„Wir fahren mit leeren Lkw durchs Land“, so beschreibt ein Viehhändler die aktuelle Situation im Handel mit Schlachtrindern und Kälbern. Obwohl schon mehrmals ein Ende des Anstiegs der Notierungen prophezeit wurde, sind die Kurse für Kälber und Schlachtrinder weiter gestiegen. Die Gründe für das knappe Angebot sind vielfältig. Gerade auf den Rinder haltenden Betrieben zeigt sich ein starker Strukturwandel. Mangels Nachfolger wird die Rinderhaltung oft eingestellt. Dazu kommen die Auswirkungen der Blauzungenkrankheit. Dadurch hat sich nicht nur die Milchleistung reduziert, es werden auch auffallend wenig Kälber geboren. Ein weiterer Grund ist, dass eine erhöhte Zwischenkalbezeit die Kälberzahlen verringert. Im Schlachtrinderhandel hat sich aktuell die Situation nochmals verschärft, da viele Betriebe Schlachtvieh bis zum Wechsel des Wirtschaftsjahres am 1. Juli zurückhalten.
Unterschiedliche Preisaufschläge
Die aktuellen Kurse für männliche und weibliche Schlachtrinder liegen durchweg um 2 €/kg über dem Niveau der Vorjahreswoche. Damit werden neue Dimensionen erreicht. Für P-Kühe werden zum Beispiel 5,40 €/kg gezahlt. Dies ist ein Preis, der vor Jahresfrist nicht einmal für R-Jungbullen geboten wurde. In einigen Regionen werden sogar Preise gezahlt, die über den vereinbarten Preisempfehlungen liegen. Vor allem in Süddeutschland sind Schlachtkühe sehr knapp und teuer. Besonders die Aufschläge für die Haltungsstufen fallen sehr unterschiedlich aus. Die Nachfrage nach Rindfleisch im LEH leidet unter dem hohen Preisniveau. Dies betrifft vor allem den Absatz der hochwertigen Teilstücke vom Rind, während die günstigen Artikel immer noch Absatz finden. Obwohl die Schlachtbetriebe über eine geringe Handelsspanne klagen, herrscht ein regelrechter Preiskampf um das knappe Lebendviehangebot. Auch EU-weit wird von einem geringen Rinderangebot und ungewöhnlich hohen Preisen berichtet. Die Importe aus den Nachbarländern sind deutlich zurückgegangen und können die knappe Angebotslage hierzulande nicht ändern. Die hiesigen Schlachtunternehmen beobachten die aktuelle Lage mit Sorge und warnen vor einem Heißlaufen des Marktes. Ihrer Ansicht nach kann sich der Handel schnell wieder drehen, zum Beispiel wenn nach dem 1. Juli das Angebot wieder zunimmt und der Fleischabsatz durch den Beginn der Ferienzeit zurückgeht.
Angebot bleibt klein
Die Anzahl der Milchkühe ist bundesweit über Jahrzehnte gesunken. In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Zahl bundesweit um eine Million auf 3,6 Millionen im November 2024 verringert. In Schleswig-Holstein gab es zu diesem Zeitpunkt noch 324.000 Milchkühe. Dies ist ein Rückgang um 5 % gegenüber der Vorjahreszählung. Durch das knappe Milchkuh-Angebot sind auch die Preise für Nutzkälber deutlich heraufgesetzt worden. So werden für schwarzbunte Bullenkälber zum Teil über 400 € geboten. Belgische Kreuzungskälber liegen im Kurs mittlerweile jenseits der 800 €. Bei solchen Preisen für Einstalltiere werden viele Mastbetriebe nervös und reduzieren die Nachfrage. Somit ist fraglich, ob die Kurse noch viel Luft nach oben haben. Insgesamt geht man auch weiterhin von einem knappen Rinderangebot aus. Der rückläufige Milchkuhbestand deckelt das gesamte Rinderaufkommen. Neue Investitionen werden durch hohe Baukosten und Auflagen gebremst. Vielfach wird eher in Arbeitserleichterung wie Melkroboter oder Fütterungstechnik investiert als in neue Ställe. Daher ist aktuell kaum zu erwarten, dass das hohe Preisniveau mittelfristig eine Ausweitung der Rindfleischproduktion bewirkt.