungssystems. Die ZKL-Mitglieder fordern, dass Bürokratieabbau für die kommende Bundesregierung Priorität hat. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) lobte die ZKL als „wichtiges Forum des fairen Interessenausgleichs“. Er unterstrich die ZKL-Forderung, Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Resilienz bei der Transformation zu berücksichtigen. age

ZKL-Bericht ist Rückenwind für BMEL und Stoffstrombilanz

Den jüngsten Bericht der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) wertet die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL), Silvia Bender (Grüne), als Rückenwind für den Kurs ihres Hauses. Darin hatten die Mitglieder eine praxisgerechte gesamtbetriebliche Nährstoffbilanzierung gefordert. Das BMEL hält laut Staatssekretärin Bender an der Nährstoffbilanz fest.

Bender ist überzeugt, dass dadurch Bürokratie abgebaut werden kann. Widersprüche in Rechtstexten müssten angegangen werden, damit Betriebe Regeln auch tatsächlich einhalten könnten. Für die Agrarstaatssekretärin leistet die Nährstoffbilanz, die im Rahmen der Düngegesetznovelle vorgesehen ist, einen Beitrag zum Bürokratieabbau.

Die Weiterentwicklung der Stoffstrombilanz komme der Forderung nach einfacheren Düngeregelungen entgegen. Zudem könne sie die Grundlage für mehr Verursachergerechtigkeit im Düngerecht bilden, sagte Bender in einem Agrarpolitischen Forum, das das AgrarBündnis am Montag in Berlin ausgerichtet hat. Der Bundesrat hatte der Novelle des Düngegesetzes bekanntlich nicht zugestimmt. Die Bundesregierung hatte daraufhin den Vermittlungsausschuss angerufen. Dieser tritt in der laufenden Legislaturperiode aber nicht mehr zusammen. age

EOAP schlägt GAP

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Die Erfolgsorientierte Agrarprämie (EOAP) ist ein Alternativmodell zum aktuellen Fördersystem der Gemeinsamen EU-Agrarpolitk (GAP). „Erfolgsorientiert steht dafür, dass man Ziele des Green Deal erreicht und damit auf der Seite der Gewinner steht“, erklärte Prof. Uwe Latacz-Lohmann am Freitag vergangener Woche bei der Vorstellung der Projektergebnisse in Kiel. Der Agrarökonom und seine Mitarbeitenden Dr. Marlene Noack und Florian Tietjens haben die EOAP entwickelt und mit Unterstützung des Bauernverbandes die Praxistauglichkeit des Systems bundesweit getestet.

Das Forscherteam stellte anhand einer Umfrage fest, dass EOAP regional unterschiedlich gut ankommt. Insgesamt erfahre sie aber eine höhere Akzeptanz als das bestehende GAP-Fördersystem. Latacz-Lohmann zeigte sich von diesem Ergebnis wenig überrascht: „Die aktuellen Förderungen kommen sich teilweise ins Gehege.“ Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der Zweiten Säule bissen sich teilweise mit den Ökoregelungen der Ersten Säule. Es gebe komplizierte Kreuztabellen. „Wir haben einmal alles vom Tisch gewischt und neu gebaut“, schilderte der Agrarökonom. Die Maßnahmen der EOAP sind mit verschiedenen Prämienhöhen hinterlegt und orientieren sich an fünf Zielen des Green Deal:

● Reduktion der N-Düngung um 20 %
● Reduktions des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln  (PSM) um 50 %
● Reduktion der N-Verluste bei Wirtschaftsdüngern um 50 %
● Aufstockung der nichtproduktiven Fläche auf 10 %
● Erhöhung der Biodiversität Die Maßnahmen für jedes der fünf Ziele erhalten zusätzlich einen Faktor.

Und nur wenn eine gewisse Zielfläche (Schwellenwert) erreicht wird, gibt es für die jeweiligen Maßnahmen Geld. Eine Prämien-Höchstgrenze ist im Modell bislang nicht vorgesehen. Für eine Umsetzung in der Praxis empfiehlt Latacz-Lohmann aber eine Grenze von 120 % der Zielerreichung. Ökobetriebe seien voll integriert, damit es keine überlappenden Förderungen gebe. Der Wissenschaftler betonte: „Die EOAP ist besser als die GAP.“ Sie sei weniger komplex und hole den Landwirt als Unternehmer ab, weil dieser für Ergebnisse bezahlt werde. Der Ökonom stellte klar, dass vor allem intensiv wirtschaftende Betriebe bei einer Umsetzung der EOAP auf „den Boden des Ordnungsrechts“ fallen könnten, dann aber auch keine Konditionalität einhalten müssten. Weitere Vorteile des Systems seien die verbesserte Kommunikation in Richtung Gesellschaft und, dass die EOAP flexibel an sich ändernde Politikziele angepasst werden könne. Sie sei beispielsweise um das Ziel Bodenschutz erweiterbar.

GAP-Budget verteidigen

Für Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) leistet die EOAP einen wichtigen Beitrag zur Diskussion, wie die GAP ab 2028 aussehen soll. Es gehe um nicht weniger als die Zukunftsfähigkeit der Branche. Andere Politikbereiche meldeten in Brüssel verstärkt Ansprüche an. „Wenn die Landwirtschaft ihre Beiträge für die Gesellschaft nicht verdeutlicht, steht die Agrarförderung auf dem Spiel“, mahnte Schwarz. Die EOAP zeige auf, wie die Landwirtschaft zu den GreenDeal-Zielen beitragen könne.

Pflugverzicht oft gewählt

Noack berichtete, dass deutschlandweit 140  Landwirte an den EOAP-Workshops und der Umfrage teilgenommen hätten. Drei Viertel der Betriebe hätten nach ihrer Maßnahmenwahl das erste Green-Deal-Ziel „20 % weniger N-Düngung“ erreicht. Aufgrund der weniger intensiven Wirtschaftsweise waren es im Süden tendenziell mehr Betriebe. Das Ziel „50 % weniger PSM“ haben laut Noack nur 28 % erreicht. Hier sei gegebenenfalls bei der Art der Maßnahmen nachzubessern. „Die Reduktion der N-Verluste um 50 %“ erreichten 46 % der Betriebe. Dieses Ziel werde m ehesten in viehdichten Regionen erreicht, zum Beispiel durch die Maßnahme „Gülleansäuerung“.

Ziel 4, „Aufstockung der nichtproduktiven Fläche auf 10 %“, sei von 36 % der Workshopteilnehmer erreicht worden. Das fünfte Ziel „Mehr Biodiversität“ erreichten rund zwei Drittel der Betriebe. Hier hätten die Landwirte im Süden aufgrund der jetzt schon starken Förderung in der Zweiten Säule vorn gelegen. Noack konstatierte, dass in intensiv bewirtschafteten Regionen grundsätzlich weniger Ziele erreicht worden seien. Nach ihren Angaben waren die am häufigsten gewählten Maßnahmen im Ackerbau „Pflugverzicht“ (75  %) und „Anbau großkörniger Leguminosen“ (48 %). Bei übergeordneten Maßnahmen wurde am häufigsten (zwei Drittel) der „Anbau von Winterzwischenfrüchten“ gewählt

Reicht das Geld?

