Schleswig-Holstein will 2040 erstes klimaneutrales Industrieland werden. Am vorigen Donnerstag wurde vom Landesumweltministerium (MEKUN) das Klimaschutzprogramm 2030 veröffentlicht und als zentrales Projekt auf dem Weg in eine emissionsfreie Zukunft deklariert. Damit erfüllt die schwarz-grüne Regierungskoalition einen Teil ihrer Koalitionsvereinbarungen aus dem Jahr 2022.
Die schwarz-grüne Regierung in Schleswig-Holstein bekennt sich dazu, ihre politische Arbeit auf die Erreichung eines Pfades zur Klimaneutralität auszurichten, der die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ermöglichen soll. Schleswig-Holstein soll das erste klimaneutrale Industrieland werden und dieses Ziel bis 2040 erreichen, so steht es im Koalitionsvertrag. Dieses Ziel werde im Energiewende- und Klimaschutzgesetz (EWKG) festgehalten und man werde außerdem eine Schärfung der Klimaziele auf Bundesebene unterstützen, heißt es weiter.
In den jetzt vorliegenden Maßnahmenplänen beschreiben die verantwortlichen Ministerien, mit welchen Instrumenten im Land und auf Bundesebene die im Bundesklimaschutzgesetz festgelegten Treibhausgasminderungen erreicht werden sollen. Dazu sagte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne): „Die vergangenen Jahre haben uns gezeigt: Immer neue Ziele aufzustellen, rettet das Klima nicht. Wir brauchen konkrete Instrumente.“
Einsparpotenzial in allen Bereichen
Unter Annahme eines optimistischen Szenarios könnte die bis 2030 geplante Senkung der Treibhausgas (THG)-Emissionen der Landwirtschaft Schleswig-Holsteins erreicht werden. Laut Klimaschutzprogramm 2030 der Landesregierung könnten durch ein optimiertes Fütterungs- und Herdenmanagement in der Milchviehhaltung sowie technologische Anpassungen in der Wirtschaftsdüngerverfahrenskette bis zum Jahr 2030 weitere 596.000 t CO2-Äquivalente in der Tierhaltung eingespart werden.
Im Pflanzenbau liegt das Einsparpotenzial dem Landwirtschaftsministerium zufolge durch geringere Stickstoff (N)-Überschüsse, eine angepasste Fruchtfolgegestaltung sowie die grundwassernahe Moorbewirtschaftung bei 229.000 t CO2-Äquivalenten.
Voraussetzung, damit das Klimaschutzziel erfüllt wird, ist laut Ressort aber, dass alle erforderlichen zusätzlichen Maßnahmen umgesetzt und effizient von den Rahmensetzungen auf Bundes- und EU-Ebene flankiert werden. Dazu zählt für Kiel, dass die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) über die Strategiepläne wesentliche Beiträge zum Klimaschutz leistet und diese Maßnahmen auch effizient sind. Die GAP nach 2027 müsse noch wirksamere Anreize zur Reduktion der THG-Emissionen aus der Viehhaltung und aus Düngemitteln sowie für die Wiedervernässung respektive Wiederherstellung entwässerter organischer Böden bieten beziehungsweise andere Ansätze für eine klimaeffiziente Landwirtschaft schaffen, heißt es in dem Maßnahmenplan. Letztlich gehe es um die Honorierung von gesellschaftlichen Leistungen, die über den Markt nicht bezahlt würden, so wie es auch die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) gefordert habe.
Kompetenzzentrum soll Lösungen finden
Ressortchef Werner Schwarz (CDU) stellte fest, dass dabei verschiedene Faktoren wie etwa Optimierungen im Pflanzenbau und in der Tierhaltung, aber auch die nachhaltige Moorbewirtschaftung eine wichtige Rolle spielten. Um Lösungen hierfür zu entwickeln und den Wissenstransfer in die Fläche zu beschleunigen, will der Minister ein Kompetenzzentrum für klimaeffiziente Landwirtschaft schaffen. „Wir wollen dafür sorgen, dass unsere landwirtschaftliche Produktion auch in Zeiten des Klimawandels nachhaltig gelingt und sichergestellt ist“, betonte Schwarz.
Die geplante Senkung der Lachgasemissionen will das Landwirtschaftsministerium durch den Einsatz N-effizienter Kulturen und Sorten, Fruchtfolgeoptimierung, N-effiziente Fruchtfolgen, die Reduzierung von Nährstoffüberschüssen durch eine bedarfsangepasste Düngung und Substitution von Mineraldüngern durch Wirtschaftsdünger, die Optimierung des Wirtschaftsdüngereinsatzes, den Einsatz verlustmindernder Lager- und Ausbringverfahren und die schnelle Einarbeitung von Wirtschaftsdüngern in den Boden erreichen. Hinzu kommt ein verbesserter Moorschutz. Die Methanemissionen sollen reduziert werden durch die gasdichte Lagerung von Wirtschaftsdüngern mit energetischer Methannutzung, ein optimiertes Weidemanagement, eine angepasste Fütterung der Rinder, die Erhöhung der Grundfutterverdaulichkeit in der Wiederkäuerhaltung sowie die Tierzüchtung. Hinsichtlich der Reduzierung der CO2-Emissionen und sonstigen Treibhausgase setzt das Kieler Agrarressort auf eine energieeffiziente Infrastruktur, nachhaltige Antriebssysteme im Ackerbau, die Digitalisierung und Precision-Farming sowie den Bodenkohlenstoff und Integrierte Landnutzungskonzepte.
1,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente
Das Klimaschutzprogramm gibt eine Einschätzung zur erzielbaren THG-Minderung pro Jahr bis 2030. Diese wird für den Sektor Landwirtschaft mit etwa 0,8 Mio. t CO2-Äquivalenten beziffert. Berücksichtige man die Koppeleffekte auf andere Bereiche wie etwa den Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) und den Industrie-Sektor, zum Beispiel durch die Reduktion von CO2-Emissionen aus Moorböden, die CO2-Bindung in landwirtschaftlich genutzten Mineralböden sowie den Rückgang des Mineraldüngerverbrauchs, könne sich der Beitrag der Landwirtschaft in der Summe auf 1,4 Mio. t CO2-Äquivalente erhöhen. Wenn nahezu alle genannten Maßnahmen umgesetzt würden, führe dies nach aktuellen Kalkulationen zu zusätzlichen jährlichen betriebswirtschaftlichen Kosten von 124 Mio. €. Diese Kosten sollten durch entsprechende Fördermaßnahmen, Forschung und Entwicklung sowie Beratung individuell bewertet und entsprechend maßnahmendifferenziert kompensiert werden, um die landwirtschaftlichen Betriebe bei diesem Anpassungsprozess zu begleiten.
Als Nächstes Klimakabinett und Bürgerrat
Aufbauend auf den jetzt veröffentlichen Maßnahmenplänen wird die Landesregierung den ersten Entwurf für das Klimaschutzprogramm 2030 erarbeiten und ihn im Rahmen eines Klimakabinetts am Ende des Jahres vorstellen. Dann startet die Phase der öffentlichen Beteiligung und Stellungnahmen. Erstmals soll ein Bürgerrat Klima tagen, in dessen Rahmen ausgeloste Bürgerinnen und Bürger die klimapolitische Agenda des Landes diskutieren und eigene Vorschläge einbringen. Der danach überarbeitete zweite Entwurf zum Klimaschutzprogramm soll im Sommer 2024 vorgestellt werden. Die Landesregierung strebt die Verabschiedung des Programmes im Herbst kommenden Jahres an.age, mbw




