Die zurückliegende Bundestagswahl und ihre Auswirkungen auf die Energiewende, der Stand der Regionalplanung im Land und die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren bestimmten den Windbranchentag in der vergangenen Woche. Laut Veranstalter kamen erstmals weit mehr als 700 Gäste auf das Messegelände in Husum.
Eine Umfrage unter den Besuchern des Windbranchentages zu Beginn der Veranstaltung verdeutlichte die Gemütslage der Anwesenden: Mehr als die Hälfte bewertete ihre Stimmung, mit der sie der Arbeit der neuen Bundesregierung entgegensieht, als „wechselhaft“. Immerhin 22 % bewerteten sie als „heiter“, 4 % als „strahlend“, aber auch 17 % als „trüb“ und 2 % als „düster“.
Dynamik erfordert Innovationen
„Mit der Energiewende sind wir dem Strukturwandel in unserem ländlich geprägten Bundesland erfolgreich begegnet“, erklärte Wolfgang Stapelfeldt, Vorsitzender des Landesverbandes Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein (LEE SH). Das Land sei und bleibe Vorreiter der Energiewende: „Jetzt gilt es, diese Trümpfe richtig auszuspielen und mit Politik und Gesellschaft in Richtung 100 Prozent Erneuerbare zu gehen.“ Dynamische Rahmenbedingungen forderten die Branche auf, innovativ zu denken und zugleich tief in den gesellschaftlichen und politischen Diskurs einzutauchen. Stapelfeldt sprach sich klar gegen jegliche politische Zusammenarbeit mit der AfD aus: „Unsere jahrzehntelange Arbeit und Erfolgsgeschichte wird nichts mehr wert sein, wenn wir still zusehen, wie diese Partei offenkundig das System zum Einsturz bringen möchte, das uns den Wohlstand und die Freiheit bietet, die wir heute selbstverständlich genießen.“
Auch vor der Einführung sogenannter Netzengpassgebiete, wie sie laut schwarz-rotem Koalitionsvertrag geprüft werde, warnte der Landwirt und LEE-SH-Vorsitzende. Diese brächten die Gefahr mit sich, dass der Ausbau der Erneuerbaren limitiert werde. Laut Stapelfeldt werde es Schleswig-Holstein sein, das zeige, wie ein 100%ig Regeneratives Energiesystem funktioniere. Die Branche werde alles dafür tun, damit der Bund hierbei nicht mit „Maßnahmen aus der Mottenkiste“ Steine in den Weg lege.
Kein Zielkonflikt mit neuer Bundesregierung
Mit der neuen Bundesregierung bestehe keinerlei Zielkonflikt, unterstrich Bärbel Heidebroek. Die kurz vor dem Windbranchentag mit 98 % der Stimmen wiedergewählte Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie betonte, das Ziel der neuen Regierung im Bund sei ebenfalls eine klimaneutrale Bundesrepublik. Lediglich die Vorstellungen, wie dies erreicht werden solle, seien mitunter verschieden. Heidebroek appellierte an die Bundesregierung, an sich selbst und eine wieder wachsende Wirtschaft zu glauben. Den Ausbau der Erneuerbaren zu verlangsamen sei vor dem Hintergrund von Defossilierung und Dekarbonisierung der Industrie sowie der Versorgungssicherheit im Land vollkommen verkehrt. „Wir brauchen den weiteren Zubau“, unterstrich die Landwirtin aus Niedersachsen.
Interessenausgleich schaffen
Politik und Branche müssten sich laut Innenministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU) beim Ausbau der Windenergie um den Ausgleich der Interessen zwischen allen Akteuren kümmern. „Die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger ist grundlegend für diesen Prozess“, erklärte die Ministerin. Dies sei nicht immer nur zur Freude der Branche. Den Prozess der Neuaufstellung des Landesentwicklungsplans und der Regionalpläne mache sich das Land nicht einfach, die Änderung des Kriterienkatalogs zur Auswahl der Vorranggebiete sei in enger Abstimmung mit den anderen Ministerien erfolgt (siehe Ausgabe 11).
Am Vorrang einer landesseitigen Steuerung und dem Grundgedanken der räumlichen Konzentration halte die Landesregierung fest. „Über kurz oder lang werden rund 800 Anlagen, die derzeit noch außerhalb der Vorrangkulisse stehen, aus der Landschaft verschwinden – bei einer gleichzeitigen Zunahme der Leistung“, erklärte Sütterlin-Waack. Doch auch eine noch so gute Regionalplanung könne die mit der Windenergienutzung einhergehenden Belastungen für Mensch und Natur nicht aus der Welt schaffen, hielt Sütterlin-Waack fest. Mit einem transparenten Verfahren und einer breiten Beteiligung werde jedoch ein Großteil der Bevölkerung damit einverstanden sein.
Die ersten Entwürfe der Regionalpläne sollen noch vor der Sommerpause veröffentlicht werden. Aufgrund der Vielzahl neuer Vorrangflächen ist der Ministerin zufolge davon auszugehen, dass ein zweiter Planenturf benötigt werde, der 2026 in eine weitere Beteiligungsrunde gehen solle. „Unser Ziel ist weiterhin, die neuen Regionalpläne noch in dieser Wahlperiode in Kraft zu setzen“, so Sütterlin-Waack. Mit der Vorranggebietskulisse seien sowohl die Anforderungen des Windenergieflächenbedarfsgesetzes als auch die Energieziele des Koalitionsvertrages zu erfüllen.
Laut Energiewende-Staatssekretär Joschkna Knuth (Grüne) hat das Land im vergangenen Jahr 204 Windenergieanlagen mit einer Leistung von 1,1 GW genehmigt. In Relation zur Fläche liege Schleswig-Holstein mit durchschnittlich 400 kW/km2 installierter Leistung an Land mit Abstand vorn. Zu den insgesamt rund 9 GW onshore kämen weitere bereits genehmigte rund 2,7 GW (489 Anlagen) sowie etwa 2 GW (348 Anlagen), die auf eine Genehmigung warteten. Während die Genehmigungsdauer im Bund im Schnitt 23 Monate betrage, seien es in Schleswig-Holstein rund 18 Monate. Nach Vorlage der vollständigen Unterlagen brauche das Landesamt für Umwelt nur etwa sieben Monate zur Genehmigung.




