Die Entwicklungen im Agrarbereich schreiten rasant voran und vielerorts zeigen sich die Folgen einer veränderten Handels- und Lagerstruktur. Der regionale Landhandel schließt zunehmend kleinere Lager, sodass landwirtschaftliche Betriebe mehr Verantwortung für die Konservierung und Lagerung ihrer Erntefrüchte übernehmen müssen.
Besonders im Druschfruchtbereich ist dies eine logistische und technische Herausforderung, zumal sich die Naturräume in Schleswig-Holstein und den umliegenden Regionen stark unterscheiden. Während Betriebe an der Küste oftmals nasse Erntegüter mit entsprechendem Trocknungsbedarf vorfinden, müssen im Landesinneren vor allem Lagerhaltungen zur Gesunderhaltung und Kühlung eingerichtet werden. Parallel steigen die Ansprüche an neue Lager- und Trocknungsanlagen. Diese müssen nicht nur hohe technische Standards erfüllen und für Mitarbeiter attraktiv sein (geringe Staub- und Lärmbelastung), sondern auch eine intuitive und verlässliche Steuerung bieten.
Trocknungsbedarf: Regionale Unterschiede
Die zurückliegenden Erntejahre in Norddeutschland machten eindrücklich deutlich, dass sich Witterungsbedingungen massiv auf die Erntefeuchte und damit den Trocknungsaufwand auswirken können. Teilweise sind die gesamten Weizenernten mit deutlich über 17 % Feuchte einzufahren, was die gängige Trocknungstechnik schnell an ihre Kapazitätsgrenzen bringt. Untersuchungen des Rationalisierungs-Kuratoriums für Landwirtschaft (RKL) zeigen, dass in normalen Jahren bis zu 70 % des Weizens an den norddeutschen Küsten getrocknet werden müssen, weitaus mehr als in vielen anderen Regionen.
Solche Zahlen spiegeln sich auch in den Anforderungen an Betriebslogistik und Trocknungsverfahren wider. Im Küstenbereich kommt es oft auf hohe Durchsatzleistungen an, da die Erntefenster klein sind und große Feuchtemengen abgebaut werden müssen. Im Binnenland hingegen wird seltener thermisch getrocknet. Hier reicht oft eine Lüftungstrocknung oder reine Belüftungskühlung aus, um den Kornhaufen stabil zu halten.
Verfahren: Dächerschachtdurchlauftrockner
Über Jahrzehnte hinweg hat sich der Dächerschachtdurchlauftrockner als leistungsstarkes und energieeffizientes Verfahren bewährt. Es gilt als klassisches Trocknungsverfahren. In Erntejahren mit stark schwankenden Feuchtegehalten geraten diese Anlagen jedoch an ihre Grenzen, weil sie eine möglichst konstante Kornfeuchte für den optimalen Betriebspunkt benötigen. Um das zu erreichen, setzen moderne Anlagenkonzepte vermehrt auf Feuchtgetreidezellen, in denen das Erntegut einige Stunden bis Tage zwischengelagert wird. Hier werden drei Effekte genutzt:
• mechanisches Mischen: Beim Ein- und Auslagern bildet sich ein Kegel- beziehungsweise Kernfluss, der die Körner durchmischt und so große Feuchtestreuungen ausgleicht.
• Homogenisierung durch Schwitzen: Die höhere Erntetemperatur im Korninneren bleibt erhalten, sodass sich das Wasser im Korn verteilt und an die Oberfläche wandern kann. Dadurch sinkt der thermische Aufwand, um diese Benetzungsfeuchte zu verdampfen.
• Feuchteausgleich zwischen den Körnern: Auch Körner mit leicht unterschiedlichem Feuchtegehalt gleichen sich gegenseitig an.
Empfehlungen für die Schwitzdauer variieren je nach Fruchtart von wenigen Stunden (zum Beispiel Raps) bis zu mehreren Tagen (zum Beispiel Bohnen). Betriebe, die in Feuchtgetreidezellen investieren, sollten sich stets an der künftigen Druschleistung ihres Mähdreschers orientieren, damit die Kapazitäten nicht in wenigen Jahren zu eng werden. Durch Homogenisierung in Feuchtgetreidezellen lassen sich maximal 15 bis 25 % Energie einsparen.