Tietjens rechnete vor, dass die Workshop-Betriebe  –  einschließlich derer, die keine Ziele erreichen und somit aus dem Prämiensystem fallen – eine durchschnittliche Prämie in Höhe von 384 €/ha erhalten. Hochgerechnet auf Deutschland bräuchte man schätzungsweise rund 6,4 Mrd. €, was in etwa dem aktuellen GAP-Budget entspricht. Hinzu kämen allerdings beispielsweise eine Junglandwirteprämie und investive Förderungen in den Regionen. Der Süden würde nach Tietjens Angaben tendenziell mehr profitieren. Das sei jedoch auch heute schon der Fall aufgrund höherer Förderung durch länderspezifische Programme. In zwei laufenden Masterarbeiten werde aktuell überprüft, wie einkommenswirksam die EOAP ist und wie die Umsetzung auf der Verwaltungsebene aussehen könnte. rq

„Die Rübe gehört nach Schleswig-Holstein“

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Gut 120 interessierte Rübenanbauer waren kürzlich nach Albersdorf zur Mitgliederversammlung des ­Zuckerrübenanbauverbandes gekommen. So gut besucht sei die Versammlung lange nicht mehr gewesen, war zu hören, standen doch Wahlen im Vorstand an und ein Generationswechsel in der Anbauberatung der Nordzucker.

Die Anwesenden bekamen zunächst reichlich Fachinfos über die aktuelle Kampagne, Details zur Preisgestaltungen und einen Blick auf den internationalen Zuckermarkt im Zuge des weltpolitischen Geschehens. Informationen zur Mietenpflege gab es auch und dazu, wie im Fall drohenden Frostes zu verfahren sei, sowie zur Rübenreinigung. Bisher seien die Erntebedingungen gut, weil trocken. „Im Vorjahr hatten wir hier in der Region Ende November bis minus 13 Grad und es lagen rund zehn Zentimeter Schnee“, berichtete Georg Sander, Leiter der Agriabteilung der Nordzucker in Uelzen.

Der Vorstand des Rübenanbauverbandes, darunter, in der Mitgliederversammlung wiedergewählt, Eckhard Clausen und Dr. Andreas Schröder, hier mit Vorstandsmitglied Jochen Johannes Juister (v. li.). Ove Clausen fehlt auf dem Bild.

Durch die Mitgliederversammlung des Zuckerrübenanbauverbandes führte der bisherige und einstimmig wiedergewählte Vorsitzende Eckhard Clausen. Ebenfalls einstimmig in den Vorstand wiedergewählt wurde Dr. Andreas Schröder. „Wir arbeiten weiter für die Rübe“, betonte Clausen. Aktuell sei die Ertragsstabilität gegeben. „Wir stehen für diese Solidargemeinschaft und moderner Logistik offen gegenüber.“ Er bedankte sich für die gute Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung sowie dem Büro. Nach ausführlichen Fachinformationen der Nordzucker zu Witterung, Schaderregervorkommen, Anbaumethodik (siehe Artikel unten) wurde der langjährige Anbauberater der Nordzucker, Frank Jeche, mit abschließenden Standing Ovations nach 33 Jahren bei Nordzucker in den Ruhestand verabschiedet.

Gut besucht war die Mitgliederversammlung des Zuckerrübenanbauverbandes in Albersdorf. Fotos: Daniela Rixen

Georg Sander berichtete in der Laudatio über dessen Werdegang, wie Frank Jeche, nach seinem Studium in Rostock beschäftigt in einer großen LPG, dann nach der Grenzöffnung und der Begegnung mit der damaligen SH-Zucker-AG – heute Nordzucker – 1991 als Rübenanbauberater in Schleswig-Holstein anfing. Als frech, selbstbewusst, streitbar kenne man Frank Jeche, stets mit dem Ziel, den Rübenanbau in Schleswig-Holstein zu halten. Ein herber Schlag, den er selbst begleiten ­musste, war die Schließung der Zuckerfabrik in Schleswig. Neu war dann die Anbauberatung auch im Bereich Biogas­rüben. Stets bodenständig, sei er ein Pflanzenschutzfachmann. „Alles hat eben seine Zeit“, sagte Sander. Damals ging es um Strohmulch statt Pflugfurche, heute um den Transport der Rüben auf der Schiene, Resistenzen, Wirkstoffwechsel bis hin zum Vergilbungsvirus und Mittelwegfall. Frank Jeche schrieb regelmäßig über viele Jahre in der sogenannten Zuckerrübenecke im Bauernblatt. Am Schluss standen sein Dank für diese intensive Zeit und der Wunsch, seinem Nachfolger das gleiche Vertrauen entgegenzubringen.


Nicht bei Frost roden

90 Prozent der Rüben bereits geerntet – Verarbeitung läuft stabil

Das Werk in Uelzen ­arbeitet weiterhin stabil auf einem ­hohen Niveau. Die Verarbeitungsleistung liegt aktuell bei zirka 21.000 t Rüben pro Tag. Die hohe Verarbeitung liegt ­sowohl an der exzellenten ­Arbeit der Belegschaft im Werk als auch an der aktuell ­guten Qualität der angelieferten ­Zuckerrüben. Es bleibt zu hoffen, dass dies noch einige Zeit so bleibt und das Wetter ­weiterhin mitspielt.

Tjark Peter Paulsen ist der neue Anbauberater der Nordzucker in Schleswig-Holstein.
Foto: Georg Sander

Die Erträge in Schleswig-Holstein sind weiterhin auf einem den Umständen entsprechend erfreulichen Niveau. Der durchschnittliche Rübenertrag liegt bei zirka 77 t/ha und der Zuckergehalt bei knapp 17 % Polarisation. Ungefähr 90 % der Zuckerrüben sind mittlerweile geerntet. Abgesehen von den Flächen, die für die gezielte Spätrodung vorgesehen sind, sollten nun Anfang Dezember die letzten Flächen gerodet werden. Von einem Roden unmittelbar vor oder während eines Frostereignisses muss unbedingt abgesehen werden. Die Rüben sind dann nicht zur Wundheilung imstande und dadurch nicht lagerstabil. Eine gute Entblattung ist zwingend notwendig, damit möglichst wenig Blattmaterial in die Miete gelangt. Blätter in der Rübenmiete führen zu einem deutlichen Temperaturanstieg und damit dann zu einer Verschlechterung der Rübenqualität.

