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Einigung über Mercosur-Abkommen erzielt

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EU-Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) ist zusammen mit EU-Handelskommissar Maroš Šefcovic vergangene Woche zu einem vorher nicht angekündigten Treffen der Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay aufgebrochen. Grund ist der erfolgreiche Abschluss der über 20 Jahre andauernden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit ebendiesen südamerikanischen Ländern. Es entsteht eine der größten Freihandelszonen der Welt. Während dieses Abkommen von einer breiten Allianz von Wirtschaftsverbänden seit Jahren gefordert wird, stößt es bei den europäischen Landwirten und Umweltverbänden auf großen Widerstand. In Kraft treten kann dieses Abkommen so allerdings noch nicht. Es muss nun erst vom EU-Parlament mit einer einfachen Mehrheit beschlossen werden, aber auch die einzelnen Mitgliedstaaten müssen es ratifizieren. Dafür ist eine qualifizierte Mehrheit nötig, das heißt es müssen mindestens 55 % der Mitgliedstaaten zustimmen. Diese 55 % müssen 65 % der europäischen Bevölkerung repräsentieren.

Bundesregierung begrüßt Abschluss

Die Bundesregierung gilt als starker Verfechter dieses Freihandelsabkommens, gilt es nicht zuletzt auch, der aktuell schwächelnden Autoindustrie zusätzliche Absatzchancen zu ermöglichen. Denn neben Textilien, Schokolade, Spirituosen und Wein sollen auch Maschinen und Autos komplett zollfrei gehandelt werden können. Die Bundesregierung hat hier in den letzten Verhandlungsrunden besonders auch auf das Einfließen von Standards im Bereich Klimaschutz und Entwaldungsstopp gedrängt. All dies ist nun auch Bestandteil des Abkommens geworden. Was die Bundesregierung nicht so interessiert, sind die Belange der Landwirtschaft und insbesondere der Rinderhalter. Denn klar ist: Es wird auf jeden Fall mehr Rindfleisch aus Südamerika auf den EU-Markt kommen, auch wenn der Handel mit Rindfleisch und Geflügel durch das Abkommen nicht vollständig liberalisiert wird. An Rindfleisch dürfen die Südamerikaner künftig 99.000 t zu einem vergünstigten Zollsatz von 7,5 % in die EU einführen. Das entspricht ungefähr der Hälfte der insgesamt in die EU eingeführten Vorjahresmenge. Das mag auf den ersten Blick als ein durchaus vertretbarer Kompromiss erscheinen, stellt aber bei genauerem Hinsehen die südamerikanischen Rindfleischproduzenten besser, die ohnehin schon deutlich niedrigere Produktionskosten haben, da sie sich mit ihren riesigen Feedlots unter freiem Himmel zum Beispiel keine Gedanken um die Baukosten von Tierwohlställen mit entsprechenden Gülleauffang- und Lagerkapazitäten machen müssen. Zudem trifft dieses zusätzliche Angebot auf einen Markt, in dem zurzeit sowieso weniger Rindfleisch konsumiert wird.

Gegenwind aus mehreren EU-Staaten

Eine Ratifizierung durch die einzelnen Mitgliedstaaten ist aber noch keineswegs sicher, denn neben Polen, Österreich und Italien kommt auch aus Frankreich, dem mit Abstand größten Rindfleischerzeuger in der EU, massiver Gegenwind. Die instabile französische Regierung kann es sich hier aufgrund der massiven Bauernproteste in Frankreich nicht leisten, die Stimmung weiter anzuheizen. Sicher ist, dass dieses Freihandelsabkommen für die EU ein enormer handelspolitischer Vorteil auch im Wettbewerb mit den anderen Handelsriesen USA und China wäre. Für die hiesigen Rindfleischerzeuger bedeutet es eine deutliche Wettbewerbsverschärfung und somit einen weiteren Schlag ins Gesicht. Es bleibt also spannend, was am Ende dabei herauskommt. Mit einer Entscheidung wird erst in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres gerechnet.

Einfach nur schön oder Kultur mit Zukunft?

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Aufgrund des spürbaren Klimawandels mit steigenden Temperaturen ist die Sonnenblume als Ackerkultur mittlerweile in Norddeutschland angekommen. Biosonnenblumen erreichten in den letzten drei Jahren in Niedersachsen einen Anbauumfang von über 500 ha. 2019 lag die Anbaufläche noch bei deutlich unter 100 ha, stieg in den beiden Folgejahren aber deutlich an. In Schleswig-Holstein wird die Anbaufläche nicht ausgewiesen. Der Anbau dürfte unter 300 ha liegen. Noch ist die Sonnenblume also eine Nischenkultur, die allerdings von einigen Betrieben in Niedersachsen bereits erfolgreich in die Fruchtfolge integriert wurde. Als Blickfang in der Kulturlandschaft leisten sie gerade in der Blütezeit einen Beitrag zur Biodiversität und die Imker in der Umgebung werden dankbar sein für eine relativ späte Tracht im Sommer.

Sonnenblumen gelten als anspruchslos. Sie stellen keine hohen Ansprüche an den Standort, auch schwere Tonböden sind geeignet. Wichtig ist eine gute Erwärmbarkeit im Frühjahr. Sonnenblumen haben ähnliche Temperaturansprüche wie Körnermais. Der Wasserbedarf ist relativ gering, außer in der Zeit von der Knospenbildung bis zum Abschluss der Blüte. Sonnenblumen verfügen allerdings über ein leistungsfähiges Wurzelsystem. Eine gute Bodenstruktur und -lockerung ist daher vorteilhaft.

In der Blütezeit sind Sonnenblumen ein Blickfang in der Landschaft, auch für Bienen.

Wohin in die Fruchtfolge?

Eine Stellung in der Fruchtfolge nach Leguminosen wird nicht empfohlen, da Sonnenblumen weniger hohe Ansprüche an die Nährstoffversorgung haben. Die schwer kalkulierbare Mineralisation kann zu verspäteter Abreife und instabilen Beständen führen. Aus diesem Grund ist auch eine organische Düngung zur Vorfrucht meistens sinnvoller. Nur auf mineralisationsschwachen Standorten bietet sich eine Düngung direkt zur Aussaat an. Im ökologischen Sonnenblumenanbau sollten Anbaupausen von mindestens fünf Jahren eingehalten werden, um die Gefahr des Stengelfäulebefalls (Sklerotinia) zu minimieren. Bei Sojabohnen in der Fruchtfolge ist dann ein Anbauabstand von mindestens drei Jahren zu berücksichtigen. Auch zu Kreuzblütlern wie dem Winterraps sollte aus dem gleichen Grund ein Anbauabstand von ebenfalls mindestens drei Jahren eingehalten werden. Der Anbau nach Getreide und einer Zwischenfrucht bietet sich oftmals an. Damit kann die Sonnenblume als abtragende Kultur den Platz beispielsweise eines Futtergetreides einnehmen und so die Fruchtfolge erweitern, das Anbaurisiko streuen und Arbeitsspitzen entzerren.

