Das Interesse an Kompostierungsställen steige, berichtet Diplom-Agraringenieurin Sibylle Möcklinghoff-Wicke vom Innovationsteam Milch. Wie sie bei einem Webinar des Netzwerk Fokus Tierwohl erklärte, machen steigende Anforderungen an Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit in der Landwirtschaft derartige Lösungen attraktiv.
Die viel diskutierten Themenbereiche Bodenfruchtbarkeit und Humusaufbau können durch einen Kompostierungsstall (KS) gefördert werden. Zudem ist das offene, einfache Baukonzept verlockend. Eine freie Liegefläche lässt sich oft gut als Anbau oder Umbau von Altgebäuden realisieren.
Aus diesen Gründen findet man KS auf der ganzen Welt, Standard sind sie jedoch nur in Israel, wo das Klima ein ganz anderes ist. „Dort stehen 95 Prozent der Tiere in KS“, berichtet die Agraringenieurin. In Deutschland dagegen waren im Jahr 2022 nur 3,8 % der Kühe in einem KS untergebracht. „Es wird wohl eine Nische bleiben“, sagt Möcklinghoff-Wicke und nimmt eine der Herausforderungen des Systems gleich vorweg: Die Beschaffung und Pflege der Einstreu bereiten oft Schwierigkeiten. Zudem gibt es trotz der seit rund 20 Jahren laufenden Beratung zum KS bisher wenig gute Beratungsunterlagen. Unkenntnis und Falschinformationen seien weit verbreitet, teilweise würden verschiedene Systeme durcheinandergeworfen. Das Innovationsteam Milch begleitet daher Forschungsvorhaben und steht in intensivem Austausch mit den Praxisbetrieben.
Maximaler Kuhkomfort
Im KS können sich die Tiere frei bewegen und ihr natürliches Sozialverhalten mit Artgenossen ausleben, inklusive der Bildung einer Rangordnung. Der weiche, trockene Untergrund ermöglicht sicheres Laufen sowie bequemes Abliegen und Aufstehen. Das Resultat sind gesunde, langlebige Kühe, die wenig Aufmerksamkeit erfordern. Klauen und Gliedmaßen sind gesünder, Lahmheiten seltener. Die Tiere sind sauberer und fruchtbarer, die Milchleistung höher. Auch die Eutergesundheit kann positiv beeinflusst sein. „Man kann Kühe auch sehr gut in einem Liegeboxenlaufstall halten“, räumt die Beraterin ein. „Aber häufig sind die Laufbereiche hart, rutschig und nass.“ Die Abmessungen in den Liegeboxen seien oft nicht an die Tiergröße angepasst, wodurch der Liegekomfort zu gering sei. Auch Technopathien oder dicke Gelenke gebe es häufig. „Das sieht man in einem KS einfach nicht“, so Möcklinghoff-Wicke. Für sie ist der KS hinsichtlich des Tierwohls unschlagbar: „Für die Kuh ist es das Beste, was derzeit zu haben ist. Wenn wir in 20 Jahren noch eine Akzeptanz für Milchviehhaltung haben wollen, sollten wir offen sein für innovative Systeme. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir zukünftig der einzelnen Kuh mehr Platz im Stall bieten müssen.“
Aber auch der Landwirt profitiere von diesem System, nicht nur durch die „glücklichen Kühe“: Es fallen auch weniger Reparaturen an als im Liegeboxenlaufstall (LBL). Das Substrat aus dem Stall kann er gut als Dünger nutzen. Auch hinsichtlich der Düngeverordnung gibt es weniger Probleme, weil durch die Kompostierung eine Verstoffwechselung stattfindet – 1 m³ Kompost entspricht im Nährstoffgehalt etwa 4 m³ Gülle. Und es wird etwa ein Drittel weniger Ammoniak emittiert, Gerüche werden reduziert. Dieser Punkt kann für die Akzeptanz in der Gesellschaft eine Rolle spielen. Die Stallbaukosten sind etwa gleich wie beim Bau eines LBL. Man braucht zwar weniger technische Einrichtungen wie Liegeboxen, dafür aber eine größere Grundfläche.