Temporäre Zwischenlager schaffen
Sind die Feuchtgetreidezellen oder Silos erschöpft, wird oft ein provisorisches Zwischenlager auf einer betonierten und leicht konvex angelegten Fläche eingerichtet. Dies ermöglicht eine kurzfristige Lagerung des Ernteguts. Es sollte allerdings hinsichtlich Regenwasserabfluss, Verunreinigungen und möglichem Schädlingsbefall streng kontrolliert werden. Als baulich günstige und flexible Variante haben sich stapelbare „Betonlegosteine“ bewährt, die in fast jedem Betonwerk anfallen. Jedoch gilt es, die Zeiträume für eine Zwischenlagerung strikt einzuhalten:
• 16,5 % Feuchte: maximal fünf Tage
• 18,5 % Feuchte: maximal drei Tage
• 20,5 % Feuchte: maximal ein Tag
Überschreitet man diese Grenzen regelmäßig, sollte in Kühlaggregate oder zusätzliche Trocknungskapazitäten investiert werden. Denn gerade bei höheren Feuchten steigen das Risiko des Verderbens und die Gefahr von Qualitätsverlusten rasant.
Höhere Standards, bessere Arbeitsbedingungen
In ganz Norddeutschland sind viele Getreideanlagen in die Jahre gekommen. Angesichts steigender Betriebsgrößen und -leistungen passen alte Förder- und Trocknungsleistungen oft nicht mehr zu modernen Ernteabläufen. Insbesondere für Betriebe, die in Schleswig-Holstein durch die Schließung von Lagerstandorten im Landhandel gezwungen sind, mehr eigenes Getreide selbst zu lagern, könnten der Neubau oder die Modernisierung der eigenen Anlage sinnvoll werden.
Neben der Kapazität rücken zwei Punkte stark in den Fokus:
• Staub- und Lärmemissionen: In vielen Regionen steigen die rechtlichen Auflagen, um die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen. Größere Annahmehallen, Absauganlagen, Schallschutz an Trocknern und Gebläsen werden wichtiger.
• Bedienkomfort und Sicherheit: Bedienpersonal kommt oft aus berufsfremden Bereichen. Einfache Steuerungen, die Fehlerquellen minimieren, sind gefragt. Es fehlen bis heute vollständig automatisierte Trocknersteuerungen, die zuverlässig Feuchtigkeitsgehalte in Echtzeit messen. Gerade in größeren Anlagen wäre das wünschenswert, um Personal zeitlich zu entlasten.
Zudem müssen alle Komponenten (Feuchtgetreidezellen, Trockner, Lagerzellen, Kühltechnik) als Gesamtsystem verstanden und konzipiert werden, um die übliche Tagesdruschmenge in 24 Stunden verarbeiten zu können. Wer neu baut, sollte daher für einen reibungslosen Wechselbetrieb immer zwei Feuchtzellen installieren.
Energiesparende Trocknungsalternativen
Neben den bekannten Dächerschachtdurchlauftrocknern haben sich weitere Verfahren etabliert:
• Lagerbelüftungstrocknung: geeignet für Erntegüter bis 19 % Kornfeuchte. Das Korn wird in Endlager (etwa Flachlagerhalle, Rundsilo) auf 6 bis 6,5 m Höhe geschichtet und mit hoher Luftrate (60 bis 80 m³ Luft je 1 m³ Getreide in der Stunde) belüftet. Da das Verfahren vor allem das natürliche Wasseraufnahmevermögen der Luft nutzt, ist der Energiebedarf mit 0,6 bis 0,8 kWh/kg Wasserentzug sehr gering. Das Verfahren erfordert jedoch ein gleichmäßiges Einschichten und funktioniert mit stark feuchtem Korn (über 19 %) kaum.
• Silotrockner: Rührschnecken durchmischen das Korn in einem Rundsilo, das mit erwärmter Luft beaufschlagt wird. Damit lassen sich heterogene Erntegüter gut homogenisieren und überschüssige Feuchtigkeit abführen. Spezifische Energieverbräuche liegen in der Regel etwas höher (1,3 kWh/kg Wasserentzug), sofern intensiv erwärmt wird. Silotrockner sind gerade in Verbindung mit Nahwärmekonzepten (zum Beispiel Biogas) interessant. Allerdings ist diese Bauart häufig nicht für empfindliches Saatgut oder Braugerste geeignet, da durch das fehlende Rühren in den untersten Schichten eine Überhitzung auftreten kann.
