Wie kann ein wirkungsvoller Schutz der Ostsee langfristig gelingen und wie sehen Herausforderungen und Maßnahmen aus? Beim Gewässerschutztag der Allianz für den Gewässerschutz am Mittwoch voriger Woche in Rendsburg stand der Zustand des Binnenmeeres im Mittelpunkt der Tagesordnung. Welchen Beitrag landwirtschaftliche Betriebe zu einer Reduzierung der Nährstofffrachten von N und P liefern können, zeigten zwei Beispiele aus der Praxis.
Als die zentrale Plattform, um wichtige Erkenntnisse zu sammeln und in die Fläche zu tragen, würdigte Sonja Sporn vom Naturschutzbund Schleswig-Holstein den Gewässerschutztag. Der Zustand der Ostsee sei alarmierend: „Trotz zahlreicher Bemühungen leidet sie nach wie vor unter zu hohen Nährstoffeinträgen, vor allem aus der Landwirtschaft.“ Algenblüten, „Todeszonen“ und eine zurückgehende Biodiversität bedrohten die Gesundheit der Ostsee. „Unsere Bäche, Flüsse und Seen verfehlen seit über 25 Jahren die europäischen Umweltziele“, erklärte Sporn. Jedoch habe man Fortschritte erzielt, etwa in Form reduzierter Nährstoffausträge durch Sanierung von Kläranlagen und eine optimierte Düngepraxis. „Sie zeigen Wirkung, aber sie reichen nicht aus. Wir stehen erst am Anfang.“
Problem Eutrophierung
Ein Bild vom herausfordernden Zustand der Ostsee und ihren verschiedenen Lebensräumen zeichnete Franziska Junge aus dem Kieler Umweltministerium. Das Konstrukt aus Meeresboden, Wassersäule, Tieren, Fischen, Pflanzen, See- und Küstenvögeln sei verbunden über die Nahrungsnetze. „Alles interagiert mit allem“, betonte Junge. Aus der Bewertung zum Zustand der deutschen Ostsee, die im Oktober 2024 an die EU-Kommission berichtet wurde, stellte Junge einige charakteristische Ergebnisse vor. Die Bewertung nach der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie zeige, dass 100 % der deutschen Ostseegewässer eutrophiert seien. Verbesserungen gebe es aber etwa im Bereich der Kieler Bucht. Jedoch überschritten die Nährstoffkonzentrationen in den Mündungsgebieten der meisten deutschen Flüsse die Bewirtschaftungsziele für Gesamtstickstoff und -phosphor. In den Jahren 2016 bis 2018 habe die Landwirtschaft 80 % der Stickstoff- und 45 % der Phosphoreinträge beigetragen, weitere 45 % der Phosphoreinträge stammten aus der Abwasserwirtschaft. Eine zusätzliche Reduktion der Stickstoff- und Phosphorbelastung sei daher zur Zielerreichung notwendig, insbesondere durch konsequente Umsetzung der Düngeverordnung und Maßnahmen nach EU-Wasserrahmenrichtlinie.
In einem schlechten Umweltzustand seien 93 % der pelagischen Habitate, also der Lebensräume der Wassersäule, der deutschen Ostseegewässer. Maßgeblich verantwortlich für diesen Zustand seien die Auswirkungen der Eutrophierung. Unter Verweis auf den Helcom-Aktionsplan erklärte Junge, dass Maßnahmen für einen besseren Umweltzustand der Ostsee nicht an Ländergrenzen haltmachen dürften: „Hier müssen wir international ansetzen.“ Mit dem Aktionsplan Ostseeschutz 2030 liege ein Paket vor, für dessen Umsetzung die Kompetenz im Land Schleswig-Holstein liege. Dazu zählten die Ausweisung mariner Schutzgebiete, Schutzgebietsmanagement und Bildungsarbeit sowie weitere Maßnahmen, zu denen die Reduzierung von Nährstoffeinträgen durch Gewässerschutzberatung, Förderung der Phosphatfällung und Stickstoffeliminierung an Kläranlagen sowie Zielvereinbarungen mit der Landwirtschaft zählten.
Einträge reduzieren
Obwohl die Nährstoffeinträge zuletzt sanken, seien noch immer mehr als 94 % der gesamten Ostsee eutrophiert, erklärte Dr. Thorsten Reinsch aus dem Kieler Landwirtschaftsministerium. Dort seien zwar auch Altlasten eingerechnet, „doch aus den Messnetzen wissen wir, dass die Konzentrationen für Stickstoff und Phosphat oft noch zu hoch sind, auch an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste.“ Um die Eutrophierung zu begrenzen, sehe der Aktionsplan Ostseeschutz verschiedene Maßnahmen vor, um die Stickstofffrachten um 2.000 t pro Jahr und die Phosphorfrachten um 65 t pro Jahr zu senken. Neben Maßnahmen, die auf die sogenannten Pumpquellen abzielten, enthalte der Aktionsplan auch solche, die die landwirtschaftliche Nutzfläche beträfen, erklärte Reinsch. Hierzu zählen etwa die Düngeverordnung 2020, die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Neuwaldbildung und Gewässerschutzberatung. „Sprechen wir über Wiederherstellung von Feuchtgebieten und Neuwaldbildung, sprechen wir auch oft über Flächenkonkurrenz zur landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion.“
Reinsch skizzierte die Zielvereinbarung (ZV) Landwirtschaft, die die Einrichtung von Ostseebeiräten und fünf Modellregionen mit jeweils einem Maßnahmenschwerpunkt und teilweisen Gewässermonitorings vorsieht. Ein Kern der Vereinbarung, die die Mitwirkenden direkt in ihrem Handeln betreffe, sei die Anpassung der Flächennutzung. So sollen als geförderte Maßnahmen die Flächenanteile von Gewässerrandstreifen, feuchten Ackersenken und Wald gesteigert werden. Darüber hinaus gehe es aber auch um weitere freiwillige Maßnahmen zur Reduktion von Nährstoffausträgen. „Der Zeitplan der Zielvereinbarung Landwirtschaft ist sehr eng“, hielt Reinsch fest. In diesem Monat soll die Konstituierung der Ostseebeiräte abgeschlossen sein, das Erstellen von Umsetzungsplänen soll bis zum Oktober erfolgen.
