Als „architektonische Perle“ wird die 1959 eingeweihte Thomaskirche in Schulensee im Kreis Rendsburg-Eckernförde bezeichnet. Für Gemeindepastorin Nadine Ritter ist sie schlicht „ein kleines Goldstück“. Anlässlich des Pfingstfestes lud sie zu einer Besichtigung des Gotteshauses und seiner pfingstlichen Symbole ein.
Schon von Weitem ist die Thomaskirche zu sehen. Sie steht auf der Kuppe eines eiszeitlichen Endmoränenhügels. Der Weg zum Kirchenportal führt im weiten Bogen auf die Anhöhe hinauf. Was für ein skulptural anmutendes Bauwerk! Sein dunkles Schieferdach fällt von der Mittelachse nach beiden Seiten weit ab, als sei es wie ein schützendes Zelt über die Kirche – sprich Gemeinde – gespannt. Der Turm, normalerweise das höchste Bauteil einer Kirche, ist hier das niedrigste, wenn man sich den Turmschaft anschaut. Der herausragende Rest ist nur eine lange Spitze, die im Inneren auf getrennten Böden drei in Bochum gegossene Stahlglocken beherbergt.
Silke Bromm-Krieger
Architekt und Bauingenieur Otto Andersen (1924-1981) setzte in den 1950er Jahren bei der Präsentation seines Entwurfes für den geplanten Kirchenneubau alles auf eine Karte. Kurzerhand stellte er vor dem Kirchengemeinderat ein kleines Plastilin-Modell auf den Tisch und sagte: „Das ist Ihre Kirche!“ Andersen betonte zugleich, dass er keine Veränderungswünsche akzeptieren werde. Er gewährte den kirchlichen Entscheidungsträgern eine Bedenkzeit und meinte, dass es hier später nur ein Ja oder Nein geben könne. Er erhielt den Auftrag und das so umgesetzte Gotteshaus machte ihn populär. Später erschuf er weitere Kirchen im norddeutschen Raum, die zu den bedeutendsten Werken im Kirchenbau der Nachkriegszeit zählen. Nadine Ritter ist seit Mai 2022 die zuständige Gemeindepastorin. Für die Mutter eines zweieinhalbjährigen Sohnes ist es die erste Stelle nach dem Vikariat. Zu ihrem Einzugsgebiet mit 2.200 Gläubigen gehören Molfsee, Schulensee, Rammsee und Mielkendorf.
An diesem Tag will sie durch die Thomaskirche führen, die sie lächelnd als „kleines Goldstück“ bezeichnet. Durch ein Portal und einen Windfang hindurch betreten wir einen Vorraum. Erst als wir uns hier um 90° nach rechts wenden, erreichen wir nach wenigen Schritten den recht dunkel anmutenden sakralen Innenraum. „Solch eine Architektur ist unüblich für eine Kirche. Normalerweise betreten Besucher sie von Westen aus und haben sofort einen freien Blick zum Altar“, erklärt Ritter. Hier sei es anders. Man müsse erst durch drei Räume hindurchschreiten, um in den Kirchenraum zu gelangen, und der erste Blick falle nicht auf den Altar, sondern die Kanzel. Doch es gebe noch mehr Besonderheiten. „So finden sich in der Kirche keine spitzen Winkel. Nur an der Westseite ist ein rechter Winkel. Den Grundriss entwickelte Otto Andersen aus einer Rhombusform. Er ist einem Schiff nachempfunden“, weiß die Pastorin.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Während wir innehalten und den Kirchenraum mit seinen Bauelementen und Einrichtungsgegenständen auf uns wirken lassen, fallen sieben Fensterbilder in Form von Bullaugen auf. Sie wurden aus Dallglas, einem im Handgussverfahren gefertigten, nicht klar durchsichtigen Glas, hergestellt und erzählen lebendig und bunt die Schöpfungsgeschichte.
Die Reihe der Fenster beginnt über der Orgelempore mit dem Bild, das die Erschaffung des Lichts darstellt. Hier entdecken wir das erste Pfingstsymbol in Gestalt einer weißen Taube. Diese deutet den Geist Gottes an, der nahezu bewegungslos über den Wassern zu schweben scheint. Gegenüber dem Fensterbild des siebenten Schöpfungstags erhebt sich vom Altarraum bis zur Chordecke ein schmales Fenster, das symbolisch das Pfingstgeschehen, die Ausgießung des Heiligen Geistes, darstellt. Die Fenster des Gotteshauses wurden allesamt von Siegfried Assmann gestaltet (1925-2021), einem Maler und Bildhauer aus Großhansdorf bei Hamburg, der sich speziell in der Glasmalerei hervortat.