Kompostierungsstall
Ein KS wird in der Regel als klassischer Zweiraumlaufstall gebaut. Im Unterschied zum LBL zeichnet er sich durch eine große, freie Liegefläche aus. Diese ist tief eingestreut. Ein KS darf nicht verwechselt werden mit einem Kompoststall, bei dem die Einstreu schon aus fertigem Kompost besteht. Im KS dagegen werden meist Sägespäne oder Hackschnitzel verwendet. Die sich durch regelmäßiges Nachstreuen aufbauende Matte wird durch Kot und Harn sowie durch die regelmäßige Pflege in Kompost umgewandelt. „Man kann die Matte sehr lange aufbauen“, berichtet die Expertin. Den Erfahrungen nach reicht ein ein- bis zweimal jährliches Ausmisten. Der Fressgang ist befestigt und durch eine Stufe von der Liegehalle abgehoben. Der KS kann als Umbau oder Neubau realisiert werden, auch die Kombination mit einem LBL ist möglich. Er eignet sich für alle Kuhgruppen und Melktechniken – auch Melkroboter sind kein Problem. Man kann alle Tiere oder nur spezielle Gruppen im KS unterbringen, er funktioniert bei jeder Herdengröße.
In einem gepflegten Stall sind die Kühe sauber und trocken, denn die Einstreu trocknet durch die regelmäßige Bearbeitung und durch Verdunstung kontinuierlich ab. Das Risiko für ein Fehlmanagement ist hier aber deutlich höher als im LBL, denn die Liegefläche muss gut überwacht und gepflegt werden. „Das ist kein Selbstläufer-System“, betont Möcklinghoff-Wicke. „Bei sehr vielen Ställen ist das Management nicht gut, und wir erzielen nicht die Ergebnisse für die Kuh, die wir haben möchten. So eine Kompostierungsfläche ist ein lebendes Wesen, das man pflegen muss, damit es am Leben bleibt.“ Wie beim Komposthaufen im Garten wird im KS organisches Material durch Mikroorganismen abgebaut. Dabei wird das Volumen reduziert. Essenziell für die Kompostierung sind Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Sauerstoff (O2) und Feuchtigkeit. Die entstehende Wärme sichert eine trockene Oberfläche, Bakterien werden reduziert und das Volumen durch die Verdunstung von Wasser verkleinert.
Kostenfaktor Einstreu
Ein großer Kostentreiber sind im Kompostierungsstall die Einstreukosten. Das verwendete Material beeinflusst den Erfolg der Kompostierung stark. Vor allem das C-N-Verhältnis ist dabei ausschlaggebend. Aufgrund ihres weiten C-N-Verhältnisses sind Sägespäne, Hobelspäne oder Hackschnitzel der Goldstandard. Das Mischen mit einer anderen organischen Komponente wie Dinkelspelzen oder Miscanthus ist möglich. In der Praxis entscheiden allerdings die Verfügbarkeit und der Preis am ehesten über das verwendete Material. Wegen des großen Bedarfs ist es wichtig, sich Stammlieferanten zu sichern. Der Verbrauch ist in den Betrieben sehr unterschiedlich und rangiert von 8 bis 25 m³ pro Kuh und Jahr. „Das macht deutlich, wie gut oder schlecht das Liegeflächenmanagement gehandhabt wird“, so Möcklinghoff-Wicke. In der Beratung empfiehlt sie eine Menge von 15 bis 20 m³ Einstreu pro Kuh und Jahr. Die Preise dafür liegen je nach Region, Verfügbarkeit und Material um die 6 bis 25 €/m³. Geht man von einem Verbrauch von 18 m³ pro Kuh und einem Preis von 20 €/m³ aus, liegen die Kosten pro Kuh und Jahr bei 360 €. Das sind 150 bis 200 € mehr als im LBL. Grundsätzlich gilt: Je höher der Tierbesatz auf einer Fläche, desto mehr Material wird man brauchen. Jeder Quadratmeter Liegefläche spart etwa 0,8 m³ Einstreu. Der Einstreuverbrauch hängt aber auch von weiteren Faktoren ab, so zum Beispiel vom Liegeflächenmanagement. Das kann mit einer Be- oder Entlüftung unterflur verbessert werden. Die Witterung, die Milchleistung, die Tierart, möglicher Weidegang und das gesamte Stalldesign können die Kosten erhöhen oder senken.