Mais: Hohe Feuchtegehalte und Qualitätsfragen
Zunehmend wandert der Körnermaisanbau nach Norden, was die Trocknungsinfrastruktur vor neue Herausforderungen stellt. Körnermais wird nicht selten mit 25 % bis 35 % Kornfeuchte geerntet und muss zügig konserviert werden. Entsprechend hohe Trocknungsleistungen sind erforderlich. Große Dächerschachtdurchlauftrockner oder stationäre Silotrockner mit Dryeration-Konzept (Vor- und Nachtrocknung mit Zwischenlagerung) sorgen hier für hohe Effizienz. Allerdings kann übermäßiges Erhitzen auf mehr als 100 °C die Proteinverdaulichkeit negativ beeinflussen – relevant für Betriebe, die den Mais für Monogastrier wie Schweine oder Geflügel nutzen. Deshalb ist ein Kompromiss zwischen rascher Trocknung (Zeit- und Energieersparnis) und Erhalt der Futterqualität zu finden.
Betriebe, die keine ausreichende Trocknungstechnik haben, greifen unter Umständen auf Feuchtmaiskonservierung (Verschlauchung) zurück, um den Druschzeitpunkt flexibel zu halten. Anschließend kann der Mais bei Gelegenheit (und Kapazität) getrocknet werden, ohne wesentliche Qualitätsverluste zu riskieren.
Provisorische Lager und Schnelltrocknungszellen
Für gelegentlich höheren Trocknungsbedarf bieten sich Schnelltrocknungszellen als Ergänzung zur Lagerhalle an. Dabei gibt es zwei Grundprinzipien:
• Rundsilo-Prinzip mit Rührschnecken: aus dem klassischen Silotrockner abgeleitet, jedoch ebenerdig in eine Halle integriert und mit einem befahrbaren Belüftungsboden
• Schrägboden mit Düsenblechen: Das Erntegut wird über eine geneigte Fläche geschüttet, die Prozessluft strömt durch perforierte Bleche. Mischtraversen lassen sogar das Trocknen von Körnermais zu.
Beide Varianten ermöglichen eine zügige Trocknung (Satztrocknungsprinzip) und können flexibel in Hallen platziert werden. Sie eignen sich jedoch nicht für über 150 Trocknungsstunden pro Jahr als Ersatz für einen Großtrockner – vielmehr dienen sie als Puffer, um hohe Feuchten oder empfindliche Fruchtarten separat zu verarbeiten.
Lagerhygiene und Schädlingsprophylaxe
Einer der Hauptgründe für Qualitätsminderung im Lager sind Schadinsekten und Milben. Grundsätzlich spielt das Kühlmanagement eine entscheidende Rolle. Bei Temperaturen unter 10 °C sind Populationen kaum lebens- oder vermehrungsfähig. Dunkle Lager verhindern zudem, dass Vögel eindringen und Kot oder Milben einschleppen.
Prophylaktisch kann Kieselgur (fossiles Gesteinsmehl) auf der obersten Kornschicht ausgebracht werden. Nach rund zwei Wochen sterben Schädlinge ab, weil die Wachsschicht in den Gelenken des Chitinpanzers aufgerieben wird. Allerdings ist Kieselgur nicht unproblematisch für die Weiterverarbeitung in Mühlen, weshalb Einsatzmengen und Deklarationspflichten zu beachten sind. Grundsätzlich trägt auch eine Vorreinigung des Druschguts entscheidend zur Schädlingsminimierung bei, indem Bruch- und Schmachtkörner ausgesiebt werden.
Eigene Anlage versus Fremdlagerung
Landhändler fahren vielerorts ihre Lagerkapazitäten zurück. Wer weiterhin flexibel sein will, steht oft vor der Entscheidung, eine neue Getreideanlage zu errichten oder bestehende Strukturen zu modernisieren. Für eine Investitionsentscheidung sind diverse Faktoren zu beachten:
• Betriebsgröße und -wachstum: Getreideanlagen sind langfristige Investitionen mit einer Nutzungsdauer von 30 Jahren und mehr. Eine zu klein dimensionierte Anlage kann den Erntefortschritt ausbremsen.
• technische Anforderungen und Auflagen: Größere Anlagen unterliegen strengeren Emissions- und Brandschutzrichtlinien.
• Betriebsorganisation: Eine eigene Anlage sichert Logistik- und Qualitätsvorteile, erfordert aber auch Personal, Wartungsaufwand und Fachwissen.
Wer den Neubaubedarf überschlägt, kalkuliert in der Praxis häufig mit einem Kennwert von rund 270 €/m3 Silo beziehungsweise 350 €/t Lagerkapazität (netto, inklusive aller Gewerke). Während Anlagen ab etwa 4.000 t Lagervermögen meist wirtschaftlich sind, sollten kleinere Betriebe genau prüfen, ob es sich rechnet oder eine Kooperation (etwa überbetriebliches Lager) sinnvoll wäre.