Anbau ähnlich dem Mais

Die Aussaat kann Ende April/Anfang Mai bei abgetrockneten Verhältnissen ab einer Bodentemperatur von 6 bis 8 °C erfolgen. Unter norddeutschen Anbaubedingungen ist ein besonderes Augenmerk auf die Verwendung frühreifer Sorten zu richten. Ausgesät werden 7 bis 8 K./m2, um mögliche Verluste durch Fraßschädlinge und mechanische Beikrautregulierung auszugleichen. Angestrebt wird zur Ernte ein Bestand von fünf bis sechs Pflanzen pro Quadratmeter. Die Ablage kann auf 45 bis 75 cm Reihenabstand in Einzelkornsaat erfolgen, um spätere Hackdurchgänge zu ermöglichen. Durch eine Ablagetiefe von 4 bis 5 cm ist eine frühe Beikrautregulierung durch Blindstriegeln möglich und zu empfehlen. Im Aufgang und Keimblattstadium ist die Sonnenblume vergleichsweise striegelempfindlich. Im Keimblattstadium können Vogel- und Schneckenfraß zum Problem werden. Sonnenblumen reagieren bis zum sechsten Blattstadium empfindlich auf zu hohen Beikrautdruck. Es bieten sich hier ein oder mehrere Durchgänge mit der Maschinenhacke an. Beim letzten Hackdurchgang ab einer Pflanzengröße von 30 cm kann auch ein flacher Damm angehäufelt werden. Ab diesem Zeitpunkt wachsen Sonnenblumen sehr schnell und beschatten den Boden mit ihren großen Blättern zügig. Weitere Maßnahmen bis zur Ernte sind dann nicht mehr notwendig.

Augenmerk auf die Ernte

Die Ernte der Sonnenblumen erfolgt Mitte September bis Mitte Oktober, wenn die Kornfeuchtewerte unter 15 % sinken und wenigstens der obere Teil der Pflanze abgestorben ist. Der Erntezeitpunkt sollte nicht zu lange herausgezögert werden, sonst führt Vogelfraß zu Ertragseinbußen. Bei feuchter Herbstwitterung kann es zur Verpilzung der Sonnenblumenkörbe kommen. Es gibt die Möglichkeit, Mähdrescher mit umgebautem Maispflücker zu verwenden. Der Drusch sollte bei trockenen Bedingungen mit niedriger Trommeldrehzahl erfolgen, um möglichst wenig Bruchkörner zu erzeugen. Aus gebrochenen Körnern tritt Öl aus und kommt in Kontakt mit der Luft, wobei es seine geschmacklichen Eigenschaften verändert. Eine zu starke Veränderung kann dazu führen, dass das Erntegut vom Verarbeiter nicht angenommen wird. Das schonend gedroschene Erntegut enthält noch in einen erheblichen Anteil Reste der Sonnenblumenkörbe, die einen höheren Feuchtegrad als die eigentlichen Körner aufweisen. Nach dem Drusch sollte unmittelbar das Erntegut auf 6 bis 9 % Kornfeuchte getrocknet und bei hohem Besatz auch gereinigt werden. Sonst kann die ganze Ernte „muffig“ werden, was eine Vermarktung unmöglich macht.

Fazit

Der Sonnenblumenanbau ist sicherlich nicht für jeden Biobetrieb geeignet, da gewisse Voraussetzungen für Reinigung und Trocknung erfüllt sein müssen. Wer allerdings auf der Suche nach einer Alternative zum Getreideanbau ist, seine Fruchtfolge erweitern möchte und damit eine Risikostreuung erreichen will, kann die Sonnenblume als Kultur durchaus in Betracht ziehen. Gebotene Preise von zirka 600 €/t sind bei der aktuellen Lage am Ökogetreidemarkt sicherlich auch attraktiv für diese relativ anspruchslose Kultur. Aufgrund des geringen Anbauumfangs sollten allerdings vor dem geplanten Anbau die Vermarktungsmöglichkeiten geklärt werden.


Ökosonnenblumen-Sortenversuch der Kammer Niedersachsen

Erstmalig hat die Landwirtschafts­kammer Niedersachsen 2024 einen Ökosortenversuch mit sieben Sorten angelegt. Der Versuch wurde in den mehrere Hekt­ar großen Praxisschlag eines ökologisch wirtschaftenden Partnerbetriebes integriert, auch um der Vogelfraßproblematik zu begegnen. Interessanterweise war der Standort ein schwerer Tonboden. Ziel ist es, geeignete Sorten für den Anbau in Niedersachsen herauszuarbeiten. Ein besonderes Augenmerk wird dabei neben dem Ertragsniveau auf den Botrytisbefall der Blütenkörbe, die Korbstellung und das Lagerverhalten gelegt. Eine zusätzliche Variante befasst sich mit der möglichen Wirkung einer Schwefeldüngung auf Ertrag und Ölgehalt. Erste Ergebnisse zeigen ein Ertragsniveau von 3,5 bis zirka 5 t/ ha und einen in diesem Jahr sehr geringen Befall mit Botrytis. Der Sortenversuch soll in den nächsten Jahren fortgeführt werden, um dann abgesicherte Ergebnisse zu liefern.


EU-Agrarrat: Hansen will Bioökonomie-Strategie

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Die Bioökonomie soll neue Chancen für Land- und Forstwirte in der EU schaffen. Das hat Agrarkommissar Christophe Hansen am Montag beim Agrarrat in Brüssel erklärt. Für 2025 stellte der Luxemburger eine neue Bioökonomie-Strategie in Aussicht. EU-Umweltkommissarin Jessika Roswall, die auch für wettbewerbsfähige Kreislaufwirtschaft verantwortlich ist, forderte, Erfolge aus der Forschung für die Praxis verfügbar zu machen und im industriellen Maßstab umzusetzen. Dafür hob sie besonders die Bedeutung von Start-ups hervor.

Hansen erwartet zum einen, dass durch die Bioökonomie neue Jobs in der Landwirtschaft geschaffen werden. Zum anderen bestehe die Hoffnung auf neue Aufgabenbereiche und alternative Einkommensquellen. Dabei betont der Agrarkommissar auch, dass man bereits eine Grundlage habe, auf der man aufbauen könne. So enthalte beispielsweise die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) schon jetzt 25 spezifische Maßnahmen im Bereich der Bioökonomie. Außerdem würden bereits heute viele Branchen Biomaterialien nutzen, die jedoch aktuell noch aus Drittstaaten eingeführt würden. Daher gelte es, sowohl die Wettbewerbsfähigkeit des primären Sektors als auch der Industrie zu stärken. Hansen erwartet, dass kontinuierlich mehr Industriebetriebe von fossilen auf pflanzenbasierte Rohstoffe umsteigen werden. Bei alledem dürfe man jedoch nicht das Ziel der Ernährungssicherheit aus den Augen verlieren.