Am 27. November wurde Frank Jeche auf der Mitgliederversammlung des Zuckerrübenanbauverbandes Schleswig-Holstein offiziell verabschiedet (siehe Artikel oben). Die zweiwöchentliche Berichterstattung in der sogenannten Zuckerrübenecke im Fachteil des Bauernblattes wird fortgesetzt von Tjark Peter Paulsen. Der Autor ist Ansprechpartner in allen Angelegenheiten rund um den Anbau von Zuckerrüben in Schleswig-Holstein, Tel.: 0173-185 26 88 oder E-Mail: tjarkpeter.paulsen@nordzucker.com
Tjark Peter Paulsen, Nordzucker


Ressourcenschonung im Ackerbau

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Auch der Ackerbau in Schleswig-Holstein steht vor zahlreichen Herausforderungen. Darunter fallen zum Beispiel die Klimaveränderungen, die zu höheren Temperaturmaxima im Sommer (erhöhte Evapotranspiration), veränderten Niederschlagsverteilungen (Dürre­perioden) und Starkregen mit erhöhter Erosionsgefahr führen. Zu den Herausforderungen zählen auch gesetzliche Änderungen für Düngung und Pflanzenschutz, Resistenzzunahmen bei Ungräsern /-kräutern sowie pilzliche und tierische ­Pathogene.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, muss sich der gesamte Agrarsektor Lösungen einfallen lassen. Die Vereinzelungssaat wird durch die Landtechnik als Innovationsansatz angeboten, um die Wachstumsbedingungen für die Kulturen, besser gesagt für jede einzelne Pflanze, durch eine bessere Standraumausnutzung und Saatgutablage zu optimieren. Damit soll erreicht werden, dass die Ressourcen Wasser, Licht, Wärme und Nährstoffangebot von jeder Pflanze effizienter genutzt werden und Inputstoffe wie Saatgut und gegebenenfalls sogar Dünger und Pflanzenschutz vermindert werden können.

Das Verfahren der Vereinzelungssaat ist in Kulturen wie Mais und Zuckerrüben bereits weit verbreitet, da aufgrund der fehlenden Bestockung dieser Pflanzen der Flächenertrag stark von der Einzelpflanzenzahl auf einer definierten Fläche abhängt. Raps und Getreide können jedoch über die Bildung von Seiten-/ Nebentrieben fehlende Pflanzen oder schlechter verteilte Pflanzen besser kompensieren und über die Bildung von Seiten-/Nebentrieben auch höhere Flächenerträge erreichen als Raps- oder Getreidepflanzen, die nur einen Haupttrieb bei gleicher Triebdichte ausbilden (Zimmermann, 1984; Bosse, 1993).

Das Bestockungsverhalten von Raps und Getreide wird außer von der Dauer der Entwicklung unter Kurztagsbedingungen (Saatzeit, Vegetationsende/-anfang, Langtagesbeginn im Frühjahr), Lichtintensität und Stickstoffversorgung auch maßgeblich von der Saattiefe und der Standraumverteilung beeinflusst (Kropf, 2021). Daher ist es sinnvoll, sich über die Vereinzelung von Raps und Getreide trotz der Kompensationsfähigkeit Gedanken zu machen, um durch eine möglichst optimale Verteilung der Pflanzen auf der Fläche eine optimale Bildung von Seiten-/Nebentrieben zu erreichen. In der Theorie lockt dies mit hohen Flächenerträgen durch gesunde und effiziente Pflanzen.

Optimierung der Standraumverteilung

Stellt man sich aus der Vogelperspektive eine zweidimensionale Fläche vor, über die eine Sämaschine läuft, wird schnell klar, dass neben der Längsverteilung (Verteilung der Saat in der Reihe) auch die Querverteilung (Verteilung der Saat quer zur Fahrtrichtung) eine große Rolle spielt.

Die Längsverteilung wird durch die Fahrgeschwindigkeit, Saatstärke, Saatgutqualität und die Zuführung zum Säschar beeinflusst. Die Zuführung zum Säschar kann über den Verteilerkopf von pneumatischen Sämaschinen oder über ein Vereinzelungsaggregat direkt über dem Säschar erfolgen. Durch die Vereinzelung direkt über dem Säschar wird eine bessere Verteilung der Saat in Fahrtrichtung erreicht (Griepentrog, 1994; Beimgraben-Timm, 2018).

Auch bei der Querverteilung spielen die Fahrgeschwindigkeit und die Saatstärke eine Rolle. Wichtigster Einflussfaktor ist aber der Abstand der Säschare zueinander, wie anhand von Raps bei einer Anzahl von 30 Pflanzen je Quadratmeter in der Abbildung vereinfacht verdeutlicht werden soll (Müller, 1999; Reckleben, 2012).

Vorausgesetzt, die Längsverteilung gelingt optimal, wird durch Verringerung des Reihenabstandes der Standraum für die einzelne Rapspflanze vergrößert.

Untersuchungen im Raps und Getreide zeigen jedoch, dass die Bedeutung des Reihenabstandes zwischen 8 cm und 25 cm für den Flächenertrag bei gleichbleibender Saatstärke abnimmt, wenn der Variationskoeffizient der Längsverteilung kleiner als 100 % ist. Einzelkornsämaschinen erreichen Variationskoeffizienten von zirka 50 % bis 60 %, während moderne pneumatische Drillmaschinen bei guten Aussaatbedingungen Variationskoeffizienten von zirka 80 % bis 110 % aufweisen (Griepentrog, 1995; Hanse-Agro, 2013; Hokamp, 2017).

Bereits 1983 wurde ein System ermittelt (Große Hokamp), das die Berechnung der Saatreihenweite für jede Saatstärke zulässt, um einen optimalen Einzelpflanzenstandraum zu ermitteln. Es wurden Versuche im Getreide durchgeführt, die sich mit differenzierten Reihenabständen bei variierenden Saatstärken beschäftigten. Es ergab sich ein Zielverhältnis von 4:1 (siehe folgende Formel).

Das bedeutet beispielsweise einen Reihenabstand von 12,7 cm bei einer Zahl von 250 Pflanzen je Quadratmeter oder einen Reihenabstand von 20 cm bei einer Zahl von 100 Pflanzen je Quadratmeter. Dies gibt bereits Hinweise darauf, warum bei Einzelkornsaaten mit größeren Reihenweiten im Getreide oder auch Raps das Einsparungspotenzial von Saatgut vorhanden ist und sogar berücksichtigt werden muss.

Eine Gleichstandsaat, wie sie bei Rüben wünschenswert wäre, sollte bei Getreide und Raps jedoch nicht angestrebt werden, da ein Ertragsoptimum erst bei einer gewissen Pflanzenkonkurrenz in der Saatreihe erzielt wird. Auf diese Weise wird eine unproduktive Bildung von Seiten-/Nebentrieben zu einer erhöhten Kornanlage und Fertilität bei gleichzeitig homogeneren Ähren umfunktioniert.

Die Hanse-Agro führte von 2015 bis 2020 Streifenversuche zur Vereinzelung im Getreide auf verschiedenen Standorten bei gleichbleibender Reihenweite von 15 cm mit Variationen der Saatstärke und Sorte durch. Aus diesen Versuchen ist abzuleiten, dass unter Berücksichtigung einer geringeren Saatstärke für die Einzelkornsaat und der richtigen Sorte leichte Tendenzen, aber nicht statistisch signifikante Mehrerträge durch die Vereinzelung von Wintergetreide bei der Aussaat generiert werden.

