Die Nutzungsdauer von Milchkühen wird aus verschiedenen Gründen oft als zu kurz empfunden. In Schleswig-Holstein lag das Durchschnittsalter der Milchkühe im Jahr 2023 bei 5,5 Jahren. Besonders vonseiten der Verbraucher wird jedoch oft kritisiert, dass Rinder ja durchaus ein Alter von etwa 20 Jahren erreichen können, und auch wirtschaftlich betrachtet stehen alte Kühe zumeist besser da. Da 22 % der Milchkühe aufgrund von Fruchtbarkeitsdefiziten abgehen, lässt sich dort unter Umständen ein Weg zur Verlängerung der Nutzungsdauer finden.
Eine verlängerte Nutzungsdauer von Milchkühen kann sich sehr positiv darstellen. In Bezug auf die Nachhaltigkeit ist eine verlängerte Nutzung der Kühe von Vorteil, denn durch jede Remontierungsfärse erhöhen sich der Ressourcenbedarf und die Treibhausgasemission. Eine verlängerte Nutzungsdauer hat somit einen unmittelbaren Einfluss auf die Klimabilanz des Betriebes. Ein weiterer Punkt ist die höhere Milchleistung von Mehrkalbskühen im Vergleich zu Färsen. Ein größerer Anteil alter Kühe steigert somit die Menge der vermarkteten Milch und senkt gleichzeitig die Emissionen pro Kilogramm Milch.
Kälber- und Jungviehkosten sind erheblich. Sie müssen von der Kuh erst einmal „abbezahlt“ werden, bis sie sich rentiert und ein Betriebsgewinn entsteht. Auf vielen Betrieben ist dies erst nach der zweiten Laktation der Fall. Wenn die Kühe im Durchschnitt nun nur 5,5 Jahre alt werden und die ersten zwei Laktationen nur die Aufzuchtkosten decken, bleibt eine effektive Nutzung der Kuh von 1,5 Jahren. Je länger die Kuh also im Bestand bleibt und Milch gibt, desto rentabler und wertvoller ist sie für den Betrieb.
Die Abgangsgründe
Betrachtet man die Abgangsgründe, wird deutlich, dass die Abgangsursache bei 22 % der Kühe in einer mangelhaften Fruchtbarkeit liegt. Viele Betriebe nutzen festgelegte Faustzahlen für unterschiedliche Managemententscheidungen wie etwa eine maximale Anzahl an Besamungen pro Kuh und Laktation. Eine Kuh wird beispielsweise viermal besamt. Ist sie nach der vierten Belegung noch immer nicht tragend, wird sie aufgrund von Fruchtbarkeitsmängeln zur Schlachtung vorgemerkt.
Soll die Nutzungsdauer der Kühe verlängert werden, müssen solche Managementregeln hinterfragt werden. Stellen die festgelegten Besamungszahlen wirklich den wirtschaftlich sinnvollsten Schwellenwert dar? Diese Frage stellte sich auch das Forschungsteam um Ruozhu Han von der Universität Wageningen in den Niederlanden im Jahr 2024.
Das Team stellte fest, dass eine Anpassung der Grenze von vier auf fünf Besamungen die durchschnittliche Nutzungsdauer in den Betrieben um 108 Tage verlängert, eine Anpassung auf sechs Besamungen sogar um 155 Tage. Nun klingt das erst einmal nicht sehr viel, aber es gilt zu beachten, dass Kühe ja auch aus anderen Gründen als der Fruchtbarkeit abgehen und diese Verlängerung nun ausschließlich mit ein bis zwei weiteren Besamungen einhergeht.
Diese verlängerte Nutzungsdauer verringert die Remontierungsrate und führt somit zu einem Rückgang der Treibhausgasemissionen um 0,9 % beziehungsweise 1,2 %. Außerdem stellte das Forschungsteam gestiegene Nettoerträge fest, um 13 € beziehungsweise 18 € pro Kuh und Jahr. Dies ist vor allem auf die geringeren Kosten für die Färsenaufzucht zurückzuführen, aber auch auf eine höhere Milchproduktion. Diese stieg trotz der längeren Laktationsdauer aufgrund der Mehrkalbigkeit an.
Alte Kühe um jeden Preis?
Alte Kühe zu halten kann also einige Vorteile bringen, und in den Betrieben können verschiedene Stellschrauben, zum Beispiel im Bereich der Fruchtbarkeit, bewegt werden, um die Nutzungsdauer zu verlängern. Jedoch sollte trotzdem rational bei der Auswahl der Abgangskühe vorgegangen werden. Zwar sind alte Kühe „abbezahlt“ und erbringen höhere Milchleistungen, sie sind aber auch krankheitsanfälliger, besonders um den Kalbetermin herum.
Die Zahl der Besamungsversuche zu erhöhen kann vor allem in hochleistenden Herden mit persistenten Kühen sehr gut funktionieren, in anderen Herden führt dies allerdings zu verlängerten Trockenstehzeiten, da die Kühe schon vor Ende der Laktation an Leistung verlieren. Auch müssen höhere Besamungs- und Spermakosten einkalkuliert werden. Zudem sind die Zellzahlen bei alten Kühen im Durchschnitt etwas höher. Der Pflegeaufwand ist in älteren Herden damit zumeist etwas höher. Es muss daher genau abgewogen werden, welche Entscheidungen betriebswirtschaftlich sinnvoll sind und welche Schwellenwerte man für den Abgangsentschluss festlegt.
Die Situation in SH
Die Nutzungsdauer der Milchkühe in Schleswig-Holstein ist in den vergangenen Jahren stetig angestiegen, und die Kühe im Land sind durchschnittlich 66,3 Monate, also 5,5 Jahre alt. Der Vorwurf, die Kühe seien früher deutlich älter geworden, lässt sich demnach nicht bestätigen, denn 1985 befanden wir uns auf einem ähnlichen Niveau. Die zunehmend moderneren Kuhställe schaffen tiergerechtere Haltungsformen, die auf lange Sicht die Nutzungsdauer verbessern. Und auch der Zuchtfortschritt setzt hier an.
Fazit
Eine verlängerte Nutzungsdauer kann wirtschaftliche Vorteile haben. Da eine mangelhafte Fruchtbarkeit ein häufiger Abgangsgrund ist, kann eine gesteigerte Zahl der Besamungsversuche die Nutzungsdauer der Kühe verlängern und diese Vorzüge mitbringen. Eine unbedachte Steigerung der Nutzungsdauer kann jedoch auch negative Folgen haben, da ältere Kühe oft auch einen höheren Pflegeaufwand benötigen. Es muss betriebsindividuell geprüft werden, welche Möglichkeiten sinnvoll sind.