Tiertransporte: Neuregelung notwendig

Der neue EU-Gesundheits- und Tierschutzkommissar Olivér Várhelyi forderte beim Agrarrat, dass sich dieser bis Mitte 2025 auf eine gemeinsame Position zur Überarbeitung der europäischen Tiertransportverordnung einigen möge. Immer wieder würden Zwischenfälle bekannt, die sowohl den Druck auf die Tierhalter als auch auf die Behörden erhöhten, erklärte Várhelyi. Nach seinen Worten ist die Novelle jedoch nicht nur aus Tierschutzgründen notwendig. Auch die Wettbewerbsfähigkeit und der Ruf der Tierhaltungsbranche würden verbessert. Zwischen den Mitgliedstaaten zeigen sich derweil weiterhin große Differenzen. Die Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Silvia Bender, sprach sich für schärfere Auflagen für den Transport lebender Tiere aus. Sie betonte, dass der Handel mit Fleisch und Zuchtmaterial sehr wohl Alternativen biete. Detailreich schilderte sie einen Fall, in dem Rinder in einem Tiertransport an der EU-Außengrenze verendet seien. Bender zufolge sollten solche Vorfälle zukünftig durch Verträge verhindert werden. Damit könnte bereits vor Beginn der Reise die Grenzüberquerung der Tiere im Detail geregelt werden.

Luxemburg und Niederlande für Verbote

Noch kritischer gegenüber Tiertransporten in Drittstaaten positionierte sich die Delegation aus Luxemburg. Sie forderte, dass Schlachttierexporte in Länder außerhalb der EU, die nicht über äquivalente Tierschutzstandards verfügten, verboten werden sollten. Gleichzeitig pocht Luxemburg jedoch auf einfachere Regeln für Transporte über kurze Distanzen. Eine ähnlich restriktive Position gegenüber Tiertransporten in Drittstaaten vertraten die Niederlande. Im Gegensatz dazu betonte Spanien die wirtschaftliche Bedeutung des Tierhandels. Mitgliedstaaten am Rand der EU dürften zudem nicht abgestraft werden. Eine der deutlichsten Warnungen vor möglicherweise zu hohen Tierwohlstandards kam aus Rumänien. Der Vorschlag der EU-Kommission habe das Potenzial, den ländlichen Raum in vielen EU-Staaten erheblich zu schwächen, hieß es aus Bukarest. Finnland warb darum, nationale Besonderheiten, etwa bei den Temperaturgrenzwerten, stärker zu berücksichtigen. Es müsse vermehrt auf technische Lösungen zur Sicherung des Tierwohls gesetzt werden. age

Vorsicht, Rechnungsbetrug!

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Cyberkriminelle haben eine sehr raffinierte Methode entwickelt, um Unternehmen und Einzelpersonen zu täuschen: Sie hacken E-MailKonten, mischen sich in laufende Konversationen ein und versenden gefälschte Rechnungen mit neuen Bankverbindungen, um Geld abzuziehen. So geschehen im Kreis Pinneberg.

Bauern im norddeutschen Raum sollten bei der Online-Überweisung größerer Summen genauer auf die Rechnungen schauen. Diesen Ratschlag gibt ein Landwirt aus dem Kreis Pinneberg, der in der vergangenen Woche Opfer eines perfiden Betrugs geworden ist. Der Geschädigte ist Betreiber eines größeren Milchviehbetriebes und möchte anonym bleiben. Sein Name ist der Redation aber bekannt. Los geht die Geschichte, als der Betroffene bei einem Hersteller einen Güllewagen mit Scheibenegge und Gestänge bestellt. Die Egge und das Gestänge werden bei einem externen Hersteller bestellt und an den Güllewagen-Produzenten geliefert. Dieser Hersteller schickt dem Milchviehhalter nach Eingang der Güllewagen-Komponenten wie vereinbart die Rechnung. Mit der Summe von 43.000 € sollte der externe Hersteller bezahlt werden.

„Alles war ganz normal, die Rechnung wurde als PDFDatei versendet, das Geld habe ich dann online überwiesen“, erzählt der Landwirt. Rund eine Woche nach der Überweisung fällt der Milchviehhalter dann aus allen Wolken: Der Hersteller des Güllewagens ruft an – und fragt, wann denn die vereinbarte Kaufsumme komme. Der Landwirt schickt daraufhin per Mail eine Kopie der Überweisung an den Hersteller. Dieser antwortet, dass die Kontodaten auf der Überweisungskopie falsch seien. Der Betroffene schaltet dann eine IT-Firma ein, über eine Fernwartung untersuchen die Computerspezialisten die Rechnersysteme des Landwirts. Ergebnis: Die Computer des Landwirts sind sauber – und nicht von Viren oder Schadsoftware befallen. „Ich achte selbst auf Sicherheit und habe AntivirusSoftware auf den Systemen zu laufen“, erklärt der Landwirt. Während der Computerprüfung äußert der Chef der IT-Firma den Verdacht, dass die Täter das E-Mail-Passwort geknackt haben könnten, obwohl der Geschädigte dafür eine Kombination aus Klein- und Großbuchstaben verwendet.

Die IT-Experten gehen davon aus, dass die Täter mit dem erbeuteten Passwort in den Server des E-Mail-Anbieters eingedrungen sind. Dort lauerten sie auf Beute – und fingen die Rechnung des Güllewagen-Herstellers ab, änderten darin die Kontodaten und schickten die Rechnung an den Empfänger. Die 43.000 € flossen per Online-Banking auf ein Konto einer bekannten deutschen Bank. Der Landwirt vermutet als Besitzer einen mittellosen Menschen. „Das Geld ist sicherlich zu den eigentlichen Tätern weitertransferiert worden, bei dem Kontobesitzer ist bestimmt nichts mehr zu holen.“

Eine Versicherung gibt es nicht, das Geld hat er abgeschrieben. Ob es Unterstützung von der Polizei gab? Der Betroffene winkt ab: „Eine Dreiviertelstunde musste ich auf der Polizeistation warten, bis endlich ein Beamter die Anzeige aufnahm.“ Die Kaufsumme hat er inzwischen erneut überwiesen, dieses Mal an die korrekten Kontodaten. Mittlerweile hat er von einem zweiten Betrugsfall im Kreis Pinneberg gehört. Wieder hat es einen Landwirt getroffen, wieder wurde das E-Mail-Passwort erbeutet. Der Verlust der 43.000 € ärgert ihn sehr, die Berufskollegen ruft er deshalb zu mehr Vorsicht auf. „Der entscheidende Punkt sind die Kontodaten. Wenn sich die Kontoverbindung ändert, immer telefonisch nachfragen, ob das der Wahrheit entspricht.“ Sven Tietgen

„Payment Diversion Fraud“ – Schuldner ist bei Zahlungsbetrug zahlungspflichtig

Nach einem Urteil des OLG Karlsruhe vom 27. Juli dieses Jahres sind Schuldner allein für die Sicherstellung einer geschuldeten Zahlung gegenüber dem Gläubiger verantwortlich. In dem dort verhandelten Fall wurde die Kaufsumme für einen Gebrauchtwagen vom Käufer auf ein falsches Konto überwiesen, nachdem der E-Mail-Verkehr zwischen Verkäufer und Käufer gehackt wurde. Dem Käufer wurde dadurch glaubhaft vorgetäuscht, dass sich die Bankverbindung des Verkäufers geändert habe (Payment Diversion Fraud).