Durch Bonituren und Beobachtungen aus weiteren Versuchen können Getreide- und Rapsbestände, die mit Einzelkornsämaschinen ausgesät wurden, als deutlich homogener beschrieben werden. Durch die aufwendigen Säeinheiten neuerer Maschinen wie der Väderstad Proceed oder der Horsch Solus werden die Ablagetiefe, die Längsverteilung und die Einbettung des Korns mit Erde präzisiert. Dies führt im Nachgang zu einem verbesserten und gleichmäßigeren Feldaufgang und weiter zu einer gleichmäßigeren Jugendentwicklung der Einzelpflanzen. Diese Vorteile bieten die Möglichkeit eines wesentlich gezielteren Einsatzes pflanzenbaulicher Maßnahmen und einer sicheren Etablierung der Kultur, auch wenn keine Ertragssteigerung gesichert möglich ist. Ein weiterer Vorteil dieser Maschinen ist zudem, dass die meisten gängigen Kulturen mit der gleichen Maschine gesät werden können, da die Reihenweiten für Getreide, Raps, Leguminosen, Rüben oder Mais einfach von der Kabine aus zwischen 22,5 cm, 45 cm oder 67,5 cm beziehungsweise 25 cm, 50 cm oder 75 cm gewählt werden können und lediglich die Lochscheiben in den Säaggregaten vorher getauscht werden müssen.

Gleichzeitige Aussaat von Raps in der Reihe A und Ackerbohnen in Reihe B
Entwicklung der Mischkultur aus Winterraps und Ackerbohnen vor Winter

Vorteile auf leichten Standorten

Es sollten jedoch auch weitere Standortfaktoren bedacht werden, die eine Eignung der Maschinen gegebenenfalls ausschließen. Aus den Versuchen über die Standorte in Deutschland hinweg konnte ausgemacht werden, dass die Einzelkorntechnik im Getreide ihre Vorteile auf leichteren Standorten mit geringerem Ertragsniveau und frühen Saatzeiten ausspielen kann. Auf Standorten, die bereits mit Ungräsern wie Weidelgras oder Ackerfuchsschwanz zu kämpfen haben, spielen pflanzenbauliche Maßnahmen zur Unterdrückung, wie hohe Bestandesdichten und spätere Saatzeiten im Herbst, eine wichtige Rolle. Die Erweiterung der Fruchtfolge selbst, als weiteres Werkzeug der Anpassungsstrategie gegen die bereits genannten Herausforderungen der Zukunft, stellt die Einzelkornmaschinen vor keine Probleme. Auch die Aussaat von Mischkulturen gelingt durch das Ansteuern der einzelnen Aggregate, wie auf den Bildern unten zu sehen, problemlos.

Für Zwischenfrucht-mischungen nicht geeignet

Allerdings geht in den meisten Fällen die Erweiterung der Fruchtfolge mit der Integration von Zwischenfrüchten und insbesondere Zwischenfruchtmischungen mit unterschiedlichen Korngrößen einher, was die Einzelkornmaschinen nicht bewerkstelligen können. Eine direkte Saat der Kultur in die abgestorbene Zwischenfrucht oder in die Stoppel der Vorfrucht ohne Vorbereitung des Saatbettes ist mit den Maschinen bei entsprechendem Einsatz der Furchenräumer jedoch wiederum möglich und bietet eine große Flexibilität bei den Aussaatverfahren.

Fazit

Es wird sich zeigen müssen, in welche Richtung das Für und Wider ausschlägt und ob Landwirte und Landwirtinnen bereit sind, in die aufwendige und damit teure Technik zu investieren.

EIP-Projekt „DeTail“: Vorhersage von Schwanzbeißen

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Das Thema Schwanzbeißen ist für Schweine haltende Betriebe nach wie vor sehr bedeutsam und stellt sie immer wieder vor große Herausforderungen. Die ursächlichen Risikofaktoren sind sehr komplex und vielfältig und können folglich eine Überforderung des Tieres durch seine Umwelt bedeuten. Eine Optimierung dieser Einflussfaktoren kann nicht jegliches Schwanzbeißen verhindern. Das Projekt „Detection of Tail Biting (DeTail)“, gefördert durch die Europäische Innovationspartnerschaft (EIP), bedient sich daher maschineller Lernansätze, um bevorstehende Schwanzbeißausbrüche frühzeitig erkennbar zu machen.

Ziel des Projektes ist es, ein Dashboard in Form einer webbasierten App als Frühwarnsystem für die landwirtschaftliche Praxis zu etablieren. Mit dem Projekt „DeTail“ soll ein großer Schritt in Richtung der Digitalisierung unternommen werden, technikgestützte Assistenzsysteme zu nutzen. Dafür wird an die Erkenntnis aus vorherigen Projekten angeknüpft, dass die Schwanzhaltung eine hohe Prävalenz für das Auftreten von Schwanzbeißen hat. Sie wird über Videobeobachtungen der Tiere im Stall aufgezeichnet und durch Bonituren auf mögliche Verletzungen am Tier ergänzt.

Die Projektpartner

Das Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp (LVZ) der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein ist Lead-Partner im Projekt. Die Autorin des Artikels ist die zuständige Projektkoordinatorin und somit Ansprechpartnerin für alle Fragen zum Vorhaben. In Kooperation mit der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg (UOL) unter der Leitung von Prof. Dr. Jorge Marx Gómez sowie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) mit Prof. Dr. Imke Traulsen als verantwortlicher Hochschullehrerin soll eine frühzeitige und gezielte Hilfe in Form eines Früherkennungssystems in Schweine haltenden Betrieben etabliert werden. Die UOL übernimmt dabei federführend die Modellentwicklung zur automatischen bildbasierten Erkennung der Schwanzhaltung. In enger Zusammenarbeit wird die CAU maßgeblich die Findung und Umsetzung des Alarmzeitpunktes übernehmen. Des Weiteren sind im Rahmen der Datenerhebung vier landwirtschaftliche Betriebe in Schleswig-Holstein und Niedersachsen involviert. Die Landwirtschaftskammer Niedersachen steht dem Projekt in beratender Funktion zur Seite. Die genannten Institutionen konnten bereits hinreichende Erfahrungen in verschiedenen Versuchen zum Schwanzbeißen, der Haltung von Langschwanztieren oder dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sammeln. Am Ende des Projektes sollen die Daten vor Ort auf den Betrieben ausgewertet und über ein Dashboard bereitgestellt werden. Die Schweine haltenden Betriebe bekommen so die Möglichkeit, frühzeitig einem bevorstehenden Schwanzbeiß­ereignis mit entsprechenden Maßnahmen entgegenzuwirken.