Die hohen Einstreukosten scheinen tatsächlich der größte Nachteil des KS zu sein, so die Agraringenieurin. Gegenrechnen könne man allerdings die geringeren Medikamenten- und Tierarztkosten wegen der verbesserten Tiergesundheit und geringere Ausbringungskosten für Gülle. Auch die Kosten für etwaige Reparaturen an den Liegeboxen fallen weg. Was die Arbeitskosten angeht, gibt es bisher wenige Untersuchungen. Dieser Posten wird von Landwirten auch unterschiedlich bewertet. Es scheint jedoch, dass die Arbeitszeit niedriger ausfällt als beim LBL und vor allem die Arbeit für die Pflege der Liegefläche durch den Maschineneinsatz weniger körperlich anstrengend ist. Auch die Zweitverwertung des entstandenen Kompostsubstrats kann die Gesamtkosten senken. Der fertige Kompost eignet sich sehr gut als Dünger. Das Nährstoffprofil ist nicht mit dem von Stallmist, Gülle, Tiefstallmist oder Grüngut-Kompost vergleichbar, es variiert zudem je nach Einstreumaterial. Insgesamt ist der Kompost jedoch feinkrümelig und mittelporig und baut eine hervorragende Humusschicht auf. Die Bodenfruchtbarkeit wird dadurch dauerhaft verbessert.
Das richtige Management
Der Boden in der Liegefläche muss regelmäßig belüftet, aufgelockert, eingeebnet und durchgemischt werden. Dadurch werden Kot und Urin eingearbeitet, es kommt Sauerstoff in den Boden und der warme Kompost gelangt an die Oberfläche, die dann besser abtrocknet. Einmal täglich sollte man diese Arbeiten gewissenhaft durchführen. Idealerweise nutzt man dafür im Wechsel einen Grubber und eine Fräse, da sie unterschiedliche Effekte haben. Einmal wöchentlich wird frisch eingestreut, zumindest über die Wintermonate. Im Sommer kann es auch vorkommen, dass zwei bis drei Monate lang gar nicht nachgestreut werden muss, weil die Oberfläche deutlich besser abtrocknet.
Von 1 m² Kompostierungsfläche können pro Tag 50 l Wasser verdunsten. Die Menge ist abhängig von der Luftgeschwindigkeit, der Temperatur und der relativen Luftfeuchte. Sommer und Winter erfordern daher ein unterschiedliches Management der Fläche. Besonders in den Wintermonaten bereitet zu hohe Feuchtigkeit in vielen Ställen Probleme. „Von November bis März ist ein KS schwierig zu managen“, räumt Möcklinghoff-Wicke ein. Pro Kuh entstehen täglich 50 bis 60 kg Kot und Harn, davon die Hälfte in der Liegefläche. Höherleistende Tiere mit einem höheren Grundumsatz benötigen auch mehr Grundfläche, damit die Oberfläche trocken gehalten wird.
Weniger Treibhausgase
Die Emission von Treibhausgasen steht bei der Rinderhaltung immer wieder in der Diskussion. Wie sich der KS in dieser Hinsicht verhält, ist noch nicht ausreichend untersucht. Insgesamt sei die Konzentration verschiedener Gase in der Luft in den Betrieben sehr unterschiedlich, erklärt Möcklinghoff-Wicke. Das hänge wahrscheinlich mit der baulichen Situation zusammen, zum Beispiel mit der Anordnung des Futtertisches. Besonders die Werte für Methan und Ammoniak variierten stark. Hinsichtlich dieser beiden Gase scheint der KS aber gegenüber dem LBL deutlich im Vorteil zu sein. Die gasförmigen Verluste sind geringer, je besser die Kompostierung funktioniert. Die Emission von CO2 zum Beispiel erhöht sich, je feuchter das Material wird. Ein hohes C-N-Verhältnis sorgt für geringe Stickstoffverluste.
Wichtige Parameter für die Kompostierung
• C-N-Verhältnis: 20:1 bis 40:1
• Feuchtigkeit: 40 bis 55 %
• pH-Wert: 6 bis 9
• Temperatur: 43 bis 55 °C
• Dach: Neigung von 30 bis 40°, der First sollte offen und breiter als beim Liegeboxenlaufstall sein. Traufenhöhe mehr als 4,2 m
• pro Kuh mindestens 12, besser 15 m2 Platz auf der Liegefläche
• Von besonderer Bedeutung ist die natürliche Lüftung. Höhe der Seitenwände danach ausrichten, Traufen nach der Hauptwindrichtung ausrichten
• Seitenwände und First offen
• Ventilatoren sorgen für zusätzlichen Luftaustausch. Auch Unterflurbe- oder -entlüftung möglich
• Fressbereich 50 bis 80 cm höher als Liegebereich. Zu Beginn kann man mit Einstreu eine Rampe für die Tiere formen. Wenn sich die Matte langsam aufbaut, wird der Höhenunterschied kleiner.
• Tränken nur vom Fressgang aus zugänglich, um zusätzlichen Wassereintrag in die Liegefläche zu verhindern
• Übergang zum Fressbereich offen oder mit Toren, sodass die Tiere auf dem Fressgang festgesetzt werden können