Der Käufer hat den Betrag arglos auf das falsche Konto überwiesen, ohne sich die Änderung nochmals telefonisch bestätigen zu lassen. Da Banken bisher nicht verpflichtet waren, die Bankverbindung mit dem Kontoinhaber abzugleichen, liegt die Verifizierung der Zahlungsinformationen allein beim Schuldner. Der Käufer kann sich also gegenüber dem Gläubiger nicht darauf zurückziehen, dass der E-Mail-Account des Verkäufers gehackt wurde, weswegen ihm (dem Käufer) eine falsche Bankverbindung zugespielt worden sei. Laut OLG bestehen für den Rechnungsversender keine gesetzlichen Vorgaben für Sicherheitsmaßnahmen beim Versand von geschäftlichen E-Mails. Im Rahmen der EU-Instant-Payment-Verordnung sind Banken allerdings ab dem 9. Oktober 2025 bei jeder Überweisung zur Prüfung verpflichtet, ob die IBAN des Zahlungsempfängers zu dem Namen des angeblichen Zahlungsempfängers passt (sogenannter IBAN-Name-Check). Über eventuell auftretende Unstimmigkeiten muss der Auftraggeber informiert werden, sodass er von einer Zahlung (Überweisung) Abstand nehmen oder sie auf eigenes Risiko freigeben kann. Diesen Service müssen Banken kostenfrei anbieten, und zwar auf allen Kanälen, auf denen Überweisungen vorgenommen werden können. Je nach Vertragskonstellation und Versicherungsunternehmen können solche Schäden (Payment Diversion Fraud oder Fake President Trick) über eine CyberVersicherung (Baustein Vertrauensschadenversicherung) oder durch eine Versicherung gegen Internet- und Wirtschaftskriminalität gedeckt werden. Unternehmer sollten sich die Mitversicherung der gewünschten Delikte von ihrem Versicherer bestätigen lassen. Ein Leistungsanspruch besteht, sofern die Obliegenheiten zur Verhinderung eines Schadens vom Versicherungsnehmer beachtet wurden. Wolf Dieter Krezdorn, BVSH

ZNVG Wintertagung: Erfolg braucht Beteiligung

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Die Vermarktungsgemeinschaft für Zucht- und Nutzvieh eG (ZNVG) lud Anfang Dezember zu ihrer traditionellen Wintertagung und Abschlussveranstaltung des EIP-Agri-SH-Projekts „Smart Service Zukunft“ ein. Geschäftsführer Dr. Achim Münster betonte, das Vermarktungsvolumen der ZNVG liege erneut über einer Million Tieren. In Zusammenarbeit mit der Tochter Viehvermarktung Nord (VVN) in Verden wurden 2024 mehr als 1,5 Millionen Schlachtund Nutztiere vermarktet. Wichtige Vermarktungsschiene ist das Gutfleisch-Programm zusammen mit der Fleischwerk Edeka Nord GmbH, das seit fast 35 Jahren besteht.

Erstmals auf der ZNVG-Wintertagung sprach Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU). Er begrüßte, dass die Wintertagung gemeinsam mit der Abschlussveranstaltung des EIP-Agri-SHProjekts „Smart Service Zukunft“ stattfand. Schwarz betonte die Bedeutung von Stakeholder-Prozessen in der Landwirtschaft. Sie könnten Chancen bieten durch intensive Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren und brächten Impulse, die in der Schweinehaltung dringend benötigt würden. Die Borchert-Kommission stellte ebenfalls einen Stakeholder-Prozess dar, so Schwarz. Das Expertengremium hat Empfehlungen zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung unterbreitet und damit der agrarpolitischen Diskussion Impulse gegeben.

Als weiteren Stakeholder-Prozess nannte Schwarz die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL). Die ZKL ist davon überzeugt, dass der Landwirtschaft, bedingt durch den Klimawandel und andere ökologische, ökonomische und soziale Veränderungen, ein durchgreifender Transformationsprozess bevorsteht und dieser Prozess aufgrund seiner Ausstrahlung auf die gesamte Gesellschaft aktiv gestaltet werden muss. Zudem sprach sich Schwarz dafür aus, eine Abwanderung der Tierhaltung ins Ausland zu verhindern, und für den Erhalt der inländischen Schweineproduktion.

Abschluss des EIP-Agri-SH-Projekts

Frederik Mende als Leadpartner zu Smart Services stellte den Abschluss des EIP-Agri-SH-Projekts „Smart Service Zukunft“ vor. Das Projekt hatte sich als Ziele gesetzt, eine schnelle Umsetzung von digitalen Innovationen für und mit Schweine haltenden Betrieben in Schleswig-Holstein zu ermöglichen und damit die doppelte Transformation in der schweinefleischerzeugenden Wertschöpfungskette zu erleichtern. Das Zusammenspiel digitaler Systeme sollte verbessert und der strukturierte Dialog zwischen Marktpartnern, Dienstleistern und öffentlichen Stellen zu den Handlungsfeldern Tierwohl, Nachhaltigkeit und Digitalisierung gefördert werden. Somit konnten passgenaue Systembausteine erarbeitet werden. Diese umfassen unter anderem den neuen Q-Farm-HUB, die Funktionalität des digitalen Lieferscheins, einen neuen Quick-Check für die Wirksamkeit des betrieblichen Biosicherheitssystems, neue Weiterbildungsangebote und Möglichkeiten der strukturierten Datenaufnahme durch Sprachverarbeitung. Der Q-Farm-HUB gibt eine Struktur vor, wie gesetzlich geforderte Erklärungen, Nachweise und Zertifikate an öffentliche Stellen weitergeleitet und entscheidungsrelevante Daten für Public-Private-Management-Aufgaben geteilt werden können. Des Weiteren wird der Zugang zu leistungsstarken webbasierten Cloud-Features ermöglicht.