Die Schwanzhaltung der Tiere ist ein einfacher objektiver Indikator für ein bevorstehendes Beißgeschehen.Fotos: Juliane Ahlhorn

Der zeitliche Ablauf

Nach einem erfolgreichen und ergebnisreichen ersten Projekttreffen der operationellen Gruppe im Juli konnte im August dieses Jahres mit der Datenerhebung im LVZ begonnen werden. Bis Ende des Jahres wird hier Videomaterial in Ferkelaufzucht und Mast gesammelt und zum Trainieren der KI an die UOL übermittelt. Im November wurde das Vorgehen im Projekt bei einem weiteren Treffen den teilnehmenden Landwirten erläutert, sodass auch hier im ersten Quartal 2025 mit der Datenaufnahme auf den Praxisbetrieben begonnen werden kann. Je mehr Videomaterial für eine Modellentwicklung zur Verfügung steht, umso sicherer können Vorhersagen zu einem möglichen Beißgeschehen erfolgen. Das Projekt ermöglicht durch die technische objektive Unterstützung den Schweine haltenden Betrieben, bestehende Beobachtungslücken zwischen den Kontrollgängen zu schließen und Einzeltiere damit vermehrt in den Fokus der täglichen Kontrolle zu nehmen.

Fazit

Schwanzbeißen bei Schweinen ist nach wie vor ein Problem in Schweine haltenden Betrieben.

Die Schwanzhaltung ist ein guter Frühindikator für das Anzeigen eines erhöhten Beißrisikos.

Das Projekt stellt die Daten über ein natives Dashboard in Form eines Ampelsystems bereit.

Ziel ist eine Managementhilfe für die Betriebe zur Steigerung des Tierwohls und der Tiergesundheit.

Rapsdüngung mit Fernerkundung und KI

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Raps ist aus der Kulturlandschaft Schleswig-Holsteins kaum wegzudenken. Doch der Klimawandel sowie Einschränkungen im Pflanzenschutz und in der Düngung machen den Anbau zunehmend problematisch. Hier setzt das EIP-Projekt „RapSmartN“ an, das sich mit der effizienten Stickstoffdüngung von Winterraps beschäftigt.

Traditionell wird die Bestimmung der Stickstoffdüngemenge für Winterraps im Frühjahr so vorgenommen, dass die im Herbst bereits aufgenommene Stickstoffmenge vom Düngebedarf im Frühjahr abgezogen wird. Diese Methode berücksichtigt jedoch nicht die erheblichen Unterschiede innerhalb einer Ackerfläche, die durch Bodenbeschaffenheit, Schädlingsbefall oder andere Einflüsse entstehen können. Daher ist es notwendig, ein Verfahren zu etablieren, das diesen Anforderungen gerecht wird.

Ludwig von Natzmer (li.), Berater der Hanse-­Agro, und Johannes Schacht, Wissenschaftler der Hanse-Agro, stehen bei der Probenentnahme im Feld. Ausgerüstet sind sie mit einem RTK-Stab und einer Zugwaage.

Um den Aufwand für Landwirte möglichst gering zu halten, setzt das Projekt auf Fernerkundungsdaten zur Charakterisierung des Pflanzenbestands. Großflächig erhobene Bestandsparameter werden genutzt, um ein KI-Modell zu trainieren. Sollten aufgrund starker Wolkenbedeckung keine Satellitendaten verfügbar sein, kommt ein weiteres Modell der Hochschule Neubrandenburg zum Einsatz. Es kann auf Basis historischer Daten die im Herbst aufgenommene Stickstoffmenge in der Fläche modellieren und so unter allen Bedingungen belastbare Daten liefern.

Mit den Informationen kann anschließend eine teilflächenspezifische Applikationskarte für die Frühjahrsdüngung erstellt werden. Die Auswirkungen des Verfahrens werden in groß angelegten Feldversuchen auf beteiligten Praxisbetrieben in Schleswig-Holstein und Niedersachsen untersucht und die Ergebnisse anschließend publiziert.

Johannes Schacht kartiert mit dem RTK-Stab die Stelle der Probenahme. Mit im Bild: David Faehling, Student an der FH-Kiel und Praktikant bei der Hanse-Agro

„RapSmartN“ zeigt, wie die praktische Landwirtschaft und wissenschaftliche Forschung zusammenwirken können, um mit modernen Technologien den Herausforderungen des Klimawandels und der nachhaltigen Landnutzung zu begegnen. Durch den Einsatz von Satellitendaten und Künstlicher Intelligenz wird eine präzisere und effizientere Düngung ermöglicht, die sowohl ökonomische als auch ökologische Vorteile bietet. Diese Innovation könnte somit einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Landwirtschaft leisten und die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte in Schleswig-Holstein und darüber hinaus stärken.

Das Projekt „RapSmartN“ wird im Rahmen der Europäischen Innovationspartnerschaft (EIP Agri) Schleswig-Holstein durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (Eler) gefördert.


Das Projekt „RapSmartN“

Das Projekt „RapSmartN“ wird durch die gleichnamige operationelle Gruppe (OG) unter Leitung der Hanse-Agro durchgeführt. Die Partner sind aus der Wissenschaft die FH Kiel und HS Neubrandenburg, das Start-up AgDoIT und Landwirte aus Schleswig-Holstein (Herzogliche Gutsverwaltung Grünholz, Landwirtschaft Röhr, Hof Grapengeter GbR, Ferienhof Wichmann) und Niedersachsen (Maschinengemeinschaft Ratke-Elsner, Landwirtschaft Domäne ­Bahrdorf):

Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrarwirtschaft, vertreten durch Prof. Dr. Yves Reckleben

Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Agrarwirtschaft, vertreten durch Prof. Dr. Eike Stefan Dobers

AgDoIT GmbH, vertreten durch Christoph Ratke

Herzogliche Gutsverwaltung Grünholz – Ferdinand Prinz zu Schleswig-Holstein, vertreten durch Broder Preuss-Driessen

Landwirtschaft Röhr, vertreten durch Klaas Röhr

Hof Grapengeter GbR, vertreten durch Jasper Grapengeter

Ferienhof Wichmann, vertreten durch Holger Wichmann

Maschinengemeinschaft Ratke-Elsner, vertreten durch Sebastian Elsner

Andreas Bertram Landwirtschaft Domäne Bahrdorf, vertreten durch Andreas Bertram

Hanse-Agro – Beratung und Entwicklung GmbH, vertreten durch Oliver Zapka


Erfolgreicher Futterkräuter-Kleegras-Mischanbau

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In der Wiederkäuerernährung zur intensiven Milchproduktion stellen im norddeutschen Tiefland weidelgrasbetonte Grünlandbestände die übliche Praxis zur Grundfuttererzeugung dar. Was bringt die Integration von Futterkräutern wie Spitzwegerich oder Zichorie?

Die Zunahme von klimawandelbedingten Extremwetterereignissen kann in Weidelgrasbeständen vor allem in langen Dürrephasen in den Sommermonaten zu großen Ertragseinbußen führen. Eine Anpassung der botanischen Artenzusammensetzung von Grünlandbeständen hinsichtlich ihrer Resilienz gegenüber Trockenphasen ist somit vor allem auf leichten, sandigen und zur Trockenheit neigenden Grünlandböden wichtig, um eine Futterversorgung von Milchkühen nachhaltig sicherzustellen.

