Die Sommerbaustelle auf der Jomsburg in Dänisch-Nienhof, Kreis Rendsburg-Eckernförde, ist in vollem Gange. Freireisende Gesellen helfen den Jomsburg-Pfadfindern bei der Sanierung des in die Jahre gekommenen Gebäudes.
Die Dachstühle auf dem Wehrgang und den beiden Burgtürmen der Jomsburg stehen. Immer wieder halten Autofahrer an, um den Baufortschritt auf der Burg zu fotografieren. Denn die beiden Türme und der Wehrgang sind gut von der Straße aus einzusehen.
Nebenan liegen 10.000 Dachpfannen und warten darauf, auf die Dachlatten gehängt zu werden. Die Dachpfannen sind eine Spende der Firma Braas. 20 Jahre muss ein Unternehmen nach Einstellung der Produktion einer bestimmten Partie Ersatz vorhalten. Diese 20 Jahre sind verstrichen, wovon die Jomsburg-Pfadfinder jetzt profitieren. Gespendet wurden aber nicht nur Dachpfannen, sondern auch Dachlatten, Transportleistungen, Lebensmittel für die Verpflegung der Gesellen, Zahnpasta und Zahnbürsten. Eine Großbäckerei aus der Nähe liefert Brötchen, Brot und Kuchen ohne Rechnung. Ein Hühnerhof liefert Eier und Suppenhühner, ebenfalls ohne Rechnung.
Das Gut Birkenmoor stellte kostenfrei Land für den Gemüseanbau zur Verfügung (siehe Ausgabe 18 vom 6. Mai 2023). Ein örtlicher Bäckermeister half einer Lehmbauerin auf der Walz beim Bau eines Lehmbackofens. Benachbarte Pfadfindergruppen liehen Zelte aus. Pfadfindereltern und Ehemalige spendeten 40.000 €. Überall stießen die Pfadfinder und die Gesellen auf Offenheit und Großzügigkeit. Die Aktivregion Eckernförder Bucht fördert das Projekt mit 71.000 €. Darin enthalten sind unter anderem Projekt- und Architektenkosten, Kosten für das Brandschutzkonzept, sowie Minijobs. Materialkosten werden nicht gefördert.
Die alte Burg war inzwischen in die Jahre gekommen. Der Sanierungsstau war groß und von einem so kleinen Verein nur schwer zu wuppen. Dann gab es den berühmten Sechser im Lotto. Die freireisenden Gesellen entschieden sich dafür, ihre Sommerbaustelle auf der Jomsburg einzurichten. Hier arbeiten die Gesellen vier Wochen lang nur für Kost und Logis, im Durchschnitt 80 junge Frauen und Männer, insgesamt mehr als 100, denn nicht alle können vier Wochen bleiben. Und: Es wird nicht nur saniert, sondern auch eine Freiluftküche und ein Lehmbackofen neu gebaut.
Seit September 2022 liefen die Vorbereitungen durch ein fünfköpfiges Orga-Team der Gesellen und durch die Pfadfinder. Mit dabei ist der fremde und freie Tischlergeselle Locke. Seit dreieinhalb Jahren ist er auf der Walz und will die fünf Jahre noch unbedingt voll machen. Die fremde und freie Zimmerin Anna-Lena ist seit 2020 auf der Walz. Die Mindestzeit von drei Jahren und einem Tag hat sie bereits geschafft, doch auch sie wird wohl länger unterwegs bleiben. „Es macht einfach unheimlich viel Spaß.“ Sowohl für Locke als auch für Anna-Lena ist es die erste Sommerbaustelle, die sie selbst mit organisieren.
Zum Tag der offenen Burg am 24. Juni, an dem gleichzeitig auch das Bergfest der vierwöchigen Sommerbaustelle und das Richtfest für die neuen Dächer gefeiert wurde, hatten die Jomsburger Pfadfinder einen prominenten Ehemaligen eingeladen: Vizeadmiral Jan C. Kaack, Inspekteur der Marine, verzierte seine Uniform mit einem Pfadfinderhalstuch und plauderte in seiner kurzweiligen Festrede aus dem Nähkästchen: „Im Grunde habe ich die ganze Kindheit auf der Burg verbracht”, verriet der 1962 geborene Jomsburger der ersten Stunde. „Was habt ihr aus der Burg gemacht! Da bekommt man Lust, wieder anzufangen.“ Bei den Jomsburg-Pfadfindern habe er Begeisterung erlebt und gelernt, Verantwortung zu übernehmen sowie bei Rückschlägen nicht gleich aufzugeben. Auch seine Frau habe er hier auf der Burg kennengelernt.