Process Pig – Künstliche Intelligenz im Schweinestall

Prof. Dr. Andreas Melfsen von der Fachhochschule Kiel präsentierte eine automatisierte Verhaltensanalyse von Mastschweinen zur Bewertung von Stallklimabedingungen in frei belüfteten Schweineställen, Process Pig, das vor 1,5 Jahren gestartet ist. Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Monitoringwerkzeuges von Verhaltensmustern in frei belüfteten Schweineställen mit baulich getrennten Funktionsbereichen in Abhängigkeit von klimatischen Bedingungen. Abschließend wird deutlich, dass die Übertragung der Methode auf frei belüftete Buchen mit Auslauf und strukturierten Funktionsbereichen einen ersten vielversprechenden Ansatz zeigt.

Eine kritische und unternehmerische Analyse seines landwirtschaftlichen Betriebs stellte Christoph Becker vom Hof Becker aus Reddingen vor. Der Betrieb ist vielfältig aufgestellt. Neben dem Ackerbau, wo auf 140 ha Mais, Zuckerrüben und Ganzpflanzensilage für die Biogasanlage angebaut werden, werden Schweine gemästet. Bereits 2001 wurde ein Außenklimastall mit Strohauslauf und mehr Platz gebaut. Becker hat den Betrieb 2010 übernommen. Von da an nahm er unter anderem am Tierschutzlabel, an der Initiative Tierwohl und an der Ringelschwanzprämie teil.

Die Buchten auf dem Hof Becker sind strukturiert, um den Schweinen das Wühlen mit der Rüsselscheibe auf dem Boden zu ermöglichen. Außerdem ersetzt der Mist den Mais in der Biogasanlage 2:1, eine weitere Aufbereitung des Strohs ist nicht notwendig. Becker ist die Öffentlichkeitsarbeit wichtig. Er nimmt an tierwohl.tv teil. Hierbei sendet eine Kamera im Stall das aktuelle Geschehen in einem Livestream direkt auf einen Bildschirm im Supermarkt. Ökonomisch betrachtet hat sich die Weiterentwicklung in Richtung mehr Tierwohl für diesen landwirtschaftlichen Betrieb gelohnt. Allerdings betont Christoph Becker, dass dies nur der Fall sei, weil er seit zehn Jahren einen Festpreis für seine Mastschweine bekomme und diesen mit Förderungen kombiniere. Insbesondere die Ringelschwanzprämie vom Land Niedersachsen habe sich als sehr profitabel herausgestellt. Abschließend ermutigt Becker seine Berufskollegen, proaktiv zu werden. Liza-Marie Haufe, ZNVG

Landwirtschaftsminister Werner Schwarz Foto: mbw
Dr. Achim Münster, Geschäftsführer ZNVG Foto: mbw

Zuckerrübensaatgut bringt Gewinn

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Auf der ordentlichen Hauptversammlung der KWS Saat SE im niedersächsischen Einbeck legte der Vorstand den anwesenden Aktionären Rechenschaft über ein sehr erfolgreichen Geschäftsjahr ab.

KWS überzeugte im Geschäftsjahr 2023/2024 mit deutlichen Zuwächsen von Umsatz und Betriebsergebnis und konnte die führende Position bei Zuckerrübensaatgut ausbauen. Das Geschäftsjahr war zusätzlich durch den Verkauf des Mais- und Sorghumgeschäfts in Südamerika und des chinesischen Maisgeschäfts geprägt. Die KWS-Gruppe erzielte einen Umsatzanstieg von 12 % auf 1,68 Mrd. €. Das Betriebsergebnis (Ebit) verzeichnete einen signifikanten Zuwachs um 55  % auf 302  Mio.  €, die entsprechende Ebit-Marge verbesserte sich ebenfalls deutlich auf 18,0  %. Das Ergebnis je Aktie stieg um 46 % auf 5,58 €. Auf Grundlage der positiven Geschäftsentwicklung hat die Hauptversammlung auf Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat die Auszahlung einer Dividende von 1 € beschlossen. Damit werden 33 Mio. € an die Aktionäre ausgeschüttet. Dies entspricht einer Quote von 25,2 %, mit der KWS am oberen Ende der an der Ertragskraft des Unternehmens ausgerichteten Ausschüttungspolitik und bei einer Dividendenzahlung von 20 bis 25  % des Jahresüberschusses der KWSGruppe liegt. Dr.  Hagen Duenbostel wurde nach Beendigung einer zweijährigen Cooling-off-Periode zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der KWS Saat SE sowie der KWS SE gewählt und Dr. Marie Schnell jeweils zur stellvertretenden Vorsitzenden der beiden Gesellschaften. pm

BayWa-Sanierung: Personalabbau angekündigt

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Den Mitarbeitern der BayWa stehen harte Zeiten bevor. Um den Konzern vor dem Konkurs zu bewahren, plant das Management als einschneidenden Schritt unter anderem eine starke Reduzierung des Personals. Außerdem ist die Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen außerhalb Deutschlands vorgesehen.

Ein radikaler Stellenabbau ist Teil des Transformationskonzepts, mit dem die BayWa vor dem Konkurs bewahrt werden soll. Laut des vergangene Woche vorgestellten Papiers sollen bis zu 1.300 der aktuellen knapp 8.000 Vollzeitstellen gestrichen werden. Der Konzern geht davon aus, dass damit im Ergebnis etwa 6.700 Arbeitsplätze erhalten werden können. Hart treffen wird es nach BayWa-Angaben insbesondere die zentralen Verwaltungseinheiten. Vorgesehen sei, dort bis Ende 2027 rund 40  % der Stellen abzubauen. Zudem habe eine Analyse ergeben, dass weitere 26 der derzeit gut 400 Standorte auch langfristig nicht wirtschaftlich betrieben werden könnten; sie müssten ebenfalls bis Ende 2027 geschlossen werden. Dem Konzern zufolge haben die Gespräche mit dem Gesamtbetriebsrat zu den geplanten Personalmaßnahmen bereits begonnen. Eine Einigung wird bis Ende März 2025 angestrebt.