Unterschiedliche Studien konnten zeigen, dass durch die Nutzung von artenreicheren Grünlandbeständen die Erträge gesteigert und diese besonders unter trockenen Bedingungen stabilisiert werden können. Neben tief wurzelnden Gräsern wird hierbei insbesondere den Futterkräutern, wie Spitzwegerich (Plantago lanceolata) und Zichorie (Chicorium intybus), aufgrund ihrer sehr guten Futtereignung und Resilienz gegenüber Dürreperioden Bedeutung beigemessen. Unter anderem wurden diese tief wurzelnden Kräuter in intensiven Beweidungssystemen ausgiebig getestet. Bisher fehlten jedoch Studien zu Etablierungserfolg und Konkurrenzfähigkeit bei der Ansaat von Spitzwegerich und Zichorie in intensiv und konventionell gedüngten, von Deutschem Weidelgras dominierten Beständen unter Schnittnutzung im Norddeutschen Tiefland. Vor diesem Hintergrund wurden in einem Feldversuch zwei Anbauverfahren zur Etablierung von Zichorie und Spitzwegerich auf dem leichten, sandigen Boden der Versuchsstation Schuby in einem dreijährigen Feldexperiment (2020 bis 2022) untersucht.

Aufbau des Versuchs

Die Aussaat von Zichorie und Spitzwegerich wurde im Gemenge mit Deutschem Weidelgras (Lolium perenne) und Weißklee (Trifolium repens) im Streifen- und Mischanbau unter praxisüblichen Stickstoffdüngemengen und Schnittnutzungsintensitäten verglichen (Varianten siehe Tabelle). Der Versuch wurde auf dem Versuchsstandort Schuby der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein durchgeführt und im Herbst 2019 angelegt. Der Standort liegt in der schleswig-holsteinischen Geest, der Bodentyp ist ein stark humoser Gley-Podsol mit einer Ackerzahl von 22. Getestet wurde, inwieweit die Ansaatmethode, die Stickstoff-Düngungsintensität, der Schnitt im Jahr und das Untersuchungsjahr sich auf die Zielgrößen, Trockenmasseertrag, Rohprotein (XP) und Rohfasergehalt (XF), auswirkten. In diesem Artikel werden zunächst die Trockenmasseerträge und -anteile der ausgesäten Arten erläutert. Die Tabelle zeigt die Versuchsfaktoren und Faktorstufen des Versuchs.

Bei dem Kleegrasgemenge (KG) wurde das Saatgut vor dem Einfüllen in den Saatbehälter vermengt. Ebenso wurde mit dem Kräutergemenge im gemischten Anbau (MISCH) verfahren. Im Streifenanbau (STR) wurde der Saattank der Drillmaschine unterteilt, sodass die zwei Reihen in einer Parzelle jeweils mit Spitzwegerich und Zichorie gedrillt werden konnten (siehe Abbildung 1). Vor jeder Ernte mit dem Vollernter wurde anhand einer von Hand erhobenen Probe eine Fraktionierung der vorkommenden Arten durchgeführt, um Aussagen über den Ertragsanteil der jeweiligen Art treffen zu können.

Bringen Futterkräuter höhere Erträge?

Die in dem vorgestellten Versuch erhobenen Jahrestrockenmasseerträge der unterschiedlichen Anbauvarianten und Düngestufen sind der Abbildung 2 zu entnehmen. Dabei zeigt sich, dass die Varianten mit Gemenge (KG, MISCH und STR) mit der niedrigen N-Düngeintensität in den ersten beiden Versuchsjahren der Grasreinsaat (G) überlegen sind. Dieses Ergebnis bestätigt bereits vorangegangene Untersuchungen und unterstreicht die Wichtigkeit des Anbaus von Futterkräuter-Gras-Mischgemengen zusammen mit Leguminosen wie Weißklee, vor allem bei reduzierten N-Düngungsintensitäten.

Hat das Ansaatverfahren einen Einfluss?

Die Anbauverfahren mit Kräutern als Mischbestand (MISCH) oder im Streifenanbau (STR) unterscheiden sich im TM-Ertrag weder in der reduzierten N1- noch in der intensiv gedüngten N2-Variante. Zudem konnte durch die höhere Stickstoffdüngung (N2) nur im ersten Anbaujahr auch ein höherer Ertrag erzielt werden. In den folgenden beiden Jahren lagen die Erträge der Varianten im Mischanbau (KG, MISCH und STR) für beide Düngestufen auf dem gleichen Niveau. Eine höhere Stickstoffgabe führte hier somit ab dem zweiten Anbaujahr nicht zu höheren Erträgen. In der Grasreinsaat wurden durch die Düngergabe nur in den ersten beiden Jahren höhere Erträge erzielt. Im dritten Anbaujahr sind auch in der Variante G keine Unterschiede zwischen den beiden Düngestufen zu verzeichnen. Dies unterstreicht die Fähigkeit von Weißklee und Futterkräutern, auch unter geringeren N-Gaben hohe Erträge zu erzielen und eine Ertragskonkurrenz zu intensiv gedüngten reinen Weidelgrasbeständen darzustellen.

Wie lange halten Kräuter im Bestand?

Für die Fraktionsanteile der angesäten Arten in den Kräutergemengen (STR und MISCH) konnten keine Unterschiede zwischen den Anbauverfahren gefunden werden. Es ist jedoch eine Tendenz von höheren Zichorienanteilen in der Variante MISCH zu erkennen. Weiterhin konnten in diesem Versuch keine N-Düngungseffekte und kein Einfluss des Schnittes im Jahr auf die Anteile von Zichorie festgestellt werden. Der Spitzwegerichanteil unterschied sich nicht zwischen den N-Düngestufen und den Anbauverfahren. Jedoch konnten in den meisten Jahren und in beiden N-Düngestufen Unterschiede bei den Spitzwegerichanteilen zwischen den Schnitten innerhalb eines Jahres festgestellt werden. Hierbei nahmen die TM-Anteile des Spitzwegerichs, ähnlich wie beim Weißklee, im Jahresverlauf zu. Der Versuch konnte zeigen, dass in den ersten drei Anbaujahren die Kräuter auch unter hohen N-Intensitäten konkurrenzfähig waren, wobei hier der Spitzwegerich sich als ausdauernder und konkurrenzfähiger erwies.

Fazit

Der Anbau von tief wurzelnden Futterkräutern wie Spitzwegerich oder Zichorie ist vor dem Hintergrund zunehmender Trockenperioden vor allem auf zur Trockenheit neigenden Standorten von großer Bedeutung. Die Ergebnisse des Anbauversuchs zeigten, dass in den ersten drei Anbaujahren die Integration von Spitzwegerich oder Zichorie in einen Weidelgras-Weißklee-Bestand auch unter stark limitierter N-Düngung konkurrenzfähig sein kann im Vergleich zu intensiv gedüngten Beständen. Dies ist vorrangig auf den Anteil des N-bindenden Weißklees, jedoch auch durch die Futterkräuter zu begründen. Ob die Kräuter in Mischung oder als Streifen ausgesät werden, hat laut den Ergebnissen des Feldexperiments keine Bedeutung. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass der Kräutergemengeanbau sowohl unter intensiver als auch geringer N-Düngungsintensität in intensiven Schnittnutzungssystemen zu empfehlen ist und zur Ertragsstabilität beitragen kann.