Zukunft: Energieeffizienz und Systemkopplungen
Angesichts steigender Energiekosten und der Forderung, fossile Brennstoffe zu reduzieren, gewinnen Konzepte an Bedeutung, die Lagerbelüftungstrocknung mit thermischen Trocknungssystemen kombinieren. Während Durchlauftrockner den Großteil der Feuchte abführen, kann das Endprodukt via Lagerbelüftung auf die gewünschte Handelsfeuchte abgesenkt werden. Der Energieverbrauch halbiert sich im Vergleich zu reinen Hochtemperaturverfahren, zumal die Lagerbelüftung nahezu vollständig mit Strom betrieben werden kann, perspektivisch auch vollständig aus Erneuerbaren Energien.
Für einzelne Betriebe mit Biogasanlage ist die Nutzung von Abwärme bereits heute gang und gäbe. Dieses Konzept kann jedoch nur so lange erfolgreich umgesetzt werden, wie die Biogasanlage am Netz ist und ausreichend Wärme liefert. Auch Hackschnitzel, Holzpellets oder andere Biomasse können als Primärenergiequelle dienen – hier stehen meist Fragen der Amortisierung und Zuverlässigkeit im Vordergrund.
Getreidelagerung und -trocknung bleiben ein Kernthema der landwirtschaftlichen Praxis, insbesondere vor dem Hintergrund steigender Betriebsgrößen, schwindender Lagerkapazitäten im Landhandel sowie immer extremerer Witterungsverläufe. Betriebe müssen sich flexibel auf verschiedene Feuchten und Fruchtarten einstellen und zugleich in moderne Anlagentechnik investieren, um Staub-, Lärm- und Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden.
Ob Neubau, Modernisierung oder Zwischenlösungen: Eine sorgfältige Planung ist entscheidend. Feuchtgetreidemanagement (einschließlich Schwitzprozessen), effiziente Trocknungsverfahren und gut durchdachte Belüftungskonzepte senken den Energiebedarf und erhöhen die Qualität des Lagerguts. So kann die eigene Getreideanlage zu einem wichtigen Baustein für die wirtschaftliche und nachhaltige Betriebsführung werden – und das nicht nur in küstennahen Regionen, sondern gleichermaßen im Landesinneren, wo sich die Logistik- und Lageranforderungen stetig wandeln. Letztlich ist jede Anlage nur so gut wie das dahinterstehende Management. Kontinuierliche Weiterbildung, regelmäßige Wartung und die Bereitschaft, das System an neue Rahmenbedingungen anzupassen, sind die Schlüssel zum Erfolg.
Fazit
Getreidelagerung und -trocknung stehen vor tiefgreifenden Veränderungen, getrieben durch den Rückzug des regionalen Landhandels, steigende betriebliche Anforderungen und extreme Witterungsbedingungen. Landwirtschaftliche Betriebe in Schleswig-Holstein übernehmen zunehmend Verantwortung für die Konservierung und Lagerung ihrer Ernte, was moderne, flexible und energieeffiziente Lösungen erfordert. Regionale Unterschiede, wie hohe Erntefeuchten an der Küste oder Kühlbedarf im Binnenland, stellen unterschiedliche logistische und technische Herausforderungen dar. Moderne Trocknungs- und Lagerkonzepte wie Lagerbelüftungstrocknung, vor allem auch in der Systemintegration mit bestehenden Anlagen, bieten Energieeinsparpotenziale von 25 bis zu 50 % und ermöglichen eine bessere Anpassung an schwankende Feuchtegehalte. Provisorische Zwischenlager und Schnelltrocknungszellen bieten Flexibilität, erfordern jedoch striktes Feuchtemanagement, um Qualitätsverluste zu vermeiden. Neue Anlagen müssen nicht nur hohe technische Standards erfüllen, sondern auch durch geringe Staub- und Lärmemissionen sowie intuitive Steuerungen überzeugen, um Mitarbeiter zu entlasten und gesetzliche Auflagen einzuhalten. Investitionsentscheidungen zwischen Eigenlagerung und Fremdlagerung hängen von Betriebsgröße, Wachstumsperspektiven und langfristiger Wirtschaftlichkeit ab. Innovative Ansätze wie die Kopplung mit Biogasanlagen oder die Nutzung Erneuerbarer Energien für Belüftungssysteme gewinnen an Bedeutung, um Energiekosten und CO2-Emissionen zu senken. Entscheidend für den Erfolg bleiben ein durchdachtes Feuchtgetreidemanagement, regelmäßige Wartung und kontinuierliche Weiterbildung. Nur so können Betriebe die Herausforderungen des Wandels meistern und ihre Getreideanlagen zu einem zentralen Baustein für eine nachhaltige und wirtschaftliche Zukunft machen.