Trennung von RWA und Cefetra

Vorgesehen ist in dem Transformationskonzept auch die Veräußerung von wesentlichen internationalen Beteiligungen bei grundsätzlicher Fortführung der vier Kerngeschäftsbereiche Agrar, Baustoffe, Energie und Technik. Die durch die Unternehmensverkäufe frei werdenden Mittel sollen zur Stärkung der Liquidität des operativen Geschäftsbetriebs und zur Schuldentilgung verwendet werden. Laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA will die BayWa ihre 50%ige Beteiligung an der Raiffeisen Ware Austria (RWA) abgeben. Die Eigentümer der RWA halten umgekehrt rund 28 % der BayWa-Aktien. Auch der niederländische Getreidehändler Cefetra und die Beteiligung an dem neuseeländischen Obstproduzenten T&G Global Limited stehen zum Verkauf. Beschlossen ist der Ausstieg aus dem Geschäft mit Erneuerbaren Energien, das über die Tochtergesellschaft BayWa r.e. AG läuft. Wie der Bayerische Rundfunk (BR) berichtete, werde der Umsatz der BayWa laut Sanierungsgutachten durch die Veräußerungen massiv sinken, und zwar von rund 23 Mrd. € im Jahr 2024 auf nur noch 8 Mrd. € im Jahr 2027. Allerdings werde innerhalb von drei Jahren der Schuldenberg von derzeit rund 5 Mrd. € auf voraussichtlich 1 Mrd. € abgebaut. Neben den Veräußerungen soll es gemäß Sanierungsplan eine organisatorische Verschlankung und zahlreiche operative Einsparmaßnahmen geben. Letztlich strebt die BayWa dem BR zufolge trotz sinkender Umsätze eine Steigerung des Gewinns an. Erwartet werde, dass das operative Ergebnis bis 2027 um rund die Hälfte auf 300 Mio. € zulege. Auch der Zinsaufwand solle nach den Berechnungen der Sanierer dann wieder tragbar sein. Während derzeit eine Zinslast von 400 Mio. € drücke, sollten es 2027 nur noch rund 100 Mio. € sein. Zugleich will die BayWa laut BR frisches Geld ins Unternehmen bringen. Vorgesehen sei eine Kapitalerhöhung durch die Ausgabe neuer Aktien; dies soll dem Konzern rund 150 Mio. € an frischem Eigenkapital bringen.

Operativ wettbewerbsfähig aufstellen

BayWa-CRO und Vorstandsmitglied Michael Baur gab sich optimistisch: „Die BayWa des Jahres 2027 wird ein fokussiertes, zeitgemäßes Handelshaus mit den vier Kerngeschäftsbereichen Agrar, Baustoffe, Energie und Technik sein.“ Das Transformationskonzept ist Basis für den kürzlich vorgelegten zweiten Entwurf des Sanierungsgutachtens. Die im Juli 2024 von der BayWa AG beauftragte Unternehmensberatung Roland Berger bestätigte mit der Vorlage des zweiten Entwurfs die Sanierungsfähigkeit des Agrarkonzerns. Die Gutachter gehen davon aus, dass das Unternehmen bis 2027 durch die Ergebnisverbesserungen bei gleichzeitigem Schuldenabbau wieder nachhaltige Finanzkennzahlen wird ausweisen können. age

Die Wiederentdeckung des Jens Ferdinand Willumsen

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Er war Maler, Grafiker, Bildhauer, Keramiker sowie Architekt und gilt als eine der markantesten Künstlerpersönlichkeiten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts: der dänische Künstler Jens Ferdinand Willumsen (1863-1958). In Skandinavien als prägender Vertreter der Moderne gefeiert, geriet er hierzulande in Vergessenheit. Ein Umstand, der nun eine Änderung erfährt.

Gettorfs Direktor Dr. Thorsten Sadowsky, Direktorin des Willumsen-Museums in Frederikssund, Lisbeth Lund und Kurator der Ausstellung Dr. Ingo Borges
Foto: Iris Jaeger

Erstmals widmet sich eine Museumsausstellung in Deutschland diesem Ausnahmekünstler. Drei Monate lang bietet das Museum für Kunst und Kulturgeschichte auf Schloss Gottorf in Schleswig mit einer Ausstellung von knapp 100 Werken die Möglichkeit, Willumsen wiederzuentdecken. „Diese Art der Ausstellung ist absolutes Neuland. Für uns ist es ein großer Augenblick, dass wir diese Ausstellung hier auf Schloss Gottorf zeigen können“, erklärte Dr. Thorsten Sadowsky, wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen und Gottorfs Museumsdirektor, bei einem Rundgang durch Kreuzstall und Reithalle. Wo bis vor Kurzem noch die üppigen Walküren von Joana Vasconcelos die Räumlichkeiten ausfüllten, sind nun Willumsens Arbeiten aus seiner gut 70-jährigen Schaffenszeit zu sehen.

Gottorf sei ein privilegierter Ort, der aufgrund der Geschichte dänische Kunst hier zeigen könne, solle und müsse. „Das gehört zur Identität der Landschaft dazu und wir sehen es hier als vornehme Aufgabe an, das umzusetzen“, so Sadowsky. Möglich wurde diese Ausstellung auch durch seinen Kontakt zur Direktorin des dänischen Willumsen-Museums in Frederikssund, Lisbeth Lund. Hervorgegangen ist dieser Kontakt aus einer Werkschau 2021 in Dänemark, bei der ein Dialog zwischen Willumsen und Ernst Ludwig Kirchner thematisch im Fokus stand. Obwohl sich beide Künstler nie persönlich begegnet seien, habe es viele Gemeinsamkeiten zwischen ihren Arbeiten gegeben, wie sie auch im Buch „Die späten Werke von Ernst Ludwig Kirchner und Jens Ferdinand Willumsen: Natur und Leben in Szene gesetzt (Klassische Moderne)“ zusammengestellt seien. Seinerzeit war Sadowsky Direktor des Kirchner-Museums in Davos und konnte aus seinem Bestand zur Kirchner-Ausstellung in Dänemark beitragen. Derzeit wird das Willumsen-Museum in Frederikssund modernisiert – eine gute Gelegenheit, in der Zeit die Werke nach Deutschland ins Schloss Got­torf zu holen.

Beim Gang durch die Hallen zeigen sich Willumsens große Vielseitigkeit und die Bandbreite seines Könnens, „das alle gängigen Gattungsgrenzen überwindet und einer Einordnung in etablierte Stilrichtungen oder Gruppierungen widersteht“, lautet es in der Ausstellungsbeschreibung. Waren seine frühen Arbeiten vom Naturalismus und Realismus geprägt, änderte sich sein Stil radikal mit den ersten Reisen nach Frankreich und Spanien. Die Begegnung mit der Avantgarde und der französischen Kunst, aber auch seine Bekanntschaft mit Paul Gaugin beeinflussten ihn nachhaltig. Er zog nach Paris, tauchte ein in das trubelige Leben der Stadt. Aber auch das ländliche Frankreich, insbesondere die Bretagne, inspirierte ihn.

„Eine Bergsteigerin“ ist eines der Hauptwerke Willumsens und zeigt seine zweite Frau Edith Wessel
Foto: Iris Jaeger

Mit dem Besuch des Museo del Prado in Madrid 1889 entwickelte Willumsen eine große Faszination für den griechisch-spanischen Manieristen El Greco, dem er sich über Jahrzehnte verbunden fühlte. Das ist auch seinen Gemälden anzusehen: Grelle Farben, intensive Kontraste, extreme Licht- und Schattensituationen, überformte, verzerrte Körper prägen seine Bilder.