Markterkundung von Forstpflanzen

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Auch in diesem Jahr führte die Forstabteilung der Landwirtschaftskammer wieder eine Forstpflanzen-Markterkundung durch. Nach der Abfrage des Pflanzenbedarfs in den zwölf Bezirksförstereien und dem Anschreiben an die Baumschulen erfolgte eine Bereisung zur Begutachtung der unterschiedlichen Herkünfte und Sortimente.

Insgesamt bewegt sich der Bedarf mit rund 500.000 Forstpflanzen auf ähnlichem Niveau wie in der Pflanzsaison 2023/2024. Wie auch in den letzten Jahren gibt es in Schleswig-Holstein noch zahlreiche Waldflächen, die durch Trockenheit, Sturm und Borkenkäferschäden in Mitleidenschaft gezogen wurden und nun mit einem bunten Strauß von verschiedenen Baumarten wieder aufgeforstet werden. Die Größe und Anzahl der nun wieder aufzuforstenden Flächen im Wald bedeuten somit für alle Beteiligten weiterhin ein hohes Arbeitspensum.

Vereinzelt Engpässe

Nach einer intensiven Markterkundung sowie anschließender Besichtigung der Quartiere bezüglich vorgegebener Qualitätsstandards konnten viele Sortimente und regionale Herkünfte auf ganzer Linie überzeugen und uneingeschränkt empfohlen werden. Eine große Herausforderung bestand für die Baumschulen in der Fokussierung auf besonders nachgefragte fünf bis sechs Baumarten. Vor allem bereits erprobte klimaresiliente Arten wie die Esskastanie, Roteiche oder auch die Douglasie waren besonders begehrt. Engpässe waren zum Teil bei Linde, Spitz-und Bergahorn erkennbar.

Stress durch Klimawandel

In den vergangenen Jahren wurde einmal mehr deutlich, dass unsere heimischen Baumarten einer enormen Komplexbelastung durch den Klimawandel ausgesetzt sind. Neben einer Verstärkung ökologischer Interaktionen in alle Richtungen und damit einhergehender Verschiebung interspezifischer Konkurrenz kommt es zu einer Störung ökologischer Gleichgewichte. Das Wechselspiel zwischen Waldschädlingen und ihren Wirtsbäumen gerät aus dem Gleichgewicht. Es kommt zu einer verstärkten Ausbreitung von Pathogenen, insbesondere invasive (Pilz-)Arten sind auf dem Vormarsch. Auch kommt es zu Schädlingsgradationen. Die Spätfrostgefahr sowie Hitze- und Trockenstress steigen.

Aus den genannten Aspekten ergeben sich voraussichtlich deutliche Änderungen in der Verbreitung unserer heimischen Baum­arten.

Ersatz für Hauptbaumarten

Folgende fünf außereuropäische Baumarten können bereits jetzt als potenzieller Ersatz für die heimischen Hauptbaumarten dienen: Douglasie, Küsten-Tanne, Roteiche, Robinie und Japanische Lärche. Diese Baumarten werden auch aus förderungstechnischer Sicht bereits heute schon in gewissem Umfang akzeptiert. Für weitere „in Europa heimische“ Baumarten legt die Abteilung Genressourcen der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt nun in großem Stil Herkunftsversuche und Probeanbauten an. Hier liegt das Problem vor allem in der Beschaffung von qualifiziertem Saatgut und fehlendem Wissen, wie sich diese Baumarten in Deutschland verhalten. Erste Erkenntnisse aus den Anbauversuchen sind frühestens in 20 Jahren zu erwarten.

Sicherheit der Energieversorgung

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Der Landwirtschaft kommt eine besondere Rolle in der Energiewende zu. Einerseits verbraucht sie Strom, Wärme und Kraftstoffe und ist deshalb auf eine kostengünstige und sichere Energieversorgung angewiesen, wobei gerade die Versorgungssicherheit für landwirtschaftliche Betriebe extrem wichtig ist, da beispielsweise Melkzeiten pünktlich eingehalten werden müssen, Lüftungsanlagen nicht ausfallen dürfen und so weiter. Andererseits erzeugt die Landwirtschaft selbst Erneuerbare Energien und stellt Roh- und Reststoffe für Biogasanlagen bereit, auf ihren Flächen werden Windkraft- und PV-Anlagen errichtet.

In den ersten Novembertagen 2024 sind am Spotmarkt die Strompreise wegen Stromknappheit geradezu explodiert. Dies beruhte auf einer für die Jahreszeit nicht ungewöhnlichen (kalten) Dunkelflaute, also dem gleichzeitigen Auftreten von Dunkelheit (genauer: keine bis geringe Sonneneinstrahlung wegen kurzer Tage plus Nebel plus Bewölkung) und Windflaute, was für eine deutlich geringere Stromproduktion aus Solar- und Windkraftanlagen bei gleichzeitig saisonal hohem Strombedarf sorgt und mehrere Tage andauern kann. Das ist eine extreme Belastung für jedes Energiesystem. Übers Jahr liefern die Erneuerbaren etwa 65 % der Stromerzeugung, Anfang November 2024 ist der Anteil auf bis unter 16 % geschrumpft, nur Wasserkraft und Biomasse lieferten. Dies unterstreicht wieder die Wichtigkeit des Weiterbetriebes der bestehenden Biogasanlagen sowie ihres weiteren Ausbaus für die Versorgungssicherheit.

Biogasanlagen zur Stabilisierung

Hilfreich wären eventuell große Batteriespeicher im Netz, weil diese Speicherkapazitäten für immerhin einige Stunden haben. Das ist perfekt für den Sommer, um die Solarspitze vom Mittag in den Abend zu retten. Aber im Winter sind die Lücken tagelang. Sie können nicht mit Batteriespeichern und Pumpspeicherkraftwerken überbrückt werden. Deshalb müssen Kohle- und Gaskraftwerke hochgefahren werden, um den Stromverbrauch zu sichern. Man wird in Deutschland immer eine zweite Energie-Infrastruktur brauchen, um die Stromversorgung zu sichern, egal wie viel Wind und Solar zugebaut werden.

Im europäischen Stromverbund könnte das Ausland einspringen. Aber Frankreich beispielsweise hat im Winter einen doppelt so hohen Stromverbrauch wie im Sommer, weil dort mit Strom geheizt wird, aber Elektrodirektheizungen genutzt werden, die einen im Vergleich zu Wärmepumpen dreifachen Strombedarf haben. Deshalb kam es in kalten Wintern mehrfach vor, dass Frankreich zum Stromsparen aufrief, weil auch die französischen Kernkraftwerke an ihre Grenzen kamen und Strom aus Deutschland nach Frankreich geliefert werden musste.

Flexibilisierung eine Lösung?

Natürlich ist eine Flexibilisierung der Nachfrage möglich, landwirtschaftliche Betriebe mit eigener Stromerzeugung können stromintensive Arbeiten zeitlich an die Stromerzeugung anpassen. Ein Güllerührwerk könnte dann pumpen, wenn reichlich selbst produzierter Strom zur Verfügung steht. Höhere Energieeffizienz bedeutet nicht nur Klimaschutz, sondern auch geringere Betriebskosten. Aber natürlich ist nicht jede Stromnachfrage zeitlich oder mengenmäßig flexibel. Ein Krankenhaus kann nicht einfach 50 % seiner Geräte abschalten, ein Elektrostahlwerk kann nicht seine Hochöfen mitten im Prozess abschalten. Genauso wenig können Landwirte ihre Kühe Stunden später melken.