Geburtsstunde der Kirche
Nadine Ritter bleibt vor dem schmalen Fenster stehen, um das Motiv zu erklären. Eine gute Gelegenheit, zunächst in Erinnerung zu rufen, warum wir eigentlich Pfingsten feiern. „Pfingsten gilt als die Geburtsstunde der christlichen Kirche und Anfang der weltweiten Mission. Es ist das Fest des Heiligen Geistes und nach Weihnachten und Ostern das dritte Hauptfest des christlichen Kirchenjahres“, bemerkt sie. An diesem Feiertag werde der Heilige Geist gefeiert, der die Jünger Jesu 50 Tage nach dessen Tod am Kreuz ergriffen habe. Dadurch hätten sie plötzlich neue Sprachen sprechen und Gottes Wort in alle Nationen verbreiten können. „Auch auf diesem Bild ist in der Höhe der Geist Gottes wie eine weiße Taube dargestellt, aber im Vergleich zum ersten Schöpfungstag ist sie jetzt in Bewegung geraten, stürzt sich geradezu hinunter auf die versammelte Gemeinde, die in der Kirche andächtig vereint ist oder noch von außen dazukommt“, führt sie aus und entsperrt spontan eine kaum sichtbare Tür im Bildfenster, die sich zu einer davor angebrachten Außenkanzel öffnet. „Das Wirken des Heiligen Geistes wird durch viele Strahlen zum Ausdruck gebracht, die sich unten über der Erdoberfläche zu Netzen verbinden, als hätten sie die Aufgabe, Menschen einzufangen und hineinzuziehen“, interpretiert sie. Dieses Fenster sei im Vergleich zu den anderen in der Kirche sehr abstrakt gestaltet, aber in seiner Symbolik leicht erkennbar und aussagekräftig. Die Strahlen träfen dabei auch auf die in der Bildmitte erkennbare Gruppe der zwölf Jünger, die als Feuerflammen dargestellt sind. „Eine Veranschaulichung des Pfingstwunders, wie sie schlichter und innerlicher kaum zu denken ist“, fasst sie zusammen.
Foto: Silke Bromm-Krieger
Im Altarraum stehen ebenso Kanzel, Altar und Taufstein, alle aus Würzburger Muschelkalkstein. Wie auch das über dem Altar hängende Kruzifix aus Bronze wurden sie gleichfalls von Siegfried Assmann gestaltet. Christus am Kreuz trägt bei ihm weder Dornenkrone noch andere Zeichen des Leidens. Er hat den Tod schon überwunden und erscheint zwischen den sechs Kerzen auf dem Altar als siebtes Licht und Zeichen der Hoffnung.
Wir verlassen den Altarraum und steigen eine Treppe hinauf, um die Orgel mit ihren 22 Registern auf der Empore in Augenschein zu nehmen. Sie stammt aus der Werkstatt des Orgelbauers Detlef Kleuker (1922-1988) aus Brackwede, wurde 1961 errichtet und 2020/2021 grundlegend saniert. Sie spielt im musikalisch geprägten Gemeindeleben eine bedeutende Rolle und wird von Kirchenmusikerin Sabine Seifert regelmäßig zum Leben erweckt.Zum Ende des Rundgangs schauen wir in der Sakristei im Turmsockel, direkt neben dem Haupteingang gelegen, vorbei. Das bullaugenartige Fenster dort zeigt den Jünger Thomas, den Namenspatron der Kirche, kniend vor Jesu. „Thomas war bei der ersten Erscheinung des Auferstandenen am Ostertag nicht dabei. Als die anderen Jünger ihm davon erzählten, zweifelte er und meinte, er werde erst an die Auferstehung glauben, wenn er die Nägelmale und Wunden Jesu berühren könne. Diese Szene wird hier bildhaft beschrieben“, erläutert die Pastorin.
Die zwölf Jünger sind wir
Abschließend spannen wir in unserem Gespräch erneut den Bogen zum Pfingstfest. Für Nadine Ritter hat es eine besondere Bedeutung. Innerlich berührt, spricht sie von ihrer jüngsten Teilnahme am Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover. „Für mich wurde dort einmal mehr deutlich, dass wir Christen mit unserem Glauben auch andere Menschen inspirieren können. Die zwölf Jünger sind wir! Den Glauben, den wir in unserem Herzen haben, können wir alle in die Welt tragen, mutig, stark und beherzt“, bringt sie es getreu dem diesjährigen Kirchentagsmotto auf den Punkt.
In diesem Sinne weist sie auf ihren Pfingstgottesdienst am Pfingstmontag, 9. Juni, um 11 Uhr hin. „Er wird als Open-Air-Gottesdienst im Freilichtmuseum Molfsee an der restaurierten Bockwindmühle stattfinden, die dann im Rahmen des Deutschen Mühlentags wiedereröffnet wird“, informiert sie. Mehr Infos unter thomasbote.de