In den 1920er und 1930er Jahren fertigte er einzigartig farbige weibliche Rollenporträts, für die er seine Lebensgefährtin Michelle Bourret immer wieder in verschiedene Rollen schlüpfen ließ, zum Beispiel in die des tanzenden Harlekins. Seine Faszination für Traumstädte wie Venedig oder die Schweizer Bergwelten finden sich in farbintensiven Gemälden wieder, in düsteren Zeichnungen hingegen bringt Willumsen seine tiefe Abneigung gegen die Gräueltaten des Ersten Weltkriegs zum Ausdruck. Gezeigt werden in der Ausstellung Keramiken, darunter auch Urnen, aus Willumsens Zeit als künstlerischer Leiter der Porzellanmanufaktur Bing & Grøndahl. Zu seinen zentralen Werken gehören „Eine Bergsteigerin“, aber auch „Jontunheim“ – ein Gemälde, ergänzt um einen imposanten Rahmen, an dessen oberem Rand die Bergwelten in Emaille noch einmal aufgegriffen werden, die Seiten werden von Zinkreliefs flankiert, die die Gegensätze von Verstand und Gefühl als dualistische Kräfte des Lebens darstellen.

Namensgebend für die Ausstellung und eine Ikone der skandinavischen Moderne ist das monumentale Gemälde „Badende Kinder am Strand von Skagen“ in der ersten von zwei Fassungen – der „Generalprobe“. Eine Collage aus Eindrücken, die Willumsen zwischen 1902 und 1909 während verschiedener Aufenthalte sammelte: im italienischen Amalfi, an der bretonischen Atlantikküste und im norddänischen Skagen. Er macht Fotos von spielenden Kindern am Strand, fängt das Meer, die Wellen und Wolken sowie das Licht in Studien ein, komponiert alles aufwendig in einem Gemälde, von dem er zunächst die Vorarbeit, die „Generalprobe“ anfertigt, bevor ein Jahr später das endgültige Werk „Sonne und Jugend“ entsteht. „Hinter diesem Motiv steht die damals hochmoderne Idee des Vitalismus, einer Lebensform, die für ein neues, ausgewogenes Verhältnis von Mensch und Natur wirbt“, erläuterte Kurator Dr. Ingo Borges die Benennung der Schau. Sie wird ergänzt um das interkulturelle Kooperationsprojekt ­„dialogW“ deutscher und dänischer Schüler, die sich auf ihre Art und Weise künstlerisch mit dem Werk Willumsens auseinandersetzten. Weitere Informationen unter schloss-gottorf.de

„Jotunheim“ 1892/93
Foto: Iris Jaeger
Verschiedene Keramiken, darunter auch Urnen
Foto: Iris Jaeger
„Junge springt rückwärts kopfüber ins Wasser“, Gipsfigur als Entwurf zu dem Gemälde „Badende Kinder“
Foto: Iris Jaeger
Porträtfoto von Jens Ferdinand Willumsen
Repro: Iris Jaeger
Eines der Arbeiten von Schülerinnen und Schülern aus Deutschland und Dänemark in dem Gemeinschaftsprojekt „dialogW“
Foto: Iris Jaeger
Ebenfalls eine Skulptur entstanden im Schülerprojekt
Foto: Iris Jaeger
„Ein Physiker. Generalprobe“ 1913
Foto: Iris Jaeger
„Tanzende Lola“ 1921
Foto: Iris Jaeger
„Meine Hand als ich etwa 20 Jahre alt war, restauriert mit einem kleinen Finger, als ich 61 Jahre alt war“, J.F.W. 1924
Foto: Iris Jaeger
„Bildnis einer jungen Dame. Die Charmante“ 1930
Foto: Iris Jaeger
„Palazzo Morosini am Canal Grande. Eine Gondel mit zwei nackten Ruderern“ 1934
Foto: Iris Jaeger


Strategie zur Zukunft der Niederungen liegt vor

Um die Niederungen Schleswig-Holsteins auf die Herausforderungen des Klimawandels und weitere veränderte Rahmenbedingungen vorzubereiten, hat ein Projektbeirat aus Landwirtschaft, Naturschutz, Wasserwirtschaft, ländlicher Entwicklung und Gemeinden sowie des Landwirtschafts- und des Umweltministeriums eine Strategie für deren Zukunft erarbeitet. Anlässlich seiner letzten Sitzung in Bergenhusen, Kreis Schleswig-Flensburg, stellte der Projektbeirat diese am Dienstag fertig. Mit ihr werden die Herausforderungen und der Rahmen für die zukünftige Entwicklung der Niederungen beschrieben.

Zudem hat die Landesregierung einen auf der Niederungsstrategie aufbauenden Handlungsplan beschlossen. Ziel ist, die Niederungen an die Herausforderungen des Klimawandels und der entwässerungsbedingten Geländesackungen anzupassen und zugleich die wirtschaftliche Nutzung weiterhin zu ermöglichen.

Etwa ein Fünftel der Landesfläche liegt unterhalb von 2,5 m NHN und zählt damit zu den Niederungen. Diese Gebiete prägen das Land und sind auf eine gut funktionierende Wasserwirtschaft angewiesen, um großräumige Überflutungen zu vermeiden und Bevölkerung und Infrastruktur zu schützen. So können die Niederungen bewohnt und bewirtschaftet werden. Heute müssen das Wassermanagement und in Teilen auch die Landnutzung an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Dazu zählen der Klimawandel und die fortschreitenden, entwässerungsbedingten Geländesackungen, die die Gebiete tendenziell nasser machen. Auch gesellschaftliche Ziele wie die Treibhausgasneutralität bis 2040 und der Biodiversitätsschutz machen Anpassungen nötig.

Gleichzeitig sind viele wasserwirtschaftliche Anlagen sanierungsbedürftig, für deren Betrieb die Wasser- und Bodenverbände zuständig sind. Viele dieser Anlagen wurden während des Programms Nord in den 1950er bis 1970er Jahren geplant und errichtet und müssen nun technisch angepasst werden. Bei der zukunftssicheren Gestaltung der Niederungen sollen die Bedürfnisse der dort lebenden Menschen ebenso wie die landwirtschaftliche Produktion gesichert werden.