Nicht für jeden Gesellen gibt es die passende Arbeit auf der Burg. Aber so eine Sommerbaustelle ist auch dazu da, um über den eigenen Tellerrand zu schauen und von anderen zu lernen. Auch Arbeit außerhalb der Baustelle ist im Einzelfall möglich. So arbeiteten Gesellen vorübergehend auf einem Bauernhof in der Nähe und ließen sich den Lohn in Rindfleisch auszahlen. Eine Metzgerin bot einen Zerlegekurs für die fachfremden Gesellen an.
Bei der Sommerbaustelle treffen unterschiedliche Gewerke und Menschen aufeinander. In Doppelfunktion mit dabei ist Lasse. Er ist Jomsburg-Pfadfinder und Handwerker. Eine Tischlerlehre hat er erfolgreich abgeschlossen. Jetzt ist er im ersten Lehrjahr als Zimmerer. Bei der Sommerbaustelle hat er das neue Burgtor gebaut. Arne, fremder Goldschmied hat auf der Walz auch das „richtige“ Schmiedehandwerk kennengelernt und steht am Tag der offenen Tür am Schmiedefeuer, um den Gästen das alte Handwerk zu zeigen. Er wird die Beschläge für das Burgtor fertigen.
Charlie ist fremde und freie Holzbildhauerin und seit mehr als vier Jahren auf der Walz. Auf der Jomsburg sorgt sie dafür, dass die neu verbauten Balken nicht nur halten, sondern schön aussehen. Sie ist seit Pfingsten dabei und will bis zum Schluss bleiben. Der 16-jährige Jesse ist seit zehn Jahren bei dem Jomsburgern, allerdings beim Kieler Stamm. Dort ist er zusammen mit seinem Bruder für die Zelte und das übrige Material verantwortlich, das Pfadfinder für Zeltlager so brauchen. Am Tag der offenen Tür ist er zum ersten Mal auf der Sommerbaustelle. „Ich bin überrascht, wieviel in so kurzer Zeit schon entstanden ist.“
Info:
Der „Jomsburg – Freier Pfadfinderbund e.V.“ ist ein kleiner freier Pfadfinderverband – parteipolitisch neutral und konfessionell nicht gebunden – mit derzeit 60 aktiven Mitgliedern an den Standorten Eckernförde, Kiel und der Jomsburg. Mitmachen können Kinder ab sechs Jahren. Geleitet wird der Verein seit Dezember 2022 erstmals von einem Vorstand, der ausschließlich aus Frauen besteht. Vorsitzende ist die 20-jährige Studentin Jule Lüthje.
In der Regel endet die aktive Zeit bei den Jomsburgern wie bei allen Pfadfindern mit Mitte 20, denn bei den Pfadfindern gilt das Prinzip „Jugend führt Jugend“. Gruppenleiter sollen vom Alter her möglichst dicht am Alter der Gruppenmitglieder sein. Auch ehrenamtliche Vorstandspositionen werden in aller Regel mit jungen Menschen besetzt. Wer die 26 überschritten hat, verliert sein aktives Wahlrecht. So soll sichergestellt werden, dass junge Menschen lernen, früh Verantwortung zu übernehmen und dass die Ideen der jungen Leute im Verein zum Zuge kommen.
Der Sitz der Jomsburg-Pfadfinder ist die Jomsburg am Rande von Dänisch Nienhof. Sie wurde von 1975 bis 1988 von den Jomsburg-Pfadfindern in Eigenleistung erbaut. Während der „Jomsburg – Freier Pfadfinderbund e.V.“ für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zuständig ist, unterstützt der später gegründete „Jugendburg Jomsdorf e.V.“ den Pfadfinderbund, insbesondere bei burgbaulichen Fragen und Verpflichtungen.
Die Jomsburger Pfadfinder gehören zum Deutsche Pfadfinderverband (DPV) mit Sitz in Köln. Er vertritt die Interessen von zirka 29.000 Kindern und Jugendlichen, die in zwölf Mitgliedsverbänden organisiert sind. Die Jomsburger gehören innerhalb des DPV zu den kleineren Verbänden. Der DPV wiederum gehört zu den kleineren Pfadfinderdachverbänden in Deutschland. Er ist Mitglied im Deutschen Bundesjugendring. Die Jomsburg trägt den Namen einer historischen Wikingerburg aus dem 10. Jahrhundert n. Chr.