Katastrophal wäre allerdings ein Blackout, also ein „unkontrollierter und unvorhergesehener Ausfall, bei dem mindestens größere Teile des europäischen Stromnetzes länger ausfallen“, so die Bundesnetzagentur. Wenn das Stromnetz ausfällt, können auch andere öffentliche Netze, wie die Gasversorgung oder das Telekommunikationsnetz, betroffen sein. Viele haben Angst vor möglichen Katastrophen, terroristischen Sabotageakten oder Hackerangriffen, die das Netz lahmlegen könnten. Außerdem fragen sich viele, ob durch die Energiewende das Risiko für einen Blackout steigt. Dies ist allerdings laut Bundesnetzagentur unbegründet.

Ortsnamen im Spiegel der Geschichte

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Die heutigen Ortsnamen in Schleswig-Holstein sind ein Spiegel der Geschichte, deren Entstehung weit zurückreicht. Verfolgt man ihre niederdeutsche, dänische und wendische Herkunft, erzählen sie von einem Land, wie wir es uns heute kaum vorstellen können. Unsere Heimat war ein wildes Waldland, von dem die Römer mit Schrecken berichteten, ein unsicheres Grenzland, um das nordische Völker stritten. Erst um 1200 gelang es den Schauenburger Grafen, das Land zu befrieden. Im Schutz der Ritter kamen Siedler ins Land. Sie gaben ihren Orten Namen, die an diese Zeit erinnern.

Tacitus – römischer Chronist und Statthalter Britanniens
Foto: Imago

Bereits die Römer drangen um Christi Geburt bis an die Nordseeküste vor. Tacitus, römischer Chronist und Statthalter von Britannien, nannte 98 nach Christus erstmals die Flüsse Albis, die Elbe, lateinisch „weißer Fluss“, und die Egidora, die Eider, lateinisch „Tor der Flut“. Im frühen Mittelalter um 800 nach Christus war Schleswig-Holstein nach Berichten der Chronisten dreigeteilt. Nördlich der Eider herrschten die Wikinger, östlich die Wenden und südlich unsere Vorfahren, die Nordsachsen. Der Isarnhoe, der „eiserne Wald“ trennte sie voneinander. Kaiser Karl der Große einigte sich mit ihnen auf die Grenzflüsse Eider im Norden, im Osten die Schwentine, slawisch „heiliger Fluss“, und die Trave oder lateinisch „Travena“. Adam von Bremen nannte 1076 erstmals die Stämme der Nordsachsen: die Holsaten oder Holsassen, „die im Holze Sitzenden“, heute Holsteiner, die Stormannen, dänisch „die großen Männer“, und die Dithmarscher, „Bewohner der flachen Marsch“.

Die Wikinger gründeten den ersten Handelsort, Haithabu, am Ende der Schlei, an der engsten Stelle zwischen Nord- und Ostsee, dänisch „Heideort“.

Die Wenden gründeten die Orte Starigard, slawisch „alte Burg“, heute Oldenburg in Ostholstein, und Liubice, slawisch „die Liebliche“, heute Lübeck. Auch der Ort Ratzeburg geht auf die Wenden zurück, auf die Burg des Wendenfürsten Race.

Die Sachsen gründeten wenig später Hammaburg, den „Ort auf bewaldeter Höhe“, heute Hamburg, den Ort Ekehoe, niederdeutsch „Eichenwald“, heute Itzehoe, und den Ort Möldorp, niederdeutsch „Mühlendorf“, heute Meldorf. Im Schutz der Ritter wagten sich die Stormannen und die Holsaten weiter in den Norden und Osten. Sie gründeten in den eroberten Gebieten unter Bischof Vizelin das „Neue Münster“, heute Neumünster, die Sigiborg, niederdeutsch „Siegesburg“, heute Segeberg, den Ort Oldesloe, niederdeutsch „alte Heide“, und das nördlichste Dorf Nordörp, niederdeutsch „Norddorf“, heute Nortorf.

Nach dem Untergang Haithabus blieb nur die Siedlung „Schlei Wik“, heute Schleswig, zurück.
Foto: Imago

Als Haithabu in den Kämpfen unter den Wikingern unterging, blieb nur eine Siedlung an der Schlei bestehen: Schlei Wik, dänisch „Schleibucht“, heute Schleswig. Um 1200 entstanden weitere Orte, wie Kiel. Die Bauern des Umlandes fuhren „tom Kiel“, niederdeutsch „zum Keil“, nach der Form der Förde, um dort Fisch einzukaufen. Rendsburg erhielt seinen Namen nach dem Ritter Reinhard, so wie auch Flensburg nach dem Namen eines Ritters. Im slawischen Sprachraum entstanden die Orte Preetz, slawisch „am kleinen Flüsschen“, Plön, damals Plune, slawisch „am offenen Wasser“, Eutin, damals Utin, ein slawischer Frauenname, und Lauenburg, vormals Labensburg, slawisch „Elbburg“. Friedliebende Wenden wurden übrigens nicht vertrieben. Ihre Dörfer blieben in Ostholstein bis heute bestehen, wie Klein Vollstedt oder Klein Flintbek oder Klein Meinsdorf, wobei das „Klein“ in der Regel für das wendische Urdorf und „Groß“ für die sächsische Siedlung stehen. Im Wendland bei Lüneburg gibt es noch die älteren Dorfbezeichnungen wie Deutsch Evern und Wendisch Evern.

Die Eider, ehemals Egidora, „Tor der Flut“, bei Marutendorf – sie bildete nach Verlassen des Westensees mit der Levensau zwischen Flemhuder See und Kiel die Grenze zu Dänemark.
Foto: Götz Heeschen

Aus dem Niederdeutschen entstanden die Orte Aukrug, ehemals Aukrögen, Bachauen, Bossee, Boss für „Busen“, Anhängsel des Westensees, Flintbek nach dem Flint-Bach, der unterhalb der Kirche entspringt, Mölln, damals Möllen, „Mühlenort“, und Schwarzenbek nach der „schwarzen Au“.

Mit Einführung der Reformation 1542 und der hochdeutschen Sprache wurden alle Ortsnamen in Steuerlisten aufgenommen. Da die Amtsschreiber von den Klöstern nur das Lateinische und das Hochdeutsche und die Bauern nur das Niederdeutsche kannten, haben sich seit dieser Zeit Hörfehler eingebürgert, die bis heute erhalten blieben, wie Itzehoe aus dem niederdeutschen Ekehoe, Nortorf aus Norddörp und Tüteberg aus dem Düdschen Barg.

Ihre Namen erzählen von der Geschichte unseres Landes, von der Zeit der Gründung in einer weitgehend bewaldeten Gegend, dem Grenzland der Völker im Norden.