Anlässlich der letzten Sitzung des Projektbeirates erklärte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne): „Zusammen mit den Mitarbeitenden beider Ministerien leisten wir mit dieser Strategie einen wesentlichen Beitrag, um die Niederungen Schleswig-Holsteins zukunftssicher zu machen. Die Herausforderungen für die Niederungen sind groß: Der steigende Meeresspiegel macht die Entwässerung immer schwieriger, während große Teile der Niederungen immer tiefer sacken und vernässen. Gleichzeitig sind viele alte Schöpfwerke der Herausforderung kaum mehr gewachsen.“

Möglichkeiten zur Wertschöpfung notwendig

Das Landwirtschaftsministerium hat die Entwicklung der Niederungsstrategie sowie den Dialog mit den Betroffenen vor Ort begleitet. „Die Zukunft unserer Niederungen ist unweigerlich mit der Landwirtschaft verknüpft – etwa ein Fünftel der Landesfläche ist als Niederung definiert, 80 Prozent davon werden landwirtschaftlich genutzt. Die Niederungen sind somit Existenzgrundlage für viele landwirtschaftliche Betriebe und Familien und werden in großen Teilen seit Generationen bewirtschaftet. Klar ist aber auch: Der Klimawandel erfordert Anpassungen in den Regionen der Niederungen. Es ist daher zwingend erforderlich, gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort im Dialog Lösungen zu entwickeln“, sagte Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU). Die Niederungsstrategie schaffe hierfür einen geeigneten Handlungsrahmen. Schwarz betonte, dass eine an Umweltzielen orientierte landwirtschaftliche Flächenbewirtschaftung in den Niederungen langfristig nur erfolgreich sein könne, wenn die Betriebe eine Möglichkeit zur Wertschöpfung hätten. Dafür müssten eine dauerhafte wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit gewährleistet werden.

Mit dem vom Kabinett beschlossenen Handlungsplan sollen die Regionen nun befähigt werden, die Niederungsstrategie umzusetzen. Dafür benennt der Handlungsplan Maßnahmen, mit denen die Menschen in den Niederungen die Herausforderungen bewältigen können.

Angebote für die Landwirtschaft schaffen

„Gemäß dem Handlungsplan werden wir etwa mit den Wasser- und Bodenverbänden die notwendigen Modernisierungsmaßnahmen der Schöpfwerke und wasserwirtschaftlichen Infrastruktur erarbeiten und prüfen, wie die Finanzierung auf eine breitere Basis gestellt werden kann“, erklärte Goldschmidt. Dazu gehöre, das Energiemanagement an den Schöpfwerken zu optimieren und alternative Lösungsansätze zu erproben. „Ein weiteres Beispiel ist, dass wir mit dem Landwirtschaftsministerium neue Vertragsmuster und Angebote für die Landwirtschaft schaffen, die eine bodenschonende, klimafreundliche und die Artenvielfalt fördernde Bewirtschaftung von Moor- und Marschböden fördern“, so der Umweltminister.

Die Niederungsstrategie des Projektbeirates ist abrufbar unter t1p.de/mnx5g und kann als Print-Version beim Land angefragt werden.

Eine Einordnung des Bauernverbandes Schleswig-Holstein folgt in der kommenden Ausgabe.


Hintergrund

Meeresspiegelanstieg, Sturmfluten, Starkregen, Trockenheit oder Moorsackungen: Der Klimawandel stellt die Niederungsgebiete vor zunehmende Herausforderungen. Im Juni 2023 veröffentlichte das Land eine Förderrichtlinie für die Niederungen, mit der es vielversprechende Projekte vor Ort unterstützt. Gefördert werden Akteure, die Teile ihrer Niederungsgebiete an die Folgen des Klimawandels anpassen. Zuwendungen können etwa Projekte erhalten, die die Anpassung von wasserwirtschaftlichen Anlagen wie Schöpfwerken und Sielen planen, Maßnahmen zum Wasserrückhalt in der Landschaft erarbeiten und umsetzen oder die Nutzungen in Einzugsgebieten an die Herausforderungen des Klimawandels anpassen.

„Ausstiegspfad aus der Biogasnutzung im Stromsektor“

Der Entwurf für das lang ersehnte „Biogaspaket“ stößt bei den Bioenergieverbänden auf breite Ablehnung. Sowohl die im Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) organisierten Verbände als auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) haben am vorigen Freitag eine fundamentale Überarbeitung gefordert. Das Paket war erst am Vortag mit einer Frist zum Nikolaustag in die Verbändeanhörung gegeben worden.

Der vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Entwurf von Regelungen zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2023 im Hinblick auf Bioenergie ist für den Präsidenten des Fachverbandes Biogas (FvB), Horst Seide, ein „Ausstiegspfad aus der Biogasnutzung im Stromsektor“. „Wir lehnen den Vorschlag grundsätzlich ab“, so Seide weiter.

„Käme das Paket, würde die Nutzung von Biogas zur Erzeugung von Strom und nachhaltiger Wärme in absehbarer Zeit auf einige wenige Anlagen reduziert und vorhandene Potenziale würden vernichtet statt mobilisiert“, kritisierte auch BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter. „Wir brauchen Lösungen, die für alle Biomasseanlagen funktionieren“, ergänzte HBB-Leiterin Sandra Rostek.

Breite Kritik an den Plänen

Laut HBB will das Berliner Wirtschaftsressort die Betriebsstunden der Biogasanlagen ohne Übergangsregelung von heute 4.000 auf 2.500 und später auf 2.000 reduzieren. Einhergehend mit der geringeren Betriebsstundenzahl sei jedoch nur eine leichte Anhebung des Flexibilitätszuschlags von heute 65 €/kW auf 85 €/kW vorgesehen. Dem BEE zufolge fehle zudem eine ausreichende Anhebung des Ausschreibungsvolumens, auch seien die im Entwurf skizzierten Flexibilitätsanforderungen viel zu hoch. Das im Sommer von Ressortchef Dr. Robert Habeck (Grüne) als „Biomassepaket“ angekündigte Vorhaben war damals von der Branche begrüßt und zwischenzeitlich eingefordert worden.

Ausschreibung erneut massiv überzeichnet

Am selben Tag hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) die Ergebnisse der Aus­schrei­bun­g für Biomasseanlagen zum Gebotstermin 1. Ok­to­ber 2024 veröffentlicht. Zum vierten Mal in Folge war diese deutlich überzeichnet. Insgesamt 283 Gebote mit einem Volumen von 287 MW erhielten laut der BNetzA einen Zuschlag. Bei einer ausgeschriebenen Menge von 234 MW seien 712 Gebote mit einer Gebotsmenge von 622 MW eingereicht worden. 17 Gebote im Umfang von 31 MW seien auf Neuanlagen und 695 Gebote mit 591 MW auf Bestandsanlagen entfallen.

Laut HBB untermauert die fast dreifach überzeichnete Ausschreibung den dringenden Handlungsbedarf. „Im Zentrum jeglicher Überlegung muss jetzt eine Übergangsregelung stehen, die für 2025 befristet und einmalig das Ausschreibungsvolumens auf 1.800 Megawatt anhebt“, forderte Rostek anlässlich der Veröffentlichung erneut. „Viele Hundert Biogasanlagen stehen unmittelbar vor dem Ende ihrer EEG-Förderung und benötigen eine Anschlussperspektive“, begründete BEE-Präsidentin Peter den Zeitdruck.

Wie die BNetzA weiter mitteilte, findet die nächste Ausschreibungsrunde für Biomasseanlagen am 1. April 2025 statt.