Kleegras in der Fruchtfolge
Erfahrungen zum Modellprojekt Schlei teilte Andreas Hobus aus Dörpshof, auf dessen Flächen die Integration von Kleegras und Hafer in die Fruchtfolge sowie die schlaginterne Segregation nach dem 90/10-Modell (siehe Bauernblatt 8/2025) erprobt wurden. Für das Modellprojekt stellte Hobus 4 ha Versuchsfläche zur Verfügung. Mit dem Projekt habe sich ein Großteil seines Betriebes mit 180 Milchkühen auf sandigem Lehm und ohne Dauergrünland verändert, inzwischen setze er „voll auf die Weidehaltung in einer Fruchtfolge“.
Kleegras und Folgefrucht wüchsen ohne zusätzlichen Stickstoff, Auswaschungen würden durch die Sommerung verhindert: „Die Vorteile merke ich selbst und bringe eine Gemeinleistung, da meine Stickstoffüberschüsse durch die Umwandlung der Fruchtfolge extremst klein geworden sind“, stellte Hobus klar. Ohne Stickstoffgabe habe er mit der Folgefrucht Hafer auf 4 ha im Jahr 2023 60 dt / ha und 2024 auf 18 ha 72 dt/ha ernten können. Den Hafer in der Fütterung einzusetzen, tue zudem der Kuh gut und trage zur Gesundheit der Tiere bei. „Es gibt viele Win-win-Situationen“, findet Hobus, der, wie er sagt, Lust hatte, den Betrieb weiterzuentwickeln. Der Landwirt warb dafür, unabhängig von dem einst Erlernten für neue Ideen und Wege offen zu sein. Neben dem Tausch von Gülle oder Stroh mit Nachbarbetrieben ist für ihn auch der Tausch von Kleegrasflächen denkbar. Die Vorteile des verringerten Stickstoffbedarfs, für Humusaufbau und Bodenleben lägen auf der Hand.
Bereits gute Ergebnisse
„Wir brauchen uns nicht zu verstecken“, unterstrich auch Landwirt Alfred Stender. Man habe bereits sehr gute und positive Ergebnisse erzielt. Für den effizienten Einsatz von Betriebsmitteln und den Gewässerschutz hat Stender schon früh eine hohe Eigenmotivation entwickelt. Die Gesetzgebung sei jedoch nicht immer zielführend. Der Landwirt aus Börnsdorf östlich des Großen Plöner Sees begrüßte die ZV Ostseeschutz, denn „Ordnungsrecht bringt uns nicht weiter“. Vielmehr stehe eine überbordende Bürokratie der innovativen Praxis entgehen. Der Landwirt stellte Maßnahmen für einen praxisnahen Gewässerschutz auf seinem Betrieb vor, zu denen eine weite Fruchtfolge, Boden- und Nmin-Ununtersuchungen, eine exakte Düngeplanung und terminierte Wirtschaftsdüngerausbringung, die Gewässerschutzberatung, der Anbau von Zwischenfrüchten und eine einzelschlagspezifische Düngung zählen. Stender unterstrich die Bedeutung von Maßnahmen für Erhalt und Steigerung der Bodenfruchtbarkeit und betonte dabei die Rolle aussagekräftiger Analyseergebnisse zur Eigenkontrolle. Für seine Mühen ist er 2018 zum Ostseelandwirt des Jahres gekürt worden.
Er plädierte zudem dafür, den Maßstab von 12 % Protein für die Weizenqualität anzupassen. Allein in Deutschland ließen sich so große Mengen N einsparen, dazu komme die eingesparte Energie: „Die Backqualität hängt bei den heutigen Weizensorten nicht mehr vom Proteingehalt ab.“ Doch sei es eine politische Frage, dieses Kriterium weltweit zu ändern.
Viel Eigeninitiative
Den Mut von Andreas Hobus und Alfred Stender, Neues ausprobiert und ihre Erfahrungen geteilt zu haben, begrüßte Dr. Michael Trepel aus dem Umweltministerium: „Diesen Mut brauchen wir auch beim Aktionsplan Ostseeschutz in allen Bereichen, nicht nur im Bereich Landwirtschaft.“ Die ZV Landwirtschaft könne nur ein Erfolg werden, „wenn wir Maßnahmen ergreifen, ausprobieren und uns gegenseitig zuhören. Wir sind im Gewässerschutz, in der Landwirtschaft und in der Düngung auf einem sehr guten Niveau. Die Betriebe halten die vielen Umweltstandards auch ein“. Wolle man noch weniger Austräge haben, müsse man von den Praktikern lernen und deren Erfahrungen berücksichtigen. Trepel habe mitgenommen, dass die landwirtschaftlichen Betriebe sehr viel Eigeninitiative ergriffen. „Damit schaffen wir in den Ostseebeiräten ein gutes Forum, um die Interessierten zu vernetzen. Über die Allianz können wir dazu beitragen, dies in die Fläche zu tragen.“
Die Vorträge des Gewässerschutztages sind abrufbar unter t1p.de/5zcjl