Im Osten hat Russland seit dem 24. Februar 2022 ein Fünftel der Ukraine besetzt und unter seine Verwaltung gebracht. Unter den Kriegsfolgen leidet das ganze Land. Das tägliche Leben funktioniert noch weitgehend, aber die wirtschaftlichen Folgen sind groß. Der Wachstumseinbruch um 29 % im ersten Kriegsjahr ist noch immer spürbar.
Die Kriegskosten haben im vorigen Jahr 58 % des Staatshaushaltes aufgefressen. Das waren alle Einnahmen, die die Ukraine etwa durch Steuern, Zölle oder andere Abgaben selbst erhoben hat, dazu zählen in einem hohen Maß auch Agrarexporte. Alle zivilen Ausgaben werden hingegen „auf Kosten ausländischer Finanzhilfe“ getätigt. Der Agrarexport ist für die Ukraine nach wie vor der Hauptdevisenbringer. Im Jahr 2024 erwirtschaftete das Land mit der Ausfuhr von Agrargütern und Lebensmitteln eine Gesamtsumme von 24,7 Mrd. US-$ (23,8 Mrd. €); das waren fast 60 % aller Deviseneinnahmen. Im Jahr 2021, also vor Ausbruch des Krieges, war zwar die Summe der Erträge aus Agrarexporten mit 27,7 Mrd. US-$ (26,7 Mrd. €) höher. Allerdings lag damals deren Anteil an den gesamten Exporterlösen nur bei 40,7 %. Das geht aus einem Bericht hervor, der jetzt vom Kiewer Landwirtschaftsministerium vorgelegt wurde.
Zu viele Agrarexporte gehen in die EU
Kritisch sieht das Ministerium den hohen Anteil der EU an den gesamten Agrar- und Lebensmittelexporten. Seit Beginn des Krieges habe dieser nicht mehr unter 50 % gelegen; 2024 waren es 52 %. Der Grund seien Probleme bei der Verschiffung über das Schwarze Meer, wodurch der Zugang zu den traditionellen Drittlandsmärkten deutlich erschwert worden sei.
Das Agrarressort gibt in seinem Bericht auch einen Ausblick auf die Produktion und die Exportmöglichkeiten für die wichtigsten Agrarprodukte im laufenden Wirtschaftsjahr 2024/25. Beim Weizen wird mit einem Gesamtaufkommen von 22,7 Mio. t gerechnet, womit die Vorjahresmenge um 2 % übertroffen würde. Dennoch dürften die Weizenexporte nach Schätzung des Ministeriums die Vorjahresmenge mit rund 16,8 Mio. t um 10 % deutlich unterschreiten. Begründet wird dies mit dem erfolgten Abbau von Beständen aus früheren Ernten, da es mittlerweile gelungen sei, einen eigenen Exportseeweg über das Schwarze Meer einzurichten.
Rückläufige Agrarexporte werden erwartet
Erheblich geringer als im Vorjahr wird nach Schätzung des Agrarressorts auch die Ausfuhr von Sonnenblumenöl ausfallen. Das Exportvolumen wird mit 4,7 Mio. t angegeben, was im Vorjahresvergleich ein Minus von 26 % wäre. Hier wird als Grund ebenfalls eine geringe Produktion genannt, die das Vorjahresniveau um 24 % unterschreiten dürfte. Das Exportpotenzial von Sonnenblumensaat wird bei 11,2 Mio. t gesehen.
Im neuen Jahr droht Kiew eine Haushaltslücke von 12,8 Mrd. US-$, wie Berlin Economics für das Zentrum Liberale Moderne ausgerechnet hat. Die Ukraine brauche das Geld, um den Abwehrkampf gegen Russland fortzusetzen und sich auf den späteren Wiederaufbau vorzubereiten. Unklar ist, inwieweit die von Präsident Donald Trump verfügte Einstellung von US-Finanzhilfen das Kiewer Haushaltsloch vergrößert. Wie der Wiederaufbau bezahlt werden soll, ist auch offen. Die Weltbank hatte die Kriegsschäden vor einem Jahr auf knapp eine halbe Billion Dollar beziffert. age, mbw
Ukraine und Ägypten wollen Agrargeschäfte ausdehnen
Die Ukraine sucht den wirtschaftlichen Schulterschluss mit Ägypten. Die Möglichkeit eines Freihandelsabkommens zwischen beiden Ländern stand am Montag voriger Woche auf der Themenliste beim Kairo-Besuch einer ukrainischen Delegation unter Leitung von Landwirtschaftsminister Vitaliy Koval.
Gesprochen wurde über die Vereinfachung des Zahlungsverkehrs und die Beseitigung administrativer Hindernisse im Agrarhandel. Koval unterstrich die Rolle Ägyptens als Tor zu mehr als 1,3 Milliarden Verbrauchern in Afrika und der arabischen Welt. Ägypten sei schon heute einer der größten Importeure ukrainischer Agrarprodukte. Für die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit sei es wichtig, Beschränkungen zu beseitigen, die Finanztransaktionen erschwerten.
Der ägyptischen Finanzminister Ahmed Kutschuk signalisierte Unterstützung für die Initiative der Ukraine. Zur Sprache kam auch die Notwendigkeit eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen beiden Ländern. Dies würde den gegenseitigen Handel nicht nur günstiger, sondern auch transparenter machen, hieß es.
Mitglied der Delegation war Serhij Tkachuk, Leiter des Staatlichen Dienstes für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz. Nach seinen Angaben will die Ukraine vorrangig Absatzwege für Milch, Eier, Fleisch- und Fischprodukte sowie Tiernahrung und Kleinvieh nach Ägypten frei machen. Zudem soll die Lieferliste für Obst und Gemüse erweitert werden. Im vergangenen Jahr wurden rund 3,33 Mio. t Mais, 2,88 Mio. t Weizen, 745.000 t Sojabohnen und 16.100 t Gerste nach Ägypten geliefert.
Bereits vor zwei Jahren haben die Ukraine und Ägypten darüber diskutiert, ihre Zusammenarbeit im Agrarsektor zu vertiefen. Damals hatte Kairo Interesse an der Einrichtung einer Logistikdrehscheibe für die Getreideversorgung bekundet. age